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Verfasst am: 12.12.06, 11:02 Titel: Vorrangsfrage völkerrechtlicher Verträge und Europarecht
Hallo,
ich studiere gerade das Ausländerrecht samt den europa- und völkerrechtlichen Bezügen. Eine konkrete Frage, die ich im Anschluss stellen möchte, bringt mich zu folgendem Problem / Thema:
"Vorrangsfrage völkerrechtlicher Verträge einzelner Mitgliedstaaten der EG vor völkerrechtlichen Verträgen der EG bzw. gemischten Abkommen und Sekundärrecht der EG."
Konkrete Frage / Hintergrund:
Deutschland hat verschiedene ausländerrechtliche Sichtvermerksabkommen mit ausländerrechtlichen sog. Drittstaaten geschlossen (z.B. Australien 1953, Korea 1974), die zur visumsfreien Einreise und Aufenthalt von grds. drei Monaten in Deutschland berechtigen. Diese wurden durch die AufenthVO (früher DVAuslG) in nationales Recht umgesetzt.
Der Aufenthalt im Schengengebiet für die sog. Positivstaater (grds. Visumsbefreiung für drei Monate im Sechsmonatszeitraum) ist durch Art. 20 I SDÜ geregelt. Demnach sieht Art. 20 I SDÜ eine Visumsfreiheit von drei Monaten im Sechsmonatszeitraum vor. Diesen Sechsmonatszeitraum sehen jedoch die Sichtvermerksabkommen nicht vor. Bzgl. der SDÜ ist es relativ unproblematisch, da Art. 20 II SDÜ nationale Sonderreglungen hinsichtlich der Aufenthaltsdauer sichtvermerksfreier Drittausländer zulässt.
1. Frage:
Wenn diese Öffnungsklausel gem. Art. 20 II SDÜ nicht wäre, was hätte Vorrang? Das SDÜ oder die Sichtvermerksabkommen? Begründung?
Erweiterung des Problems:
Mit der EGVisaVO (VO (EG) Nr. 539/2001 wurde sekundärrechtlich die Einreise von Drittstaatsangehörigen über die EU-Außengrenzen für einen beabsichtigten maximalen Aufenthalt von drei Monaten im Sechsmonatszeitraum geregelt. Die EGVisaVO sieht keine Öffnungsklausel für nationale Sonderregelungen hinsichtlich Sichtvermerksabkommen einzelner Mitgliedstaaten mit Drittstaaten vor. Gleichwohl sieht die EGVisaVO nationale Sonderregelungen bei beabsichtigter Aufnahme einer Erwerbstätigkeit bzw. Inhabern bestimmter Pässe vor. Insofern kann m.E. auch nicht auf redaktionelle Fehler abgestellt werden.
Nun besteht ein Konflikt bspw. dadurch, dass ein Drittstaatsaneghöriger, der nach der EGVisaVO für maximal 3 Monaten im Sechsmonatszeitraum von der Visumspflicht befreit ist, jedoch das Sichtvermerksabkommen eine Befreiung ohne Einschränkung auf den Sechsmonatszeitraum vorsieht.
2. Frage:
Was hat Vorrang? EGVisaVO oder Sichtvermerksabkommen? Begründung?
Grundsatzproblem:
Insgesamt stellen sich m.E. folgende Grundprobleme:
a) Haben völkerrechtliche Verträge der EG, die im Rang zwischen den Gründungsverträgen und dem Sekundärrecht stehen Vorrang vor völkerrechtlichen Verträgen der Mitgliedstaaten?
b) Hat Sekundärrecht der EG Vorrang vor nationalen Gesetzen und darauf basierenden Verordnungen?
c) Haben völkerrechtliche Verträge der Mitgliedstaaten Vorrang vor EG-Recht?
Für einige Ausführen hierzu wäre ich sehr dankbar.
Wenn diese Öffnungsklausel gem. Art. 20 II SDÜ nicht wäre, was hätte Vorrang? Das SDÜ oder die Sichtvermerksabkommen? Begründung?
Das SDÜ -als Bestandteil des Schengen-Aquis heute Sekundärrecht der EU hätte Vorrang gegenüber dem Sichtvermerksabkommen als Bestandteil der deutschen Rechtsordnung.
Die dogmatische Begründung des vorrangs des Gemeinschaftsrechtes ist allerdings strittig. Der EuGH begründet den vorrang mit der Eigenständigkeit der europäischen Rechtsordnung (Fall Costa/ENEL; EuGH Rspr. 1964, 1251), das BVerfG geht von einem Vorrang des Gemeinschaftsrechts kraft verfassungsrechtlicher Ermächtigung aus (BVerfGE 73, 339 -Solange II-).
Zitat:
Nun besteht ein Konflikt bspw. dadurch, dass ein Drittstaatsaneghöriger, der nach der EGVisaVO für maximal 3 Monaten im Sechsmonatszeitraum von der Visumspflicht befreit ist, jedoch das Sichtvermerksabkommen eine Befreiung ohne Einschränkung auf den Sechsmonatszeitraum vorsieht.
2. Frage:
Was hat Vorrang? EGVisaVO oder Sichtvermerksabkommen? Begründung?
Kein Problem. Die EU-VisumsVO soll nur die sichtvermerksfreie Einreise regeln (siehe dazu auch Präambel der VO), der anschließend folgende Aufenthalt wird durch Art. 20 SDÜ gedeckt, der eine entsprechende Öffnungsklausel enthält.
Zitat:
a) Haben völkerrechtliche Verträge der EG, die im Rang zwischen den Gründungsverträgen und dem Sekundärrecht stehen Vorrang vor völkerrechtlichen Verträgen der Mitgliedstaaten?
Das SDÜ ist kein völkerrechtlicher Vertrag der EU, sondern als Schengen-Aquis gemäß dem Amsterdamer Vertrag Sekundärrecht der EU.
Zitat:
b) Hat Sekundärrecht der EG Vorrang vor nationalen Gesetzen und darauf basierenden Verordnungen?
Uneingeschränkt ja (siehe dazu oben).
Zitat:
c) Haben völkerrechtliche Verträge der Mitgliedstaaten Vorrang vor EG-Recht?
Dieses Verhältnis wird durch Art. 307 EGV geregelt:
"Die Rechte und Pflichten aus Übereinkünften, die vor dem 1. Januar 1958 oder, im Falle später beigetretener Staaten, vor dem Zeitpunkt ihres Beitritts zwischen einem oder mehreren Mitgliedstaaten einerseits und einem oder mehreren dritten Ländern andererseits geschlossen wurden, werden durch diesen Vertrag nicht berührt.
Soweit diese Übereinkünfte mit diesem Vertrag nicht vereinbar sind, wenden der oder die betreffenden Mitgliedstaaten alle geeigneten Mittel an, um die festgestellten Unvereinbarkeiten zu beheben. Erforderlichenfalls leisten die Mitgliedstaaten zu diesem Zweck einander Hilfe; sie nehmen gegebenenfalls eine gemeinsame Haltung ein.
Bei Anwendung der in Absatz 1 bezeichneten Übereinkünfte tragen die Mitgliedstaaten dem Umstand Rechnung, dass die in diesem Vertrag von jedem Mitgliedstaat gewährten Vorteile Bestandteil der Errichtung der Gemeinschaft sind und daher in untrennbarem Zusammenhang stehen mit der Schaffung gemeinsamer Organe, der Übertragung von Zuständigkeiten auf diese und der Gewährung der gleichen Vorteile durch alle anderen
Mitgliedstaaten."
Zitat:
Für einige Ausführen hierzu wäre ich sehr dankbar.
Ich hoffe, ich konnte weiterhelfen? _________________ "§ 354 Abs. 1 a Satz 1 StPO bei verfassungskonformer Auslegung mit Grundgesetz vereinbar"
Bundesverfassungsgericht; Pressemitteilung Nr. 76/2007 vom 6. Juli 2007 zum Beschluss vom 14. Juni 2007 – 2 BvR 1447/05; 2 BvR 136/05
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