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Müssen Patientenverfügungen gesetzlich verankert werden?

 
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BtRecht
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Anmeldungsdatum: 26.10.2006
Beiträge: 314

BeitragVerfasst am: 26.04.07, 13:30    Titel: Müssen Patientenverfügungen gesetzlich verankert werden? Antworten mit Zitat

Teile der Ärzteschaft wollen keine gesetzliche Regelung der Patientenverfügung. Geht’s ihnen um den Patienten oder die Macht? Der Präsident der Bundesärztekammer, Jörg-Dietrich Hoppe, führt an, dass der Gesetzentwurf von Bosbach, Röspel, Fricke, Winkler, u.a., die derzeitige Rechtslage einschränken will. Millionen Patientenverfügungen würden ungültig werden. Andererseits ist aber nicht zu übersehen, dass viele Ärzte als „Halbgötter in Weiß“ auftreten und Patientenverfügungen einfach ignorieren. U.a. mit der Begründung, dass die Rechtslage angeblich widersprüchlich sei, was aber gar nicht der Fall ist.

Verbindlichkeit von Patientenverfügungen nach derzeitiger Rechtslage

Erst 2009 soll eine gesetzliche Regelung der Patientenverfügung verabschiedet werden. Teile der Ärzteschaft wenden sich gegen eine gesetzliche Regelung der Patientenverfügung. Denn schon nach geltendem Recht sei der in einer Patientenverfügung geäußerte Wille "grundsätzlich verbindlich", so der Präsident der Bundesärztekammer, Jörg-Dietrich Hoppe. Der Vorsitzende der Ärztegewerkschaft Marburger Bund, Frank Ulrich Montgomery, kritisierte: "Hier wird ein Problem gelöst, das die Politiker mit ihrer Debatte erst selbst geschaffen haben."

Allerdings gibt es immer wieder Berichte darüber, dass Ärzte Patientenverfügungen ignorieren, da die Rechtslage unsicher sei. Ein Charité-Arzt, der selbst nicht an dem Fall beteiligt war, weiß: Viele Ärzte haben Angst, sich strafbar zu machen, wenn sie das Sterben zulassen. Prof. Karl Einhäupl: „Rechtsklarheit muss geschaffen werden, auf welche Weise ist uns Ärzten letztendlich egal. Es gibt in einem großen Klinikum wie etwa der Charité nahezu täglich eine solche Entscheidungen zu treffen und in dieser unsicheren Situation werden Entscheidungen eben nicht sachgerecht und patientengerecht getroffen.“

"Wenn ein Tumorpatient eine weitere Operation ablehnt, obwohl die behandelnden Ärzte ihm dazu raten, ist auch hier der Wille des Patienten Gesetz", so der Präsident der Bundesärztekammer Hoppe. Es mache deshalb auch grundsätzlich keinen Unterschied, ob dieser Wille im persönlichen Gespräch mit dem Arzt zum Ausdruck komme oder in einer Patientenverfügung für den Fall der Einwilligungsunfähigkeit.

Doch warum will Hoppe keine gesetzliche Regelung?

Hoppe meint, es sei "illusorisch anzunehmen, dass man alle denkbaren Fälle mit einer Patientenverfügung erfassen kann". Deshalb sei es mehr als fraglich, ob mit einem Gesetz zur Patientenverfügung tatsächlich Rechtsklarheit hergestellt werden könne.

Krankheitsverläufe seien immer individuell und ließen sich nicht einfach per Gesetz regeln. "Das Sterben ist nicht normierbar", so Hoppe. "Der Gesetzgeber sollte sich deshalb darauf beschränken, eventuell notwendige verfahrens­rechtliche Fragen wie die Einschaltung des Vormundschaftsgerichts klarzustellen, jedoch auf eine weitergehende Regelung zur Patientenverfügung verzichten."

Alle Gesetzentwürfe verfolgen aber lediglich das Ziel der Rechtsklarheit, wobei mancher Gesetzentwurf, etwa der von Bosbach, Röspel, Fricke, Winkler, u.a., die derzeite Rechtslage einschränken will.

Für den Fall, dass eine Patientenverfügung das Unterlassen von Maßnahmen bei einer Erkrankung vorsieht, die noch nicht in ein Stadium des unumkehrbaren tödlichen Verlauf getreten ist, das Befolgen der Patientenverfügung aber zum Tod führen würde obwohl noch realistische Aussichten auf Heilung bestehen, ist nach derzeitiger Rechtslage die Patientenverfügung für einen Betreuer/Bevollmächtigten nicht zwingend verbindlich, wenn der Wille des Patienten für die konkrete Behandlungssituation nicht eindeutig und sicher festgestellt werden kann. (BVerfG 1 BvR 618/93, Beschluss vom 2. 8. 2001).

In anderen Fällen ist eine Patientenverfügung für einen Arzt, einen Betreuer oder einen Bevollmächtigten verbindlich, wenn

- der Verfügende nicht erkennbar von der Verfügung abrückt, und

- die Patientenverfügung im Zustand der Einwilligungsfähigkeit (Entscheidungsfähigkeit) verfasst wurde, und

- der Wille des Patienten für die konkrete Behandlungssituation eindeutig und sicher festgestellt werden kann, weshalb eine Patientenverfügung gerade bei einer immer wieder auftretenden, die Entscheidungsfähigkeit nur vorübergehend einschränkenden Erkrankung unproblematisch ist.

- Ferner sollte die Verfügung möglichst alle zwei Jahre erneuert werden, wobei neuste Behandlungsmethoden möglichst explizit ein- oder ausgeschlossen werden sollten.

Sollte eine Patientenverfügung nicht die Voraussetzung der Verbindlichkeit erfüllen, ist sie dennoch ein wichtiger Hinweis für den Betreuer oder Bevollmächtigten. Denn ein Betreuer oder Bevollmächtigter hat im Grundsatz nach dem angenommenen mutmaßlich freiem Willen des Betroffenen zu entscheiden. Also so, wie der Betroffene selbst entscheiden würde, wenn er selbst entscheiden könnte, es sei denn es wäre unverhältnismäßig so zu entscheiden. Grundsätzlich hat der natürliche Wille des Betreuten aber Vorrang vor dem angenommenen mutmaßlich freiem Willen.

Die Patientenverfügung ist unmittelbares Verfassungsrecht, denn ein Betreuter kann sich auch dem Betreuer gegenüber auf seine im Grundgesetz verankerten Grundrechte berufen, da dieser eine öffentliche Funktionen wahrnimmt (BGH Beschluss XII ZB 69/ 00; BGH XII ZB 236/ 05).

Patientenverfügungen binden auch den Arzt und Pfleger, die zu ihrer Tätigkeit der Zustimmung des Patienten bedürfen. Diese hat der nicht mehr einwilligungsfähige Patient in seiner Patientenverfügung näher umschrieben. Eine diesem Patientenwillen widersprechende Behandlung oder Pflege ist nicht zulässig (BGH XII ZR 177/03 vom 8. Juni 2005) und zu beenden. Der Arzt oder Pfleger kann sich weder auf eine etwa in einer Pflegevereinbarung vereinbarte künstliche Ernährung noch sein Berufsethos oder Gewissen zur Rechtfertigung seines Handelns berufen. Er kann aber die Behandlung in andere Hände übergeben und so seinem Gewissen entsprechen. Das Bundesverfassungsgericht sieht keine strafrechtlichen Konsequenzen für den Betreuer/Bevollmächtigten oder den Arzt oder das Pflegepersonal für den Fall, dass eine Patientenverfügung befolgt wird, obwohl das Leben des Patienten gerettet werden könnte (BVerfG 1 BvR 618/93, Beschluss vom 2. 8. 2001). Daher sehen die derzeitigen Gesetzentwürfe (Stand 2007) kein Änderungsbedarf im Strafrecht.

Das Bundesjustizministerium zu der Frage, wann Patientenverfügungen verbindlich sind:

"Wenn in einer Patientenverfügung Festlegungen für ärztliche Maßnahmen in bestimmten Situationen enthalten sind, sind diese verbindlich, wenn durch diese Festlegungen ihr Wille für eine konkrete Behandlungssituation eindeutig und sicher festgestellt werden kann. Die Ärztin oder der Arzt muss eine derart verbindliche Patientenverfügung beachten. Die Missachtung des Patientenwillens kann als Körperverletzung strafbar sein. Der XII Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat in seiner Entscheidung vom 17. März 2003 betont, dass es die Würde des Menschen gebietet, ein im einwilligungsfähigen Zustand ausgeübtes Selbstbestimmungsrecht - etwa in Form einer Patientenverfügung - auch dann noch zu respektieren, wenn die Verfasserin oder der Verfasser der Patientenverfügung zu einer eigenverantwortlichen Entscheidung nicht mehr in der Lage ist. Das betont auch die Bundesärztekammer in ihren Grundsätzen zur ärztlichen Sterbebegleitung, in denen es heißt: "Patientenverfügungen sind verbindlich, sofern sie sich auf die konkrete Behandlungssituation beziehen und keine Umstände erkennbar sind, dass der Patient sie nicht mehr gelten lassen würde"."

Mehr siehe Broschüre des Bundesjustizministeriums (pdf-Datei 523 kb)
http://www.bmj.de/media/archive/1184.pdf


Quellen:

Heikles Thema Patientenverfügungen spaltet alle Fraktionen
http://www.ngo-online.de/ganze_nachricht.php?Nr=15635

Unsichere Rechtslage – Warum Ärzte Patientenverfügungen ignorieren
http://www.rbb-online.de/_/kontraste/beitrag_jsp/key=rbb_beitrag_4989914.html

Die Freiheit zu sterben
http://www.netzeitung.de/deutschland/kolumne/580190.html

Ärztekammer-Präsident warnt vor Gesetz für Patientenverfügungen
http://www.rhein-main.net/sixcms/detail.php/3600780/v2_rmn_news_article

Patientenverfügung
http://betreuungsrecht.wikia.com/wiki/Patientenverf%C3%BCgung
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