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Arztbegleitung bei Asylanten-Abschiebung
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Ärtin
Gast





BeitragVerfasst am: 19.11.04, 12:52    Titel: Arztbegleitung bei Asylanten-Abschiebung Antworten mit Zitat

Hallo Forum,

ich begleite ab und an als Ärztin Asylanten bei der Abschiebung. Die ärztliche Begleitung wird meist in amtsärztlichen Gutachten wegen verschiedener Erkrankungen des Asylanten angeordnet. Nun habe ich demnächst einen Fall, in dem die Begleitung (nicht ins Heimatland, sondern ins sichere Drittland) wegen ab und zu auftretender Angstzustände in Flugzeugen sowie Angst vor der Abschiebung angeordnet ist.

Für mich ist die Rechtslage unklar. Einerseits stellt wohl nach diversen Gerichtsurteilen die "Angst vor der Abschiebung an sich" kein Abschiebehindernis dar, so daß die Abschiebung selbst ja rechtlich konform ist. Andererseits schreibt mir ein Erlass der Bundesärztekammer Folgendes vor:

Beschluss des 102. Deutschen Ärztetages, 1999

Abschiebehilfe durch Ärzte in Form von Flugbegleitung, zwangsweiser Verabreichung von Psychopharmaka oder Ausstellung einer „Reisefähigkeitsbescheinigung“ unter Missachtung fachärztlich festgestellter Abschiebehindernisse wie z.B. in Behandlung stehende Traumatisierungen sind mit den in der ärztlichen Berufsordnung verankerten ethischen Grundsätzen nicht vereinbar.

Ich bin mir nun sehr unsicher, ob ich dem Abschiebling, falls er einen Angstzustand aufgrund der Abschiebung oder Flugangst bekommt, ein Beruhigungsmittel auch GEGEN seinen Willen verabreichen darf, oder mich damit strafbar mache.

Ich sehe die Situation eben auch unter dem Aspekt, daß man Abschiebungen wahrscheinlich überhaupt nicht mehr durchsetzen kann, wenn der Asylant Angst vor der Abschiebung angibt und sich deshalb weigert, das Transportfahrzeug zu betreten. Oder daß diese Angstzustände bei Abschiebungen eben überhaupt nicht medizinisch behandelt werden können, was dem Abschiebling ja auch großes Leiden verursacht, da er seine Ängste voll erlebt.

Ich bitte daher hier um rechtlichen Rat und bedanke mich im Vorraus für sachliche Antworten !

Ärztin
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Gast






BeitragVerfasst am: 19.11.04, 14:12    Titel: Antworten mit Zitat

"Ich bin mir nun sehr unsicher, ob ich dem Abschiebling, falls er einen Angstzustand aufgrund der Abschiebung oder Flugangst bekommt, ein Beruhigungsmittel auch GEGEN seinen Willen verabreichen darf, oder mich damit strafbar mache. "

--> aber wenn er doch Angst hat, dann kannst Du doch davon ausgehen, dass er ein Interesse daran hat, dass ihm diese Angst genommen wird. Weil er Angst hat, kannst Du das gerade nicht ordentlich mit ihm ausdiskutieren, sondern musst seine Mutmassliche Einwilligung vorraussetzen weil der Großteil aller Menschen in solch einer Situation wollen würde, dass die Angst genommen wird.
Und als Arzt bist Du verpflichtet zu helfen Lachen


"Ich sehe die Situation eben auch unter dem Aspekt, daß man Abschiebungen wahrscheinlich überhaupt nicht mehr durchsetzen kann, wenn der Asylant Angst vor der Abschiebung angibt und sich deshalb weigert, das Transportfahrzeug zu betreten."
--> weigern kann er sich viel - dazu ist aber der BGS dabei um die angeordnete Abschiebung durchzusetzen !
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Ärztin
Gast





BeitragVerfasst am: 19.11.04, 14:54    Titel: Bundesgrenzschutz hat auch Grenzen... Antworten mit Zitat

Hallo Gast,

natürlich sind die Mitarbeiter des BGS (Bundesgrenzschutz) dazu da, eine solche Abschiebung durchzusetzen. Aber deren Möglichkeiten sind eben sehr begrenzt bzw. gesetzlich sehr limitiert:
Prinzipiell dürfen dem Abschiebling Hand- und Fußfixationen angelegt werden und es gibt einen speziellen Kopfhelm, durch den Kopfschlagen, Beißen und Anspucken verhindert werden sollen. Es dürfen aber keinerlei Maßnahmen angewendet werden, welche die Atmung beeinträchtigen können, also z.B. Tuch oder Maske über den Mund bei Beißen und Spucken. Dies finde ich auch richtig, denn mometan geht ja auch ein Bericht durch die Presse, in dem der BSG einen sich trotz Fesseln heftig wehrenden, sehr aggressiven Asylanten im Flugzeugsitz so lange mit dem Oberkörper nach unten gedrückt hat, daß dieser erstickte.
Mit den zur Verfügung stehenden, legalen Maßnahmen könnte man prinzipiell auch einen sich wehrenden Asylanten einigermaßen gesichert gegen Eigen- oder Fremdgefährung transportieren, soweit klingt das erstmal ganz gut.

In de Realität sieht es aber so aus, daß bei Flugabschiebungen die Rechte des BSG mit dem Betreten des Flugzeuges enden. An Bord hat der Flugkapitän das alleinige Entscheidungsrecht. Es ist etwas abhängig von den Fluggesellschaften, wie der Kapitän dann verfährt. Bei der Lufthansa wird aber für gewöhnlich bereits ein Abschiebling mit Handfesseln (klingt schlimm, es handelt sich aber um weiche Klettbänder) nicht transportiert. Es geht sogar so weit, daß seitens des Kapitäns nicht transportiert wird, wenn der Abschiebling sagt, das ginge gegen seinen Willen.

Wenn man nun also mit einem Abschiebling beim Flugzug ankommt, der brüllt, schlägt oder schreit - was ja nun wilkürlich oder auch wegen Flugangst/ Angst vor Abschiebung der Fall sein kann- ist die Chance, daß man an Bord kommt ziemlich schlecht. Seitens der Fluggesellschaften verstehe ich das schon auch, ich möchte als Linienflugpassagier auch nicht in einer Maschine sitzen, in der ein Mensch ständig schreit und von mehreren BSG-Beamten kaum gebändigt werden kann. Dann kommt es eben auch zu solchen Situationen, wie oben beschrieben. Aber es ist sicherlich auch nicht finanzierbar, für jeden Abschiebling ein eigenes Flugzeug zu charten.

Als Arzt kann ich in diesen Situationen natürlich ein Beruhigungsmittel spritzen, was müde macht und worunter Angstzustände abflachen. Medizinisch könnte ich ein solches Vorgehen verantworten, das ich ja auch im "Praxisbetrieb"(ich abeite im Rettungsdienst) bei Patienten mit Angstzuständen /Hyperventilation/ Panikattacken oder gewalttätigen Alkoholisierten anwende. Die Frage ist halt, ob das bei Abschieblingen mit solchen Zuständen rechtens wäre. Ich stehe nämlich mit meiner Approbation sprich Berufszulassung dafür gerade- abgesehen von meiner ethischen Verantwortung als Arzt.

Ich hoffe, durch meine obige Beschreibung auch mal die Realität bei Abschiebungen zu verdeutlichen und bitte weiterhin um sachliche Antworten zu meiner Frage im 1.Posting.

Vielen Dank für Ihr Interesse !

Ärztin
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Gast






BeitragVerfasst am: 19.11.04, 15:48    Titel: Antworten mit Zitat

also geht es Dir wie allen:
Du sollst etwas tun ohne dafür klare Handlungsanweisungen zu bekommen ?

Du hast nichts, in dem steht, was Du wann und wie zu machen hast ?

Hier erwartest Du aber Hilfestellung. Ich denke, so einfach wird es dann nicht sein.
Es können Dir hier nur Erfahrungswerte gegeben werden, Gedanken, Ideen.
Umsetzen aber musst Du es allein, und geradestehen musst dafür auch DU allein.

Machst Du was damit der Transport glatt verläuft, dann kollidierst Du mit Deinem Gewissen; verläuft der Transport nicht glatt dann gibts Ärger mit dem Kapitän und dem BGS, richtig ?


Mal ein anderer Ansatz:
Wie kommst Du an einen solchen Job ? Wer hat Dich eingeteilt ?
Frag doch diejenigen die damit Erfahrung haben wie sie es machen würden ...
... ist doch im RD genau so: Du stehst allein da - so und nun mach mal.
Entweder gehts gut - oder es geht schief - oder man fragt jemanden der sich damit auskennt. In Deiner Diensststelle müssten ja eigentlich ein paar davon rumlaufen Lachen

Ist sicher nicht ganz einfach für Dich, aber so ist der Arztjob nunmal.
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Ärztin
Gast





BeitragVerfasst am: 19.11.04, 17:38    Titel: Rechtssicherheit Antworten mit Zitat

Hallo Gast,

Du schreibst:

"also geht es Dir wie allen:
Du sollst etwas tun ohne dafür klare Handlungsanweisungen zu bekommen ?

Du hast nichts, in dem steht, was Du wann und wie zu machen hast ?

Hier erwartest Du aber Hilfestellung. Ich denke, so einfach wird es dann nicht sein.
Es können Dir hier nur Erfahrungswerte gegeben werden, Gedanken, Ideen.
Umsetzen aber musst Du es allein, und geradestehen musst dafür auch DU allein."


Erstmal denke ich, daß es nicht "allen" so geht und ich hoffe hier nicht auf Erfahrungswerte, sondern denke, es gibt Rechtsgrundlagen oder Urteile für meinen Job, die ich bei meiner eigenen Internet-Recherche vielleicht nur noch nicht gefunden habe.

"Machst Du was damit der Transport glatt verläuft, dann kollidierst Du mit Deinem Gewissen; verläuft der Transport nicht glatt dann gibts Ärger mit dem Kapitän und dem BGS, richtig ?"

Ich kann es mit meinem Gewissen ohne weiteres vereinbaren, bei Angstzuständen Beruhigungsmittel zu verabreichen, damit es dem Patienten besser geht. Ich könnte es sogar noch mit meinem Gewissen vereinbaren, einem gewalttätigen Abschiebling Beruhigungsmittel zu verabreichen, um Eigen- oder Fremdverletzungen zu verhindern. Wie ich vorgehe, ist in meinen Augen aber ein rechtliches Problem und nicht meine private "Gewissenssache" und ich habe nicht vor, durch diese Tätigkeit meine Berufszulassung aufs Spiel zu setzen oder sogar straffällig zu werden - Nichtwissen schützt bekanntlich nicht vor Strafe... daher versuche ich, mich hier wissender zu machen.
Ärger mit den Ämtern / BGS gibt es sicher nicht, denn ich habe völlige Freiheit zu den Entscheidungen einer notwenigen Therapie bzw. Abbruch des Abschiebeversuches, wenn ich meine, daß es medizinisch nicht zu verantworten ist. Auch Ämter/ BGS haben klare Vorschriften und werden eine Abschiebung nur mit legalen Mitteln durchzusetzen versuchen und im Zweifel abbrechen.
Ärger mit dem Flugkapitän... naja, könnte ich wohl aushalten, die Frage ist nur, inwiweit mich eine Fluggesellschaft persönlich auf Haftung verklagen kann, wenn wieder MEINES vorherigen Erwartens ein Abschiebling medizinische/angstbedingte Probleme an Bord bekommt und eventuell deswegen eine Zwischenlandung nötig wird.

"Mal ein anderer Ansatz:
Wie kommst Du an einen solchen Job ? Wer hat Dich eingeteilt ?
Frag doch diejenigen die damit Erfahrung haben wie sie es machen würden ..."


Den Job mache ich freiwillig, freiberuflich und kann ihn jederzeit auch beenden.


"... ist doch im RD genau so: Du stehst allein da - so und nun mach mal.
Entweder gehts gut - oder es geht schief - oder man fragt jemanden der sich damit auskennt."


Ist im RD (Rettungsdienst) meines Erachten gerade NICHT so. DIe Kompetenzen des Rettungsdienstpersonals und der Notärzte sind in Deutschland sehr klar geregelt.

Mit freundlichem Gruß !

Ärztin
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Gast






BeitragVerfasst am: 19.11.04, 18:24    Titel: Antworten mit Zitat

"Erstmal denke ich, daß es nicht "allen" so geht und ich hoffe hier nicht auf Erfahrungswerte, sondern denke, es gibt Rechtsgrundlagen oder Urteile für meinen Job, die ich bei meiner eigenen Internet-Recherche vielleicht nur noch nicht gefunden habe. "

---> wo kein Kläger - da kein Richter !

"Ich kann es mit meinem Gewissen ohne weiteres vereinbaren, bei Angstzuständen Beruhigungsmittel zu verabreichen, damit es dem Patienten besser geht. Ich könnte es sogar noch mit meinem Gewissen vereinbaren, einem gewalttätigen Abschiebling Beruhigungsmittel zu verabreichen, um Eigen- oder Fremdverletzungen zu verhindern. Wie ich vorgehe, ist in meinen Augen aber ein rechtliches Problem und nicht meine private "Gewissenssache" und ich habe nicht vor, durch diese Tätigkeit meine Berufszulassung aufs Spiel zu setzen oder sogar straffällig zu werden - Nichtwissen schützt bekanntlich nicht vor Strafe... daher versuche ich, mich hier wissender zu machen. "

---> siehe oben


"Den Job mache ich freiwillig, freiberuflich und kann ihn jederzeit auch beenden. "
---> das war nicht meine Frage, ich wollte Dir nur zeigen wen Du besser fragen solltest !


"Ist im RD (Rettungsdienst) meines Erachten gerade NICHT so. DIe Kompetenzen des Rettungsdienstpersonals und der Notärzte sind in Deutschland sehr klar geregelt. "

---> biste schon lange als NÄ tätig ? Die Kompetenzen sind eben nicht klar geregelt - das hätte die Ärzte aber immer gerne. Ausserdem ging es mir nicht um Kompetenzen sondern darum wie Du in bestimmten Situationen zu reagieren hast. Und das ist im RD eben NICHT IMMER klar geregelt - oft steht man mit einem Bein im Knast. Wie hier.



Mit kollegialem Gruß !
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Gast






BeitragVerfasst am: 19.11.04, 18:27    Titel: Antworten mit Zitat

A) dem Gefesselten wird Gewalt angetan, er geht ja nicht freiwillig
B) jeder Eingriff gegen seinen Willen stellt zunächst eine Körperverletzung dar
C) eine medizinische Aufklärung scheitert oft an praktischen Sprachproblemen
D) die von der Polizei und dem BGS beauftragten Mediziner machen freiwillig einen zweifelhaften Job der gegenenfalls zwar nicht strafbar aber doch ethisch verwerflich ist.

In der Notfallmedizin gibt man allenfalls in seiner Garantenstellung dem Patienten etwas gegen seinen Willen, um ihm selbst zu helfen. So z.B. bei einem suizidalen Patienten Psychopharmaka. In obigem Fall hilft man aber einer Wohlstandgesellschaft sog. unerwünschte Wirtschaftsschmarotzer abzuschieben. Das ist ein grundlegender Unterschied.

Man stelle sich vor, in einem diktatorischen Staat ist Folter nicht strafbar. Sollten sich deswegen Mediziner dafür hergeben? Ist die Frage der juristischen Beurteilung überhaupt relevant? Meiner Ansicht nach ist das nur eine ethische Frage.

Facharzt/Notarzt
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Gast






BeitragVerfasst am: 19.11.04, 18:44    Titel: Antworten mit Zitat

"In obigem Fall hilft man aber einer Wohlstandgesellschaft sog. unerwünschte Wirtschaftsschmarotzer abzuschieben"

Müssen wir aber, "gerade wegen unserer Geschichte", jedem Haus und Hof öffnen ?


"In der Notfallmedizin gibt man allenfalls in seiner Garantenstellung dem Patienten etwas gegen seinen Willen, um ihm selbst zu helfen. So z.B. bei einem suizidalen Patienten Psychopharmaka. In obigem Fall hilft man aber einer Wohlstandgesellschaft sog. unerwünschte Wirtschaftsschmarotzer abzuschieben. Das ist ein grundlegender Unterschied"


Garantenstellung, was besagt die ? Körperliche Unversehrtheit ? oder Wohlstand, Aufenthalt, Asyl ?
Wenn eine höhere Instanz (wohl nicht ohne Grund) eine Abschiebung veranlasst, wo ist das Problem ,wenn ein Azrt mit seinen Mitteln dafür sorgt, das diese Abschiebung für den Menschen so stressfrei und schonend wie möglich über die Bühne geht ?

Wo ist das Problem ? Ein Patient mit Flugangst der beispielsweise im RTH transportiert wird erhält auch was zur Sedierung. Da regt sich niemand drüber auf. Keiner fragt ob das Rechtens ist.

Soll er den Flug doch relaxed überstehen, wenn er Angst davor hat dann muss ihm geholfen werden.

Ich denke das Problem hier ist wohl dass es um eine Abschiebung geht.
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Ethos
Gast





BeitragVerfasst am: 19.11.04, 22:40    Titel: Re: Rechtssicherheit Antworten mit Zitat

Ärztin hat folgendes geschrieben::

Ich kann es mit meinem Gewissen ohne weiteres vereinbaren ...


Ähm, sagten Sie Gewissen ?


MfG gewalttätiger "Abschiebling"
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Ärztin
Gast





BeitragVerfasst am: 19.11.04, 23:16    Titel: Ethik und Garantenstellung (off topic) Antworten mit Zitat

Lieber Herr Kollege Facharzt/Notarzt,

zunächst danke für Ihren sachlichen Beitrag, mit dem sich allerdings meine rechtlichen Fragen leider nicht beantworten. Dennoch möchte ich ein paar Worte dazu sagen.

Sie sind der Meinung, dass die Teilnahme von Arzt, Polizei oder BGS bei Abschiebungen ein „zweifelhafter Job“ und ethisch verwerflich ist. Ich teile diese Meinung nicht. Denn ich denke, es gehört durchaus auch zu den Verantwortlichkeiten eines Arztes, kranke Abschieblinge auch während der Rückführung medizinisch zu betreuen und damit eine menschenwürdige und fachlich kompetente Versorgung zu sichern. Im Übrigen handelt es sich bei den ärztlichen Begleitungen überwiegend um Rückführungen, bei denen der ehemalige Asylant freiwillig das Land verlässt und die lückenlose medizinische Weiterversorgung im Zielland im Vorwege gesichert und organisiert ist.

Sollten sich für diese Tätigkeiten deutsche Ärzte nicht mehr zur Verfügung stellen, ist die Konsequenz (und dies wird leider auch bereits gehandhabt), dass Ärzte aus anderen Ländern - meist dem Heimatland des Asylanten, was sprachlich von Vorteil wäre- die ärztliche Begleitung bereits ab dem deutschen Flughafen übernehmen. Hier sehe ich die große Gefahr, dass diese Ärzte dann oft keine medizinische Informationen zu dem Patienten haben, fachlich oft wenig qualifiziert sind und ihre (wenn überhaupt mitgeführte) ärztliche Notfallausrüstung in keiner Weise deutschem Standard entspricht. Ich benutze einen vollausgerüsteten Ulmer Koffer III, bin Internistin mit mehrjähriger Zusatzweiterbildung in Anästhesie und Intensivmedizin, seit 15 Jahren als Notärztin im Rettungsdienst tätig und spreche fließend English und Französisch.
Niemand wird gezwungen, als Arzt Abschiebebegleitungen zu machen. Wenn Sie dies ethisch für sich nicht verantworten können, dann müssen Sie es auch nicht tun.
Zur Arbeit von Polizei und BGS kann ich nur sagen, dass ich großen Respekt vor diesen Kollegen habe, die für uns ihre Gesundheit und ihr Leben einsetzen und teilweise wirklich unter unwürdigsten Bedingungen arbeiten, indem sie z.B. einen Abschiebling säubern, der sich absichtlich von oben bis unten mit seinem Kot eingeschmiert hat, um den Flugtransport zu verhindern... soviel aus der Realität und zum Thema „ethisch verwerflich“.

In dem von mir geschilderten, speziellen Fall handelt es sich um die Abschiebung eines Schwarzafrikaners, der über Frankreich illegal nach Deutschland eingereist ist und nun wieder in das sichere Drittland abgeschoben werden soll, wo er auch zunächst Asylantrag gestellt hatte. Den medizinischen Unterlagen (Arztbrief des Krankenhauses) ist zu entnehmen, dass er nicht nach Frankreich zurückwill, weil er dort nicht so freundlich behandelt würde, wie in Deutschland, kein Einzelzimmer bekäme und ihm kein Bargeld ausgehändigt wird.

Zu Ihrer Meinung „
In der Notfallmedizin gibt man allenfalls in seiner Garantenstellung dem Patienten etwas gegen seinen Willen, um ihm selbst zu helfen. So z.B. bei einem suizidalen Patienten Psychopharmaka“

möchte ich Sie darauf hinweisen, dass Sie sich damit nach geltendem Recht strafbar machen (Körperverletzung) ! Als Notarzt dürfen Sie einem Patienten, der zu einer verständlichen Willensäußerung fähig ist, selbst wenn er konkret Selbstmord androht, eben NICHT gegen seinen Willen medikamentös behandeln, noch nicht mal im Rettungswagen transportieren. Eine evtl. nötige, zwangsweise medikamentöse Behandlung ist abhängig vom Psychiatriegesetz des jeweiligen Bundeslandes von einem Gericht oder einer Aufsichtsbehörde anzuordnen oder zu genehmigen. Sie können als Notarzt bei Eigengefährdung lediglich eine geschlossene Unterbringung anordnen und diese von der Polizei (normalerweise zunächst durch Gewahrsamnahme auch unter Einsatz körperlicher Gewalt) durchsetzen lassen. Auch wenn es sicherlich für den Patienten weniger traumatisch (und die Polizei weniger gefährlich) wäre, ein Beruhigungsmittel zu spritzen.
Mir sind Patientenrechte und Ethik übrigens sehr wichtig. So suche ich zum Beispiel jedes Mal bei Einsätzen in Altenheimen, bei denen nicht eine sofortige Reanimation oder Notfallbehandlung nötig sind (z.B. stabiler, aber bewusstloser Schlaganfallpatient), bei Heimpersonal, Hausarzt und Angehörigen in Erfahrung zu bringen, ob ein Patiententestament vorliegt oder es dem Willen des Patienten entspräche, in eine Klinik eingeliefert zu werden. Denn dazu bin ich rechtlich und ethisch verpflichtet.

Mit freundlichen Grüßen

Ärztin
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Gast






BeitragVerfasst am: 19.11.04, 23:40    Titel: das darf doch nicht wahr sein !!! Antworten mit Zitat

"Als Notarzt dürfen Sie einem Patienten, der zu einer verständlichen Willensäußerung fähig ist, selbst wenn er konkret Selbstmord androht, eben NICHT gegen seinen Willen medikamentös behandeln, noch nicht mal im Rettungswagen transportieren."

---> doch, darf er, zur Gefahrenabwehr. Wer sagt denn, dass der Suizident den bei klarem Verstand ist ? Vielleicht ist seine Androhung des Suizids ein Hilferuf ? Haben Sie schon mal nen Suizidkandidaten laufen lassen und der hat sich dann umgebracht ? Dass wünsche ich Ihnen nicht ! Ob der Patient wirklich suizidgefährdet ist, das entscheidet der Psychiater. Solange hat der Notazrt den Patienten vor weiteren Schäden zu bewahren ! Der Arzt darf nur keine Gewalt ausübern -> Polizei rufen !
Wenn er ihn nicht am Suizid hindert dann ist das unterlassene Hilfeleistung !
*schönen Dank auch !!!* Sehr böse Sehr böse Sehr böse Sehr böse Sehr böse


"Mir sind Patientenrechte und Ethik übrigens sehr wichtig. So suche ich zum Beispiel jedes Mal bei Einsätzen in Altenheimen, bei denen nicht eine sofortige Reanimation oder Notfallbehandlung nötig sind (z.B. stabiler, aber bewusstloser Schlaganfallpatient), bei Heimpersonal, Hausarzt und Angehörigen in Erfahrung zu bringen, ob ein Patiententestament vorliegt oder es dem Willen des Patienten entspräche, in eine Klinik eingeliefert zu werden. Denn dazu bin ich rechtlich und ethisch verpflichtet. "

---> alter Schwede, noch mehr solcher Schoten und ich zweifele an Ihrer Ausbildung !
Ein Patient mit Schlaganfall, noch dazu ein bewusstloser, ist rein NOTFALLPATIENT !
Noch nie was von einer Stroke-Unit gehört ? Wozu gibt es sowas wohl ? Sie haben natürlich Recht, wenn sie Patiententestamente berücksichtigen, aber niemand kann von Ihnen verlangen, dass Sie das am Notfallort tun. Dafür kennen Sie diesen Patienten zu wenig (es sei denn, Sie sind zufällig der betreuende Hausarzt!!) Jegliche Zeitverzögerung bei einem Notfallpatienten macht Sie der unterlassenen Hilfeleistung, im schlimmsten Fall der Tötung durch Unterlassen, schuldig ! Und die rechtliche Komponente scheint Ihnen ja besonders wichtig !!! Auch ein scheinbar stabiler Patient kann ganz schnell instabil werden, gerade Schlaganfallpatienten stellen gerne mal das Schnaufen ein, wollen Sie mit der Intubation warten bis sie das Testament für echt erklärt haben ? Wer verpflichtet Sie den "rechtlich" zu sowas ? Der Patient äussert keinen Willen (bewusstlos) aber der mutmassliche ist der dass ihm geholfen wird. Also -> Spital. Stellt sich hinterher raus dass der Patient es so nicht gewollt hätte dann kann man irgendwann dem entsprechen. Sowas am Notfallort zu entscheiden ist sehr kritisch !

Der Patient gehört in die Klinik; zwar muss es in begründeten Fällen ja keine maximale Therapie sein, aber keine Therapie oder auch nur die Verzögerung sind strafbar !!! Sehr böse

Stellen Sie sich vor die vor Ort gestellte Diagnose ist falsch ?! (kommt nicht selten vor) - der Schlaganfall war "nur" eine Unterzuckerung ???



Um aber nochmal zu Ihrem Grundproblem zurück zu kommen (Abschieben):

Ist es nicht so dass der Arzt eine Fixierung (dazu zählen auch medikamentöse) für bis 24 Std. selbst anordnen kann, danach muss ein richterlicher Beschluss eingeholt werden ? So, und länger als 24 Std. wird son Flug ja nicht dauern Lachen und wenn Sie während des Fluges nach Güterabwägung eine solche Fixierung (Ruhigstellung) durchführen dann wird Ihnen da niemand nen Strick draus drehen (wer denn auch ??????????????????)
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Ärztin
Gast





BeitragVerfasst am: 20.11.04, 12:04    Titel: Für den Gast mit den vielen Ausrufezeichen Antworten mit Zitat

Hallo an den Gast mit den vielen Frage- und Ausrufezeichen !

Ich finde es interessant, mit welcher Vehemenz Sie auf mein Posting reagieren – ich schließe aus Ihrem Inhalt aber auch, dass Sie ein medizinischer Laie sind und sicherlich einige meiner Aussagen missverstanden haben bzw. gemäß Ihrer persönlichen Auffassung von Recht und Medizinwissen deuten.

Meine Aussage, dass es Körperverletzung ist, wenn ein Arzt Selbstmordpatienten gegen seinen erklärten Willen medikamentös behandelt oder transportiert, ist richtig. Dies bedeutet aber nicht, wie Sie es im „Umkehrschluß“ unterstellen, dass ich mich umdrehe und heimfahre. Selbstverständlich bin ich für einen solchen Patienten zuständig und werde etwas tun, ihn an der Durchführung seiner Selbstmordabsicht zu hindern. Ich darf ihm dazu aber gegen seinen Willen keine Medikamente spritzen und ihn ohne Polizei nicht gewaltsam in den Rettungswagen bringen. Da von unserer Leitstelle bei Meldung von Selbstmordversuch/ angedrohtem Selbstmord neben dem Notarzt auch die Polizei alarmiert wird und meist zeitgleich eintrifft, kann ich bei Verweigerung medizinischer Maßnahmen zunächst über die Polizei eine sofortige Gewahrsamnahme wegen Eigengefährdung anordnen und eine Unterbringung in der Psychiatrie vornehmen. Diese kann dann durch die Polizei auch gegen den Willen des Patienten durchgeführt werden, wenn ich eine medizinische Begründung schreibe und der zuständige Amtsrichter die „Zwangseinweisung“ genehmigt. Wie Sie richtig feststellen, entscheidet dann in der Psychiatrie ein (bzw. normalerweise zwei unabhängige) Fachärzte für Psychiatrie über mögliche Suizidgefahr und weitere Maßnahmen.

Im Bezug auf Ihre Äußerungen zu Schlaganfallpatienten folgende Fakten, die in Deutschland Realität sind aber Laien vielleicht nicht unbedingt bekannt sind, zumal eine derzeitige Fernsehwerbung das Gegenteil suggeriert:

In Stroke Units (in ganz Deutschland gibt es nur 140 zertifizierte Zentren) werden nur jüngere Patienten aufgenommen (normalerweise bis max. 75 Jahre), bei denen durch eine schnelle Lysebehandlung (bei embolischen Hirninfarkten, Zeitfenster 3 h) oder eine neurochirurgische OP (bei Blutungen) eine Verbesserung des Zustandes oder sogar Heilung möglich ist. Leider ist eben für diese Behandlungen das biologische Alter des Patienten ausschlaggebend, da man in Studien festgestellt hat, dass die Sterberate bzw. das sog.Outcome bei älteren Patienten durch solche Therapien sogar schlechter ist. Es macht also keinen Sinn, eine 85-jährige Patientin, die bereits seit ihrem 2.Schlaganfall vor 2 Jahren halbseitengelähmt und bettlägrig ist und nun den 3.Schlaganfall erlitten hat, in ein Stroke Unit zu bringen.
Die Behandlungsmöglichkeiten von älteren Schlaganfallpatienten, die von Lyse oder OP nicht profitieren, sind leider sehr beschränkt. Sie bestehen teilweise in Medikamenten, welche die Gehirndurchblutung fördern (bei denen es aber keinen Wirkungsnachweis gibt), ansonsten in Krankengymnastik, Logopädie und Grundpflege. Diese Behandlungsmöglichkeiten sind in den meisten Altenheimen mit Pflegeabteilungen in gleicher Form möglich, wie in einem Krankenhaus. Persönlich halte ich es sogar für besser, einen solchen Patienten nicht dem Streß und der körperlichen Belastung eines Transportes auszusetzen, was sein Krankheitsbild noch zusätzlich verschlechtern kann, sondern ihn in seiner vertrauten Umgebung mit bekanntem Pflegepersonal und ohne gefährliche Krankenhauskeime zu belassen.

Selbstverständlich entscheide ich nicht nach Gutdünken, sondern kläre mit Angehörigen, Pflegepersonal und wenn möglich dem Hausarzt, was der Patient selbst gewollt hätte (und die meisten Patienten haben sich zumindest mündlich dazu klar geäußert) und versorge den Patienten, der explicit NICHT ins Krankenhaus will dann im Heim soweit, dass er bis zum Hausarztbesuch einige Stunden später schmerzfrei, angstfrei, ohne Atemnot oder Durst bleiben kann. Selbstverständlich ergeht auch die Instruktion an das Pflegepersonal, mich oder den Hausarzt bei Verschlechterung des Zustandes wieder zu rufen.
Ich würde eine Patientin, wie die oben geschilderte, bei Atemstillstand auch nicht mehr intubieren und an die Maschine hängen, da dies am grundlegenden Krankheitsbild nichts ändern, sondern das Leiden nur verlängern würde. Ihre Vorstellung, dass man als Notarzt erst mal bis zum Äußersten behandeln und dann in der Klinik ja in Ruhe entscheiden kann, wie es weiter geht und was der Patient eigentlich wollte, wäre sinnvoll, entspricht aber leider nicht der Realität. Denn liegt der Patient erst mal beatmet auf einer Intensivstation, ist es auch mit eindeutigem Patiententestament oft ein wochenlanger, mit richterlichen Entscheidungen verbundener Weg, bis die Therapie entsprechend dem Patientenwillen eingestellt werden kann.


Jegliche Zeitverzögerung bei einem Notfallpatienten macht Sie der unterlassenen Hilfeleistung, im schlimmsten Fall der Tötung durch Unterlassen, schuldig !

Der Patient gehört in die Klinik; zwar muss es in begründeten Fällen ja keine maximale Therapie sein, aber keine Therapie oder auch nur die Verzögerung sind strafbar !!!


Danke für den Hinweis, aber das stimmt so nicht. Bei dem obigen Beispiel wird die Patientin im Krankenhaus nicht anders ärztlich und pflegerisch versorgt, als ich es auch im Heim für sie tue. Ich muß Ihnen ehrlich sagen, dass es für mich oft einfacher und mit sehr viel weniger persönlichem Engagement und Zeitaufwand verbunden wäre, jeden Patienten einfach einzuladen und in einer Klinik abzugeben, wie es viele meiner Kollegen tun. Nach dem Motto, was geht mich denn das spätere Leiden der sterbenden 85-jährigen an, die ich trotz minimalster Überlebenschancen noch schnell intubiere und in die Klinik verfrachte –Hauptsache ich habe alles medizinisch Mögliche ausgereizt !

Stellen Sie sich vor die vor Ort gestellte Diagnose ist falsch ?! (kommt nicht selten vor) - der Schlaganfall war "nur" eine Unterzuckerung ???

Selbstverständlich kläre ich vor Ort zunächst mögliche andere Ursachen für die Schlaganfall-Symptomatik ab, ein Blutzuckertest ist bei jeder Bewusstseinsstörung Routine.

Um aber nochmal zu Ihrem Grundproblem zurück zu kommen (Abschieben):

Ist es nicht so dass der Arzt eine Fixierung (dazu zählen auch medikamentöse) für bis 24 Std. selbst anordnen kann, danach muss ein richterlicher Beschluss eingeholt werden ? So, und länger als 24 Std. wird son Flug ja nicht dauern und wenn Sie während des Fluges nach Güterabwägung eine solche Fixierung (Ruhigstellung) durchführen dann wird Ihnen da niemand nen Strick draus drehen (wer denn auch ??????????????????)


So einfach ist es leider nicht, aber das würde jetzt zu weit führen...

Danke für Ihr Interesse und einen freundlichen Gruß

Ärztin
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Gast






BeitragVerfasst am: 20.11.04, 13:10    Titel: Antworten mit Zitat

Suizid:
mit der selben Rechtfertigung wie Sie die gewaltsame Durchsetzung der Gewahrsamnahme durch die Polizei durchsetzen, mit der selben Rechtfertigung können Sie im gegen Seinen Willen auch Medikamtente geben. Wo ist das der Unterschied ?
Sie rechtfertigen den Freiheitsentzug, die körperliche Versehrtheit durch Medikamente können Sie dann nicht mehr rechtfertigen ?????

Schlaganfall:
Natürlich sind Stroke-Units nur für Fälle mit Aussicht auf Besserung. Natürlich rufen manche Lysen bei älteren mehr Blutungen hervor (Strepto ?), natürlich macht es nach dem 2. oder 3. Apoplex keinen Sinn mehr ... Sie schrieben davon im vorher gehenden Posting aber nichts: es war nur vom kreislaufstabilen Schlaganfall die Rede ... natürlich ist es im Einzelfall legitim den Patienten in ruhiger und vertrauter Umgebung sterbe-zu-begleiten... aber so wie ich es verstanden habe, wollten Sie jeden Patienten diesem u.U. zeitraubenden Procedere der Willensfindung unterziehen .....

Und wann wird man denn zu solchen Patienten ins z.B. Altenheim gerufen ?
Nachts, am Wochenende, an Feiertagen etc. Eben gerade dann, wenn der behandelnde HA nicht greifbar ist. Wie wollen Sie dann sein Statement zur Krankengeschichte einholen ? Und: warum wird bei einem finalen Patienten denn überhaupt der Rettungsdienst gerufen - wenn der Patient es denn gar nicht gewünscht hätte ? Und da fängt es dann an: sobald Sie in die Geschichte einbezogen werden sind Sie verantwortlich. Dafür müssen Sie gerade stehen. Und sich dann für eine KH-Einweisung zu entscheiden ist erstmal immer der sichere Weg. Was tun wenn "es ein Patiententestament geben soll", Sie es aber nicht einsehen können ? Was tun wenn es vor über 10 Jahren verfasst wurde ? Was tun wenn sich im nachhinein (!) herausstellt dass der Patient nur bestimmte Dinge für sich ausgeschlossen hat, z.B. KH-Einweisung ja aber keine "künstliche Beatmung" oder "keine Wiederbelebung" ?

Ausserdem bedeutet "Krankenhaus" nicht immer gleich maximale Therapie; Sie müssen bei Übergabe nur darauf aufmerksam machen. Zugegeben haben manche Kollegen Probleme damit Patienten "gehen" zu lassen, aber auch im Krankenhaus wird nicht jeder um jeden Preis am Leben gehalten; mitunter ist auch im Krankenhaus würdevolles und leidloses sterben möglich geworden !

Davon alles med. Mögliche auszureizen habe ich nicht geredet, ich meinte die rechtliche Komponente. Und die sagt ganz klar dass es präklinisch nicht von Ihnen verlangt werden kann ein Pat.-Testament zu prüfen und daher erstmal Hilfe + KH.

Zudem will ich Ihnen nicht absprechen eine vernünftige Anamnese zu erheben, allerdings, folgendes Beispiel ist sicher nicht ganz abwegig:

Heimbewohner, Z.n. zweimaligem Apoplex, Vorhoffflimmern, Exikkose, seit Tagen "seine Tabletten" nicht bekommen (u.a. Marcumar) und liegt jetzt noch teilnahmsloser als zuvor im Bett und diesmal hängt auch der andere Mundwinkel -> ganz klar: re-Apoplex. Oder doch nicht ?!

Fehler passieren überalll. Auch ich habe sicher schon den einen oder anderen gemacht.

Das mit der Fixierung für 24 Std. wird zumindest hier so gehandhabt - es könnte aber auch eine Sonderegelung mit dem Amtsrichter sein Auf den Arm nehmen
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Facharzt/Notarzt
Gast





BeitragVerfasst am: 20.11.04, 14:55    Titel: Antworten mit Zitat

Zitat:
Sie sind der Meinung, dass die Teilnahme von Arzt, Polizei oder BGS bei Abschiebungen ein „zweifelhafter Job“ und ethisch verwerflich ist. Ich teile diese Meinung nicht.

Es gibt jede Menge Beispiele, wo sich Mediziner nur um die juristischen Konsequenzen und nicht um ethische Bewertung Gedanken gemacht haben. Ärzte haben sich an Folter und Exekutionen beteiligt - ohne juristische Folgen. Das sollte Sie beruhigen. Sie werden durchkommen. Wenn Sie das bloss juristisch geklärt haben wollen, wäre es schade.

Denn das ethische Problem ist das entscheidende!

Sie stellen Ihren ärztlichen Dienst eben nicht in den Dienst des spezifischen Menschen, sondern machen sich für ein paar Euro zum Büttel der Staatsgewalt gerade gegen die Interessen oder die Einwilligung des spezifischen Menschen. Ob die Abschiebung gerechtfertigt ist oder die BGSler einen guten Job machen, geht an der Sache vorbei. Es hilft auch nichts, wenn Sie eine kompetentere Versorgung durch Sie annehmen. Das beruhigt vielleicht fälschlicherweise Ihr Gewissen. In der ethischen Argumentation aber ist das kein Ausweg. Sie opfern den traditionellen und wohlbegründeten ärztlichen Kern-Auftrag, sich in den Dienst des sich Ihnen anvertrauenden Menschen zu stellen. Darin vertrauen die Menschen uns Ärzten selbst in Kriegen. Im Vergeich zu dem möglichen "Delta" der Besserversorgung durch Sie ist das das wesentlich wichtigere und höhere Gut! Das Argument der Besserversorgung durch Sie muss auch dadurch nur als vorgeschobene Gewissensberuhigung bertrachtet werden, weil ja die Versorgung in dem Abschiebezielland ungleich schlechter sein wird als in D. Das ist Ihnen doch in der Praxis schnurzpiepe.

Ich bedaure , die Diskussion in den Bereich Notfalmedizin augweitet zu haben. Da gibt es wohl viele Mißverständnisse . Kommen Sie zurück zum Kernproblem!

Ihr Verhalten ist mit dem ärztlichen Berufsethos nicht vereinbar! Kommen Sie raus aus der Tradition der Mengele-Medizin und schalten Sie Ihr Gewissen ein. Sie kennen sicher das Milgram-Experiment? Staatsgewalt ist nicht Ihr Job!

Facharzt/Notarzt
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Gast






BeitragVerfasst am: 20.11.04, 22:26    Titel: Im Zweifel holt man dann "die Nazi-Methoden" raus Antworten mit Zitat

Sehr geehrter Herr „Facharzt/Notarzt“,

aus Ihrer sehr einseitigen Sichtweise dürften sich dann auch Hunderte unserer Kollegen zum „Büttel der Staatsgewalt“ machen und unvereinbar mit dem Berufsethos handeln, wenn sie im Auftrag der Polizei Blutabnahmen für Alkohol- oder Drogentests machen, die bei Bedarf gegen den Willen des Delinquenten, unter dem Einsatz körperlicher Gewalt erfolgen und deren Ergebnisse rechtlich gegen den Patienten verwendet werden.

Ich lehne es außerdem ab, eine Diskussion mit Ihnen weiterzuführen, in der Sie Parallelen zwischen medizinischer Abschiebebegleitung und einem massenmordenden SS-Arzt bzw. dem Milgram-Experiment (das letztlich als Motivation ebenfalls die Ereignisse in Deutschland während der Nazi-Zeit hatte) ziehen.

Ärztin
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