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Wie arbeitet die Steuerfahndung? (jede Menge Fragen...)

 
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Gast






BeitragVerfasst am: 12.06.05, 16:56    Titel: Wie arbeitet die Steuerfahndung? (jede Menge Fragen...) Antworten mit Zitat

Folgender Fall ist selbstverständlich rein fiktiv und absolut konstruiert -
ich würde einfach gerne einen Einblick in die Arbeitsweise der Steuer-
fahndung erhalten.

Mal angenommen, Person A erlangt durch Zufall Kenntnis, dass und wie
Person B in seinem Betrieb Steuern hinterzieht, indem er seine Umsätze
für das Finanzamt deutlich nach unten korrigiert. A will nun die Steuer-
fahndung einschalten. Über die Motive hierfür können wir nur spekulieren,
sie sollen hier auch nicht das Thema sein, ebensowenig die zweifellos
moralisch fragwürdige Vorgehensweise, die A in Erwägung zieht.

Er will aus verschiedenen Gründen seine Identität nicht preisgeben und
nimmt - über einen Anonymisierungsdienst weitgehend geschützt - per
e-Mail Kontakt mit dem Finanzamt auf und schildert relativ detailliert und
schlüssig die Vorgehensweise von B. bzw. dessen Buchhalterin, die
offensichtlich sehr gut informiert ist und vorsätzlich handelt. Gehen wir
davon aus, dass diese Vorgehensweise selbst bei einer Routineüberprüfung
des B durch das Finanzamt nicht unbedingt an den Tag kommen würde -
B und seine Buchhalterin sind ausgesprochen gerissen. Gehen wir weiterhin
davon aus, dass die Informationen, die A liefert, auf die Fahnder einen
stichhaltigen und nachvollziehbaren Eindruck machen.

Fragen hierzu:

- Wird die Steuerfahndung bei einer anonymen Anzeige - noch dazu per
Mail - überhaupt aktiv und wie lange wird es dauern, bis B Besuch vom
Finanzamt bekommt?

- Wie wird sie ggf. vorgehen, wenn sie relativ schnell zu der Überzeugung
kommt, dass die Anschuldigungen des A Hand und Fuß haben? Wird zunächst
eine normale Betriebsprüfung vorgenommen, oder muss B damit rechnen,
dass die Fahnder gleich mit einem Durchsuchungsbeschluss vor der Tür
stehen und seine Unterlagen und Rechner als Beweismaterial beschlagnahmen?

- Zu welchem Zeitpunkt der Ermittlungen wird ggf. ein Steuerstrafverfahren
eingeleitet - muss die Steuerhinterziehung hierfür erst nachgewiesen sein,
oder wird die Staatsanwaltschaft früher mit einbezogen?

- Angenommen, B wendet sich an seinen Anwalt, der sich um Akteneinsicht
bemüht - wird dann für B offensichtlich, dass die anonymen Mails des A für
die Einleitung der Fahndung ursächlich sind und erlangt er Kenntnis von
deren Inhalt?

- Inwiefern wird die Buchhalterin des Betriebes mit einer Anklage bzw.
Verurteilung rechnen müssen, oder wird hier ausschließlich der Inhaber
des Betriebes verantwortlich gemacht?

- Inwiefern wird die Steuerfahndung bzw. die Staatsanwaltschaft Interesse
an der Identität des A haben und welchen Aufwand wird sie betreiben, um
diese festzustellen?
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questionable content
FDR-Mitglied
FDR-Mitglied


Anmeldungsdatum: 14.02.2005
Beiträge: 6312
Wohnort: Mein Körbchen.

BeitragVerfasst am: 14.06.05, 13:56    Titel: Re: Wie arbeitet die Steuerfahndung? (jede Menge Fragen...) Antworten mit Zitat

mimi72 hat folgendes geschrieben::


Fragen hierzu:

- Wird die Steuerfahndung bei einer anonymen Anzeige - noch dazu per
Mail - überhaupt aktiv und wie lange wird es dauern, bis B Besuch vom
Finanzamt bekommt?

[quote="mimi72"]

Ja, Zeitraum gibt es keinen festen. Anonyme Hinweise sind eine der Hauptinformationsquellen der SF und werden - gerade bei detaillierten Angaben - auch sehr ernst genommen.
mimi72 hat folgendes geschrieben::

- Wie wird sie ggf. vorgehen, wenn sie relativ schnell zu der Überzeugung
kommt, dass die Anschuldigungen des A Hand und Fuß haben? Wird zunächst
eine normale Betriebsprüfung vorgenommen, oder muss B damit rechnen,
dass die Fahnder gleich mit einem Durchsuchungsbeschluss vor der Tür
stehen und seine Unterlagen und Rechner als Beweismaterial beschlagnahmen?



Aufgrund eines anonymen Hinweises gibts nur selten einen kompletten Durchsuchungsbefehl mit allem drum und dran.
mimi72 hat folgendes geschrieben::

- Zu welchem Zeitpunkt der Ermittlungen wird ggf. ein Steuerstrafverfahren
eingeleitet - muss die Steuerhinterziehung hierfür erst nachgewiesen sein,
oder wird die Staatsanwaltschaft früher mit einbezogen?


Anfangsverdacht.

mimi72 hat folgendes geschrieben::

- Angenommen, B wendet sich an seinen Anwalt, der sich um Akteneinsicht
bemüht - wird dann für B offensichtlich, dass die anonymen Mails des A für
die Einleitung der Fahndung ursächlich sind und erlangt er Kenntnis von
deren Inhalt?


Wenn die Mails zu den Akten genommen wurden. Wenn schon der Detailgrad der Angaben nur eine Person als Informanten zulässt, wird es sehr schwer werden, die Identität geheim zu halten. Dann sollte man die Informationen eher etwas vager halten.

mimi72 hat folgendes geschrieben::


- Inwiefern wird die Buchhalterin des Betriebes mit einer Anklage bzw.
Verurteilung rechnen müssen, oder wird hier ausschließlich der Inhaber
des Betriebes verantwortlich gemacht?

Auch Buchhalter werden strafrechtlich zur Rechenschaft gezogen.

mimi72 hat folgendes geschrieben::


- Inwiefern wird die Steuerfahndung bzw. die Staatsanwaltschaft Interesse
an der Identität des A haben und welchen Aufwand wird sie betreiben, um
diese festzustellen?


Das kommt darauf an, ob es irgendein rechtliches Interesse geben könnte, A aufzufinden. Wenn auch gegen A der Verdacht einer Straftat besteht: Großes. Wenn nicht - eher nicht.
_________________
Few people are capable of expressing with equanimity opinions which differ from the prejudices of their social environment. Most people are even incapable of forming such opinions.
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ao77
FDR-Mitglied


Anmeldungsdatum: 11.11.2004
Beiträge: 31

BeitragVerfasst am: 14.06.05, 16:19    Titel: Re: Wie arbeitet die Steuerfahndung? (jede Menge Fragen...) Antworten mit Zitat

Das Wesentliche hat 'questionable content' ja schon geschrieben. Winken
Was mir spontan noch einfällt:

mimi72 hat folgendes geschrieben::

...
- Wird die Steuerfahndung bei einer anonymen Anzeige - noch dazu per
Mail - überhaupt aktiv und wie lange wird es dauern, bis B Besuch vom
Finanzamt bekommt?


Wenn sie denn fundiert genug ist und keine umfangreichen Vorfeldermittlungen erforderlich macht, kann es auch sehr schnell gehen. Ist aber extrem von der jew. Fall-Belastung, der aktuellen Personalbesetzung und ein paar anderen Faktoren abhängig

mimi72 hat folgendes geschrieben::

- Wie wird sie ggf. vorgehen, wenn sie relativ schnell zu der Überzeugung
kommt, dass die Anschuldigungen des A Hand und Fuß haben? Wird zunächst
eine normale Betriebsprüfung vorgenommen, oder muss B damit rechnen,
dass die Fahnder gleich mit einem Durchsuchungsbeschluss vor der Tür
stehen und seine Unterlagen und Rechner als Beweismaterial beschlagnahmen?


In dem Fall wird man kaum mit einer normalen Bp starten. Entweder kombinierte Bp-/F-Prüfung (Bp macht steuerlichen Part, Steufa die strafrechtl. Ermittlungen) oder "normale" Fahndungsprüfung. Wenn feststeht, dass durchsucht wird/werden muss, wird die erste wesentliche Ermittlungshandlung die Durchsuchung sein!

mimi72 hat folgendes geschrieben::

- Zu welchem Zeitpunkt der Ermittlungen wird ggf. ein Steuerstrafverfahren
eingeleitet - muss die Steuerhinterziehung hierfür erst nachgewiesen sein,
oder wird die Staatsanwaltschaft früher mit einbezogen?


Voraussetzung für Ermittlungen ist ein eingeleitetes steuerstrafrechtliches Ermittlungsverfahren i. S. d. § 152 StPO ("zureichende tatsächliche Anhaltspunkte"), also der von 'questionable content' schon erwähnte "Anfangsverdacht".
Ein hinreichender Tatverdacht (also der Nachweis der Hinterziehung) ist erst für die Verurteilung bzw. anderweitige Bestrafung notwendig.
Wenn überhaupt, dann käme auch erst dann die Staatsanwaltschaft in´s Spiel (oder vorher, wenn´s ein Riesenfall mit großer Außenwirkung wäre). Ansonsten läuft das ausschließlich über Steuerfahndung (=Polizei) und Strafsachenstelle (=Staatsanwaltschaft)


mimi72 hat folgendes geschrieben::

- Angenommen, B wendet sich an seinen Anwalt, der sich um Akteneinsicht
bemüht - wird dann für B offensichtlich, dass die anonymen Mails des A für
die Einleitung der Fahndung ursächlich sind und erlangt er Kenntnis von
deren Inhalt?


Die Mails wären in dem Fall natürlich Bestandteil der Ermittlungsakte(n), für die der Verteidiger ein Akteneinsichtsrecht nach § 147 StPO hat.

mimi72 hat folgendes geschrieben::

- Inwiefern wird die Buchhalterin des Betriebes mit einer Anklage bzw.
Verurteilung rechnen müssen, oder wird hier ausschließlich der Inhaber
des Betriebes verantwortlich gemacht?


Wurde ja schon beantwortet => Beihilfetäterin oder sogar Mittäterin

mimi72 hat folgendes geschrieben::

- Inwiefern wird die Steuerfahndung bzw. die Staatsanwaltschaft Interesse
an der Identität des A haben und welchen Aufwand wird sie betreiben, um
diese festzustellen?


Wurde ebenfalls schon beantwortet.
B hat übrigens kein Recht auf Benennung des Anzeigenerstatters, dazu gibt´s ein ganz interessantes Urteil des BFH aus dem Jahr 1994.
Die Entdeckungsgefahr wäre für A hier aber ja ohnehin aufgrund des "Insiderwissens" gegeben.

In dem Sinne Cool
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Thodt
Interessierter


Anmeldungsdatum: 31.07.2005
Beiträge: 15

BeitragVerfasst am: 31.07.05, 20:41    Titel: Antworten mit Zitat

Entgegen landläufiger Meinung heißt es nicht Durchsuchungsbefehl sondern -beschluss.

Ob und in welcher Art und Weise die Steuerfahndung tätig wird, hängt (wie so oft) vom Einzelfall ab.

Ein Strafverfahren wird immer dann eingeleitet, wenn es hierfür einen entsprechenden Anfangsverdacht gibt. Dieseshängt bei anonymen Anziegen immer davon ab, wie gehaltvoll bzw. nachvollziehbar der angezeigte Sachverhalt ist.

An eine anonyme Anzeige sind in der Regel immer höhere Anforderungen geknüpft als an eine namentliche Anzeige, bevor die Steuerfahndung tätig wird.

Es gibt aber auch für die Steuerfahndung die Möglichkeit erst im Besteuerungsverfahren tätig zu werden. Hierbei hat sie die selben Rechte wie das "normale" Finanzamt.
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