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"Vertragstheorien"

 
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jurico
FDR-Moderator


Anmeldungsdatum: 03.08.2005
Beiträge: 6123
Wohnort: Chemnitz

BeitragVerfasst am: 30.12.06, 16:48    Titel: "Vertragstheorien" Antworten mit Zitat

Hallo,

Vertragstheorien sind ein Weg zur Legitimation des Staates und seines Rechts.

Meine Fragen:

1. Welche Alternativen gibt es zu den Vertragstheorien?

2. Wann tauchten die Vertragstheorien zum ersten Mal auf?

In dem oben verlinkten Wiki-Beitrag heißt es, bei Epikur. Letztens habe ich nun zufällig ein wenig in Platons "Kriton" geschmökert, da fiel mir folgende Stelle auf:

Zitat:
Sokrates. Wie aber, wenn die Gesetze so zu mir sprächen: "Sokrates, ist dies die Übereinstimmung, die wir mit dir erzielt haben, und nicht vielmehr, daß du dich den Urteilen fügen werdest, welche die Stadt ergehen lasse?" ...

... wir haben trotzdem jedem Athener, der will, ausdrücklich freigestellt, er möge, sobald er in die Bürgerliste aufgenommen ist und die Verhältnisse in der Stadt und uns, die Gesetze, kennengelernt hat, mitsamt seiner Habe davonziehen, wohin es ihm beliebt, wenn er mit uns nicht zufrieden ist. ...

... Doch wer von euch dableibt, nachdem er gesehen hat, wie wir Recht sprechen und die übrigen Angelegenheiten der Stadt verwalten, von dem behaupten wir, er sein nunmehr durch sein Verhalten mit uns übereingekommen, daß er befolgen werde, was wir ihm befehlen, ...

(Kriton, 50c, 51d-e; zitiert nach der Reclam-Ausgabe)

Sokrates/Platon als Vertragstheoretiker? Oder bin ich da auf dem Holzweg? Gibt es bei Platon vielleicht noch markantere Stellen zu diesem Problem? Womöglich werde ich im "Staat" fündig, der steht aber noch (ehr)furchterregend und überwiegend ungelesen im Regal.

Freue mich über Hinweise. Smilie
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andert
FDR-Mitglied


Anmeldungsdatum: 07.08.2006
Beiträge: 36

BeitragVerfasst am: 02.01.07, 22:35    Titel: Antworten mit Zitat

ohne Sie vom Platon etwa abbringen zu wollen, glaube ich,
daß etwas wie Verträge (und deren Theorien) nicht das waren, worum er rang, die Politeia ist letztlich eine Begründung, warum die Polis (der Staat) analog dem Individuum, mit der Dreiheit dessen Seele (der denkende, der mutige und der lustvoller Teil), aufzubauen sei (die Philosophen an der Macht --derer sie nicht mehr bedürfen, sonst wären sie keine Philosophen!--, die mutigen üben die Gewalt aus und jene, die dem Genuß fröhnen und nur das dürfen).

Recht und Staat ist jedoch gleich nach den Schenkungen der Französischen Revolution erörtert worden. Viel weiter und grundlegender, als man es heute vernimmt.
Zur Einstimmung Humboldt:
http://gutenberg.spiegel.de/humboldw/wirksam/wirksam.htm
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jurico
FDR-Moderator


Anmeldungsdatum: 03.08.2005
Beiträge: 6123
Wohnort: Chemnitz

BeitragVerfasst am: 03.01.07, 21:17    Titel: Antworten mit Zitat

Hallo,

andert hat folgendes geschrieben::
glaube ich, daß etwas wie Verträge (und deren Theorien) nicht das waren, worum er rang,

nicht, dass ich Sie missverstanden habe: Dabei geht es nicht um "echte" Verträge (Kaufvertrag, Mietvertrag), sondern um Staats(letzt)begründung mittels eines fiktiven Gesellschaftsvertrags.
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andert
FDR-Mitglied


Anmeldungsdatum: 07.08.2006
Beiträge: 36

BeitragVerfasst am: 04.01.07, 09:50    Titel: Antworten mit Zitat

Ich habe schon verstanden, daß es um eine vertragliche Auffassung des Verhältnisses zwischen den Individuen und dem/ihrem Staat geht und wollte daher als die Einsprungsmarke den Contrat Social markieren.

Im übrigen meine ich, daß den Griechen eine solche Konstruktion fremd, unnatürlich vorkommen müßte. Da sie wußten, daß der Mensch ein gemeinschaftsbildendes Wesen ist --Aristoteles definiert ihn als zoon politikon--, war die Polis die ihre und sie machten sie zugleich. Sie wirkten auf sie, indem sie ihre Gesetze gemeinsam beschlossen, sie wirkte gleichzeitig auf sie nicht bloß als Objekte der Wirkkraft der Gesetze, sondern vor allem dadurch, daß jeder zu ihrem ausführenden und entscheidenden Träger hatte gewählt oder per Los bestimmt werden können (Sophokles war zeitweise auch General, Sokrates Archont usw.)

Die alten Griechen zeichnete die Überzeugung aus, jedermann könnte tatsächlich alles leisten, also auch für gerechte Verhältnisse untereinander sorgen. Für diese göttliche Gabe hatten sie überdies eine Begründung:

"Hermes nun fragt den Zeus, auf welche Art er doch den Menschen das Recht und die Scham geben solle. Soll ich, so wie die Künste verteilt sind, auch diese verteilen? Jene nämlich sind so verteilt: Einer, welcher die Heilkunst inne hat, ist genug für viele Unkundige, und so auch die andern Künstler. Soll ich nun auch Recht und Scham eben so unter den Menschen aufstellen, oder soll ich sie unter Alle verteilen? Unter Alle, sagte Zeus, und Alle sollen Teil daran haben; denn es könnten keine Staaten bestehen, wenn auch hieran nur Wenige Anteil hätten, wie an anderen Künsten."
Platon, Protagoras
http://www.opera-platonis.de/Protagoras.html
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dkastriot



Anmeldungsdatum: 25.06.2007
Beiträge: 92
Wohnort: Hessen

BeitragVerfasst am: 11.07.07, 20:41    Titel: Antworten mit Zitat

andert hat folgendes geschrieben::
[...]
Im übrigen meine ich, daß den Griechen eine solche Konstruktion fremd, unnatürlich vorkommen müßte. [...]



²Ansätze zur Rechtsphilosophie finden sich schon bei den älteren griechischen Philosophen. Nach HERAKLIT ist das Gesetz (s. d.), das die Welt regiert, auch als Staatsgesetz als höchste zu achten, zu beschützen: machesthai chrê ton dêmon hyper nomou hokôsper teichous (Diog. L. IX, 2. vgl. Clem. Alex., Strom. IV, 478b). Über die beste Staatsverfassung äußert sich schon der (Pythagoreer?) PHALEAS, der eine Art Communismus verlangt: isas einai tas ktêseis tôn politôn (Aristot., Polit. II 7, 1266a 40). – Die fürderhin oft wiederholte Auffassung des Rechtes als einer nicht ursprünglichen, sondern conventionellen Einrichtung (thesis) soll schon ARCHELAUS gehabt haben. Bei verschiedenen Sophisten (s. d.) ist sie ausgesprochen. Nach HIPPIAS ist das Gesetz der Tyrann des Menschen, der Naturwidriges mit sich bringt: ho de nomos tyrannos ôn tôn anthrôpôn, polla para tên physin biazetai (Plat.. Prot. 337 D). Die Gesetze sind wandelbar (Memor. IV, 4). POLUS, THRASYMACHUS, KALLIKLES halten das Recht für eine Satzung der Starken, Mächtigen zu ihrem Nutzen (to dikaion ouk allo ti ê to tou kreittonos xympheron, Plat., Rep. 344 C). die Schwachen haben das Recht zu ihrem Schutze vor Willkür angenommen (Plat., Gorg. 483 B, C, 466 B, 471 A, 491 E. Rep. 338 C). Nach LYKOPHRON ist das Gesetz engyêtês tôn dikaiôn (Arist., Polit. III 9, 1280b 11. vgl. Rhet. III, 3). Die Relativität des Rechtes soll PROTAGORAS ausgesprochen haben (Plat., Theaet. 167 C. vgl. Prot. 320 C squ.). Den Gedanken des Naturrechtes hat schon ALKIDAMAS gehabt (Arist., Rhet. I 13, 1373 b 1Cool.
Die Göttlichkeit, Unbedingtheit des Gesetzes betont SOKRATES (Xenoph., Memor. IV, 4, 12 squ.). Dem Verständigen (epistamenos) kommt die Herrschaft zu (l. c. III, 9, 10. III, 6, 14). Der Herrscher soll die Beherrschten glücklich machen (l. c. III, 2, 4). Den Kosmopolitismus lehren die Cyniker (s. d.), nach welchen die sittlichen Gesetze über den politischen stehen: ton sophon ou kata tous keimenous nomous politeuesthai, alla kata ton aretês (Diog. L. VI, 11. VI, 63: kosmopolitês). Rückkehr zum Naturzustand ist erwünscht. – Auf eine ethische Basis stellt die Staatslehre PLATO. Der Staat hat seinen Ursprung in den Bedürfnissen der Menschen (poiêsei de autên, hôs eoiken, hê hêmetera chreia, Rep. II, 369 C), in dem Bedürfnisse nach socialem Anschluß gignetai... polis, hôs hêgômai, epeidê tynchanei hêmôn hekastos ouk autarkês, alla pollôn endeês (l. c. 369 B. vgl. 369 C). Der Staat ist etwas Organisches, er ist der Mensch im großen. Die Arbeitsteilung im (Ideal-)Staate ist nach dem Muster der drei Seelenteile und der Cardinaltugenden (s. d.) beschaffen. Es ergeben sich so der Stand der Herrscher, der der »Wächter« (Krieger), der der Handwerker und Bauern (Rep. 368, squ.). Herrscher sollen die Weisen, die Philosophen, oder die Herrscher sollen weise sein, dem Dienste der Ideenweisheit leben und nach ihr handeln (Rep. V, 473. vgl. IV, 441 squ.). Zweck des Staates ist die sittliche Erziehung der Bürger zu ihrer eigenen Glückseligkeit und zum Wohl der Gesamtheit. Um dem Egoismus zu steuern, soll es bei den zwei oberen Ständen kein Privateigentum geben. Die Kindererziehung ist (für die oberen Stände) eine staatliche und für den Staat. Wissenschaftliches und künstlerisches Leben unterliegt staatlicher Regulierung (vgl. die zweite Staatsform in den »Leges« (Nomoi). Ethisch begründet das Staatswesen auch ARISTOTELES. Das Recht ist die Ordnung der politischen, socialen Gemeinschaft: hê gar dikê politikês koinônias taxis estin (Polit. I, 2). Der Mensch ist ein sociales Wesen (zôon politikon, ib.). Der Staat ist ein Naturproduct. um des Lebens willen entstanden (anankê dê prôton syndyazesthai tous aneu allêlôn mê dynamenous einai Polit. I 2, 1252 a 26), soll er dem sittlichen, guten Leben dienen (ginomenê men oun tou zên heneka, ousa de tou eu zên, Polit. I, 2. VII, Cool. Der Staat ist poleôs taxis tôn te allôn archôn kai malista tês kyrias pantôn (Polit. III 6, 1278b 6). Er hat vor dem Einzelnen das Prius. Historisch geht er aus dem Zusammenschluß von Familien und Gemeinden hervor (Polit. I 2, 1253 a 29). Dem vollkommenen Leben dient der Staat (Polit. III 9, 1280b 29). Die Sklaverei ist (infolge der Inferiorität eines Teiles der Menschen, insbesondere der »Barbaren«) etwas Natürliches, zu Billigendes (Polit. I 5. V 4, 1253 b 30). Die Verfassung des Staates soll entsprechend den Verhältnissen sein. Die beste Verfassung ist die dem Gemeinwohl und der Sittlichkeit dienende (Eth. Nic. II 1, 1103 b 3 squ.). Richtige (orthai) Staatsverfassungen sind basileia, aristokratia, politeia (oder Timokratie), fehlerhafte (hêmartêmenai) tyrannis, oligarchia, dêmokratia (Polit. III, 7 squ.. aristokratisches Princip: III, 13. Über Erziehung: VIII, 1 squ.). Die Stoiker lehren, infolge der Weltvernunft, die in allen Menschen lebt, gebe es nur ein Recht, einen Staat. alle Menschen sind Mitbürger des Universalstaates, zu dem auch die Götter gehören (vgl. SENECA, EP. 47, 31. De benef. IV, 18. De otio, 31. CICERO, De fin. III, 20, 30. MUSONIUS RUFUS: Koinê patris anthrôpôn hapantôn ho kosmos estin (Stob., Floril. 40, 9. MARC AUREL, In se ips. IV, 4. VI, 44. IX, 23. II, 1. VII, 13)."
(Eisler: Wörterbuch der philosophischen Begriffe Bd. 2, S. 223 ff.)



"[...] Auf die Pflege der Freundschaft wird von E. großes Gewicht gelegt. Der Staat beruht auf Vertrag zum Schutz gegen Feindseligkeiten und Übergriffe, ebenso das Recht, welches nicht von Natur aus existiert (ouk ên ti kath' heauto dikaiosynê, all' hê en tais met' allêlôn symphorais – to gar tês physeôs dikaion esti symbolon tou sympherontos eis to mê blaptein allêlous mê de blaptesthai; vgl. Lucrez, de rer. nat. 947 ff.)."
( Eisler: Philosophenlexikon. S. 156 ff )


Zuletzt bearbeitet von dkastriot am 12.07.07, 10:30, insgesamt 2-mal bearbeitet
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jurico
FDR-Moderator


Anmeldungsdatum: 03.08.2005
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Wohnort: Chemnitz

BeitragVerfasst am: 11.07.07, 21:03    Titel: Antworten mit Zitat

Geschockt ... ein U-Boot!
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