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Bindung der Eltern an die Verfassung durch Art. 2 GG

 
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BtRecht
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Anmeldungsdatum: 26.10.2006
Beiträge: 314

BeitragVerfasst am: 25.02.07, 08:25    Titel: Bindung der Eltern an die Verfassung durch Art. 2 GG Antworten mit Zitat

Martina hat folgendes geschrieben::
Kurze Frage, knappe Antwort bitte:


Wenn ein Fall im Rahmen der Grundrechte betrachtet werden soll, ist eine knappe Antwort nahezu immer ausgeschlossen.

Die Grundrechte gelten natürlich für jeden. Die (wie weiter unten im Thread belegt ausgeführt so nicht zutreffende) Hauptlehrmeinung ist zwar, das der Staat sich bei der Gesetzgebung an die Verfassung zu halten hat und alle die in seinem Namen tätig werden (Richter/Lehrer/Polizisten, Städtische Beamte, etc.) wiederum an die Gesetze und das du dich im wesentlichen nur gegenüber staatlichen Institutionen (etwa dem Jugendamt) und denen, die dort oder in ihrem Auftrag arbeiten, etwa deinem Klassenlehrer gegenüber auf deine Grundrechte beziehen könntest, und dich ansonsten auf die Gesetze berufen müsstest, aber im Grundgesetz (GG) selbst ließt sich das anders und mir ist kein Urteil des Bundesverfassungsgericht bekannt, dass die Hauptlehrmeinung stützt.

Im Artikel 2 GG heißt es (jeweils Auszüge): "Jeder hat das Recht auf die freie Entfaltung seiner Persönlichkeit, soweit er nicht die Rechte anderer verletzt und nicht gegen die verfassungsmäßige Ordnung oder das Sittengesetz verstößt." In Artikel 20 GG heißt es: "Die Gesetzgebung ist an die verfassungsmäßige Ordnung, (...) gebunden." In Artikel 9: "Vereinigungen, (...) die sich gegen die verfassungsmäßige Ordnung (...) richten, sind verboten."

Ergo: Jeder kann seine Grundrecht immer gelten machen, und jeder muss sich an das Grundgesetz halten, dass heißt, jeder kann sich immer auf seine Grundrechte berufen. Doch was heißt das dann konkret?

Das Bundesverfassungsgericht hat ausgeführt, dass das Private einen besonderen Schutz genießt. Wenn du bei jemanden zu Besuch bist und dir passt da irgendwas nicht, kannst du dich zwar auf deine Grundrechte berufen, die Grundrechte der Gastgeber werden aber in der Regel viel höher wiegen. Die Schwierigkeit bei Grundrechten ist halt immer die, dass natürlich auch andere Grundrechte haben oder es in deinem oder im Sinn der Anderen sein kann Grundrechte von dir einzuschränken. Grundsätzlich sollte aber deren Wesenskern erhalten bleiben. Letztlich ist es aber unmöglich allen alle Grundrechte gleichzeitig zu erfüllen. Es ist halt immer eine Abwägung, was verhältnismäßig ist. Ein Grundrecht von dir kann nur mit der Begründung eingeschränkt werden, dass andere gewichtigere Grundrechte von dir oder von anderen geschützt werden müssen.

In Artikel 10 GG heißt es, dass das Briefgeheimnis sowie das Post- und Fernmeldegeheimnis unverletzlich sei. Wenn aber dein Leben in Gefahr ist, dann darf natürlich auch deine Post geöffnet werden um dein Grundrecht auf Leben und körperliche Unversehrtheit zu schützen.

Bleibt die Frage, ob die Eltern auch in weniger gewichtigen Fällen die Post öffnen?

In Artikel 2 GG heißt es zwar:

Zitat:
(1) Jeder hat das Recht auf die freie Entfaltung seiner Persönlichkeit, soweit er nicht die Rechte anderer verletzt und nicht gegen die verfassungsmäßige Ordnung oder das Sittengesetz verstößt. (...)
http://dejure.org/gesetze/GG/2.html


Artikel 6 Absatz 2 GG sagt aber:

Zitat:
Pflege und Erziehung der Kinder sind das natürliche Recht der Eltern und die zuvörderst ihnen obliegende Pflicht. Über ihre Betätigung wacht die staatliche Gemeinschaft.
http://dejure.org/gesetze/GG/6.html


Sowohl du, wie auch deine Eltern können sich auf das Grundgesetz berufen. Und man muss letztlich dann auch unter Heranziehung anderer Artikel abwägen, wer den nun letztlich (mehr) Recht hat, oder ob es eine andere beste Lösung gibt. Deine Eltern können sich bis zu deinem 18 Geburtstag auf Artikel 6 des Grundgesetz berufen. Den Begriff des Jugendlichen kennt das Grundgesetz nicht, aber natürlich, je weniger du Kind bist, desto weniger können sich deine Eltern auch auf den Artikel 6 berufen, und desto mehr kannst du dich auf Artikel 2 berufen. Auch im Gesetz wird das berücksichtigt. Bis 18 ist man zwar beschränkt geschäftsfähig. Aber mit seinem eigenen Geld kann man (meist) tun, was man möchte. Man kann sogar Erwachsene bei Geschäften vertreten und für sie im vollen Umfang handeln. Ab 16 darf man auch Bier und Wein in Gaststätten konsumieren und Veranstaltungen bis 24 Uhr allein besuchen. Ab 16 kann man z.B. auch gegen den Willen der Eltern heiraten, wenn ein Gericht dem zustimmt. Man bekommt als Jugendlicher mehr Rechte, hat aber auch mehr Verantwortung für sein Handeln zu übernehmen.

Im Bürgerlichen Gesetzbuch (BGB), wo die wichtigsten Gesetze, die das alltägliche Zusammenleben regeln stehen, gibt es auch einen Paragrafen zu Erziehung.

Den § 1626 BGB - Elterliche Sorge, Grundsätze:

Zitat:
(1) Die Eltern haben die Pflicht und das Recht, für das minderjährige Kind zu sorgen (elterliche Sorge). Die elterliche Sorge umfasst die Sorge für die Person des Kindes (Personensorge) und das Vermögen des Kindes (Vermögenssorge).

(2) Bei der Pflege und Erziehung berücksichtigen die Eltern die wachsende Fähigkeit und das wachsende Bedürfnis des Kindes zu selbständigem verantwortungsbewusstem Handeln. Sie besprechen mit dem Kind, soweit es nach dessen Entwicklungsstand angezeigt ist, Fragen der elterlichen Sorge und streben Einvernehmen an.

(3) Zum Wohl des Kindes gehört in der Regel der Umgang mit beiden Elternteilen. Gleiches gilt für den Umgang mit anderen Personen, zu denen das Kind Bindungen besitzt, wenn ihre Aufrechterhaltung für seine Entwicklung förderlich ist.
http://dejure.org/gesetze/BGB/1626.html


Das ist schon recht konkret, was da verlangt wird. Wichtig ist das Wort „Entwicklungsstand“. Also ein verschlossenes Tagebuch öffnen sollte normalerweise nicht vorkommen, denn das ist eine Handlung, die weder die wachsende Fähigkeit noch das wachsende Bedürfnis zu selbständigem verantwortungsbewusstem Handeln von berücksichtigt und schon gar nicht kein Einvernehmen anstrebt.

Es kommt also zum Streit. Du möchtest dir das nicht gefallen lassen und drohst deinen Eltern mit § 202 StGB, die Verletzung des Briefgeheimnisses wird danach mit Freiheitsstrafe bis zu einem Jahr oder mit Geldstrafe bestraft, wenn der Brief noch zu ist oder sich in einem abgeschlossenen Behältnis befand. Das erste Problem, was du dann faktisch hast ist, dass die Strafanzeige nur verfolgt werden muss, wenn deine Eltern das wollen, oder wenn ein besonderes öffentliches Interesse angenommen wird, was aber wohl in diesem Fall so gut wie nie vorkommen wird.

Generell darf man aber straffrei eine Straftat begehen, wenn anders eine Gefahr nicht abzuwenden ist. Dabei muss das zu schützende Rechtsgut wesentlich wichtiger sein als das verletze Rechtsgut. Das verletzte Rechtsgut ist dein Briefgeheimnis, und die Tat kann mit Freiheitsstrafe bis zu einem Jahr bestraft werden. Wenn deine Eltern damit eine Körperverletzung verhindern wollen, wäre das gerechtfertigt, wenn es andern nicht geht, denn Körperverletzung wird mit Freiheitsstrafe bis zu 5 Jahren bestraft. Aber davon ist wahrscheinlich nicht auszugehen.

Strafrechtlich wirklich legitim ist das Lesen der Briefe also eigentlich nur, wenn deine Eltern nicht anders eine Straftat verhindern könnten, die mit mindestens 3 Jahren Freiheitsstrafe bedroht wird.

Oder es gibt halt andere gewichtige Gründe. Wenn etwa eine Drogenkarriere nicht anders verhindert werden könnte, können die Eltern mit Artikel 2 Artikel Absatz (deine Körperliche Unversehrtheit) in Verbindung mit Artikel 6 sich über Artikel 10 (Briefgeheimnis) und Artikel 2 Absatz 1 (dein Recht auf ein Selbstbestimmtes Leben) hinwegsetzen. Allerdings dürfte das lesen von Briefen wohl nie ein angemessenes und erfolgversprechendes Mittel sein, eine Drogenkarriere zu verhindern.

Was Jugendliche alles (nicht) dürfen findet sich zum großen Teil hier:
http://www.3sat.de/3sat.php?http://www.3sat.de/specials/99905/index.html

und hier:
http://www.3sat.de/3sat.php?http://www.3sat.de/specials/99918/index.html


Zuletzt bearbeitet von BtRecht am 28.02.07, 00:30, insgesamt 4-mal bearbeitet
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Karsten
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Anmeldungsdatum: 12.11.2004
Beiträge: 9688
Wohnort: München

BeitragVerfasst am: 25.02.07, 16:34    Titel: Antworten mit Zitat

Eine sooo lange Darstellung kann natürlich nicht unwidersprochen bleiben – schon aus Prinzip nicht. Sehr glücklich
Zitat:
Die Hauptlehrmeinung ist zwar, das der Staat sich bei der Gesetzgebung an die Verfassung zu halten hat und alle die in seinem Namen tätig werden (Richter/Lehrer/Polizisten, Städtische Beamte, etc.) wiederum an die Gesetze und das du dich im wesentlichen nur gegenüber staatlichen Institutionen (etwa dem Jugendamt) und denen, die dort oder in ihrem Auftrag arbeiten, etwa deinem Klassenlehrer gegenüber auf deine Grundrechte beziehen könntest, und dich ansonsten auf die Gesetze berufen müsstest, aber im Grundgesetz (GG) selbst ließt sich das anders und mir ist kein Urteil des Bundesverfassungsgericht bekannt, dass die Hauptlehrmeinung stützt.

Da würde mich mal interessieren, WO im GG sich denn „das anders ließt“. Cool
M.E. braucht es dafür auch kein Urteil des BVerfG, weil diese Lehrmeinung schon im Grundgesetz selbst zu lesen ist: „Die nachfolgenden Grundrechte binden Gesetzgebung, vollziehende Gewalt und Rechtsprechung als unmittelbar geltendes Recht“. (Art 1, Abs. 3).
Hier ist ausdrücklich der einzelne Bürger als Adressat nicht benannt, weil es sich eben um ein Regelwerk handelt, dass dem STAAT aufträgt, dafür zu sorgen, dass diese Grundrechte für alle gelten.
Zitat:
Ergo: Jeder kann seine Grundrecht immer gelten machen, und jeder muss sich an das Grundgesetz halten, dass heißt, jeder kann sich immer auf seine Grundrechte berufen. Doch was heißt das dann konkret?

Richtig. Was heißt das konkret? – Wie hoch ist denn die Strafe für Verstöße gegen das Grundgesetz?
Zitat:
In Artikel 10 GG heißt es, dass das Briefgeheimnis sowie das Post- und Fernmeldegeheimnis unverletzlich sei. Wenn aber dein Leben in Gefahr ist, dann darf natürlich auch deine Post geöffnet werden um dein Grundrecht auf Leben und körperliche Unversehrtheit zu schützen.

Es gibt zwar Ausnahmen zum Art. 10. Der Schutz der Rechte aus Art. 2 gehört aber meines Wissens nicht dazu.
Zitat:
Deine Eltern können sich bis zu deinem 18 Geburtstag auf Artikel 6 des Grundgesetz berufen.

Nein. Wem gegenüber auch? Statt dessen können sie sich aber auf § 1626 BGB berufen.
Zitat:
Aber mit seinem eigenen Geld kann man (meist) tun, was man möchte. Man kann sogar Erwachsene bei Geschäften vertreten und für sie im vollen Umfang handeln.

Schweift zwar etwas ab vom Thema, aber auch das stimmt nicht: Der Jugendliche braucht bis zu seinem 18 Lebensjahr zu allen Rechtsgeschäften die Erlaubnis seiner Eltern, auch dann und erst recht, wenn Erwachsene vertreten werden. Ausnahmen gibt es nur für Geschäfte des täglichen Lebens.
Zitat:
Es kommt also zum Streit. Du möchtest dir das nicht gefallen lassen und drohst deinen Eltern mit § 202 StGB, die Verletzung des Briefgeheimnisses wird danach mit Freiheitsstrafe bis zu einem Jahr oder mit Geldstrafe bestraft, wenn der Brief noch zu ist oder sich in einem abgeschlossenen Behältnis befand. Das erste Problem, was du dann faktisch hast ist, dass die Strafanzeige nur verfolgt werden muss, wenn deine Eltern das wollen, oder wenn ein besonderes öffentliches Interesse angenommen wird, was aber wohl in diesem Fall so gut wie nie vorkommen wird.
Generell darf man aber straffrei eine Straftat begehen, wenn anders eine Gefahr nicht abzuwenden ist. Dabei muss das zu schützende Rechtsgut wesentlich wichtiger sein als das verletze Rechtsgut. Das verletzte Rechtsgut ist dein Briefgeheimnis, und die Tat kann mit Freiheitsstrafe bis zu einem Jahr bestraft werden. Wenn deine Eltern damit eine Körperverletzung verhindern wollen, wäre das gerechtfertigt, wenn es andern nicht geht, denn Körperverletzung wird mit Freiheitsstrafe bis zu 5 Jahren bestraft. Aber davon ist wahrscheinlich nicht auszugehen.
Strafrechtlich wirklich legitim ist das Lesen der Briefe also eigentlich nur, wenn deine Eltern nicht anders eine Straftat verhindern könnten, die mit mindestens 3 Jahren Freiheitsstrafe bedroht wird.

Wie durch das Lesen von Briefen eine Körperverletzung verhindert werden soll, bleibt mir schleierhaft. Ich könnte mir hier nur Briefbomben vorstellen; die sollte man dann aber geflissentlich ungeöffnet lassen. Wieso die Mindeststrafe für die verhinderte Tat mindestens drei Jahre betragen muss, damit man beim Brieföffnen straffrei ausgeht, verstehe ich auch nicht.
Das wichtigste am § 202 hast du hier geflissentlich ausgelassen. Er beginnt mit: „Wer unbefugt…“ Wenn die Eltern einen Brief ihres Kindes öffnen, wäre zuerst einmal zu klären, ob sie dies unbefugt tun. Diese Befugnis wird bei den eigenen Eltern aber in der Regel anzunehmen sein; die dürfen das also für gewöhnlich auch dann, wenn sie keine Bomben vermuten.

Ganz nebulös ist für mich folgender Satz:
Zitat:
Wenn etwa eine Drogenkarriere nicht anders verhindert werden könnte, können die Eltern mit Artikel 2 Artikel Absatz (deine Körperliche Unversehrtheit) in Verbindung mit Artikel 6 sich über Artikel 10 (Briefgeheimnis) und Artikel 2 Absatz 1 (dein Recht auf ein Selbstbestimmtes Leben) hinwegsetzen.

Wie wird plötzlich aus MEINEM Grundrecht das Recht eines Anderen, gegen mich vorzugehen?

Das ändert aber alles nichts daran, dass auch ein Minderjähriger ein Recht auf die Unantastbarkeit seiner Briefe und Tagebücher hat. Nur ergibt sich das eben nicht aus den Grundrechten unserer Verfassung. Im Streitfall wird also meist der Jugendliche dumm dastehen. Recht haben und Recht bekommen sind immer zwei Paar Schuhe.
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BtRecht
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Anmeldungsdatum: 26.10.2006
Beiträge: 314

BeitragVerfasst am: 26.02.07, 18:36    Titel: Antworten mit Zitat

Karsten hat folgendes geschrieben::
Eine sooo lange Darstellung kann natürlich nicht unwidersprochen bleiben – schon aus Prinzip nicht. Sehr glücklich
Zitat:
Die Hauptlehrmeinung ist zwar, (...) , aber im Grundgesetz (GG) selbst ließt sich das anders und mir ist kein Urteil des Bundesverfassungsgericht bekannt, dass die Hauptlehrmeinung stützt.

Da würde mich mal interessieren, WO im GG sich denn „das anders ließt“.


Einfache Logik: "Die Gesetzgebung ist an die verfassungsmäßige Ordnung, (...) gebunden." "Jeder hat das Recht auf die freie Entfaltung seiner Persönlichkeit, soweit er nicht die Rechte anderer verletzt und nicht gegen die verfassungsmäßige Ordnung (..) verstößt."


Karsten hat folgendes geschrieben::

M.E. braucht es dafür auch kein Urteil des BVerfG, weil diese Lehrmeinung (die Hauptlehrmeinung) schon im Grundgesetz selbst zu lesen ist: „Die nachfolgenden Grundrechte binden Gesetzgebung, vollziehende Gewalt und Rechtsprechung als unmittelbar geltendes Recht“. (Art 1, Abs. 3). (Im GG) ist ausdrücklich der einzelne Bürger als Adressat nicht benannt, weil es sich eben um ein Regelwerk handelt, dass dem STAAT aufträgt, dafür zu sorgen, dass diese Grundrechte für alle gelten.


Und was ist mit Artikel 9 III GG: "Das Recht, zur Wahrung und Förderung der Arbeits- und Wirtschaftsbedingungen Vereinigungen zu bilden, ist für jedermann und für alle Berufe gewährleistet (...)" Es ist unstrittig, dass Arbeitgeber Arbeitnehmern die Betätigung in Gewerkschaften auch nach Artikel 9 III GG gewähren müssen.

Oder Artikel 5 II GG: " Kunst und Wissenschaft, Forschung und Lehre sind frei. Die Freiheit der Lehre entbindet nicht von der Treue zur Verfassung."

Und nur mal angenommen, die NPD käme an die Macht und würde es schaffen ein Gesetz zu erlassen, dass die Vergasung von Juden erlaubt. Darf jemand sich darauf berufen oder ist er nicht verpflichtet sich an die Verfassung zu halten?

Karsten hat folgendes geschrieben::

Richtig. Was heißt das konkret? – Wie hoch ist denn die Strafe für Verstöße gegen das Grundgesetz?


Das Grundgesetzt würde es gestatten dich im Notfall umzubringen, wenn die verfassungsmäßige Ordnung gar nicht mehr anderes aufrecht erhalten werden könnte. Siehe Art. 20 IV GG:

Zitat:
Artikel 20 Grundgesetz

(1) Die Bundesrepublik Deutschland ist ein demokratischer und sozialer Bundesstaat.

(2) Alle Staatsgewalt geht vom Volke aus. Sie wird vom Volke in Wahlen und Abstimmungen und durch besondere Organe der Gesetzgebung, der vollziehenden Gewalt und der Rechtsprechung ausgeübt.

(3) Die Gesetzgebung ist an die verfassungsmäßige Ordnung, die vollziehende Gewalt und die Rechtsprechung sind an Gesetz und Recht gebunden.

(4) Gegen jeden, der es unternimmt, diese Ordnung zu beseitigen, haben alle Deutschen das Recht zum Widerstand, wenn andere Abhilfe nicht möglich ist


Interessant ist dass es hier heißt "diese Ordnung". Das meint explizit alle im Artikel erwähnten Vorraussetzungen. Übrigens: "Eine Änderung dieses Grundgesetzes, durch welche (...) die in den Artikeln 1 und 20 niedergelegten Grundsätze berührt werden, ist unzulässig." heißt es in Artikel 79 II GG.


Karsten hat folgendes geschrieben::

Zitat:
In Artikel 10 GG heißt es, dass das Briefgeheimnis sowie das Post- und Fernmeldegeheimnis unverletzlich sei. Wenn aber dein Leben in Gefahr ist, dann darf natürlich auch deine Post geöffnet werden um dein Grundrecht auf Leben und körperliche Unversehrtheit zu schützen.

Es gibt zwar Ausnahmen zum Art. 10. Der Schutz der Rechte aus Art. 2 gehört aber meines Wissens nicht dazu.


Dann wäre § 34 StGB (Rechtfertigender Notstand) verfassungswidrig. Denn er gestattet es ja eine Straftat straffrei zu begehen, wenn es ganz gewichtige Gründe gibt und es gar nicht anders geht. Wie bereits erwähnt, dass geschützte Interesse muss das beeinträchtigte Interesse wesentlich überwiegen.
http://dejure.org/gesetze/StGB/34.html

Karsten hat folgendes geschrieben::

Zitat:
Aber mit seinem eigenen Geld kann man (meist) tun, was man möchte. Man kann sogar Erwachsene bei Geschäften vertreten und für sie im vollen Umfang handeln.

Schweift zwar etwas ab vom Thema, aber auch das stimmt nicht: Der Jugendliche braucht bis zu seinem 18 Lebensjahr zu allen Rechtsgeschäften die Erlaubnis seiner Eltern, auch dann und erst recht, wenn Erwachsene vertreten werden. Ausnahmen gibt es nur für Geschäfte des täglichen Lebens.


Was du meinst, sind Geschäfte von Geschäftsunfähigen. § 106 BGB sagt aber, dass Kinder ab dem Alter von 7 Jahren beschränkt geschäftsfähig werden.
http://dejure.org/gesetze/BGB/106.html

Beschränkt Geschäftsfähige können ohne Zustimmung der Eltern das ausgeben, was sie zur freien Verfügung haben. Das ist der § 110 BGB, der sogenannte Taschengeldparagraf.
http://dejure.org/gesetze/BGB/110.html

Und in § 165 BGB heißt es, dass „die Wirksamkeit einer von oder gegenüber einem Vertreter abgegebenen Willenserklärung wird nicht dadurch beeinträchtigt, dass der Vertreter in der Geschäftsfähigkeit beschränkt ist.“ Zu gut deutsch: Ab dem 7. Lebensjahr können Kinder ihre Eltern oder andere Erwachsene bei Geschäften vertreten und für sie im vollen Umfang handeln kann.
http://dejure.org/gesetze/BGB/165.html

Karsten hat folgendes geschrieben::

Wieso die Mindeststrafe für die verhinderte Tat mindestens drei Jahre betragen muss, damit man beim Brieföffnen straffrei ausgeht, verstehe ich auch nicht.

Der bereits erwähnte § 34 StGB sagt, dass das geschützte Interesse das beeinträchtigte Interesse wesentlich überwiegen muss. Die maximale Strafe für die Verletzung des Briefgeheimnis beträgt 1 Jahr Gefängnis. Wenn eine Tat nicht anders verhindert werden kann, die sonst mit 3 Jahren bestraft wird, darf man sicher das Briefgeheimnis verletzen. Zur Verhinderung einer Tat, die nur mit 2 Jahren maximaler Strafe geahndet würde, wäre ich mir da nicht so sicher. Und im nächsten Satz ist ja bereits zu lesen gewesen: „Oder es gibt halt andere gewichtige Gründe“. Wenn man jemand das Leben rettet ist das ja keine Straftat. Nimmt man jetzt die Strafandrohung nach Mord, Totschlag, oder fahrlässiger Körperverletzung mit Todesfolge? Oder doch besser Artikel 2 Absatz 2 GG.

Karsten hat folgendes geschrieben::

Das wichtigste am § 202 hast du hier geflissentlich ausgelassen. Er beginnt mit: „Wer unbefugt…“ Wenn die Eltern einen Brief ihres Kindes öffnen, wäre zuerst einmal zu klären, ob sie dies unbefugt tun. Diese Befugnis wird bei den eigenen Eltern aber in der Regel anzunehmen sein; die dürfen das also für gewöhnlich auch dann, wenn sie keine Bomben vermuten.


Aus welchem Recht sollen die Eltern den die Befugnis ableiten. Nimmst du Art. 6 Absatz 2 GG kann sich das Kind wie ausgeführt auf Art. 2 Absatz 1 GG berufen. Nimmst du § 1626 Absatz 1 BGB kann das Kind sich auf § 1626 Absatz 2 BGB berufen.

Karsten hat folgendes geschrieben::

Ganz nebulös ist für mich folgender Satz:
Zitat:
Wenn etwa eine Drogenkarriere nicht anders verhindert werden könnte, können die Eltern mit Artikel 2 Artikel Absatz (deine Körperliche Unversehrtheit) in Verbindung mit Artikel 6 sich über Artikel 10 (Briefgeheimnis) und Artikel 2 Absatz 1 (dein Recht auf ein Selbstbestimmtes Leben) hinwegsetzen.

Wie wird plötzlich aus MEINEM Grundrecht das Recht eines Anderen, gegen mich vorzugehen?


Ist dir die Diskussion zum Thema Patientenverfügung bekannt?
http://lexetius.com/2003,610

Aber generell, ab 18 darf jeder eine Drogenkarriere starten, denn: "Der Staat hat nicht das Recht, den Betroffenen zu erziehen, zu bessern, oder zu hindern, sich selbst zu schädigen." - BVerfG 22,180 (219f.); BayObLG FamRZ 1995
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Obermotzbruder
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Anmeldungsdatum: 06.09.2005
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BeitragVerfasst am: 27.02.07, 09:12    Titel: Antworten mit Zitat

Sehr glücklich Hallöle

BtRecht. Mit Interesse habe ich Ihre Ausführungen gelesen. Sie beschränken sich allerdings auf Gemeinplätze. Man kann nicht nur irgendwelche Paragraphen zitieren. Zu jedem Paragraphen gibt es auch eine Kommentierung. Sogar das Grundgesetz wird kommentiert. Googlen Sie einfach mal. Kommentierungen helfen nämlich einem Richter bei seiner Rechtsprechung. Sie machen es sich m.E. sehr einfach in dem Sie Gesetze, Grundgesetzartikel und irgendwelche Gerichtsurteile oder Bundesverfassungsgerichtsurteile aufzählen, ohne die Hintergründe oder Grundlagen der jeweiligen Entscheidungen zu kennen.

Grüssle
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Karsten
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Anmeldungsdatum: 12.11.2004
Beiträge: 9688
Wohnort: München

BeitragVerfasst am: 27.02.07, 13:56    Titel: Antworten mit Zitat

Lassen wir's einfach. Sehr glücklich
Aber die 'Strafhöhe-Theorie' zur Abwägung des höherwertigen Interesses ist durchaus originell. Auf den Arm nehmen
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Es heißt Frist, nicht Frits, auch nicht First, sondern Frist, Frist, Frist, Frist, Frsit... Ich lern's nicht mehr.
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Anmeldungsdatum: 26.10.2006
Beiträge: 314

BeitragVerfasst am: 27.02.07, 15:29    Titel: Antworten mit Zitat

Natürlich gibt die Strafhöhe in der Regel Auskunft über die Gewichtigkeit der Rechtgüter. Beispiel: Sportschütze A beobachtet auf dem Heimweg, wie B einen Einbruch in ein Geschäft begeht. Um das zu verhindern erschießt A den B. Da A die Tat nicht geplant hat, ist es kein Mord, sondern Todschlag. Das wird mit Freiheitsstrafe nicht unter fünf Jahren, in schweren Fällen mit lebenslänglich bestraft. Der Einbruch des Bs würde aber maximal mit Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren bestraft. Auf § 34 StGB kann sich A schon allein daher nicht berufen, da das Leben des Bs ein viel höheres Rechtsgut ist als der Schaden, den B durch den Diebstahl anrichtet.

In dem Grunddiskurs, ob die Verfassung für Bürger verbindlich ist, lasse ich mich gerne überzeugen. Bislang ist aber noch kein einziges Argument hier vorgetragen worden.

Um das Ganze noch einmal logisch darzulegen.

Jeder kann sich auf Verfassung berufen, den jeder ist nach Art. 2 I S. 1 GG an die Verfassung gebunden. Gegenüber Gerichten und andere Staatsorgane darf sich jeder auf seine Grundrechte berufen. Die Regierung, Gerichte und andere Staatsorgane oder Personen, die im Auftrag des Staats handelt dürfen aber nur im Rahmen der Gesetze handeln (Art. 5 III S.2 GG). Somit werden die Regierung, Gerichte und andere Staatsorgane oder Personen, die im Auftrag des Staats handeln durch die Bürger kontrolliert. Denn würden Staatsorgane sich direkt auf die Verfassung berufen können, würde die Legislative (Gesetzgebung) ausgeschaltet werden. Zur Erinnerung: unser demokratisches System beruht auf die Gewaltenteilung in Legislative (Gesetzgebung/Bundestag und Bundesrat), Exekutive (Regierung/Behörden/etc.) und Jurisdiktion (Gerichte) - Art. 5 II GG.

Die Frage, die sich stellt, ist, ob in einem Zivilverfahren sich die Parteien auf das Grundgesetz berufen können. Das Gericht kann meines Erachtens sicher die Argumente würdigen, aber es darf nur auf Grundlage der Gesetze entscheiden.

A. Nun argumentiert eine Partei damit, dass Gesetz sei verfassungswidrig. Angenommen, dass Gericht und die Gegenseite teilt die Auffassung. Was passiert dann?

B. Angenommen, dass Gericht teilt die Auffassung, die Gegenseite aber nicht. Was passiert dann?

C. Angenommen weder Gericht noch Gegenseite teilen die Auffassung?

Oder gibt es einen plausiblen Grund, dass sich die Parteien nicht auf das Grundgesetzt berufen können.
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Gast






BeitragVerfasst am: 27.02.07, 16:05    Titel: Antworten mit Zitat

BtRecht hat folgendes geschrieben::
In dem Grunddiskurs, ob die Verfassung für Bürger verbindlich ist, lasse ich mich gerne überzeugen. Bislang ist aber noch kein einziges Argument hier vorgetragen worden.


Und was ist hiermit:

Karsten hat folgendes geschrieben::

Da würde mich mal interessieren, WO im GG sich denn „das anders ließt“.
M.E. braucht es dafür auch kein Urteil des BVerfG, weil diese Lehrmeinung schon im Grundgesetz selbst zu lesen ist: „Die nachfolgenden Grundrechte binden Gesetzgebung, vollziehende Gewalt und Rechtsprechung als unmittelbar geltendes Recht“. (Art 1, Abs. 3).

Frage



BtRecht hat folgendes geschrieben::

Jeder kann sich auf Verfassung berufen, den jeder ist nach Art. 2 I S. 1 GG an die Verfassung gebunden.

Wo genau steht das?

Artikel 2 GG
(1) Jeder hat das Recht auf die freie Entfaltung seiner Persönlichkeit, soweit er nicht die Rechte anderer verletzt und nicht gegen die verfassungsmäßige Ordnung oder das Sittengesetz verstößt.

Quelle: http://dejure.org/gesetze/GG/2.html

Ich bin kein Verfassungsrechtler, aber besteht vielleicht die Möglichkeit, dass mit "verfassungsmäßiger Ordnung" durchaus alle Gesetze der Bundesrepublik Deutschland gemeint sein könnten??

BtRecht hat folgendes geschrieben::

Das Grundgesetzt würde es gestatten dich im Notfall umzubringen, wenn die verfassungsmäßige Ordnung gar nicht mehr anderes aufrecht erhalten werden könnte.


Geschockt
Wie jetzt? Ich dachte immer die §§ für Notwehr und Notstand würden die Möglichkeit einräumen sich für den Verstoß gegen §§ wie Körperverletzung und evtl. sogar Totschlag zu rechtfertigen.
Wo genau steht im GG dass ich jemanden töten darf?
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Elyss
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Anmeldungsdatum: 23.02.2007
Beiträge: 904
Wohnort: Stuttgart

BeitragVerfasst am: 27.02.07, 16:17    Titel: Antworten mit Zitat

Also erstmal weiß ich nicht, ob diese Diskussion Martina tatsächlich weiterbringt Sehr glücklich

Aber Tatsache ist doch, dass bei uns nicht jedes Zivilgericht die Verfassungswidrigkeit eines Gesetzes feststellen kann. Das ist Aufgabe des BVerfG!!!

Ergibt sich ganz einfach schon aus der Zuständigkeitsnorm §13 GVG. Das ist eben keine bürgerliche Streitigkeit, sondern eine Streitigkeit verfassungsrechtlicher Art.

Sollte das Zivilgericht in einem Einzelfall tatsächlich mal zu der Ansicht gelangen, dass eine bestimmte Rechtsnorm verfassungswidrig ist, kann es hierzu eine Entscheidung der BVerfG herbeiführen (sorry, konkrete Norm weiß ich grade nicht, da ich das passende Gesetz nicht vor mir habe).

Aber auch dann erklärt nie das Zivilgericht oder ein Strafgericht das Gesetz für verfassungswidrig!
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BtRecht
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Anmeldungsdatum: 26.10.2006
Beiträge: 314

BeitragVerfasst am: 27.02.07, 23:17    Titel: Antworten mit Zitat

Elyss hat folgendes geschrieben::

Also erstmal weiß ich nicht, ob diese Diskussion Martina tatsächlich weiterbringt Sehr glücklich!


Es geht ja darum, ob sie sich auf ihre Grundrechte berufen kann. Das kann sie.

Elyss hat folgendes geschrieben::

Aber Tatsache ist doch, dass bei uns nicht jedes Zivilgericht die Verfassungswidrigkeit eines Gesetzes feststellen kann. Das ist Aufgabe des BVerfG!!!!


Bei Bedenken kann es den Fall dem Bundesverfassungsgericht vorlegen und es hat auch bei Zivilentscheidungen das Privatrecht gemäß der Verfassung auszulegen.
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BtRecht
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Anmeldungsdatum: 26.10.2006
Beiträge: 314

BeitragVerfasst am: 27.02.07, 23:20    Titel: Antworten mit Zitat

thomas26 hat folgendes geschrieben::
BtRecht hat folgendes geschrieben::

Jeder kann sich auf Verfassung berufen, den jeder ist nach Art. 2 I S. 1 GG an die Verfassung gebunden.


Wo genau steht das?

Zitat:
Artikel 2 GG
(1) Jeder hat das Recht auf die freie Entfaltung seiner Persönlichkeit, soweit er nicht die Rechte anderer verletzt und nicht gegen die verfassungsmäßige Ordnung oder das Sittengesetz verstößt.


Quelle: http://dejure.org/gesetze/GG/2.html


Ich bin kein Verfassungsrechtler, aber besteht vielleicht die Möglichkeit, dass mit "verfassungsmäßiger Ordnung" durchaus alle Gesetze der Bundesrepublik Deutschland gemeint sein könnten??


Manche legen den Begriff "verfassungsmäßige Ordnung" so aus, als wären damit nur die Gesetze gemeint. Die verfassungsmäßige Ordnung meint aber die Verfassung und verfassungsgemäße Gesetze.

Obermotzbruder hat folgendes geschrieben::
Sehr glücklich Hallöle

BtRecht. Mit Interesse habe ich Ihre Ausführungen gelesen. Sie beschränken sich allerdings auf Gemeinplätze. Man kann nicht nur irgendwelche Paragraphen zitieren. Zu jedem Paragraphen gibt es auch eine Kommentierung. Sogar das Grundgesetz wird kommentiert. Googlen Sie einfach mal.


Habe zwei Urteile des Bundesverfassungsgericht gefunden.


1. Die Eltern und jeder andere hat sich an die Verfassung zu halten

2. Auch im Zivilrecht kann man sich auf die seine Grundrechte berufen

3. Vorrangig sind die Grundrechte aber als Abwehrrechte gegen den Staat zu verstehen


Wenn das Grundgesetz wörtlich genommen wird, ist der Bürger durch Artikel 2 I S. 1 GG nur an der Verfassung und an die Sittengesetze gebunden. Vermutlich wurde daher von manchen der Begriff "verfassungsmäßige Ordnung" dahin gehend ausgelegt, dass die allgemeine Handlungsfreiheit des Einzelnen nicht mehr gewährleistet sein sollte. Stattdessen bliebe nur ein Schutz des Kernbereichs der Persönlichkeit.

Das Bundesverfassungsgericht schloss sich dieser, meiner Ansicht lediglich als politischer Schachzug einzuordnenden Auslegung nicht an. Das Bundesverfassungsgericht garantierte die allgemeine Handlungsfreiheit. Jeder kann das tun und lassen was er will. Die allgemeine Handlungsfreiheit kann aber durch die Verfassung und verfassungsgemäße Gesetze legitim eingeschränkt werde.


Bundesverfassungsgericht hat folgendes geschrieben::

Daraus erhellt ohne weiteres, daß der Umfang des jeweils die verfassungsmäßige Ordnung darstellenden Normenkomplexes, dem diese Bindungswirkung zukommt, nicht für jeden der - unter sich ganz ungleichartigen - Normadressaten der gleiche sein kann. Während also z. B. sicherlich der Gesetzgeber an die Verfassung schlechthin gebunden ist (Art. 20 Abs. 3 GG), kann es in anderem Zusammenhang - z. B. in Art. 9 GG, § 90 a StGB geboten sein, den Begriff "verfassungsmäßige Ordnung" auf gewisse elementare Grundsätze der Verfassung zu beschränken (vgl. BGHSt. 7, 222 [227] 9, 285 [286]); der Bürger aber wird in seiner allgemeinen Handlungsfreiheit legitim eingeschränkt nicht nur durch die Verfassung oder gar nur durch "elementare Verfassungsgrundsätze", sondern durch jede formell und materiell verfassungsmäßige Rechtsnorm.

BVerfGE 6, 32 - Elfes
http://www.oefre.unibe.ch/law/dfr/bv006032.html



Aus einem anderen Urteil des Bundesverfassungsgerichts:

Zitat:
(...)

Ohne Zweifel sind die Grundrechte in erster Linie dazu bestimmt, die Freiheitssphäre des einzelnen vor Eingriffen der öffentlichen Gewalt zu sichern; sie sind Abwehrrechte des Bürgers gegen den Staat. Das ergibt sich aus der geistesgeschichtlichen Entwicklung der Grundrechtsidee wie aus den geschichtlichen Vorgängen, die zur Aufnahme von Grundrechten in die Verfassungen der einzelnen Staaten geführt haben. Diesen Sinn haben auch die Grundrechte des Grundgesetzes, das mit der Voranstellung des Grundrechtsabschnitts den Vorrang des Menschen und seiner Würde gegenüber der Macht des Staates betonen wollte. Dem entspricht es, daß der Gesetzgeber den besonderen Rechtsbehelf zur Wahrung dieser Rechte, die Verfassungsbeschwerde, nur gegen Akte der öffentlichen Gewalt gewährt hat.

Ebenso richtig ist aber, daß das Grundgesetz, das keine wertneutrale Ordnung sein will (BVerfGE 2, 1 [12]; 5, 85 [134 ff., 197 ff.]; 6, 32 [40 f.]), in seinem Grundrechtsabschnitt auch eine objektive Wertordnung aufgerichtet hat und daß gerade hierin eine prinzipielle Verstärkung der Geltungskraft der Grundrechte zum Ausdruck kommt (Klein-v. Mangoldt, Das Bonner Grundgesetz, Vorbem. B III 4 vor Art. 1 S. 93). Dieses Wertsystem, das seinen Mittelpunkt in der innerhalb der sozialen Gemeinschaft sich frei entfaltenden menschlichen Persönlichkeit und ihrer Würde findet, muß als verfassungsrechtliche Grundentscheidung für alle Bereiche des Rechts gelten; Gesetzgebung, Verwaltung und Rechtsprechung empfangen von ihm Richtlinien und Impulse. So beeinflußt es selbstverständlich auch das bürgerliche Recht; keine bürgerlich-rechtliche Vorschrift darf in Widerspruch zu ihm stehen, jede muß in seinem Geiste ausgelegt werden.

Der Rechtsgehalt der Grundrechte als objektiver Normen entfaltet sich im Privatrecht durch das Medium der dieses Rechtsgebiet unmittelbar beherrschenden Vorschriften. Wie neues Recht im Einklang mit dem grundrechtlichen Wertsystem stehen muß, so wird bestehendes älteres Recht inhaltlich auf dieses Wertsystem ausgerichtet; von ihm her fließt ihm ein spezifisch verfassungsrechtlicher Gehalt zu, der fortan seine Auslegung bestimmt. Ein Streit zwischen Privaten über Rechte und Pflichten aus solchen grundrechtlich beeinflußten Verhaltensnormen des bürgerlichen Rechts bleibt materiell und prozessual ein bürgerlicher Rechtsstreit. Ausgelegt und angewendet wird bürgerliches Recht, wenn auch seine Auslegung dem öffentlichen Recht, der Verfassung, zu folgen hat.

Der Einfluß grundrechtlicher Wertmaßstäbe wird sich vor allem bei denjenigen Vorschriften des Privatrechts geltend machen, die zwingendes Recht enthalten und so einen Teil des ordre public - im weiten Sinne - bilden, d. h. der Prinzipien, die aus Gründen des gemeinen Wohls auch für die Gestaltung der Rechtsbeziehungen zwischen den einzelnen verbindlich sein sollen und deshalb der Herrschaft des Privatwillens entzogen sind. Diese Bestimmungen haben nach ihrem Zweck eine nahe Verwandtschaft mit dem öffentlichen Recht, dem sie sich ergänzend anfügen. Das muß sie in besonderem Maße dem Einfluß des Verfassungsrechts aussetzen. Der Rechtsprechung bieten sich zur Realisierung dieses Einflusses vor allem die "Generalklauseln", die, wie § 826 BGB, zur Beurteilung menschlichen Verhaltens auf außer-zivilrechtliche, ja zunächst überhaupt außerrechtliche Maßstäbe, wie die "guten Sitten", verweisen. Denn bei der Entscheidung darüber, was diese sozialen Gebote jeweils im Einzelfall fordern, muß in erster Linie von der Gesamtheit der Wertvorstellungen ausgegangen werden, die das Volk in einem bestimmten Zeitpunkt seiner geistig-kulturellen Entwicklung erreicht und in seiner Verfassung fixiert hat. Deshalb sind mit Recht die Generalklauseln als die "Einbruchstellen" der Grundrechte in das bürgerliche Recht bezeichnet worden (Dürig in Neumann-Nipperdey- Scheuner, Die Grundrechte, Band II S. 525).

Der Richter hat kraft Verfassungsgebots zu prüfen, ob die von ihm anzuwendenden materiellen zivilrechtlichen Vorschriften in der beschriebenen Weise grundrechtlich beeinflußt sind; trifft das zu, dann hat er bei Auslegung und Anwendung dieser Vorschriften die sich hieraus ergebende Modifikation des Privatrechts zu beachten. Dies ist der Sinn der Bindung auch des Zivilrichters an die Grundrechte (Art. 1 Abs. 3 GG).

(...)

BVerfGE 7, 198 - Lüth
http://www.oefre.unibe.ch/law/dfr/bv007198.html
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