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Verfasst am: 21.08.05, 15:11 Titel: Recht auf freie Meinungsäußerung?
Hallo!
Ich habe eine Verständnisfrage:
Der Artikel 5 des Grundgesetzes gestattet die freie Meinungsäußerung. Angenommen ich habe mich kritisch mit dem Holocaust auseinandergesetzt und in einer Diskussionsrunde werfe ich meine Gedanken ein.
Wie kann es sein, dass ein anderes Gesetz mir verbietet diese Meinung zu äußern? Ist das Grundgesetz nicht das wichtigste Gesetz, auf dem unsere Werte basieren?
Ich möchte gleich klarstellen, dass es mir nur um die rein sachliche Frage geht. Diese ergab sich kürzlich anlässlich einer Diskussion mit einem Freund, dessen Freund wiederum eine kritische Meinung gegenüber dem Holocaust äußerte. Ich habe gesagt, dass man mit solchen Äußerungen strafrechtlich verfolgt werden kann, worauf erauf besagten Artikel 5 verwies.
(1) Jeder hat das Recht, seine Meinung in Wort, Schrift und Bild frei zu äußern und zu verbreiten und sich aus allgemein zugänglichen Quellen ungehindert zu unterrichten. Die Pressefreiheit und die Freiheit der Berichterstattung durch Rundfunk und Film werden gewährleistet. Eine Zensur findet nicht statt.
(2) Diese Rechte finden ihre Schranken in den Vorschriften der allgemeinen Gesetze, den gesetzlichen Bestimmungen zum Schutze der Jugend und in dem Recht der persönlichen Ehre.
(3) Kunst und Wissenschaft, Forschung und Lehre sind frei. Die Freiheit der Lehre entbindet nicht von der Treue zur Verfassung.
§ 130 StGB hat folgendes geschrieben::
(1) Wer in einer Weise, die geeignet ist, den öffentlichen Frieden zu stören,
1. zum Haß gegen Teile der Bevölkerung aufstachelt oder zu Gewalt- oder Willkürmaßnahmen gegen sie auffordert oder
2. die Menschenwürde anderer dadurch angreift, daß er Teile der Bevölkerung beschimpft, böswillig verächtlich macht oder verleumdet,
wird mit Freiheitsstrafe von drei Monaten bis zu fünf Jahren bestraft.
(2) Mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder mit Geldstrafe wird bestraft, wer
1. Schriften (§ 11 Abs. 3), die zum Haß gegen Teile der Bevölkerung oder gegen eine nationale, rassische, religiöse oder durch ihr Volkstum bestimmte Gruppe aufstacheln, zu Gewalt- oder Willkürmaßnahmen gegen sie auffordern oder die Menschenwürde anderer dadurch angreifen, daß Teile der Bevölkerung oder eine vorbezeichnete Gruppe beschimpft, böswillig verächtlich gemacht oder verleumdet werden,
a) verbreitet,
b) öffentlich ausstellt, anschlägt, vorführt oder sonst zugänglich macht,
c) einer Person unter achtzehn Jahren anbietet, überläßt oder zugänglich macht oder
d) herstellt, bezieht, liefert, vorrätig hält, anbietet, ankündigt, anpreist, einzuführen oder auszuführen unternimmt, um sie oder aus ihnen gewonnene Stücke im Sinne der Buchstaben a bis c zu verwenden oder einem anderen eine solche Verwendung zu ermöglichen, oder
2. eine Darbietung des in Nummer 1 bezeichneten Inhalts durch Rundfunk, Medien- oder Teledienste verbreitet.
(3) Mit Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder mit Geldstrafe wird bestraft, wer eine unter der Herrschaft des Nationalsozialismus begangene Handlung der in § 6 Abs. 1 des Völkerstrafgesetzbuches bezeichneten Art in einer Weise, die geeignet ist, den öffentlichen Frieden zu stören, öffentlich oder in einer Versammlung billigt, leugnet oder verharmlost.
(4) Mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder mit Geldstrafe wird bestraft, wer öffentlich oder in einer Versammlung den öffentlichen Frieden in einer die Würde der Opfer verletzenden Weise dadurch stört, dass er die nationalsozialistische Gewalt- und Willkürherrschaft billigt, verherrlicht oder rechtfertigt.
(5) Absatz 2 gilt auch für Schriften (§ 11 Abs. 3) des in den Absätzen 3 und 4 bezeichneten Inhalts.
(6) In den Fällen des Absatzes 2, auch in Verbindung mit Absatz 5, und in den Fällen der Absätze 3 und 4 gilt § 86 Abs. 3 entsprechend.
Verfasst am: 21.08.05, 18:34 Titel: Re: Recht auf freie Meinungsäußerung?
Brainworkx hat folgendes geschrieben::
Hallo!
Ich habe eine Verständnisfrage:
Der Artikel 5 des Grundgesetzes gestattet die freie Meinungsäußerung. Angenommen ich habe mich kritisch mit dem Holocaust auseinandergesetzt und in einer Diskussionsrunde werfe ich meine Gedanken ein.
Wie kann es sein, dass ein anderes Gesetz mir verbietet diese Meinung zu äußern? Ist das Grundgesetz nicht das wichtigste Gesetz, auf dem unsere Werte basieren?
Ich möchte gleich klarstellen, dass es mir nur um die rein sachliche Frage geht. Diese ergab sich kürzlich anlässlich einer Diskussion mit einem Freund, dessen Freund wiederum eine kritische Meinung gegenüber dem Holocaust äußerte. Ich habe gesagt, dass man mit solchen Äußerungen strafrechtlich verfolgt werden kann, worauf erauf besagten Artikel 5 verwies.
Wer kann mir in dieser Angelegenheit Infos geben!
Vielen Dank!
Gruß
Brainworkx
Nur mal so zum besseren Verständnis:
Was ist denn eine "kritische Meinung gegenüber dem Holocaust"?
Ich stehe dem Holcaust nicht nur sehr kritisch gegenüber, sondern ich halte ihn für eines der erschütternsten Verbrechen der Menschehitsgeschichte.
Ich habe bisher immer gedacht, dass eine zustimmende "Meinung zum Holcaust" verboten ist, weil sie das Andenken an die Opfer dieses Massenmordens verhöhnt.
Holcaust ist doch nicht ein Denkmal, sondern ein Vorgang, an den z.B. das Denkmal in Berlin erinnern soll. Aber das ist wohl die zwangsläufige Folge aus solchen steinernen, totoen Denkmälern, dass sie jetzt schon für die Sache selbst gehalten werden.
Und zu der Frage: Man muß sich in einer freien Gesellschaft immer mit jeder Meinung auch kritisch auseinandersetzen können. Auch das hat aber seine Grenzen vor der Achtung der Gefühle und Einstellungen der anderen. Das, was jetzt unter so einem zur Formel gewordenen Begriff wie Holocaust zusammengefaßt ist, ist für viele Menschen ein abgrundtiefes Taruma. Sei es für die Überlebenden der Vernichtungsaktionen oder sei es für deren Nachkommen, die die Überlebenden noch als Eltern oder Großeltern mit ihrem Trauma und ihrem Schmerz erlebt haben. In Anbeetracht der Verantwortung, die Deutschland für diese Ereignisse hat, halte ich es für vertretbar und geboten, die Freiheit der Meinungsäußerung hier in einem bestimmten Umfang einzuschränken.
Wenn einer die Gewaltherrschaft oder Massendeportation eines antiken Despoten billigt oder gar verherrlicht (falls es die gab), dann verletzt das niemanden . Für die nationalsozialistische Gewalt- und Willkürherrschaft uhnd deren Folgen gilt das nicht in gleicher Weise. Darauf Rücksicht zu nehmen, ist ein Stück historische Verantwortung.
Übrigens: Es wird ja auch nicht bestraft, wer z.B. den Nazi-Faschisten bestätigt, dass sie in bestimmten Bereichen etwas Positives geleistet haben. Ein sehr eindrucksvolles Beispiel sind Sebastian Haffners "13. Thesen zu Hitler". Das ist eine der brillantesten Analysen der Politik dieses Massenmörders, die man jedem dringend zur Lektüre empfehlen kann und die wirklich frei von jedem Verdacht ist, etwa "die nationalsozialistische Gewalt- und Willkürherrschaft zu billigen, zu verherrlichen oder zu rechtfertigen".
Damit sollte klar sein, was das Gesetz meint. _________________ K. Wisser
Zuletzt bearbeitet von Klaus Wisser am 21.08.05, 19:55, insgesamt 1-mal bearbeitet
Anmeldungsdatum: 25.09.2004 Beiträge: 15339 Wohnort: Rom
Verfasst am: 21.08.05, 19:39 Titel: Re: Recht auf freie Meinungsäußerung?
Klaus Wisser hat folgendes geschrieben::
Nur mal so zum besseren Verständnis:
Was ist denn eine "kritische Meinung gegenüber dem Holocaust"?
Vermutlich der Zweifel, ob er stattgefunden habe. Das kommt jedenfalls häufiger vor als eine zustimmende Haltung. Der Fragesteller gehört wohl auch zu denen, die meinen, solche Ansichten unterfallen den Freiheiten des Art. 5 GG. _________________ DefPimp: Mein Gott
Biber: Nö, war nur M.A.S. Aber hier im Forum ist das schon ziemlich dicht dran.
War mein Beitrag hilfreich? Bewerten Sie ihn durch Klick auf die grünen Punkte links unter meinem Namen.
Verfasst am: 21.08.05, 19:54 Titel: Re: Recht auf freie Meinungsäußerung?
Michael A. Schaffrath hat folgendes geschrieben::
Klaus Wisser hat folgendes geschrieben::
Nur mal so zum besseren Verständnis:
Was ist denn eine "kritische Meinung gegenüber dem Holocaust"?
Vermutlich der Zweifel, ob er stattgefunden habe.
Das wäre dann ja wirklich nur noch die Frage, ob man sich auf die Freiheit erlauben darf, mit offenkundiger Unwahrheit andere zu provozieren, also wissend, dass es sie verletzt, eine Behauptung aufzustellen, von der man weiß, dass sie unwahr ist.
Daran würde noch deutlicher, dass die Meinungsfreiheit zwar auch das Recht umfaßt, offenkundige Wahrheiten in Abrede zu stellen, dies seine Grenzen aber dort findet, wo damit die schützenswerten Rechte anderer bewußt und vorsätzlich verletzt werrden sollen und die Äußerung auch nur diesen Zweck verfogt. _________________ K. Wisser
Verfasst am: 22.08.05, 17:39 Titel: Frage war offenbar nicht päzise Genug
Hallo!
Also, dem Verfasser ging es lediglich darum, zu eruieren, ob das Strafgesetz (oder auch ein Anderes) über unserem Grundgesetz steht. Das ist alles.
Ich hätte auch ein anderes Beispiel nehmen können, nur leider ist mir kein Adäquates eingefallen. Im Gespräch ergab es sich eben so.
Ich entschuldige mich, sollte die Frage nicht präzise genug gestellt worden sein. Ich ahnte aber schon, dass dieses Thema zu einer politischen Grundsatzdiskussion ausarten würde.
Sorry, falls ich bei einigen Lesern den Anschein erweckt haben sollte ich würde mit den damaligen Geschehnissen sympathisieren. Ich distanziere mich von diesen verabscheuungswürdigen Taten ausdrücklich!
Anmeldungsdatum: 25.09.2004 Beiträge: 15339 Wohnort: Rom
Verfasst am: 22.08.05, 20:52 Titel: Re: Frage war offenbar nicht päzise Genug
Brainworkx hat folgendes geschrieben::
Also, dem Verfasser ging es lediglich darum, zu eruieren, ob das Strafgesetz (oder auch ein Anderes) über unserem Grundgesetz steht.
Wie schon erwähnt wurde, bestimmt das Grundgesetz selbst, welche seiner Artikel durch ein Bundesgesetz eingeschränkt werden dürfen und wie. So gesehen steht das StGB hier nicht "über dem GG", sondern es schränkt das GG in dem durch dieses vorgegebenen Rahmen ein. _________________ DefPimp: Mein Gott
Biber: Nö, war nur M.A.S. Aber hier im Forum ist das schon ziemlich dicht dran.
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... wobei der Gesetzgeber natürlich nicht uneingeschränkt das Grundrecht einschränken darf. Ich denke, der genannte §130 StGB ist zumindest in Teilen nicht ganz unkritisch in dieser Hinsicht. Vielleicht kennt da jemand Entscheidungen/Leitsätze des BVerfG zu diesem Thema (also Art. 5 GG allgemein, §130 StGB im Speziellen)? Das würde mich einmal interessieren. _________________ An die vielen Fragesteller, die sich über Antworten von "questionable content" aufregen: qc schreibt nicht nur sehr viele, sondern auch durchgehend sehr gute Beiträge.
Verfasst am: 22.08.05, 23:20 Titel: Re: Frage war offenbar nicht päzise Genug
Brainworkx hat folgendes geschrieben::
Hallo!
Also, dem Verfasser ging es lediglich darum, zu eruieren, ob das Strafgesetz (oder auch ein Anderes) über unserem Grundgesetz steht. Das ist alles.
Ich hätte auch ein anderes Beispiel nehmen können, nur leider ist mir kein Adäquates eingefallen. Im Gespräch ergab es sich eben so.
Ich entschuldige mich, sollte die Frage nicht präzise genug gestellt worden sein. Ich ahnte aber schon, dass dieses Thema zu einer politischen Grundsatzdiskussion ausarten würde.
Sorry, falls ich bei einigen Lesern den Anschein erweckt haben sollte ich würde mit den damaligen Geschehnissen sympathisieren. Ich distanziere mich von diesen verabscheuungswürdigen Taten ausdrücklich!
Gruß und nichts für ungut!
Brainworkx
Für Fragen muß man sich nicht entschuldigen. Wo sind wir denn?
Ich habe mir nur die Freiheit genommen, auch eine Frge zu stellen.
@floh2:
Zitat:
BVerfGE 90, 241 - Auschwitzlüge
Zur Frage, ob die Anwendung von § 5 Nr. 4 des Versammlungsgesetzes auf Versammlungen, in denen eine Leugnung der Judenverfolgung zu erwarten ist, gegen Art. 5 Abs. 1 Satz 1 GG verstößt.
Beschluß
des Ersten Senats vom 13. April 1994 gemäß § 24 BVerfGG
-- 1 BvR 23/94 --
in dem Verfahren über die Verfassungsbeschwerde der Nationaldemokratischen Partei Deutschlands, Bezirksverband München-Oberbayern, vertreten durch den Vorsitzenden Per Lennart Aae, Holzstraße 49/I, München, gegen a) den Beschluß des Bundesverwaltungsgerichts vom 19. November 1993 - BVerwG 1 B 179.93 -, b) den Beschluß des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs vom 30. Juni 1993 - 21 B 92.3619 -, c) das Urteil des Bayerischen Verwaltungsgerichts München vom 9. September 1992 - M 7 K 91.3787 -, d) den Widerspruchsbescheid der Regierung Oberbayern vom 9. August 1991 - 201-1205-8/91 -, e) den Bescheid der Landeshauptstadt München vom 8. Mai 1991 - HA I/11 Ba/Do -.
Entscheidungsformel:
Die Verfassungsbeschwerde wird verworfen.
Gründe:
A.
Die Verfassungsbeschwerde betrifft die Zulässigkeit von Auflagen für eine Versammlung, in der die Leugnung der Judenverfolgung im "Dritten Reich" zu erwarten ist. 1
I.
1. Die Beschwerdeführerin, ein Bezirksverband der Nationaldemokratischen Partei Deutschlands (NPD), lud in ihrem parteiinternen Mitteilungsblatt und in der bundesweit publizierten "Deutschen Stimme" für Sonntag, den 12. Mai 1991, zu einer Veranstaltung mit dem Thema "Deutschlands Zukunft im Schatten politischer Erpressung?" in München ein. Die Einladung trug die Überschrift: "David Irving kommt nach München!" Es hieß darin, der bekannte "revisionistische" Historiker werde erstmalig zu der Frage Stellung nehmen, ob es sich die Deutschen und ihre europäischen Nachbarn leisten könnten, die "Zeitgeschichte als politisches Erpressungsinstrument" zu dulden. 2
2. Die Landeshauptstadt München legte der Beschwerdeführerin als Veranstalterin auf,
durch geeignete Maßnahmen dafür Sorge zu tragen, daß in der Versammlung über die Verfolgung der Juden im Dritten Reich insoweit nicht gesprochen wird, als diese Verfolgung geleugnet oder bezweifelt wird. Sie hat insbesondere zu Beginn der Veranstaltung auf die Strafbarkeit derartiger Redebeiträge (§§ 130, 185, 189, 194 StGB) hinzuweisen, eventuelle einschlägige Redebeiträge sofort zu unterbinden und gegebenenfalls die Versammlung zu unterbrechen oder aufzulösen bzw. von ihrem Hausrecht Gebrauch zu machen.
Es sei mit hoher Wahrscheinlichkeit anzunehmen, daß es auf der geplanten Versammlung zu Straftaten nach den §§ 130, 185, 189 und 194 StGB (sogenannte Auschwitzlüge) kommen werde. Dies ergebe sich aus dem Text der Einladung und aus der Person des Redners David Irving, der zu den führenden Köpfen des Revisionismus gehöre. Kristallisationspunkt revisionistischrechtsextremistischer Geschichtsbetrachter sei die Ablehnung der deutschen Nachkriegsentwicklung, die angeblich geprägt sei von antideutscher Umerziehungsagitation und kollektiver Demütigung durch die Oktroyierung eines permanenten Schuldbewußtseins. Das rechtsextreme Lager und seine Interessenvertreter - so auch David Irving - glaubten, daß das deutsche Volk von der Alleinschuld Hitlers am Zweiten Weltkrieg und von dem Vorwurf der Massenvernichtung von Juden in deutschen Vernichtungslagern rehabilitiert werden müsse. Auf diesem Hintergrund sei die Prognose gerechtfertigt, daß es auf der Versammlung zu Straftaten kommen werde.
Die Auflage finde ihre Rechtsgrundlage in § 5 Nr. 4 des Versammlungsgesetzes (VersG). Auch wenn in der Norm nur von einem Verbot die Rede sei, dürfe stattdessen als mildere Maßnahme eine Auflage angeordnet werden. Diese sei aber auch erforderlich, um Straftaten zu verhüten oder zu unterbinden.
Im Widerspruchsbescheid stellte die Regierung von Oberbayern die Erledigung des Widerspruchs fest, weil die Versammlung inzwischen stattgefunden hatte.
3. Das Verwaltungsgericht hat die Fortsetzungsfeststellungsklage abgewiesen:
Nach § 5 Nr. 4 VersG könne eine Versammlung verboten werden, wenn mit hoher Wahrscheinlichkeit feststehe, daß dort vom Veranstalter oder seinem Anhang Ansichten vertreten oder Äußerungen geduldet würden, die als Verbrechen oder von Amts wegen zu verfolgende Vergehen strafbar seien. Anstelle eines Verbots könnten als milderes Mittel Auflagen verhängt werden, die geeignet seien, die strafbaren Handlungen zu verhindern. Die hier festgestellten Tatsachen deuteten mit hoher Wahrscheinlichkeit darauf hin, daß der Veranstalter oder sein Anhang die These von der sogenannten Auschwitzlüge vertreten oder dulden würden. Wer diese Ansicht öffentlich äußere und damit sowohl die Existenz von Gaskammern in Auschwitz als auch die gezielte Massenvernichtung von Juden im Dritten Reich bestreite, begehe nach der Rechtsprechung der Strafgerichte Straftaten der Beleidigung (§§ 185, 194 Abs. 1 Satz 2 StGB), der Verunglimpfung des Andenkens Verstorbener (§ 189 StGB) und der Volksverhetzung (§ 130 StGB).
Es treffe zwar zu, daß der Landesverband der NPD in seinem Schreiben vom 30. März 1991 David Irving gebeten habe, die Erwähnung des Wortes "Auschwitz" zu vermeiden, und der Redner hierzu sein Einverständnis erklärt habe. Dies rechtfertige jedoch keine andere Beurteilung, da sowohl die Existenz von Gaskammern in Auschwitz als auch die gezielte Massenvernichtung der Juden im Dritten Reich geleugnet werden könne, ohne daß das Wort "Auschwitz" fiele. In dem Schreiben sei außerdem ausgeführt worden, daß der Nachweis eines ursächlichen Zusammenhangs zwischen der moralischen Abwertung Deutschlands und den politischen und materiellen Zugeständnissen der Deutschen "weitgehend" losgelöst von der Frage der Authentizität bestimmter Ereignisse in der Vergangenheit betrachtet werden könne. "Weitgehend" bedeute etwas anderes als "vollständig" und schließe zumindest teilweise die Erörterung der Frage ein, wie sich die geschichtlichen Ereignisse aus der Sicht des Revisionismus abgespielt hätten.
Schließlich gehe aus dem Verfassungsschutzbericht Bayern für 1991 hervor, daß sich die NPD gegen die "Dogmen von der deutschen Alleinkriegsschuld und von der Einzigartigkeit der NS-Verbrechen" gewandt habe. Die angeführten Umstände ließen jedenfalls in ihrer Gesamtheit den Schluß zu, daß es auf der geplanten Versammlung mit hoher Wahrscheinlichkeit zu strafbaren Redebeiträgen in Gestalt der Leugnung der gezielten Massenvernichtung der Juden im Dritten Reich durch den Hauptredner, einen seiner beiden Vorredner oder einen oder mehrere Diskussionsteilnehmer kommen werde. Dies sei bei dem vorgesehenen Thema "Deutschlands Zukunft im Schatten politischer Erpressung?" ausgesprochen wahrscheinlich.
4. Der Verwaltungsgerichtshof hat die Berufung der Beschwerdeführerin zurückgewiesen:
Zu einer Vorlage an das Bundesverfassungsgericht bestehe kein Anlaß, da die Verfassungsmäßigkeit des § 5 Nr. 4 VersG und des § 185 StGB nicht zweifelhaft sei. Soweit die Beschwerdeführerin es für verfassungswidrig halte, das Leugnen oder Bezweifeln der Judenverfolgung im Dritten Reich als strafbar im Sinne dieser Vorschriften anzusehen, handele es sich um die Verfassungsmäßigkeit der Gesetzesanwendung im Einzelfall.
(...)
II.
Mit ihrer Verfassungsbeschwerde rügt die Beschwerdeführerin die Verletzung ihres Grundrechts auf Meinungsfreiheit aus Art. 5 Abs. 1 Satz 1 GG. Die versammlungsrechtliche Auflage habe in die freie Meinungsbildung auf der Versammlung vom 12. Mai 1991 eingegriffen. 18
Die angegriffenen Entscheidungen und die in ihnen vorgenommene Anwendung des § 5 Nr. 4 VersG beruhten auf der Rechtsauffassung, daß das öffentliche Äußern von Zweifeln am Wahrheitsgehalt von Behauptungen über deutsche Greueltaten gegen Juden als Beleidigung der Juden strafbar sei (BGHZ 75, 160). Dadurch sei ein rechtliches Instrumentarium zur Unterbindung einer politisch unerwünschten zeitgeschichtlichen Diskussion geschaffen worden. Diese Rechtspraxis sei verfassungswidrig; sie werde auch in der Literatur als Überdehnung des Straftatbestandes der Beleidigung angesehen.
In vollem Umfang werde die Verfassungswidrigkeit dieser Rechtspraxis bei Betrachtung des (gescheiterten) Entwurfs eines 21. Strafrechtsänderungsgesetzes vom 11. April 1984 - BTDrucks. 10/1286 - deutlich. Mit diesem sei der Zweck verfolgt worden, die bestehende Strafbarkeitslücke für das "Leugnen behaupteter deutscher Greueltaten" zu schließen. Bereits damals habe der Bundesrat in seiner Äußerung zum Gesetzentwurf verfassungsrechtliche Bedenken geltend gemacht. Die heutige Rechtspraxis sei ohne Einschränkung so beschaffen, als wäre dieser Gesetzentwurf tatsächlich verabschiedet und beschlossen worden. Gesetz geworden sei jedoch die "verfahrensrechtliche Lösung" in § 194 Abs. 1 Satz 2 StGB. Damit seien die für die "Einfädelung" der heutigen Rechtspraxis verantwortlichen Politiker den verfassungsrechtlichen Schwierigkeiten bewußt aus dem Weg gegangen. Durch die heutige Rechtsprechung zur Unterdrückung der zeitgeschichtlichen Forschung über die jüngere Geschichte Deutschlands werde Art. 5 GG ad absurdum geführt, ja dieses Grundrecht im Grunde aufgehoben und für nichtig erklärt.
Das allgemeine Persönlichkeitsrecht aus Art. 2 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 1 Abs. 1 GG sei dem Art. 5 GG unterzuordnen. Da der Bundesgerichtshof in der "Auschwitzlüge" eine Verletzung des Persönlichkeitsrechts der Juden sehe, verstoße diese Rechtsprechung gegen Art. 5 GG.
Verfasst am: 09.01.06, 14:26 Titel: warm entschuldigst du dich?
weil die antwortgeber mit fachwörtern nur so um sich werfen, um zu zeigen wie hoch intelligent sie sind. wenn jemand meiner oma sagt, eine vertreibung der deutschen hat es nie gegeben, oder vergewaltigung und mord an unseren großeltern, wird er auch nicht belangt.dies kann jeder behaupten, obwohl es fakt ist !! ALLES KLAR ??
Anmeldungsdatum: 25.09.2004 Beiträge: 15339 Wohnort: Rom
Verfasst am: 09.01.06, 18:13 Titel:
Ihrer Oma darf man auch sagen, daß es den Holocaust nie gegeben habe, weil das private Gespräch nicht dem §130 StGB unterfällt.
Abgesehen davon frage ich mich, wieso die Duldung einer Sache die Duldung einer anderen Sache legitimieren soll und wieso Sie hier mit offensichtlicher Verachtung für die Meinung von Fachleuten irgendwelchen Stammtischmüll blubbern zu müssen meinen. _________________ DefPimp: Mein Gott
Biber: Nö, war nur M.A.S. Aber hier im Forum ist das schon ziemlich dicht dran.
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Verfasst am: 28.01.06, 22:20 Titel: Re: Frage war offenbar nicht päzise Genug
Brainworkx hat folgendes geschrieben::
Hallo!
Also, dem Verfasser ging es lediglich darum, zu eruieren, ob das Strafgesetz (oder auch ein Anderes) über unserem Grundgesetz steht. Das ist alles.
Prinzipiell nicht. Aber: Wo im Grundgesetz bereits die Einschränkung eingebaut ist, wie eben in Artikel 5 Abs. 2 "Diese Rechte finden ihre Schranken...", dann gelten natürlich diese Schranken gegenüber dem Recht aus dem GG. Wobei ein Gericht dann bei der Auslegung wieder abwägen muss. Der genannte Paragraphdes StGB ist aber nicht auslegbar. Er nennt eine Gruppe strafbarer Behauptungen und die Strafe dazu. Das gilt absolut, damit auch die Einschränkung.
Anmeldungsdatum: 06.09.2005 Beiträge: 3164 Wohnort: In Deutschland. Und das ist gut so.
Verfasst am: 29.01.06, 20:07 Titel: Re: Recht auf freie Meinungsäußerung?
jens michaelis hat folgendes geschrieben::
Brainworkx hat folgendes geschrieben::
Hallo!
Ich habe eine Verständnisfrage:
Der Artikel 5 des Grundgesetzes gestattet die freie Meinungsäußerung.
Freie Meinungsaeusserung ist in der BRD leider ein Straftatbestand, aka:
* Tragen verfassungsfreindlicher Kennzeichen
* "Auschwitzluege"
* Beleidigung des Bundespraesidenten
* Volksverhetzung
etc. etc.
Hoffe geholfen zu haben
Hallöle
Wenn Sie diesen Umstand anprangern, identifizieren Sie sich mit dieser Geisteshaltung, sprich Leugnug des Holocost, Adolf hat es nie gegeben,. 1933 - 1945 hat es nie gegeben?
Grüssle _________________ Jeden Tag kommt ein neuer Dummer am Bahnhof an, man muss ihn nur abholen.
Dummheit ist auch eine natürliche Begabung (Wilhelm Busch)
Demokratie ist eine Einrichtung, die es den Menschen gestattet, frei zu entscheiden, wer an allem schuld sein soll.
Anmeldungsdatum: 06.06.2005 Beiträge: 2351 Wohnort: Wolkenkukucksheim h.d. Mond
Verfasst am: 30.01.06, 18:07 Titel:
Bezieht sich die "freie Meinungsäusserung" nicht auch ausserdem lediglich auf Äusserungen dem Staat gegenüber ? Also so, dass ich sagen kann :" Bundeskanzler XY ist ja wohl das Allerletzte...", ohne dafür, wie bei einer ähnlich gelagerten Äusserung Herrn Honecker gegenüber gleich nach "Hohenschönhausen" gemusst zu haben ?
Ich ging davon aus, seine private Meinung äussern zu dürfen (in nicht politischer Hinsicht) fiele unter "Recht auf freie Rede " ??
@jens michaelis : why don´t you get lost ? Leiden Sie schon länger unter "cerebraler diarrhoe" ?
Herzliche Grüsse (ausser an jens michealis, dem ich gute Besserung wünschen möchte)
Lulu _________________ Jeder Satz, den ich äussere, muss als Frage verstanden werden, nicht als Behauptung.(Niels Bohr)
viel wichtiger jedoch und keine Frage :
Jeder Einzelne zählt ! Du auch ! www.dkms.de
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