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Mißbrauch öffentlicher Mittel?

 
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Verunsicherter
Interessierter


Anmeldungsdatum: 05.12.2006
Beiträge: 6

BeitragVerfasst am: 08.12.06, 22:05    Titel: Mißbrauch öffentlicher Mittel? Antworten mit Zitat

Achtung lang, jedoch für die Darstellung unvermeidlich.

Hallo,

wer mag etwas zu folgendem, angenommenen Szenario sagen?

Ausgangssituation:
Ein kleines landwirtschaftlich geprägtes und verträumtes Dorf mit 150 Einwohnern, welches vor 6 Jahren noch unverschuldet und sogar im Besitz eines nicht unbeträchtlichen Vermögens von ca. 100.000,00 Euro war. Also eine echte Ausnahme in der heutigen Zeit!

Zu o.g. Zeitpunkt beschließen einige Bewohner, gleichzeitig Eigentümer des im Folgenden betroffenen Grundeigentums und außerdem gleichzeitig Bürgermeister und Gemeinderatsmitglieder, ein neues Baugebiet zu erschließen. Die Gemeinde soll, obwohl noch einige Baugrundstücke im Ort zur Verfügung stehen, durch das neue Baugebiet wachsen und gedeihen.

Es wird also ein B-Plan erstellt, welcher erhebliche Kosten verursacht. Die Gemeindevertretung ist der Meinung, dass das neue Baugebiet für die positive Entwicklung des Dorfes unabdingbar wäre und nimmt dafür auch die gesetzlich vorgeschriebene Erstellung eines Landschafts-Entwicklungsplanes, für zusätzlich ca. 25.000,00 Euro, in Kauf.

Plötzlich wird festgestellt, dass die Entwicklung des Baugebietes die gemeindeeigene Wasserversorgung (Genossenschaft) überlasten wird. Wenn an dem neuen Baugebiet festgehalten werden soll, muss eine neue Wasserversorgung her. Zu diesem Zeitpunkt regt sich erstmals öffentlicher Widerstand, da die beabsichtigten Maßnahmen im Grunde, ohne das Baugebiet, bedingt durch vorhandene Bauplätze, eigentlich überflüssig wären.

Der Gemeinderat, welcher sich wie oben erwähnt, zu großen Teilen aus den Einwohnern mit unmittelbarem Interesse am Landverkauf zusammensetzt, kann die Bevölkerung durch verschiedene Maßnahmen von der Notwendigkeit einer neuen Wasserversorgung überzeugen. Im Wesentlichen sind dieses die Verunsicherung über die Qualität des bisherigen Trinkwassers sowie deren Entwicklung und, nicht unwesentlich, die Bereitschaft der Gemeinde große Teile der notwendigen Kosten für einen Neuanschluß zu übernehmen. Das Angebot ist so attraktiv, dass das gesamte Dorf der Neuversorgung, welche dann auch umgesetzt wird, zustimmt.

Nun sind die Finanzen der Gemeinde mehr als erschöpft. Scheinbar ist aber jeder zufrieden. Der Gemeinderat, dessen Mitglieder auch gleichzeitig Eigentümer des neuen Baugebietes sind und deren Ackerland nun als Baugrundstück veräußert werden kann ebenso wie die Einwohner der Gemeinde, die für kleines Geld einen neuen, hochwertigeren Wasseranschluss bekommen haben.

Nun geschehen zwei Dinge fast gleichzeitig.

Zum Einen stellt die Gemeinde fest, dass sie sich mit der neuen Wasserversorgung finanziell übernommen hat und erwägt eine Nachforderung an die Einwohner zu erheben. Andernfalls bleibt nur die Aufnahme von Krediten.

Zum Anderen wird auf dem Hof eines Gemeinderatsmitgliedes ein Kindergarten durch dessen Tochter betrieben. Das Geschäft läuft jedoch beschwerlich. Der Gemeinderat, teilweise mit einander verwandt, kommt also auf die Idee, dass ein Kindergarten für die weitere Entwicklung der Gemeinde förderlich wäre und beschließt auf seiner Sitzung, dass der Kindergarten, trotz leerer Kasse, mit Gemeindemitteln zu fördern sei. Es werden Fördermittel in Höhe von 1.150,00 Euro monatlich durch die Gemeinde zur Verfügung gestellt um den weiteren Betrieb des Kindergartens aufrecht erhalten zu können. Außerdem wird der Vater der Kindergarten-Betreiberin, welcher gleichzeitig Eigentümer des Hofes und Gemeinderatsmitglied ist, zum Hausmeister für den Kindergarten bestellt. Für seine Tätigkeit als Hausmeister dieses Kindergartens mit ca. 8 Kindern (davon nur eines aus dem Dorf!), erhält er von der Gemeinde eine monatliche Aufwandsentschädigung in Höhe von 400,00 Euro.

Interessante Entwicklung, oder? Wer hat eine Meinung zu dieser Geschichte?

MfG
Verunsicherter
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0Klaus
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Anmeldungsdatum: 30.12.2004
Beiträge: 2595

BeitragVerfasst am: 09.12.06, 18:28    Titel: Antworten mit Zitat

Hallo,

zu prüfen wäre, ob Gemeinderatsbeschlüsse deswegen rechtswidrig waren, weil sie wegen Befangenheit von Mitgliedern getroffen wurden. Nach Landesrecht liegt Befangenheit vor, wenn der Beschluss dem Mitglied oder einen nahen Verwandten einen unmittelbaren Vor- oder Nachteil bringt. Ausnahmen sind vorgesehen, wenn der Beschluss lediglich einer Bevölkerungsgruppe einen Vorteil/Nachteil bringt. Dabei mE ist die Größe des Bebauungsplans maßgebend (bei Vollbeplanung der ganzen Gmeinde keine Befangenheit, bei kleinen Teilstücken schon).

Falls der Beschluss rechtswidrig war, hat der Bürgermeister die entsprechenden Aufträge in rechtswidriger Weise (dh unter Überschreitung seiner Vertretungsmacht) veranlasst. Er ist insoweit zum Schadenersatz verpflichtet.

Die Sitzungen sind öffentlich, Einsichtsrechte bestehen in der Regel auch. Sie können sich also informieren, wer abgestimmt hat und wer mit wem verwandt ist.

Falls alle Beschlüsse formell rechtmäßig waren (dh niemand war befangen), wäre zu prüfen, ob der Gemeinderat sein Ermessen missbraucht hat. Hier besteht ein äußerst weiter Spielraum, da der Gemeinderat hier als demokratisch gewähltes Gremium parlamentsähnlich handelt. Ein Ermessensmissbrauch dürfte in aller Regel zu verneinen sein.

Einziger Ansatzpunkt ist somit die Befangenheit. Mgl.: Beschwerde bei der Rechtsaufsichtsbehörde, Abwahl des Bürgermeisters (soweit durch Landesrecht zugelassen).

Eine Klage ist mE nicht möglich, da sie nicht in ihren subjektiven Rechten verletzt sind.
_________________
mfg
Klaus
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Anmeldungsdatum: 05.12.2006
Beiträge: 6

BeitragVerfasst am: 09.12.06, 19:45    Titel: Antworten mit Zitat

Hallo Klaus,

zunächst herzlichen Dank für Ihre geschätzte Meinung zu dieser Geschichte!

Wir lassen bitte einmal die fiktive Vergangenheit ruhen und stellen einfach fest, dass diese Gemeinde über keinerlei Rücklagen mehr verfügt. Die Einnahmen in Form von Steuern und Steueranteilen reicht gerade aus um die laufenden Kosten zu decken.

Nun steht also besagte Entscheidung über die Förderung des Kindergartens an. Ebenso die Berufung eines Hausmeisters, dessen Kosten m.E. in keinem vernünftigen Verhältnis zu den acht betreuten Kindern stehen. Die Kosten für die Gemeinde belaufen sich p.a. auf ca. 18.600,00 Euro, was für Gemeindemaßstäbe (150 Einwohner) eine beträchtliche Summe darstellt. [Edit] Und je betreutem Kind immerhin mit 2.325,00 Euro jährlich zu Buche schlägt! [Edit]

Angenommen der Gemeinderat würde vorgenannte Entscheidung treffen und eine Befangenheit wäre nicht nachzuweisen, liegt das dann im Ermessensspielraum des Gemeinderates oder könnte jemand dort einen wirksamen Hebel ansetzen?

Vielen Dank!

Mit freundlichen Grüßen
der Verunsicherte
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0Klaus
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Anmeldungsdatum: 30.12.2004
Beiträge: 2595

BeitragVerfasst am: 10.12.06, 12:31    Titel: Antworten mit Zitat

Hallo,

wenn kein Geld zur Finanzierung dieser Aufgabe da ist, ist die dauernde Leistungsfähiogkeit gefährdet. Der Beschluss könnte rechtswidrig sein.

Andererseits hat die Gemeinde einen Beurteilungsspielraum. Wenn das Landeskindertagesstättenrecht eine entsprechende Förderung zulässt und die Mittel im Haushaltsplan eingestellt sind und andere freie Träger nicht diskriminiert werden, könnte die Gemeinde argumentieren, sie hat ein Interesse daran, dass ein ortsnaher Kindergarten bestehen bleibt.

Allerdings ist eine Beanstandung wiederum nur durch die Rechtsaufsichtsbehörde durchsetzbar. Es besteht kein subjektives Recht auf Aufsichtsmaßnahmen und kein allgemeiner Gesetzesvollziehungsanspruch.

Falls Landesrecht einen Bürgerentscheid vorsieht, könnte man mglw. den Beschluss so aufheben lassen. Das dürfte bei 150 EW nicht so schwer sein.

Ungeachtet dessen könnte eine Untreue gg. die Gemeinde denkbar sein (Missbrauch der Befugnis über fremdes Vermögen zu verfügen). Dies sollte allerdings nicht so erwähnt werden, sondern der Staatsanwaltschaft kann der Sachverhalt mitgeteilt werden, mit der Bitte um Prüfung, ob strafrechtlich relevante Sachverhalte vorliegen.
_________________
mfg
Klaus
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Anmeldungsdatum: 05.12.2006
Beiträge: 6

BeitragVerfasst am: 10.12.06, 19:06    Titel: Antworten mit Zitat

Vielen Dank für Ihre Antwort!

Bitte noch folgende Frage:

Die Gemeinde hatte den Haushalten schriftlich angeboten den neuen Wasseranschluss mit 2/3 der tatsächlichen Kosten zu subventionieren. Bedingung war, dass mindestens 90% der in Frage kommenden Grundstücke anschließen. Dieses Angebot wurde von 100% der Haushalte angenommen.

Wie sich nun herausstellt, hat sich die Gemeinde damit finanziell völlig übernommen. Es werden daher z.Zt. verzweifelt Wege gesucht, die Haushalte im Nachhinein doch noch in erheblichem Maß an den Kosten zu beteiligen.

Trotz dieser mehr als angespannten wirtschaftlichen Situation der Gemeinde, wird die vorgenannte Subventionierung des Kindergartens mit großem Nachdruck verfolgt.

Wie kann sich, angesichts der Widersprüche, der einzelne Haushalt gegen die drohende Nachforderung für den Wasseranschluss wehren?

MfG
Verunsicherter
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0Klaus
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Anmeldungsdatum: 30.12.2004
Beiträge: 2595

BeitragVerfasst am: 12.12.06, 20:55    Titel: Antworten mit Zitat

Hallo,

zu prüfen wäre, wie die Gemeindebeteiligung zu Stande gekommen ist.

Das ist alles Landesrecht. Danach können die Gemeinden Beiträge für öfftl. Einrichtungen verlangen. Damit wird der abstrakte Vorteil für das Grundstück (jetztt einen funktionierenden Wasseranschluss zu haben) abgegolten (= Werterhöhung). Da diese Beträge teilweise sehr hoch sein können, kann die Gemeinde die Kosten (anteilig oder voll) tragen. Dies entspricht zwar im Ergebnis nicht dem Verursacherprinzip, ist aber im Rahmen sozialer Gesichtspunkte sicherlich zulässig. Die Erhebung der Beiträge dürfte durchweg durch gemeindliche Satzung erfolgen. Falls dort eine entsprechende Gemeindebeteiligung vorgesehen ist, ist ein entspr. Beitragsbescheid nur in dieser Höhe zulässig. Falls die Erschließungsmaßnahme durch Vertrag vereinbart wurde, ist eine Anpassung nur bei geänderten Verhältnissen möglich in Bezug auf diese Sache möglich. Falls nur eine Äußerung des Bürgermeisters oder von Stadträten besteht, ist diese unverbindlich.

Falls der Beitragsbescheid ergangen ist, ist meines Erachtens der Sachverhalt abgeschlossen (wenn keine nachträglichen Kostenerhöhungen eingetreten sind) und eine rückwirkende Änderung ausgeschlossen.

Faktisch hat allerdings ein Haushaltsloch zur Folge, dass dann Steuern erhöht werden müssen.

Am besten nicht auf "Zuruf" irgendwas bezahlen, sondern einen förmlichen Bescheid verlangen (mit Begründung) und dann weitersehen.

- ohne Gewähr / alles Landesrecht, kann in Ihrem Bundesland anders sein -
_________________
mfg
Klaus
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Verunsicherter
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Anmeldungsdatum: 05.12.2006
Beiträge: 6

BeitragVerfasst am: 14.12.06, 11:36    Titel: Antworten mit Zitat

Hallo 0Klaus,

meinen besten Dank für Ihre Antwort!

Mit freundlichen Grüßen
Verunsicherter

PS: Leider darf ich Ihnen keinen grünen Punkt geben. Schade!
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