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Pinochets Putsch rechtens?
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carn
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Anmeldungsdatum: 15.02.2006
Beiträge: 2872

BeitragVerfasst am: 13.12.06, 16:29    Titel: Pinochets Putsch rechtens? Antworten mit Zitat

Wie alle Wissen hat Pinochet 1973 die Regirung in Chile gestuertzt und sich zum Praedidenten gemacht. Er ist dann gewaltsam und brutal gegen vermeintliche staatsfeindliche Kommunisten vorgegangen. Er hat dann auch 1980-2 eine veraenderte Verfassung verabschieden lassen und sogenannte neoliberale Wirtschaftsreformen durchgefuehrt, beides wohl mit dem Ziel die vermeintlich staatsfeindlichen Kommunisten weiter zu schwaechen und in Zukunft von der Regierung fernzuhalten. Sich selbst bereichert hat er dann natuerlich auch noch(allerdings etwas weniger als unter Diktatoren ueblich).

Bisher dachte ich immer, dass das ganz klassisch ein Staatsstreich gewesen, also gegen jegliches Recht.

Nun hab ich bei Wiki folgendes gelesen ( http://de.wikipedia.org/wiki/Salvador_Allende ) :
"Am 22. August 1973 stellt das chilenische Parlament in der „Erklärung über den Zusammenbruch der chilenischen Demokratie“ schwerwiegende Verfassungsverstöße der Regierung fest und fordert den Präsidenten und die Regierung auf, die verfassungsmäßige Ordnung wiederherzustellen"

Das Parlament stellt fest, dass die Regierung gegen massiv gegen die Verfassung verstoesst und fordert dieselbe Regirung auf etwas dagegen zu tun.
Das erweckt bei mir den Eindruck, dass eine massive Gefahr fuer den Staat besteht, das Parlament nichts mehr dagegen machen kann und die Regierung nichts dagegen machen will, da sie ja Ursache des Problems ist.

Angenommen in Chile haette deutsches Recht gegolten und wiki hat Recht und es war so, dass die Regirung die Verfassung ignoriert und das Parlament nichts mehr dagegen machen kann, waere dann der Putsch(und erstmal nur dieser) eventuell rechtens gewesen?

Deutsche Soldaten schwoeren ja einen Eid auf die Verfassung, ich nehme an in Chile galt aehnliches.
Waere dann die komplette deutsche Armee in einer solchen Situation nicht verpflichtet die Regierung abzusetzen, die Verantwortlichen und deren Unterstuetzer auszuschalten, selbst eine Regierung zu bilden und Verfassung und Wirtschaft so zu reformieren, damit sich die SItuation nicht widerholen kann?


(Bitte um Gnade wenn einige den Eindruck bekommen ich bin ein Fan von Folter und Diktatur, mir geht es um die rechtliche Bewertung des Putsches und danach folgende Regierungsform.)
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Karsten
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Anmeldungsdatum: 12.11.2004
Beiträge: 9688
Wohnort: München

BeitragVerfasst am: 13.12.06, 16:37    Titel: Antworten mit Zitat

Naja, Pinochet hat danach ja nicht die demokratische Ordnung 'wiederhergestellt', sondern eine Militärdiktatur eingerichtet. Davon stand nichts in der Verfassung.
Ich gehe auch davon aus, dass es ein 'rechtstaatliches' Absetzungsverfahren in der Verfassung Chiles gegeben hat, dass vom Parlament hätte benutzt werden können, um den mißliebigen Präsidenten loszuwerden, - wenn es das denn gewollt hätte.
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Es heißt Frist, nicht Frits, auch nicht First, sondern Frist, Frist, Frist, Frist, Frsit... Ich lern's nicht mehr.
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carn
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Anmeldungsdatum: 15.02.2006
Beiträge: 2872

BeitragVerfasst am: 14.12.06, 10:49    Titel: Antworten mit Zitat

Karsten hat folgendes geschrieben::
Naja, Pinochet hat danach ja nicht die demokratische Ordnung 'wiederhergestellt', sondern eine Militärdiktatur eingerichtet. Davon stand nichts in der Verfassung.


Das hat aber keine Auswirkungen auf die rechtmaessigkeit des Putsches.

Desweiteren ergibt sich ja fuer den der gegen eine Regierung, die die Verfassung massiv missachtet oder gar aendern will, putscht, die Pflicht zu verhindern, dass sich die Situation wieder ergibt, sonst haette er den Putsch gleich lassen koennen.
Somit kann er die vorher bestehende demokratische Ordnung nicht unveraendert sofort wieder einfuehren, denn diese beinhaltet offensichtlich das grosse Risiko eine verfassungsfeindliche Regierung zu bekommen.
Eine veraenderte Verfassung hat Pinochet aber sehr wohl ausarbeiten und wieder einfuehren lassen (http://de.wikipedia.org/wiki/Chile#Redemokratisierung) :

"Chile ist eine Präsidialrepublik. Die Verfassung, die die Militärregierung erarbeitete, stammt aus dem Jahre 1980 und wurde in einer unter großem Druck stattgefundenen und nicht demokratischen Kriterien entsprechenden Volksabstimmung mit 67 % angenommen. 1989 wurden in einer unter ähnlichen Bedingungen stattgefundenen Volksabstimmung einige Änderungen angenommen. Am 16. August 2005 änderte das chilenische Parlament nochmals die Verfassung in wichtigen Punkten, die durch Pinochet hinzugefügt worden waren."

Dass die Volksabstimmung unter grossem Druck stattfand ist irrelevant, in Deutschland gabs ja nicht mal eine und trotzdem gilt die Verfassung.
Man kann natuerlich den Vorwurf machen, dass 7 Jahre zu lang sind und dass die Verfassung auch noch so konstruiert ist, dass Pinochet 8 Jahre weiter regieren konnte.

Aber trotzdem hat er eine Verfassung eingefuehrt, die auch heute noch gueltig ist und die die Entwicklung zu einer rechtstaatlichen Demokratie hin ermoeglichte.

Und in Bezug auf die 7 Jahre muss man sagen, dass z.b. nach dem 2. Weltkrieg das Aufstellen einer Verfassung in Italien, Deutschland und Japan 2-3 Jahre gedauert hat. Wohlgemerkt nach Kriegsende dauerte es so lange.
Bei Pinochet muss man in diesem Punkt sehr Zynisch argumentieren, naemlich mit der Zahl der Folteropfer.
1974-77 5600, hauptsaechlich sozialistische und kommunistische Partei
1977-90 3500, hauptsaechlich bewaffnet agierende kommunistische Gruppen
Der Krieg den Pinochet also meinte gegen Kommunisten fuhren zu muessen, beendete er 1977, da die aus seiner Sicht staatsgefaehrdenden kommuunistische und sozialistische Parteien so gut wie zerschlagen waren.
1980 wurde dann eine Verfassung eingefuehrt, also auch 3 jahre nach "Kriegsende".
Somit waere er seiner Pflicht eine demokratische Ordnung wiederherzustellen, die nicht wieder von vermeintlich staatsgefaehrdenden Kommunisten zerstoert werden kann, einigermassen nachgekommen, eben bis auf die Zeit 1980-90, wo er die Macht an eine demokratische Regierung haette abgeben muessen.
Allerdings hatte er Mechanism eingebaut die diesen Uebergang dann per Volksabstimmung 1990 ermoeglichten.

Karsten hat folgendes geschrieben::

Ich gehe auch davon aus, dass es ein 'rechtstaatliches' Absetzungsverfahren in der Verfassung Chiles gegeben hat, dass vom Parlament hätte benutzt werden können, um den mißliebigen Präsidenten loszuwerden, - wenn es das denn gewollt hätte.


"Bei der Parlamentswahl 1973 steigerte die UP ihren Stimmenanteil noch einmal auf 44%. Sie verfehlte jedoch die absolute Mehrheit. Gleichzeitig erhielten auch rechte Parteien mehr Stimmen. Sie reichten allerdings auch mit den Stimmen der Christdemokraten nicht aus, um Allende des Amtes zu entheben (nötig sind 2/3). Am 22. August 1973 sprach der Kongress in einer symbolischen Geste Allende das Misstrauen aus."

Also einfache Mehrheit reichte um eine verbale Verurteilung zu bewirken, aber 2/3 waeren zur Absetzung noetig gewesen. Wenn man bedenkt, dass fuer die verbale Verurteilung eine Mehrheit im Parlament noetig waren, die erreicht wurde, obwohl Allendes Partei 44% der Waehlerstimmen und somit wahrscheinlich zwischen 40 und 49% der Sitze hatte, dann ist offensichtlich, dass alle anderen Parteien meinten, dass Allende eine erhebliche Gefahr darstellt.
Somit war es wirklich so, dass Parlament sah eine Gefahr, konnte aber nichts dagegen tun.
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ThomasS
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Anmeldungsdatum: 27.08.2006
Beiträge: 1050

BeitragVerfasst am: 14.12.06, 10:54    Titel: Antworten mit Zitat

Möglicherweise dient als Beispiel für die Frage der Rechtmäßigkeit eines Putsches eher der gerade vor Kurzem stattgefundene Putsch in Thailand?
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(Christine Reinhart wollte erfahren, wann der Schweizer in der deutschen Nationalelf spielt)
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carn
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Anmeldungsdatum: 15.02.2006
Beiträge: 2872

BeitragVerfasst am: 14.12.06, 11:00    Titel: Antworten mit Zitat

ThomasS hat folgendes geschrieben::
Möglicherweise dient als Beispiel für die Frage der Rechtmäßigkeit eines Putsches eher der gerade vor Kurzem stattgefundene Putsch in Thailand?


Mich interessierte speziell der Putsch Pinochets, da ich seit ich politisch denken kann, ueber ihn immer nur als finsteren Militaer, der sich aus paranoiden Gruenden an die Macht putschte um wahllos um des Schreckens willen folterte so viel ihm danach war.
Dieses Bild ist stark ins Wanken gekommen durch den Eindruck, dass er zumindest in Teilen rechtstaatlich handelte, denn das passt ueberhaupt nicht zu dem Bild das ich von ihm hatte/habe.
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ThomasS
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Anmeldungsdatum: 27.08.2006
Beiträge: 1050

BeitragVerfasst am: 14.12.06, 11:08    Titel: Antworten mit Zitat

Das eine hat doch mit dem anderen nichts zu tun. Überlege doch mal, wie Hitler an die Macht gekommen ist: ganz legal!!! Ist diese Frage bei der Beurteilung des III: Reiches von Belang? Ich würde bei Pinochet zu einer "Analoganwendung" neigen.
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Karsten
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Anmeldungsdatum: 12.11.2004
Beiträge: 9688
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BeitragVerfasst am: 14.12.06, 11:23    Titel: Antworten mit Zitat

An welcher Stelle hat er denn 'rechtstaatlich' gehandelt?
Sein Verhalten entsprach nicht der Verfassung. Er wurde auch nicht vom Parlament damit beauftragt. Demnach kann der Putsch nur unrechtmäßig gewesen sein, weil ein Militärputsch alles andere ist, als eine Polizeiaktion, bei der die Ordnung wieder hergestellt wird.

Zitat:
Also einfache Mehrheit reichte um eine verbale Verurteilung zu bewirken, aber 2/3 waeren zur Absetzung noetig gewesen. Wenn man bedenkt, dass fuer die verbale Verurteilung eine Mehrheit im Parlament noetig waren, die erreicht wurde, obwohl Allendes Partei 44% der Waehlerstimmen und somit wahrscheinlich zwischen 40 und 49% der Sitze hatte, dann ist offensichtlich, dass alle anderen Parteien meinten, dass Allende eine erhebliche Gefahr darstellt.
Somit war es wirklich so, dass Parlament sah eine Gefahr, konnte aber nichts dagegen tun.

Richtig. Das meinten die. Nur, was soll daraus folgen? Auch in unserem Parlament werden durch die Opposition beständig 'Gefahren' entdeckt. Es gab eben keine Mehrheit für eine Absetzung. Wenn ich keine Mehrheit zustande bringe, habe ich das Recht zu putschen? Wohl kaum. Allende war rechtmäßig im Amt und niemand - außer eben dem Parlament - hatte das Recht, es ihm zu nehmen. Schon gar nicht mit Kampfflugzeugen.
Außerdem ist diese Diskussion müßig, weil Pinochet eben nicht im Auftrag des Parlamentes unterwegs war - das einen solchen Auftrag auch gar nicht hätte vergeben können.
Die Frage bleibt die Gleiche? Durch welches Gesetz oder durch welche Anordnung eines dazu Berechtigten ist Pinochet zu dem ermächtigt worden, was er getan hat?

Da Pinochet nicht rechtmäßig im Amt war, braucht man auch nicht darüber zu diskutieren, ob seine Verfassung nun mehr oder weniger schlecht war; sie war schlicht unrechtmäßig.
Seine Verfassung hat auch nicht die "Entwicklung zu einer rechtstaatlichen Demokratie hin ermoeglicht". Diese rechtstaatliche Demokratie gab es schon vor ihm und er hat sie zerstört.

Zitat:
Bei Pinochet muss man in diesem Punkt sehr Zynisch argumentieren, naemlich mit der Zahl der Folteropfer.

Das 'Argument' verstehe ich nicht. Willst du damit sagen, Pinochet mußte erstmal alle politischen Gegener ermorden, damit es dann hinterher so 'richtig' demokratisch werden konnte?
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carn
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Anmeldungsdatum: 15.02.2006
Beiträge: 2872

BeitragVerfasst am: 14.12.06, 12:01    Titel: Antworten mit Zitat

Karsten hat folgendes geschrieben::
An welcher Stelle hat er denn 'rechtstaatlich' gehandelt?


Zumindest in der deutschen Verfassung wuerde, wenn das Parlament mitteilt "Hilfe, die Regierung ignoriert die Verfassung, aber wir koennen nichts dagegen tun.", GG20.4 Bedeutung haben und der schliesst Gewalt explizit nicht aus.
Die Diskussion der Rechtmaessigkeit wuerde nur noch daran haengen, ob es noch andere Moeglichkeiten gab.


Karsten hat folgendes geschrieben::

Sein Verhalten entsprach nicht der Verfassung. Er wurde auch nicht vom Parlament damit beauftragt. Demnach kann der Putsch nur unrechtmäßig gewesen sein, weil ein Militärputsch alles andere ist, als eine Polizeiaktion, bei der die Ordnung wieder hergestellt wird.

Zitat:
Also einfache Mehrheit reichte um eine verbale Verurteilung zu bewirken, aber 2/3 waeren zur Absetzung noetig gewesen. Wenn man bedenkt, dass fuer die verbale Verurteilung eine Mehrheit im Parlament noetig waren, die erreicht wurde, obwohl Allendes Partei 44% der Waehlerstimmen und somit wahrscheinlich zwischen 40 und 49% der Sitze hatte, dann ist offensichtlich, dass alle anderen Parteien meinten, dass Allende eine erhebliche Gefahr darstellt.
Somit war es wirklich so, dass Parlament sah eine Gefahr, konnte aber nichts dagegen tun.

Richtig. Das meinten die. Nur, was soll daraus folgen? Auch in unserem Parlament werden durch die Opposition beständig 'Gefahren' entdeckt. Es gab eben keine Mehrheit für eine Absetzung. Wenn ich keine Mehrheit zustande bringe, habe ich das Recht zu putschen? Wohl kaum. Allende war rechtmäßig im Amt und niemand - außer eben dem Parlament - hatte das Recht, es ihm zu nehmen. Schon gar nicht mit Kampfflugzeugen.
Außerdem ist diese Diskussion müßig, weil Pinochet eben nicht im Auftrag des Parlamentes unterwegs war - das einen solchen Auftrag auch gar nicht hätte vergeben können.


Karsten hat folgendes geschrieben::

Die Frage bleibt die Gleiche? Durch welches Gesetz oder durch welche Anordnung eines dazu Berechtigten ist Pinochet zu dem ermächtigt worden, was er getan hat?


Der Mann der auf Hitler am 9. November 1939 ein Attentat veruebt hat und dabei 9 andere Personen kollateral toetete, haette laut Jutta Limbach zumindest nach deutschem Recht rechtens gehandelt. Und das obwohl das Naziregime durch den Tod Hitlers nicht unbedingt beendet worden waere, da es genug Untergebene gab, die den Wahnsinn vielleicht fortgefuehrt haetten.

Pinochets Putsch koennte in diesem Sinne einfach als effizienteres Attentat gesehen werden, er hat den legal gewaehlten, aber illegal handelnden Regierungschef samt Gesinnungsgenossen getoetet, um sicher zu gehen, dass es keine Bedrohung mehr gibt.
Somit waere der intiale Putsch nach deutschem Recht rechtens - sofern eben die Situation so schlimm war, dass das Widerstandsrecht ueberhaupt zur Anwendung kommen kann.
Hierzu muss man 2 Sachen, erstens war soweit ich Limbach verstanden habe, bereits Ende 1933 die Situation so, dass das Widerstandsrecht Attentate legitimiert haette, also bereits das Macht an sich reissen war bereits ausreichend. Und wenn man bedenkt, dass Allende auf das ok von einer „revolutionäre marxistisch-leninistische" Partei angewiesen war, als er die Idee hatte, seine Verfassungsbrueche durch Volksabstimmung zu legitimieren, zeigt, dass es eventuell wirklich eine
Zweitens waren Unterstuetzer von Allende unter anderem die MIR, eine „revolutionäre marxistisch-leninistische" Partei. Die radikalitaet zeigt sich auch daran, dass Allende seine Idee seine Politik(=Verfassungsbrueche) durch eine Volksabstimmung zu legitimieren von seiner eigenen Partei abgelehnt wurde, wohl weil sie das Risiko scheuten und sich auf dem richtigen Weg waehnten, der keine Zustimmung braucht.

Man kann also nicht eindeutig sagen, dass in Chile nicht eine Situation herrschte die mit Deutschland 1933 vergleichbar war(meine Vermutung ist, dass es sich in den Folgejahren erst so entwickelt haette) und somit erscheint es auch nicht eindeutig, dass der Putsch an sich nicht rechtens war.

Ich weis, dass meine Argumentation nichts beweist, sie soll soweit lediglich plausibel machen, warum mir die Unrechtmaessigkeit des Putsches nicht eindeutig erscheint.
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ThomasS
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Anmeldungsdatum: 27.08.2006
Beiträge: 1050

BeitragVerfasst am: 14.12.06, 12:26    Titel: Antworten mit Zitat

@ carn

das würde ja bedeuten, dass ein Verfassungsbruch einen zweiten legitimiert, der den ersten beendet, richtig? Ich glaube nämlich nicht, dass Allendes Verhalten für die Beurteilung von Pinochets Vorgehen relevant ist. Es wäre m. E. lediglich zu prüfen, ob der Putsch sich rechtlich auf dem Boden der chilenischen Verfassung abgespielt hat. Wenn wir uns z.B. an das Szenario erinnern, in dem tausende Menschen im Fußballstadion von Santiago zusammengetrieben wurden, in dem Leute (bis heute) spurlos verschwunden sind, das kann keine Verfassung hergeben. Die Ermordung zahlloser Menschen unmittelbar nach dem Putsch spricht eine deutliche Sprache, wes Geistes Kind die Putschisten waren. Eine auf dem Boden des Rechtsstaates vorgenommene "Regierungsablösung" dürfte lediglich dazu führen, das die verfassungsbrechende Regierung durch ordentliche Gerichte abgeurteilt wird bzw. diese Frage dort geklärt wird.

Jede Demokratie hat Schwächen, das hat die Geschichte immer wieder bewiesen und tut das noch heute. Und ich bleibe dabei: kaum eine spätere Diktatur hat sich so legal an die Macht gebracht wie die Nazis. Der Reichstag selbst hat sich mit dem Ermächtigungsgesetz doch quasi seiner Kontrollfunktion beraubt. Und die "Juristen" des Volksgerichtshofs haben wie viele (?) Menschen nach den Buchstaben der Nazigesetzgebung umbringen lassen? Sind sie dafür je belangt worden? Man kann ein Unrechtsregime doch nicht nachträglich dadurch legitimieren, dass es durch Ausnutzen der Schwächen einer demokratischen Verfassung an die Macht gekommen ist.

Auch wenn ich weiß, dass das nicht Deine Motivation hinter dieser Fragestellung ist, wäre die Konsequenz doch, dass jedes Terrorregime, dass nicht durch Bruch geltenden Rechts an die macht gekommen ist, im Nachhinein zumindest im Ansatz legitimiert und damit die begangenen Verbrechen irgendwie in ein anderes Licht gerückt werden könnten, je nach Intention des Betrachters.

Das Eis wäre mir zu dünn. Genau das versucht doch die NPD mit der Nazivergangenheit hinzubekommen. Ich bleibe dabei: selbst der Ansatz von vermeintlicher Verfassungsmäßigkeit ist im Falle Pinochet vielleicht formaljuristisch eine Frage, moralisch allerdings nicht diskussionswürdig und für die Rechtmäßigeit seiner "Regierungspraktiken" völlig ohne Belang.

Thomas
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carn
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Anmeldungsdatum: 15.02.2006
Beiträge: 2872

BeitragVerfasst am: 14.12.06, 12:29    Titel: Antworten mit Zitat

Karsten hat folgendes geschrieben::
Diese rechtstaatliche Demokratie gab es schon vor ihm und er hat sie zerstört.

Also wenn dass Parlament mit einer Mehrheit verkuendet, dass die Regierung massiv gegen die Verfassung verstoesst, aber sonst nichts passiert, dann ist das erstmal kein Zeichen fuer eine wunderbar funktionierende rechtstaatliche Demokratie.
Karsten hat folgendes geschrieben::

Zitat:
Bei Pinochet muss man in diesem Punkt sehr Zynisch argumentieren, naemlich mit der Zahl der Folteropfer.

Das 'Argument' verstehe ich nicht. Willst du damit sagen, Pinochet mußte erstmal alle politischen Gegener ermorden, damit es dann hinterher so 'richtig' demokratisch werden konnte?


Das Argument war dahingehend, dass Pinochet, sobald er glaubte den in seinen Augen notwendigen Krieg gewonnen zu haben, sich daran machte, den Rechststaat widerherzustellen(Dass eine Wiederherstellung eines Rechtstaates in einem Krieg wenig erfolgreich sein wird ist klar).
Bezueglich dem "muesste" sich einfach mal fragen, ob Deutschland eine Demokratie geworden waere, wenn alle Nazis den Krieg in Freiheit ueberlebt haetten und Nazis geblieben waeren?
Meiner Ansicht nach nicht. Also mussten die meisten Nazis, damit Deutschland Demokratie werden konnte, irgendwie davon abgebracht werden, Nazis zu bleiben.


Einige wurden getoetet, andere ins Exil getrieben und andere eingesperrt. Und der verbliebene Rest wurde durch die Entnazifizierung(die defintiv nicht sehr rechtstaatlich aussieht) und die nicht ausgesprochene Drohung eingeschuechtert, dass die Amis das naechste Mal wenn die Nazis wieder ihren Wahn folgem, Atombomben statt Brandbomben gegen deutsche Staedte einsetzen. (Die Verbrechen der Nazis hingegen spielten bis 55 oder so nur eine geringe Rolle).
Und ich denke nicht dass das irgendwie alles rechtsstaatlich war - aber es hat funktioniert.

Genau das gleiche gilt, falls eine kommunistische Regierung damit beschaeftigt ist, die russischen Hungersnoete der 20ger zu widerholen. Wenn man das verhindern will, muss man die Kommunisten irgendwie dazu bringen nicht mehr Kommunisten zu sein.
Wenn er das mit rechtstaatlichen Methoden haette erreichen koennen, dann ist er auf jeden Fall ein Verbrecher uebelster Art gewesen.
Waere es aber nicht mit rechstaatlichen Methoden erreichbar gewesen, habe ich keine Ahnung was er war, aber er war nur insoweit Verbrecher, wie es Churchill und andere eben aufgrund ihrer Handlungen vor und nach des 2. Weltkrieges eben auch waren.

Und dass eine kommunistische Machtuebernahme aehnlich gefaehrlich sein kann, wie eine von Nazis, ist spaetestens seit Pol-Pot klar.
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carn
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Anmeldungsdatum: 15.02.2006
Beiträge: 2872

BeitragVerfasst am: 14.12.06, 12:41    Titel: Antworten mit Zitat

ThomasS hat folgendes geschrieben::
@ carn


Auch wenn ich weiß, dass das nicht Deine Motivation hinter dieser Fragestellung ist, wäre die Konsequenz doch, dass jedes Terrorregime, dass nicht durch Bruch geltenden Rechts an die macht gekommen ist, im Nachhinein zumindest im Ansatz legitimiert und damit die begangenen Verbrechen irgendwie in ein anderes Licht gerückt werden könnten, je nach Intention des Betrachters.


Nein, die Konsequenz waere lediglich, dass ein Regime, dass die Macht an sich gerissen hat und Menschenrechte verletzt hat, um viel weitergehende Rechtsverletzungen zu verhindern, was anders nicht haette verhindert werden koennen, eventuell moralisch anders zu werten ist, sofern es die Rechtsbrueche beendet, sobald es die Situation zulaesst und einen Rechstaat wiederaufbaut.

Ich habe keine Ahnung, ob das hervorgehobene ueberhaupt beweisbar ist, aber wenn Pinochets Putsch rechtens war, dann kann er das nur gewesen sein, wenn wirklich eine ernsthafte Bedrohung vorlag. Wenn aber eine ernsthafte Bedrohung des Rechststaates vorlag, so ist das zumindest ein Indiz dafuer, dass eine rechststaatliche Bekaempfung der Gefahr nicht mehr moeglich war.
Deswegen ist die Frage, ob der Putsch eventuell rechtens war, eine die fuer eine moralische Wertung nicht irrelevant ist.


ThomasS hat folgendes geschrieben::

Das Eis wäre mir zu dünn. Genau das versucht doch die NPD mit der Nazivergangenheit hinzubekommen. Ich bleibe dabei: selbst der Ansatz von vermeintlicher Verfassungsmäßigkeit ist im Falle Pinochet vielleicht formaljuristisch eine Frage, moralisch allerdings nicht diskussionswürdig und für die Rechtmäßigeit seiner "Regierungspraktiken" völlig ohne Belang.

Thomas


Die moralische Bewertung der Flaechenborbardements und der Atombombeneinsaetze haengt (und hing auch damals) im wesentlichen davon ab, ob die Gefahr anders beseitigt haette werden koennen.
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ThomasS
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Anmeldungsdatum: 27.08.2006
Beiträge: 1050

BeitragVerfasst am: 14.12.06, 13:41    Titel: Antworten mit Zitat

carn hat folgendes geschrieben::
Nein, die Konsequenz waere lediglich, dass ein Regime, dass die Macht an sich gerissen hat und Menschenrechte verletzt hat, um viel weitergehende Rechtsverletzungen zu verhindern, was anders nicht haette verhindert werden koennen, eventuell moralisch anders zu werten ist, sofern es die Rechtsbrueche beendet, sobald es die Situation zulaesst und einen Rechstaat wiederaufbaut.


So, nun denken wir mal nach: Hat es unter der Regierung Allende irgendwelche größeren und bekannt gewordenen Menschenrechtsverletzungen im gleichen Stil wie unter Pinochet gegeben? Was soll sich denn Deiner Meinung nach an der Bewertung Pinochets ändern, wenn die Zehntelsekunde der Absetzung Allendes möglicherweise nach damaliger chilenischer Verfassung okay war und nach Ablauf dieser Zehntelsekunde sofort und unmittelbar das Terrorregime Pinochets einsetzte? Was würde das an der Art der Machtausübung ändern? Gar nichts. Deswegen halte ich auch die Frage, ob vielleichtmöglicherweisekönnteseindass Pinochet für ein paar Sekünchen rechtmäßig gehandelt hat für irrelevant, wenn es um diese Fragestellung geht:

carn hat folgendes geschrieben::
Dieses Bild ist stark ins Wanken gekommen durch den Eindruck, dass er zumindest in Teilen rechtstaatlich handelte, denn das passt ueberhaupt nicht zu dem Bild das ich von ihm hatte/habe.


Du schreibst ja selbst:

carn hat folgendes geschrieben::
Bei Pinochet muss man in diesem Punkt sehr Zynisch argumentieren, naemlich mit der Zahl der Folteropfer.
1974-77 5600, hauptsaechlich sozialistische und kommunistische Partei
1977-90 3500, hauptsaechlich bewaffnet agierende kommunistische Gruppen
Der Krieg den Pinochet also meinte gegen Kommunisten fuhren zu muessen, beendete er 1977, da die aus seiner Sicht staatsgefaehrdenden kommuunistische und sozialistische Parteien so gut wie zerschlagen waren.


Nach Deiner Argumentation wäre für die Betrachtung der Verbrechen zumindest ansatzweise erheblich, ob Pinochet legal an die Macht gekommen ist. Hitler ist legal an die Macht gekommen, spielt das eine Rolle, wenn es um die Naziverbrechen geht?

Allende bricht die Verfassung, Pinochet beendet das "legal" nur um dann selbst die Verfassung zu brechen; mir ist ehrlich gesagt nicht ganz klar, wohin Deine Frage am Ende führen soll. Für mich gerät da gar nichts ins Wanken ausser dem Glauben an die Gerechtigkeit, dass diesem Herren nicht der Prozeß gemacht wurde. Wenn man erst mal anfängt, diese Mörderbanden auch noch ansatzweise zu legitimieren, begibt man sich in Gefilde, die man besser nicht betreten sollte. An irgendeeiner Stelle haben Hitler, Pol Pot, Mao, Stalin und andere solcher "Staatenlenker" Dinge getan, die völlig legal waren; der "Führer" hat ja auch die Autobahnen gebaut und Arbeitsplätze geschaffen. Ich verstehe daher nicht, warum eine möglicherweise für einen ganz kurzen Zeitraum legale "Machtübernahme" die Einschätzung eines Diktators als Ganzes ins Wanken bringen könnte. Außerdem: die wahren Motive kennt doch kaum jemand; diese Behauptung kann auch lediglich als Vorwand gedient haben. Pinochet ausgerechnet in diesem Punkt auch nur einen Funken Ehrlichkeit zuzutrauen ist m. E. leidlich naiv. Noch jeder Diktator hat von sich behauptet, sein Handeln läge nur im Interesse des Volkes; glaubst Du diesen Schwindel?

Thomas
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Anmeldungsdatum: 12.11.2004
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BeitragVerfasst am: 14.12.06, 14:11    Titel: Antworten mit Zitat

Ich sehe einfach die Stelle nicht, wo sein 'Eingreifen' tatsächlich 'nötig' wurde.
Das chilenische Parlament hat die Absetzung von Allende NICHT GEWOLLT, sonst hätte es sie einfach beschlossen.
Pinochet wiederum hat niemals auch nur im Geringsten daran gedacht, das chilenische Rechtssystem zu 'beschützen'. Er hat die Macht ergriffen, weil ER sie haben wollte. mehr nicht.
Alle Versuche, die Ereignisse im Nachhinein dadurch schönzureden, dass man sie anders interpretiert, ändern daran nichts.
Auch nicht der Versuch, die Opfer des Terrors hinterher als die eigentlich Schuldigen (weil der erst durch Pinochet richtig auf den Weg gebrachten Demokratie im Wege stehend) darzustellen.
Pinochet war ein brutaler Massenmörder und Diktator. Mehr nicht.

Ich verstehe auch nicht, wieso Pinochet plötzlich 'gut' wird, nur, weil er gelegentlich außer Massenmorden auch was 'ordentliches' zustande gebracht haben soll; und umgekehrt wird Allende der Böse, weil er gelegentlich auch mal Mist gebaut haben soll? - Als 'kleineres' Übel kann ich Pinochet selbst mit Streichhölzern in den Augen nicht sehen.

Auch bei uns werden Entscheidungen und Gesetze der Regierung immer wieder einmal als verfassungswidrig erkannt und ggf. vom Verfassungsgericht gekippt.
Also auch unsere Regierung handelt nicht immer im Rahmen der Verfassung.
Was folgern wir daraus?
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BeitragVerfasst am: 14.12.06, 14:51    Titel: Antworten mit Zitat

ThomasS hat folgendes geschrieben::
carn hat folgendes geschrieben::
Nein, die Konsequenz waere lediglich, dass ein Regime, dass die Macht an sich gerissen hat und Menschenrechte verletzt hat, um viel weitergehende Rechtsverletzungen zu verhindern, was anders nicht haette verhindert werden koennen, eventuell moralisch anders zu werten ist, sofern es die Rechtsbrueche beendet, sobald es die Situation zulaesst und einen Rechstaat wiederaufbaut.


So, nun denken wir mal nach: Hat es unter der Regierung Allende irgendwelche größeren und bekannt gewordenen Menschenrechtsverletzungen im gleichen Stil wie unter Pinochet gegeben?


Nein, aber seit 1945 gilt meines Wissens der Grundsatz(immer wieder erneuert, nachdem man sich wieder mal nicht daran gehalten hat), dass man den naechsten Holocaust verhindern muss, bevor er passiert.
Also bloss weil Alliende keine Verbrechen begangen hat, kann man nur folgern, dass der Putsch ungerechtfertigt war, sofern man es fuer sehr wahrscheinlich haelt, dass er spaeter keine begangen haette.

ThomasS hat folgendes geschrieben::

Was soll sich denn Deiner Meinung nach an der Bewertung Pinochets ändern, wenn die Zehntelsekunde der Absetzung Allendes möglicherweise nach damaliger chilenischer Verfassung okay war und nach Ablauf dieser Zehntelsekunde sofort und unmittelbar das Terrorregime Pinochets einsetzte?


Dass aendert rechtlich wahrscheinlich einiges. Wenn der Putsch rechtmaessig war, dann hatten die Putschisten anschliessend die Pflicht, die Gefahr zu beseitigen und den Rechtstaat wiederherzustellen. Ihre Handlungen dabei sind somit, soweit sie angemessen sind und es keine alternativen weniger schlimmen Methoden gegeben hat, entschuldigt.

Da Pinochet also sowohl die vermeintliche Gefahr beseitigt hat, als auch letzlich den demokratischen Rechtstaat wiederhergestellt hat, waeren seine Handlungen entschuldigt, sofern es keine weniger schlimme Alternativen gab und die gewaehlten Handlungen der Gefahr angemessen waren.
Es wuerde also nur eine Frage bleiben:
Wie schlimm waren die Kommunisten Chiles in ihren Motiven und Absichten wirklich gewesen?

Somit wuerde der, der sagt Pinochet war ein furchtbarer Verbrecher, wissentlich oder unwissentlich nichts anderes sagen als dass die dortigen Kommunisten harmlos waren. Da aber keiner so genau weis, ohne sich genau mit dem Thema zu beschaeftigen, wie schlimm die Kommunisten Chiles in ihren Motiven und Absichten waren, druekt das wiederrum aus, dass Kommunisten allgemein harmlos sind.

Wenn also Pinochets Putsch rechtens war, dann drueckt "Pinochet war ein schlimmer Verbrecher" eventuell nichts anderes aus als "Kommunisten sind harmlos.".

Und wenn jemand das auch nur unwissentlich ausdrueckt, ist das bereits nicht unbedeutend fuer meene politische Wertung einer Person.


ThomasS hat folgendes geschrieben::

carn hat folgendes geschrieben::
Dieses Bild ist stark ins Wanken gekommen durch den Eindruck, dass er zumindest in Teilen rechtstaatlich handelte, denn das passt ueberhaupt nicht zu dem Bild das ich von ihm hatte/habe.


Du schreibst ja selbst:

carn hat folgendes geschrieben::
Bei Pinochet muss man in diesem Punkt sehr Zynisch argumentieren, naemlich mit der Zahl der Folteropfer.
1974-77 5600, hauptsaechlich sozialistische und kommunistische Partei
1977-90 3500, hauptsaechlich bewaffnet agierende kommunistische Gruppen
Der Krieg den Pinochet also meinte gegen Kommunisten fuhren zu muessen, beendete er 1977, da die aus seiner Sicht staatsgefaehrdenden kommuunistische und sozialistische Parteien so gut wie zerschlagen waren.


Nach Deiner Argumentation wäre für die Betrachtung der Verbrechen zumindest ansatzweise erheblich, ob Pinochet legal an die Macht gekommen ist. Hitler ist legal an die Macht gekommen, spielt das eine Rolle, wenn es um die Naziverbrechen geht?


Nein, fuer die Bewertung ist es hoechstens von Bedeutung, wenn schlimmeres Uebel verhindert worden waere.
Da die rechtmaessigkeit eines Putsches, zumindest in der deutschen Verfassung unmittelbar daran geknuepft ist, dass schlimme Verbrechen nur so verhindert werden koennen(die Beseitigung der demokratischen Ordnung ist im allgeminen ein schlimmes Verbrechen und wird meistens noch schlimmere nach sich ziehen), wuerde die Rechtmaessigkeit bedeuten, dass zumindest schlimme Alternativen sehr plausibel waren.

ThomasS hat folgendes geschrieben::

Außerdem: die wahren Motive kennt doch kaum jemand; diese Behauptung kann auch lediglich als Vorwand gedient haben. Pinochet ausgerechnet in diesem Punkt auch nur einen Funken Ehrlichkeit zuzutrauen ist m. E. leidlich naiv.


Verzeihung, aber Pinochet hat die Demokratie wieder eingefuehrt, er hat eine neue Verfassung ausarbeiten lassen und er ist zurueckgetreten, nachdem eine Volksabstimmung dies gefordert hat.
Das klingt irgendwie als waere einiges seiner Ziele letzlich gewesen einen einigermassen normalen Staat aufzubauen.

ThomasS hat folgendes geschrieben::

Noch jeder Diktator hat von sich behauptet, sein Handeln läge nur im Interesse des Volkes; glaubst Du diesen Schwindel?

Thomas


Dummerweise folgt daraus, dass viele so luegen nicht, dass alle so luegen.
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carn
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Anmeldungsdatum: 15.02.2006
Beiträge: 2872

BeitragVerfasst am: 14.12.06, 15:06    Titel: Antworten mit Zitat

Karsten hat folgendes geschrieben::

Das chilenische Parlament hat die Absetzung von Allende NICHT GEWOLLT, sonst hätte es sie einfach beschlossen.


http://www.nzz.ch/2006/12/11/al/articleDA2XP.html :

"Eine am 22. August 1973 mit den Stimmen der Opposition - der Mehrheit - verabschiedete Resolution des Abgeordnetenhauses listet die Verfassungs- und Rechtsbrüche auf, die unter Allende geschehen waren und täglich geschahen. Die Regierung ziele auf die Einrichtung eines totalitären Regimes, sie habe dem Parlament durch Dekrete dessen zentrale Funktion entrissen, von diesem beschlossene Verfassungsänderungen nicht in Kraft gesetzt, die Gewaltentrennung suspendiert, die Gleichheit der Bürger vor dem Gesetz sowie den Schutz des Eigentums verletzt, aus politischen Gründen Leute illegal verhaftet, die Bildung aufständischer bewaffneter Gruppen zugelassen sowie versucht, die Streitkräfte zu parteipolitischen Zwecken zu missbrauchen. Das Oberste Gericht stellte die Regierung in ähnlichem Sinne an den Pranger.

In der Resolution forderten die Abgeordneten die Streitkräfte dazu auf, gemäss ihrem gesetzlichen Auftrag dem Bruch der verfassungsmässigen Ordnung durch die Regierung Allende ein Ende zu setzen."

Bin kein Jurist, aber ist das was anderes als eine Aufforderung einen Putsch zu machen?
Ist natuerlich keine Aufforderung 17 jahre an der Macht zu bleiben, ausser man meint, dass das totalitaere Regime nur dadurch verhindert werden kann.


Karsten hat folgendes geschrieben::

Pinochet wiederum hat niemals auch nur im Geringsten daran gedacht, das chilenische Rechtssystem zu 'beschützen'. Er hat die Macht ergriffen, weil ER sie haben wollte. mehr nicht.
Alle Versuche, die Ereignisse im Nachhinein dadurch schönzureden, dass man sie anders interpretiert, ändern daran nichts.
Auch nicht der Versuch, die Opfer des Terrors hinterher als die eigentlich Schuldigen (weil der erst durch Pinochet richtig auf den Weg gebrachten Demokratie im Wege stehend) darzustellen.
Pinochet war ein brutaler Massenmörder und Diktator. Mehr nicht.


Als was wuerden wir heute einen General bezeichnen, der am 22. Maerz 1933, Hitler und saemtliche Parlamentsabgeordneten der NSDAP haette erschiessen lassen, anschliessend ueber 4 Jahre hinweg saemtliche NSDAP-Mitglieder verfolgt haette und der um 1940 eine neue Verfassung verabschiedet haette und sich 1948 haette demokratisch abwaehlen lassen?

Karsten hat folgendes geschrieben::

Ich verstehe auch nicht, wieso Pinochet plötzlich 'gut' wird, nur, weil er gelegentlich außer Massenmorden auch was 'ordentliches' zustande gebracht haben soll; und umgekehrt wird Allende der Böse, weil er gelegentlich auch mal Mist gebaut haben soll? - Als 'kleineres' Übel kann ich Pinochet selbst mit Streichhölzern in den Augen nicht sehen.


Wuerden sie die Sache anders sehen, wenn Allende statt Kommunist, judenhassender hitlerverehrender Nazi gewesen waere?
Und zwar einer von der Sorte, die den Holocaust nicht leugnen?

Karsten hat folgendes geschrieben::

Auch bei uns werden Entscheidungen und Gesetze der Regierung immer wieder einmal als verfassungswidrig erkannt und ggf. vom Verfassungsgericht gekippt.
Also auch unsere Regierung handelt nicht immer im Rahmen der Verfassung.
Was folgern wir daraus?


Dass die Materie entweder schwierig ist oder die Regierung daemlich, weswegen es immer wieder am BVG liegt korrekturen anzumahnen.
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