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Eine kurze Glosse von Vormbaum (in: JZ 1999, 613) - die von meinem damaligen Strafrechts-Prof zur Lektüre dringend empfohlen wurde und die ich hiermit all jenen, die sich mit dem Strafrecht befassen, ans Herz lege - beginnt folgendermaßen:
Zitat:
Wer strafrechtliche Examensklausuren und -hausarbeiten korrigiert, lernt die Warnung vor dem Entstehen von "Strafbarkeitslücken" als eine der beliebtesten Argumentationsfiguren der Verfasser kennen: "Die Ansicht der Rechtsprechung zur Abgrenzung von Raub und räuberischer Erpressung verdient den Vorzug, denn die Gegenauffassung führt zu bedenklichen Strafbarkeitslücken."
Dabei befänden sich die Kandidaten in guter Gesellschaft, denn "Strafbarkeitslücken" gehörten auch zum "Sprachhaushalt der Strafgerichte bis hinauf zum BGH."
Vormbaum umschreibt die Situation bildhaft: Er bemüht einen Teppich, der Löcher ("Lücken eben") hat. Das sei angesichts des fragmentarischen Charakters des Strafrechts, von dem man allenthalben lese, "an sich nichts Anrüchiges." Nun fragt er:
Zitat:
Wofür aber steht in diesem Bild der Teppich, wofür stehen die Löcher?
Wer mit "Strafbarkeitslücken" argumentiere, so Vormbaum, sehe den Teppich als "Fläche der Strafbarkeit" und die Löcher als Lücken der Strafbarkeit an. "Ein dichter Teppich der Strafbarkeit ohne Löcher" sei dann das Ideal.
Jedoch stehe in Art. 103 Abs. 2 GG (ebenso wie in § 1 StGB) etwas anderes. Vor diesem Hintergrund empfehle sich eine "Inversion des Sprachbildes."
Zitat:
Der Teppich - das ist der Teppich der Straflosigkeit. In einem demokratischen Rechtsstaat ist Erlaubtheit und damit Straflosigkeit der Normalfall (vgl. Art. 2 Abs. 1 GG); Verbot oder gar Strafbarkeit sind die Ausnahmen.
Fazit: Es gibt keine Strafbarkeitslücken - es gibt nur Straflosigkeitslücken.
Was meinen Sie dazu?
PS: Der Begriff "Strafbarkeitslücke" ist auch hier im Forum (Suchfunktion!) schon ein paarmal aufgetaucht.
Die Finanzminister versuchen seit Anbeginn der Zeit Steuerlücken zu schliessen. Auch hier ist der Grundgedanke offensichtlich der, dass alles steuerpflichtig ist und steuerfreie Inseln unserer Gesellschaft nur Webfehler des Steuerrechts sind.
Eine kurze Glosse von Vormbaum (in: JZ 1999, 613) - die von meinem damaligen Strafrechts-Prof zur Lektüre dringend empfohlen wurde und die ich hiermit all jenen, die sich mit dem Strafrecht befassen, ans Herz lege - beginnt folgendermaßen:
Zitat:
Wer strafrechtliche Examensklausuren und -hausarbeiten korrigiert, lernt die Warnung vor dem Entstehen von "Strafbarkeitslücken" als eine der beliebtesten Argumentationsfiguren der Verfasser kennen: "Die Ansicht der Rechtsprechung zur Abgrenzung von Raub und räuberischer Erpressung verdient den Vorzug, denn die Gegenauffassung führt zu bedenklichen Strafbarkeitslücken."
Dabei befänden sich die Kandidaten in guter Gesellschaft, denn "Strafbarkeitslücken" gehörten auch zum "Sprachhaushalt der Strafgerichte bis hinauf zum BGH."
Vormbaum umschreibt die Situation bildhaft: Er bemüht einen Teppich, der Löcher ("Lücken eben") hat. Das sei angesichts des fragmentarischen Charakters des Strafrechts, von dem man allenthalben lese, "an sich nichts Anrüchiges." Nun fragt er:
Zitat:
Wofür aber steht in diesem Bild der Teppich, wofür stehen die Löcher?
Wer mit "Strafbarkeitslücken" argumentiere, so Vormbaum, sehe den Teppich als "Fläche der Strafbarkeit" und die Löcher als Lücken der Strafbarkeit an. "Ein dichter Teppich der Strafbarkeit ohne Löcher" sei dann das Ideal.
Jedoch stehe in Art. 103 Abs. 2 GG (ebenso wie in § 1 StGB) etwas anderes. Vor diesem Hintergrund empfehle sich eine "Inversion des Sprachbildes."
Zitat:
Der Teppich - das ist der Teppich der Straflosigkeit. In einem demokratischen Rechtsstaat ist Erlaubtheit und damit Straflosigkeit der Normalfall (vgl. Art. 2 Abs. 1 GG); Verbot oder gar Strafbarkeit sind die Ausnahmen.
Fazit: Es gibt keine Strafbarkeitslücken - es gibt nur Straflosigkeitslücken.
Was meinen Sie dazu?
PS: Der Begriff "Strafbarkeitslücke" ist auch hier im Forum (Suchfunktion!) schon ein paarmal aufgetaucht.
Vielleicht als Anregung für die weitere Diskussion der Rat, sorgfältig zu unterscheiden, wer von der Strafbarkeitslücke spricht:
Der Souverän (das Volk) vertreten durch seine Abgeordneten in ihrer Funktion als Gesetzgeber, der als wertende Entscheidung die Größe der "Lücken", also dessen was strafbar sein soll und was nicht, zu bestimmen hat (ob seine Entscheidungen sinnvoll sind oder nicht, ist eine andere Frage), oder ein Richter oder Staatsanwalt bei der Anwendung des Gesetzes, das ihm vorgegeben ist, und der sich mit der Argumentation von der "Lücke" leicht zum Ersatzgesetzgeber aufschwingt, was ihm von Verfassungs wegen nicht zusteht.
Wenn ein Bürger meint, dies oder jenes sollte strafbar sein, ist das etwas anderes, als wenn ein Gericht sich von dieser Überlegung unabhängig von den klassischen Auslegungsregeln leiten läßt, bei deren Anwendung freilich auch der im Gesetz zum Ausdruck kommende Wille des Gesetzgeber zu berücksichtigen ist.
Alles andere stellt einen Verstoß gegen das im Strafrecht geltende Analogieverbot dar. Alleine bei der Analogiebildung im Zivilrecht (und in Grenzen auch im sonstigen, also nicht strafrechtlichen Öffentlichen Recht) kommt es nämlich darauf an, zunächst eine vom Gesetzgeber erkennbar nicht gewollte Regelungslücke festzustellen, zu deren Ausfüllung dann der Richter befugt und ggf. verpflichtet ist.
Um im Bild zu bleiben: Wenn ich einen Zaun sehe, durch den der eine oder andere durchschlüpfen kann, dann kann ich diese Stellen als Lücke im Zaun oder als gewollten Abstand der Latten sehen, je nach dem, was ich als Plan - meist mehr unbewußt als bewußt - zugrunde lege.
Erst wenn ich diesen Plan kenne und benenne, kann ich auch den wirklichen Willen des Gesetzgebers beschreiben oder jedenfalls ausweisen, von welcher Vorstellung ich selbst ausgegangen bin.
Die Argumentation von der Strafbarkeitslücke aus dem Mund eines Gerichts, das dann diese Lücke schließen will, läuft in der Regel darauf hinaus, dass an die Stelle der ordentlichen Subsumtion der Appell an Ressentiment tritt. _________________ gloriaD
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