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Akteneinsicht & Gerichtsmedizin

 
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Traumgestalt
Interessierter


Anmeldungsdatum: 09.01.2008
Beiträge: 13

BeitragVerfasst am: 07.08.08, 07:40    Titel: Akteneinsicht & Gerichtsmedizin Antworten mit Zitat

Liebe Forengemeinde,

mir stellen sich zwei Fragen bzgl. des deutschen Rechts:

Wenn ein Mensch stirbt, ist es Angehörigen oder Dritten dann erlaubt in medizinische, psychiatrische sowie sonstige Akten öffentlicher und privater Einrichtungen Einsicht zu nehmen?
Kann man als Lebender darauf vielleicht schon Einfluss nehmen, diese Akteneinsicht gestatten oder ausschließen?
Wie ist das geregelt?

Die zweite Frage betrifft die Gerichtsmedizin. Wenn durch einen Arzt eine unnatürliche Todesursache festgestellt wird, scheint die betreffende Leiche ins Eigentum der Gerichtsmedizin überzugehen. Aufgrund welchen Rechts?

Wie lange darf die Gerichtsmedizin eine Leiche lagern, bzw. wo ist dies geregelt? Und welche Untersuchungen werden und dürfen an Leichen vorgenommen bzw. durch wen oder was wird das kontrolliert? Lässt sich auch hierauf Einfluss nehmen? Wenn zum Beispiel jemand nicht obzuiert werden will?

Mit freundlichen Grüßen.
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Risus
FDR-Mitglied
FDR-Mitglied


Anmeldungsdatum: 25.04.2006
Beiträge: 1167
Wohnort: Düsseldorf reloaded

BeitragVerfasst am: 08.08.08, 16:47    Titel: Re: Akteneinsicht & Gerichtsmedizin Antworten mit Zitat

Hallo,
sind zwar mehr als zwei Fragen, Mr. Green
Trotzdem Versuch einer Antwort:
Zitat:
Wenn ein Mensch stirbt, ist es Angehörigen oder Dritten dann erlaubt in medizinische, psychiatrische sowie sonstige Akten öffentlicher und privater Einrichtungen Einsicht zu nehmen?

http://www.aerztekammer-nordrhein.de/htmljava/i/themenmeldung.asp?id=779&jahr=2007

Zitat:
Kann man als Lebender darauf vielleicht schon Einfluss nehmen, diese Akteneinsicht gestatten oder ausschließen?

Ja, in dem man zu Lebzeiten eine positive Willenserklärung darüber abgibt, wem nach dem Tod a) die Einsichtnahme und b) in welche Unterlagen, erlaubt sein soll. Das kann im Rahmen einer testamentarischen Verfügung erfolgen, muss aber nicht. Kann genauso gut formlos gegenüber dem Arzt (oder sonstigen Eigentümer der Unterlagen) erfolgen.
Streng genommen genügt auch eine mündliche Äusserung gegenüber dem Arzt oder Angehörigen. Da der mutmassliche Wille des Verstorbenen zwar massgebend ist, aber ggf. belegt werden muss, sollte eine solche Willensäusserung wenigstens in Gegenwart von Zeugen ausgesprochen werden. Schriftliche Äusserung oder sogar notarielle Beglaubigung erhöhen die Glaubwürdigkeit des Zeugnisses, sind aber vom Grundsatz her nicht erforderlich.

Zitat:
Wie ist das geregelt?

zum Beispiel in:
Bundesdatenschutzgesetz; (in Berlin BlnDSG)
Strafgesetzbuch, z.B. § 203 StGB
BGH, NJW 1983, 2627

Zitat:
Wenn durch einen Arzt eine unnatürliche Todesursache festgestellt wird, scheint die betreffende Leiche ins Eigentum der Gerichtsmedizin überzugehen. Aufgrund welchen Rechts?

Ist unzutreffend.
zu 1: Die Leiche geht nicht "in das Eigentum" der "Gerichtsmedizin" über, da eine Leiche niemandes Eigentum ist. Sie kann aber aufgrund staatsanwaltschaftlicher Verfügung oder Anordnung eines Gerichtes vorübergehend beschlagnahmt bzw. sichergestellt und in die Obhut der Rechtsmedizin übergeben werden.

zu 2:
Bestattungsgesetze der Bundesländer
§§ 87 - 91 StPO
§ 91 Abs 1 StPO
§ 75 StPO
§ 404 ZPO

Zitat:
Wie lange darf die Gerichtsmedizin eine Leiche lagern, bzw. wo ist dies geregelt?

Solange, bis die Leiche von der Staatsanwaltschaft zur Bestattung freigegeben worden ist (§ 159 Abs. 2 StPO). Die üblichen Bestattungsfristen aufgrund der Bestattungsgesetze der Länder gelten hier nicht, sondern können durch die zuständigen Behörden festgelegt werden.
Denkbar wäre ein vorzeitiger Antrag der Angehörigen auf Freigabe bei der STA . Ob dem stattgegeben werden kann, richtet sich logischerweise meistens nach dem Ermittlungsstand.

Zitat:
Und welche Untersuchungen werden und dürfen an Leichen vorgenommen
alle zur zweifelsfreien Klärung erforderlichen Untersuchungen; z.B. § 88 - 91 StPO; Bestattungsgesetze der Länder
Zitat:
durch wen oder was wird das kontrolliert?
2 Ärzte, Staatsanwaltschaft. Richter, § 87 StPO Abs 2

Zitat:
Lässt sich auch hierauf Einfluss nehmen? Wenn zum Beispiel jemand nicht obzuiert werden will?
Bei ungeklärter oder unnatürlicher Todesursache muss bis zum Beweis des Gegenteils von einer Straftat gegen das Leben ausgegangen werden. Diese gehört zu den Offizialdelikten, bei deren Kenntnis die Staatsanwaltschaft von Amts wegen zu Ermittlungen verpflichtet ist.

Einer anderslautenden Willenserklärung des Verstorbenen zu Lebzeiten oder einem Antrag von Angehörigen auf Verzicht einer Obduktion wird nur dann statt gegeben werden, wenn Todesursache bzw -verursacher auch ohne Obduktion zweifelsfrei ermittelt werden können. Dies ist jedoch aus Gründen der Beweissicherung häufig nicht möglich.

Freundliche Grüsse
Risus
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Die Zukunft hält grosse Chancen bereit - aber auch Fallstricke.
Der Trick dabei ist, den Fallstricken aus dem Weg zu gehen, die Chancen zu ergreifen. Und bis 6 Uhr wieder zuhause zu sein.
[ Woody Allen ]
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Traumgestalt
Interessierter


Anmeldungsdatum: 09.01.2008
Beiträge: 13

BeitragVerfasst am: 10.08.08, 14:05    Titel: Antworten mit Zitat

Diese ausführliche Antwort übertrifft meine Erwartung bei Weitem. Bin sehr dankbar für so viel Sachkenntniss und werde mich auf Grundlage dessen nun genauer informieren können

Sehr glücklich
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