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Unterbringungsgesetz

 
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Traumgestalt
Interessierter


Anmeldungsdatum: 09.01.2008
Beiträge: 13

BeitragVerfasst am: 13.09.08, 09:48    Titel: Unterbringungsgesetz Antworten mit Zitat

Im Unterbringungsgesetz steht unter §18:

"Durch dieses Gesetz werden die Grundrechte auf körperliche Unversehrtheit und Freiheit der Person (Artikel 2 Abs. 2 des Grundgesetzes), Schutz von Ehe und Familie (Artikel 6 des Grundgesetzes), Unverletzlichkeit des Brief-, Post- und Fernmeldegeheimnisses (Artikel 10 des Grundgesetzes), Freizügigkeit (Artikel 11 des Grundgesetzes) und Unverletzlichkeit der Wohnung (Artikel 13 des Grundgesetzes) eingeschränkt."

Wie kann das sein? Seit wann kann das Grundgesetz für einzelne Bürger aufgehoben werden, nur weil sie als psychisch krank ettiketiert werden? Und seit wann gilt ein Gesetz mehr als unsere Verfassung?

Wurde dagegen schon geklagt?

War das Grundgesetz nicht einst genau gegen solche Versuche die Menschenrechte auszuhebeln gerichtet?
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cmd.dea
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Anmeldungsdatum: 31.05.2008
Beiträge: 1872
Wohnort: Hessen

BeitragVerfasst am: 13.09.08, 10:12    Titel: Re: Unterbringungsgesetz Antworten mit Zitat

Hi,

Traumgestalt hat folgendes geschrieben::
Im Unterbringungsgesetz steht unter §18:

"Durch dieses Gesetz werden die Grundrechte auf körperliche Unversehrtheit und Freiheit der Person (Artikel 2 Abs. 2 des Grundgesetzes), Schutz von Ehe und Familie (Artikel 6 des Grundgesetzes), Unverletzlichkeit des Brief-, Post- und Fernmeldegeheimnisses (Artikel 10 des Grundgesetzes), Freizügigkeit (Artikel 11 des Grundgesetzes) und Unverletzlichkeit der Wohnung (Artikel 13 des Grundgesetzes) eingeschränkt."

Wie kann das sein? Seit wann kann das Grundgesetz für einzelne Bürger aufgehoben werden, nur weil sie als psychisch krank ettiketiert werden? Und seit wann gilt ein Gesetz mehr als unsere Verfassung?

Wurde dagegen schon geklagt?

War das Grundgesetz nicht einst genau gegen solche Versuche die Menschenrechte auszuhebeln gerichtet?


keine Sorge, hier liegt ein Missverständnis vor.

Das von Dir genannte Gesetz kann wie im Grunde jedes andere Gesetz auch (zB. StGB, Landespolizeigesetz, Luftsicherungsgesetz, etc.). Grundrechte einschränken. Letztlich ist das ja auch der Sinn von Gesetzen, da die Grundrechte der Menschen ja ständig miteinander kollidieren und so zu einem Ausgleich gebracht werden müssen. Ein "einfaches" Gesetz ermöglichen daher Grundrechtseinschränkungen in bestimmten Fällen und bis auf Art. 1 GG können ja alle Grundrechte auch eingeschränkt werden. Beispielsweise schränkt die Straßenverkehrsordnung die allgemeine Handlungsfreiheit gem. Art. 2 Abs. 1 GG ein, das Ladenschlussgesetz schränkt die Berufsfreiheit gem. Art. 12 GG ein, das Baugesetzbuch schränkt die Eigentumsfreiheit des Art. 14 GG ein, das Strafgesetzbuch schränkt die Freiheit der Person gem. Art. 2 Abs. 2 GG ein. Die Landespolizeigesetze können gleich eine ganze Reihe von Grundrechten einschränken (je nach dem, wie die Polizei vorgeht). Naja, und das Unterbringungsgesetz schränkt die dort genannten Grundrechte ein.

Der von Dir genannte Paragraph, der sagt, dass die und die Grundrechte durch dieses Gesetz eingeschränkt werden können, ist dem sogenannten Zitiergebot des Art. 19 Abs. 1 Satz 2 GG geschuldet. Das ist ein formale Voraussetzung und soll lediglich aufzeigen, welche Grundrechte hier betroffen sind. Wenn Du Dir mal ein paar andere Gesetze anschaust, wirst Du diesen Passus praktisch überall finden. Er hat selbst keinen eigenen Regelungsgehalt, sonder verweist lediglich auf die Beschränkung von Grundrechten in anderen Vorschriften des Gesetzes.

Gruß
Dea
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Dipl.-Sozialarbeiter
FDR-Moderator


Anmeldungsdatum: 09.12.2006
Beiträge: 11996

BeitragVerfasst am: 13.09.08, 10:30    Titel: Re: Unterbringungsgesetz Antworten mit Zitat

Hallo Traumgestalt,

das Unterbringungsgesetz ist Landesrecht. Das betreffende Bundesland wurde hier aber nicht angegeben. Winken

Traumgestalt hat folgendes geschrieben::
Im Unterbringungsgesetz steht unter §18:

"Durch dieses Gesetz werden die Grundrechte auf körperliche Unversehrtheit und Freiheit der Person (Artikel 2 Abs. 2 des Grundgesetzes), Schutz von Ehe und Familie (Artikel 6 des Grundgesetzes), Unverletzlichkeit des Brief-, Post- und Fernmeldegeheimnisses (Artikel 10 des Grundgesetzes), Freizügigkeit (Artikel 11 des Grundgesetzes) und Unverletzlichkeit der Wohnung (Artikel 13 des Grundgesetzes) eingeschränkt."

Wie kann das sein? ...

Artikel 19 Grundgesetz führt aus, wann in die Grundrechte der Bürger eingegriffen werden darf.

Traumgestalt hat folgendes geschrieben::
Seit wann kann das Grundgesetz für einzelne Bürger aufgehoben werden, nur weil sie als psychisch krank ettiketiert werden?

Die Grundrechte werden nicht aufgehoben, sondern eingeschränkt.

Traumgestalt hat folgendes geschrieben::
Und seit wann gilt ein Gesetz mehr als unsere Verfassung?

Die Gesetze stehen nicht über der Verfassung, sondern haben sich an die Verfassung zu orientieren (vgl. Art. 1 III GG). Einschränkungen der Grundrechte sieht die Verfassung aber ausdrücklich vor (vgl.Art. 19 GG).

Traumgestalt hat folgendes geschrieben::
Wurde dagegen schon geklagt?

Vermutlich nicht, aber diese Frage wird das Bundesverfassungsgericht besser beantworten können.

Zitat:
War das Grundgesetz nicht einst genau gegen solche Versuche die Menschenrechte auszuhebeln gerichtet?

Das Grundgesetz fußt auf die Weimarer Verfassung und hat zum Teil einige Artikel ausübernommen oder sich an ihnen angelehnt.

Liebe Grüße

Klaus
_______
Edit: Verlegen Diesmal war cmd.dea schneller. Winken
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cmd.dea
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Anmeldungsdatum: 31.05.2008
Beiträge: 1872
Wohnort: Hessen

BeitragVerfasst am: 13.09.08, 10:38    Titel: Re: Unterbringungsgesetz Antworten mit Zitat

Dipl.-Sozialarbeiter hat folgendes geschrieben::
Verlegen Diesmal war cmd.dea schneller. Winken


Lachen
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Traumgestalt
Interessierter


Anmeldungsdatum: 09.01.2008
Beiträge: 13

BeitragVerfasst am: 13.09.08, 11:14    Titel: Antworten mit Zitat

Es geht hier ja nicht um einzelne Rechte, die für alle Personen eingeschränkt werden und die jedem zumutbar sind. Sondern es geht hier um die wesentlichen Punkte des Grundgesetzes, die für eine Person nicht mehr gelten sollen, nachdem sie im Sinne der klinischen Psychologie von der Norm abweicht "Das Konzept der Menschenrechte geht (aber) davon aus, dass jeder Mensch allein aufgrund seines Menschseins mit gleichen Rechten ausgestattet sein soll und diese egalitär begründeten Rechte unveräußerlich und unteilbar sind sowie universelle Gültigkeit haben" (Wikipedia).

Dabei kenne ich kein sonstiges Gesetz, das die körperliche Unversehrtheit (ohne gegen Gesetze verstoßen zu haben) einschränkt oder die allgemeine Handlungsfreiheit so nachhaltig einschränkt, (z.B. indem Personen festgehalten werden ohne dass sie etwas verbrochen haben oder der Verdacht eines Verbrechens besteht; indem Personen sich nicht frei bewegen dürfen und kontrolliert werden, ohne dass sie etwas verbrochen hätten oder der Verdacht eines Verbrechens besteht; usw.) Das ist nicht mehr zumutbar. Die Grundrechte werden damit meiner Ansicht nach sehr wohl "in ihrem Wesensgehalt angetastet", denn zum einen gilt dieses Gesetz nur für psychisch Kranke, wobei im Recht doch das Egalitätsprinzip gelten sollte. Zum anderen haben wie gesagt so gut wie alle im Grundgesetz eigentlich unveräußerlichen Rechte dadurch plötzlich keine Geltung mehr. Das halte ich prinzipiell für gefährlich.

Das Grundgesetz entstand unter dem Einfluss des Nationalsozialismus, in dem man Erfahrungen damit machen durfte was passiert, wenn die Menschenrechte nichts zählen und wenn einzelne Bevölkerungsgruppen keine Rechtssicherheit mehr haben. Genau das geschieht doch hier, oder irre ich, eine Personengruppe "psychisch Kranker" wobei die Diagnose einer psychischen Krankheit immer zeitgebunden ist (beispielsweise waren Homosexuelle früher psychisch krank), wird ihrer Rechte beraubt.

Man müsste nun nur noch die Diagnose "psychisch krank" ausweiten, zum Beispiel auf politisch (nicht nur, was ja schon schlimm genug ist, persönlich) Andersdenkende und hätte unseren Rechtsstaat in Unrechtsstaatlichkeit zurückverwandelt.

(Unterbringungsgesetz Baden-Württemberg)
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cmd.dea
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Anmeldungsdatum: 31.05.2008
Beiträge: 1872
Wohnort: Hessen

BeitragVerfasst am: 13.09.08, 11:27    Titel: Antworten mit Zitat

Traumgestalt hat folgendes geschrieben::
Es geht hier ja nicht um einzelne Rechte, die für alle Personen eingeschränkt werden und die jedem zumutbar sind. Sondern es geht hier um die wesentlichen Punkte des Grundgesetzes, die für eine Person nicht mehr gelten sollen, nachdem sie im Sinne der klinischen Psychologie von der Norm abweicht "Das Konzept der Menschenrechte geht (aber) davon aus, dass jeder Mensch allein aufgrund seines Menschseins mit gleichen Rechten ausgestattet sein soll und diese egalitär begründeten Rechte unveräußerlich und unteilbar sind sowie universelle Gültigkeit haben" (Wikipedia).

Dabei kenne ich kein sonstiges Gesetz, das die körperliche Unversehrtheit (ohne gegen Gesetze verstoßen zu haben) einschränkt oder die allgemeine Handlungsfreiheit so nachhaltig einschränkt, (z.B. indem Personen festgehalten werden ohne dass sie etwas verbrochen haben oder der Verdacht eines Verbrechens besteht; indem Personen sich nicht frei bewegen dürfen und kontrolliert werden, ohne dass sie etwas verbrochen hätten oder der Verdacht eines Verbrechens besteht; usw.) Das ist nicht mehr zumutbar. Die Grundrechte werden damit meiner Ansicht nach sehr wohl "in ihrem Wesensgehalt angetastet", denn zum einen gilt dieses Gesetz nur für psychisch Kranke, wobei im Recht doch das Egalitätsprinzip gelten sollte. Zum anderen haben wie gesagt so gut wie alle im Grundgesetz eigentlich unveräußerlichen Rechte dadurch plötzlich keine Geltung mehr. Das halte ich prinzipiell für gefährlich.

Das Grundgesetz entstand unter dem Einfluss des Nationalsozialismus, in dem man Erfahrungen damit machen durfte was passiert, wenn die Menschenrechte nichts zählen und wenn einzelne Bevölkerungsgruppen keine Rechtssicherheit mehr haben. Genau das geschieht doch hier, oder irre ich, eine Personengruppe "psychisch Kranker" wobei die Diagnose einer psychischen Krankheit immer zeitgebunden ist (beispielsweise waren Homosexuelle früher psychisch krank), wird ihrer Rechte beraubt.

Man müsste nun nur noch die Diagnose "psychisch krank" ausweiten, zum Beispiel auf politisch (nicht nur persönlich) Andersdenkende (auch die weichen von der Norm ab) und hätte unseren Rechtsstaat in Unrechtsstaatlichkeit zurückverwandelt.

(Unterbringungsgesetz Baden-Württemberg)


Nun, das ist ja jetzt eher eine rechtspolitische Frage. Das BVerfG hat sich zur Rechtmäßigkeit der Zwangseinweisung nach dem Unterbringungsgesetz BW im Beschluss vom 07.10.1981 - Az. 2 BwR 1198/80 - wie folgt geäußert und diese entsprechend bejaht:

" Es ist verfassungsgemäß, daß § 3 Abs. 1 UG die Unterbringung eines Geisteskranken zuläßt, wenn er für sich gefährlich oder der Gefahr ernster Gesundheitsschädigung ausgesetzt ist. Zwar ist es dem Gesetzgeber verwehrt, von seiner Gestaltungsfreiheit unbeschränkten Gebrauch zu machen; er hat vielmehr bei der Ausübung der ihm erteilten Ermächtigung, die Freiheit der Person einzuschränken, die vom Verfassungsrecht gezogenen Grenzen zu beachten. Die Freiheit der Person ist ein so hohes Rechtsgut, daß es nur aus gewichtigem Grund angetastet werden darf (BVerfGE 45, 187 (223)). Die Einschränkung dieser Freiheit, die auch dem Geisteskranken und nicht voll Geschäftsfähigen durch Art. 2 Abs. 2 GG garantiert ist (BVerfGE 10, 302 (309)), ist daher stets der strengen Prüfung am Grundsatz der Verhältnismäßigkeit zu unterziehen.

Dies schließt jedoch einen staatlichen Eingriff nicht aus, der ausschließlich den Zweck verfolgt, einen psychisch Kranken vor sich selbst in Schutz zu nehmen und ihn zu seinem eigenen Wohl in einer geschlossenen Anstalt unterzubringen. Eine derartige Maßnahme ist nicht nur dann zulässig, wenn sie der Schutz der Allgemeinheit verlangt, sondern sie kann sich auch durch den Schutz des Betroffenen rechtfertigen. Zwar steht es unter der Herrschaft des Grundgesetzes in der Regel jedermann frei, Hilfe zurückzuweisen, sofern dadurch nicht Rechtsgüter anderer oder der Allgemeinheit in Mitleidenschaft gezogen werden (vgl. BVerfGE 22, 180 (219 f.); 30, 47 (53 f.)). Nur wenn überwiegende Belange des Gemeinwohls, wie sie mit den Schranken des Art. 2 Abs. 1 GG bestimmt sind, es zwingend gebieten, muß der Freiheitsanspruch des einzelnen insoweit zurücktreten. Das Gewicht, das dem Freiheitsanspruch gegenüber dem Gemeinwohl zukommt, darf aber nicht losgelöst von den tatsächlichen Möglichkeiten des Fürsorgebedürftigen bestimmt werden, sich frei zu entschließen. Bei psychischer Erkrankung wird die Fähigkeit zur Selbstbestimmung häufig erheblich beeinträchtigt sein. In solchen Fällen ist dem Staat fürsorgerisches Eingreifen auch dort erlaubt, wo beim Gesunden Halt geboten ist. Die Erkenntnis, daß es das Recht ermöglichen muß, den Willen des psychisch Kranken durch die bessere Einsicht des für ihn Verantwortlichen zu ersetzen, hat ihren Niederschlag seit jeher in den Vorschriften des bürgerlichen Rechts betreffend die Vormundschaft über geisteskranke Personen gefunden, die trotz ihrer Zuordnung zum Privatrecht auch Elemente öffentlicher Fürsorge enthalten. Zumal unter der Geltung des Sozialstaatsgedankens (Art. 20 Abs. 1, 28 GG) ist kein Grund ersichtlich, der es hindern könnte, die Fürsorge für die Bürger, die hilfsbedürftig sind, weil sie psychisch krank sind, als staatliche Aufgabe auszugestalten. Die Fürsorge der staatlichen Gemeinschaft schließt auch die Befugnis ein, den psychisch Kranken, der infolge seines Krankheitszustands und der damit verbundenen fehlenden Einsichtsfähigkeit die Schwere seiner Erkrankung und die Notwendigkeit von Behandlungsmaßnahmen nicht zu beurteilen vermag oder trotz einer solchen Erkenntnis sich infolge der Krankheit nicht zu einer Behandlung entschließen kann, zwangsweise in einer geschlossenen Anstalt unterzubringen, wenn sich dies als unumgänglich erweist, um eine drohende gewichtige gesundheitliche Schädigung von dem Kranken abzuwenden. Daß dies nicht ausnahmslos gilt, weil schon im Hinblick auf den Verhältnismäßigkeitsgrundsatz bei weniger gewichtigen Fällen eine derart einschneidende Maßnahme unterbleiben muß und somit auch dem psychisch Kranken in gewissen Grenzen die "Freiheit zur Krankheit" belassen bleibt, drängt sich auf. Wo hier die Grenzen eines zulässigen Eingriffs verlaufen, ist nicht zu entscheiden. Denn das Unterbringungsgesetz erlaubt die Anstaltsunterbringung ohnehin nur, wenn der Kranke für sich gefährlich oder ohne Anstaltspflege der Gefahr ernster Gesundheitsschädigung ausgesetzt ist (§ 3 Abs. 1 Satz 1 UG). Mit diesen tatbestandlichen Voraussetzungen wahrt das Gesetz den Verfassungsgrundsatz der Verhältnismäßigkeit.

Bedenken dagegen, fürsorgerische Gesichtspunkte als alleinige Grundlage für eine Unterbringung ausreichen zu lassen, weil ärztliche Erkenntnis begrenzt und deshalb der Schutz Gesunder vor staatlichem Behandlungszwang nicht hinreichend gewährleistet sei, greifen nicht durch. Das Unterbringungsgesetz beschränkt seinen Anwendungsbereich, soweit dies hier von Interesse ist, auf Geisteskranke einschließlich Geistesschwacher und Gemütskranker (§ 2 Abs. 1 UG). Bei diesen Voraussetzungen handelt es sich um juristische Begriffe, für die medizinische Krankheitsbegriffe nur Ausgangspunkte darstellen (Baumann, a.a.O., S. 242, und in: Handbuch der forensischen Psychiatrie, Band I, 1972, S. 358 (361 f.); Göppinger, Die Justiz, 1968, S. 148 (153)). Wenn auch der zur Entscheidung über die Anordnung einer Freiheitsentziehung berufene Richter die Frage, ob eine Person an einer Geisteskrankheit leidet und welche Auswirkungen und Bedeutung dies hat, regelmäßig nur mit Hilfe eines ärztlichen Sachverständigen beurteilen kann, so ist er doch nicht verpflichtet, die Begriffswelt des Arztes zu übernehmen, die teils weiter, teils aber auch enger sein kann als die juristischen Begriffe, die bei der Gesetzesanwendung allein zugrunde zu legen sind. Die juristischen Begriffe klammern die leichteren Formen geistiger oder seelischer Störungen gerade aus (Saage/Göppinger, a.a.O., III, Rdnr. 61). Dies trägt dazu bei, der möglichen Gefahr einer "Vernunfthoheit des Arztes über den Patienten" (Baumann, a.a.O., S. 25) und einer umfassenden staatlichen Gesundheitsvormundschaft zu begegnen. Bei psychischen Störungen, deren Grenzen zum Krankhaften fließend und die medizinisch lediglich als Abweichungen von einem angenommenen Durchschnittsverhalten zu beschreiben sind, ist der Richter allerdings zu einer besonders sorgfältigen Prüfung aufgerufen, ob den festgestellten Störungen Krankheitswert im Sinne des Gesetzes zukommt."

Da kann man nun anderer Meinung sein, das einzige Organ, dass dafür zuständig wäre, das Gesetz wegen Unverhältnismäßigkeit oder sonstigem Verstoß gegen das GG für nichtig zu erklären, geht jedoch von der Verfassungsmäßigkeit des Unterbringungsgesetzes aus.

Gruß
Dea
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Traumgestalt
Interessierter


Anmeldungsdatum: 09.01.2008
Beiträge: 13

BeitragVerfasst am: 13.09.08, 12:17    Titel: Antworten mit Zitat

"Das Gewicht, das dem Freiheitsanspruch gegenüber dem Gemeinwohl zukommt, darf aber nicht losgelöst von den tatsächlichen Möglichkeiten des Fürsorgebedürftigen bestimmt werden, sich frei zu entschließen. Bei psychischer Erkrankung wird die Fähigkeit zur Selbstbestimmung häufig erheblich beeinträchtigt sein."

Das stimmt nicht in allen Fällen. Wer zum Beispiel depressiv ist (was sich früher unglücklich nannte) kann immer noch rational Entscheidungen treffen. Wenn diese unglückliche Person sich nun entschließt sich z.B. das Leben zu nehmen, und deswegen Eigengefährdung besteht, ist dies immer noch ein freier Entschluss da nichts wie Wahnvorstellungen oder eine Gehirnschädigungen das Bewusstsein trübt.

Das ist aber nicht nur auf die "Diagnose" Deppressivität zutreffend.
Nehmen wir an jemand neigt zu anderem selbstverletzendem Verhalten. Jemand entschließt sich wie Mahathma Gandhi in den Hungerstreik zu gehen.
Zur heutigen Zeit wäre das nicht mehr möglich, da bei ihm, weil er für nicht mehr einwilligungsfähig gehalten wird, eine Magensonden installiert wird. Ghandis Streik endete in der Psychiatrie. Das zeigt nur wie sich durch bestehende Regelung Anderseiendem, und Andersdenkendem leicht beikommen lässt, weil sich eben die Diagnose psychisch gestört allein darauf bezieht, dass etwas unnormal ist und die Deutungshoheit tatsächlich beim entsprechenden Arzt liegt, was Willkür Tür und Tor öffnet. Denn welcher Richter hörte eher auf den der als psychisch krank gilt als auf einen "fachkundigen" Arzt?

Ein Psychologe kann sehr vieles für krank halten.
- Ängstlichkeit, Ungeselliges Verhalten, Stimmungsschwankungen, etc. Es lässt sich beinahe für jeden Charaktertyp eine passende Diagnose finden.

Macht das Menschen zu Geisteskranken (gleichzusetzen mit Subjekten die vom Grundgesetz ausgeschlossen sind)? Ich bezweifel es (halte die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts für gut begründet, wenn es wirklich auf die Fälle, die sich keine eigene Meinung mehr bilden können z.B. unter die Diagnose Schizophrenie und Psychose fallende beschränkt wäre)


Zuletzt bearbeitet von Traumgestalt am 13.09.08, 12:28, insgesamt 1-mal bearbeitet
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cmd.dea
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Anmeldungsdatum: 31.05.2008
Beiträge: 1872
Wohnort: Hessen

BeitragVerfasst am: 13.09.08, 12:19    Titel: Antworten mit Zitat

Traumgestalt hat folgendes geschrieben::
"Das Gewicht, das dem Freiheitsanspruch gegenüber dem Gemeinwohl zukommt, darf aber nicht losgelöst von den tatsächlichen Möglichkeiten des Fürsorgebedürftigen bestimmt werden, sich frei zu entschließen. Bei psychischer Erkrankung wird die Fähigkeit zur Selbstbestimmung häufig erheblich beeinträchtigt sein."

Das stimmt nicht in allen Fällen. Wer zum Beispiel depressiv ist (was sich früher unglücklich nannte) kann immer noch rational Entscheidungen treffen. Wenn diese unglückliche Person sich nun entschließt sich z.B. das Leben zu nehmen, und deswegen Eigengefährdung besteht, ist dies immer noch ein freier Entschluss da nichts wie Wahnvorstellungen oder eine Gehirnschädigungen das Bewusstsein trübt.

Das ist aber nicht nur auf die "Diagnose" Deppressivität zutreffend.
Nehmen wir an jemand neigt zu anderem selbstverletzendem Verhalten. Jemand entschließt sich wie Mahathma Gandhi in den Hungerstreik zu gehen.
Zur heutigen Zeit wäre das nicht mehr möglich, da bei ihm, weil er für nicht mehr einwilligungsfähig gehalten wird, eine Magensonden installiert wird. Ghandis Streik endete in der Psychiatrie. Das zeigt nur wie sich durch bestehende Regelung Anderseiendem, und Andersdenkendem leicht beikommen lässt, weil sich eben die Diagnose psychisch gestört allein darauf bezieht, dass etwas unnormal ist und die Deutungshoheit tatsächlich beim entsprechenden Arzt liegt, was Willkür Tür und Tor öffnet. Denn welcher Richter hörte eher auf den der als psychisch krank gilt als auf einen "fachkundigen" Arzt?

Ein Psychologe kann sehr vieles für krank halten.
- Ängstlichkeit, Ungeselliges Verhalten, Stimmungsschwankungen, etc. Es lässt sich beinahe für jeden Charaktertyp eine passende Diagnose finden.

Macht das Menschen zu Geisteskranken (gleichzusetzen mit Subjekten die vom Grundgesetz ausgeschlossen sind)? Ich bezweifel es.


Und jetzt?
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Traumgestalt
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Anmeldungsdatum: 09.01.2008
Beiträge: 13

BeitragVerfasst am: 13.09.08, 12:30    Titel: Antworten mit Zitat

--

Zuletzt bearbeitet von Traumgestalt am 13.09.08, 12:38, insgesamt 1-mal bearbeitet
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Traumgestalt
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Anmeldungsdatum: 09.01.2008
Beiträge: 13

BeitragVerfasst am: 13.09.08, 12:35    Titel: Antworten mit Zitat

cmd.dea hat folgendes geschrieben::
Und jetzt?


Nun ich habe als Bürger nur mein demokratisches Recht durch Wahlen
Oder, z.B. durch Meinungsäußerung, auf Misstände z.B. in der Gesetzgebung hinzuweisen. Da es sich bei den Betroffenen aber um eine Minderheit handelt wird das eher wenig erfolgreich sein und es sollte also meiner Ansicht nach gerade ein Mechanismus zum Tragen kommen der auch Minderheiten, was diesen Aspekt angeht schützt und vielleicht auch noch mal durch eine Liberalisierungstendenz das Bundesverfassungsgericht das Unterbringungsgesetz neu nach dem GG auslegen.

Vielen Dank jedenfalls für die Klärung der Rechtslage.
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cmd.dea
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Anmeldungsdatum: 31.05.2008
Beiträge: 1872
Wohnort: Hessen

BeitragVerfasst am: 13.09.08, 12:49    Titel: Antworten mit Zitat

Traumgestalt hat folgendes geschrieben::
cmd.dea hat folgendes geschrieben::
Und jetzt?


Nun ich habe als Bürger nur mein demokratisches Recht durch Wahlen
Oder, z.B. durch Meinungsäußerung, auf Misstände z.B. in der Gesetzgebung hinzuweisen. Da es sich bei den Betroffenen aber um eine Minderheit handelt wird das eher wenig erfolgreich sein und es sollte also meiner Ansicht nach gerade ein Mechanismus zum Tragen kommen der auch Minderheiten, was diesen Aspekt angeht schützt und vielleicht auch noch mal durch eine Liberalisierungstendenz das Bundesverfassungsgericht das Unterbringungsgesetz neu nach dem GG auslegen.

Vielen Dank jedenfalls für die Klärung der Rechtslage.


Gerne. Für Änderungsdiskussionen ist das Board "Rechtspolitik" weiter oben da. Da diskutiert man gerne über so etwas.

Gruß
Dea
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Traumgestalt
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Anmeldungsdatum: 09.01.2008
Beiträge: 13

BeitragVerfasst am: 13.09.08, 12:57    Titel: Antworten mit Zitat

Eine Frage nach: Was wäre wenn eine Patientenverfügung, die bei Einwilligungsfähigkeit abgefasst wurde, und eine psychiatrische Behandlung ausschließt, dem Unterbringungsgesetz entgegensteht?
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cmd.dea
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Anmeldungsdatum: 31.05.2008
Beiträge: 1872
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BeitragVerfasst am: 13.09.08, 13:24    Titel: Antworten mit Zitat

Traumgestalt hat folgendes geschrieben::
Eine Frage nach: Was wäre wenn eine Patientenverfügung, die bei Einwilligungsfähigkeit abgefasst wurde, und eine psychiatrische Behandlung ausschließt, dem Unterbringungsgesetz entgegensteht?


Garnichts, da die Regelungen des Unterbringungsgesetzes nicht dispositiv sind. Man kann sie also nicht selbst umgehen.

Gruß
Dea
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