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"Lebenslaenglich" != lebenslaenglich - warum?
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carn
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Anmeldungsdatum: 15.02.2006
Beiträge: 2872

BeitragVerfasst am: 08.03.07, 13:25    Titel: "Lebenslaenglich" != lebenslaenglich - warum? Antworten mit Zitat

Irgendwie macht die Diskussion, ob Todesstrafe in D oder anderswo Sinn macht oder nicht und rechtens waere, keinen Sinn, sofern es die Strafe lebenslaenglich nicht gibt, denn das waere die einzige, die man durch die Todesstrafe eventuell ersetzen wuerde.

Nun gibt es in D die Strafe lebenslaenglich gar nicht, wer "lebenslaenglich" sitzt, sitzt im Schnitt laut wiki 17-20 Jahre, wer "lebenslaenglich mit besonderer schwere der Schuld" hat, sitzt 23-25 Jahre. Diese Zeiten haengen auch nicht mit heutiger Laschheit zusammen, sondern in einem Urteil des BVGs zur Verfassungsmaessigkeit von "lebenslang" von 1977 (http://www.oefre.unibe.ch/law/dfr/bv045187.html) werden die durchschnittlichen Haftzeiten mit 16-22 Jahren angegeben.

Das BVG stellt als Bedingung fuer die Zulaessigkeit von "lebenslang" dass " dem zu lebenslanger Freiheitsstrafe Verurteilten grundsätzlich eine Chance verbleibt, je wieder der Freiheit teilhaftig zu werden. Die Möglichkeit der Begnadigung allein ist nicht ausreichend;".

Eine Chance bedeutet aber nicht das es sicher sein muss wieder in die Freiheit zu kommen.

Es scheint mir so, dass "lebenslang" zwar nicht gegen die Verfassung verstoesst, aber der Staat darauf verzichtet es wirklich anzuwenden, denn bei lebenslaenglich waeren die durchschnittlichen Haftdauern erheblich hoeher.

Was spricht fuer echtes lebenslaenglich und was fuer das praktisch aktuelle "lebenslaenglich"< 30 Jahre?
Und warum der Etikettenschwindel?
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Cicero
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Anmeldungsdatum: 24.11.2005
Beiträge: 5793

BeitragVerfasst am: 08.03.07, 13:39    Titel: Antworten mit Zitat

Zitat:
Irgendwie macht die Diskussion, ob Todesstrafe in D oder anderswo Sinn macht oder nicht und rechtens waere, keinen Sinn, sofern es die Strafe lebenslaenglich nicht gibt, denn das waere die einzige, die man durch die Todesstrafe eventuell ersetzen wuerde.


Sie sagen also:

1.) eigentlich brauchen wir die Todesstrafe
2.) wir wollen sie aber nicht
3.) als "Ersatz" haben wir Lebenslänglich
4.) was aber kein wirklicher Ersatz ist, weil lebenslänglich nicht wirklich lebenslänglich bedeutet.

Ich gehe schon bei 1. nicht mit Ihnen konform.


Zitat:
Eine Chance bedeutet aber nicht das es sicher sein muss wieder in die Freiheit zu kommen.


Richtig. Aber damit ist klargestellt, dass es andererseits auch nicht von vornherein feststehen darf, dass der Verurteilte sein Leben lang sitzen wird. Wir können also gerne diese Diskussion führen:

Zitat:
Was spricht fuer echtes lebenslaenglich und was fuer das praktisch aktuelle "lebenslaenglich"< 30 Jahre?
Und warum der Etikettenschwindel?


Dabei muss uns aber klar sein, dass es das "echte" Lebenslänglich bei uns unter der Herrschaft des GG ohnehin nicht geben wird. Also können wir eigentlich nur über die Zeiträume sinnvoll diskutieren, die eine solche Strafe in der Regel tatsächlich dauert.
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SpecialAgentCooper
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Anmeldungsdatum: 07.09.2006
Beiträge: 3296

BeitragVerfasst am: 08.03.07, 13:57    Titel: Antworten mit Zitat

@carn: Die rechtsphilosophischen Probleme, die sich bei der Frage der Zulässigkeit von Todesstrafe stellen, tauchen teilweise bei der Frage der "echten" lebenslangen Haft wieder auf. Dies gilt wieder insbesondere in Bezug auf die Mittel-Zweck-Relation des alten Manns aus Königsberg.
Ihr Ansatz ist richtig, wenn Sie nach der härtest-möglichen Strafe nach der Todesstrafe suchen, greift aber zu kurz weil er mit "echt lebenslang" als Ersatz wieder eine Strafform anbietet, die im Endeffekt den Menschen zum reinen Objekt staatlichen Handelns reduziert. Oder platt gesagt: Auch ein mehrfacher Mörder hat im Normalfall "Einsperren und Schlüssel wegwerfen" nicht verdient.
Dass es sich beim Begriff "lebenslange Haft" um Etikettenschwindel handelt trifft m. E. zu, zumindest eine begriffliche, eher aber auch eine rechtliche Neuordnung wäre hierzu denke ich dringend nötig, weil die Vorschriften immer mehr an Transparenz verloren haben und letztlich auch zu einem Vertrauensverlust des "einfachen" Bürgers in den Rechtsstaat führt.
Da es sich insoweit aber um politische Entscheidungen handelt ist Etikettenschwindel ja auch nichts neues - hätten wir sonst z. B. einen Begriff wie "Zuwanderungsgesetz" je kennengelernt?
(Am Rande: vor einigen Tagen gab es bei Zeit-online einen m. E. guten Artikel zum rechtlichen Wirrwarr bei unseren Haftstrafen.)
_________________
„Die Welt wird immer absurder. Nur ich bin weiter Katholik und Atheist. Gott sei Dank!“ (Luis B.)
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carn
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Anmeldungsdatum: 15.02.2006
Beiträge: 2872

BeitragVerfasst am: 08.03.07, 13:59    Titel: Antworten mit Zitat

Cicero hat folgendes geschrieben::
Zitat:
Irgendwie macht die Diskussion, ob Todesstrafe in D oder anderswo Sinn macht oder nicht und rechtens waere, keinen Sinn, sofern es die Strafe lebenslaenglich nicht gibt, denn das waere die einzige, die man durch die Todesstrafe eventuell ersetzen wuerde.


Sie sagen also:

1.) eigentlich brauchen wir die Todesstrafe
2.) wir wollen sie aber nicht
3.) als "Ersatz" haben wir Lebenslänglich
4.) was aber kein wirklicher Ersatz ist, weil lebenslänglich nicht wirklich lebenslänglich bedeutet.

Ich gehe schon bei 1. nicht mit Ihnen konform.



1. und 2. habe ich nicht gesagt.
3. scheint so Sitte zu sein, meines Wissens wird Mord ueberall entweder mit Todesstrafe oder Lebenslaenglich oder scheinbaren Lebenslaenglich geahndet.
Und 4., wuerden sie nicht zustimmen, dass Todesstrafe(Entzug des Rechtes auf Leben) und lebenslaenglich(Entzug des Rechtes auf Freiheit) sich mehr aehneln als lebenslaenglich und scheinbar lebenslaenglich, da bei den beiden ersten Dingen ein elementares Grundrecht komplett verweigert wird, waehrend beim letzteren es eben nur zeitweilig aufgehoben wird?

Somit wuerde ich zumindest bei einem Abschaffen der Todesstrafe und Ersatz durch scheinbares Lebenslang keinesfalls von einem gleichartigen Ersatz sprechen.

Cicero hat folgendes geschrieben::

Zitat:
Was spricht fuer echtes lebenslaenglich und was fuer das praktisch aktuelle "lebenslaenglich"< 30 Jahre?
Und warum der Etikettenschwindel?


Dabei muss uns aber klar sein, dass es das "echte" Lebenslänglich bei uns unter der Herrschaft des GG ohnehin nicht geben wird.


Wieso nicht?
Wenn 20% der lebenslaenglichen vorzeitig nach 20 Jahren entlassen werden und die restlichen bis zum Tod einsitzen, hat jeder lebenslaengliche ofensichtlich eine Chance von 20% vor seinem Tod rauszukommen. Dem Wortlaut nach wuerde so etwas die Anforderungen des BVGs erfuellen, sofern die 20% "gluecklichen" nicht ausgelost sondern nach rechtstaatlichen Verfahren bestimmt werden.
Oder meint das BVG mit "grundsätzlich eine Chance verbleibt" eben nicht, dass der Gefangene eine Chance hat, sondern sich sicher sein kann, vor dem Tod in Freiheit zu kommen?
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carn
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Anmeldungsdatum: 15.02.2006
Beiträge: 2872

BeitragVerfasst am: 08.03.07, 14:17    Titel: Antworten mit Zitat

SpecialAgentCooper hat folgendes geschrieben::

Ihr Ansatz ist richtig, wenn Sie nach der härtest-möglichen Strafe nach der Todesstrafe suchen, greift aber zu kurz weil er mit "echt lebenslang" als Ersatz wieder eine Strafform anbietet, die im Endeffekt den Menschen zum reinen Objekt staatlichen Handelns reduziert.


Wieso reduziert echt lebenslang mit einer nur geringen Chance auf Freiheit den Menschen zum Objekt?


SpecialAgentCooper hat folgendes geschrieben::

Dass es sich beim Begriff "lebenslange Haft" um Etikettenschwindel handelt trifft m. E. zu, zumindest eine begriffliche, eher aber auch eine rechtliche Neuordnung wäre hierzu denke ich dringend nötig, weil die Vorschriften immer mehr an Transparenz verloren haben und letztlich auch zu einem Vertrauensverlust des "einfachen" Bürgers in den Rechtsstaat führt.


Ich finde den Etikettenschwindel deshalb interessant, weil bei Umfragen und Diskussionen haeufig die Frage "todesstrafe oder lebenslang" im Raum steht und so aufgefasst wird, als waere die Frage "todesstrafe oder schluessel wegwerfen". Somit habe ich den Eindruck bei vielen oeffentlichen Diskussionen und auch privaten Diskussionen und Umfragen wird ueber eine Frage diskutiert, die sich gar nicht stellt, wenn echtes Lebenslang in D genauso unzulaessig ist wie Todesstrafe.

SpecialAgentCooper hat folgendes geschrieben::

Da es sich insoweit aber um politische Entscheidungen handelt ist Etikettenschwindel ja auch nichts neues - hätten wir sonst z. B. einen Begriff wie "Zuwanderungsgesetz" je kennengelernt?


Allerdings beteiligen sich auch teilweise Juristen an diesem Ettiketenschwindel, sogar das BVG spricht von "lebenslang" selbst wenn es "nur" 20-30 Jahre sind.
Ich vermute dass das teilweise geschieht, weil jedem klar ist, dass der einfache Buerger bei der Wahl zwischen Todesstrafe und 20-30 Jahren fuer Mord auf Todesstrafe plaedieren wuerde, weswegen man ihn lieber im glauben laesst, dass die Todesstrafe durch lebenslaenglich ausreichend ersetzt wird.

SpecialAgentCooper hat folgendes geschrieben::

(Am Rande: vor einigen Tagen gab es bei Zeit-online einen m. E. guten Artikel zum rechtlichen Wirrwarr bei unseren Haftstrafen.)


Ja, habe mir auch schon ueberlegt, dass es Sinn machen koennte einen festen Katalog zu erstellen, der die Strafe nach mutwillig angerichteten Schaden, angerichteten Schaden und aehnlichem festlegt und konkrete Begriffe versucht zu vermeiden.
Das haette den Vorteil, dass man nicht dauernd neue Gesetzte fuer neue Straftaten braucht, sondern dass man neue Straftatentypen anhand des Schadens und aehlichen Kriterien einordnen und auch sofort bestrafen koennte.

Der Nachteil waere natuerlich, dass man dann Sachschaden in koerperlichen Schaden ueber den Umweg der drohenden Haftstrafe umrechnen koennte, wodurch dann der Eindruck entstehen koennte, ein Menschenleben hat einen Wert.
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SpecialAgentCooper
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Anmeldungsdatum: 07.09.2006
Beiträge: 3296

BeitragVerfasst am: 08.03.07, 14:35    Titel: Antworten mit Zitat

Hinsichtlich der strafrechtlichen Neuordnung reden wir vermute ich aneinander vorbei - zur Verdeutlichung liefere ich den gemeinten Artikel bei Gelegeneheit später noch nach. Vielleicht schieben wir diesen Aspekt so lange auf.
Da es sich zentral um eine philosophische Frage handelt ist des Pudels Kern wohl, ob zum würdigen Menschenleben immer zumindest eine konkrete Chance, eine würdevolle Lebensperspektive, ein Licht am Ende des Tunnels gehören muß oder nicht.
Die Gewißheit, sein gesamtes weiteres Leben wie eine Legehenne zu fristen ist denke ich ziemlich deutlich geeignet, einen Menschen nur noch als Mittel, nicht zumindest auch als Zweck zu behandeln. Ob man da vielleicht (wie in anderen Staaten) auch im Kant´schen Sinne auch anderer Ansicht sein kann, halte ich für sehr fraglich.
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Cicero
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Anmeldungsdatum: 24.11.2005
Beiträge: 5793

BeitragVerfasst am: 08.03.07, 14:51    Titel: Antworten mit Zitat

@Carn,

Zitat:
Somit wuerde ich zumindest bei einem Abschaffen der Todesstrafe und Ersatz durch scheinbares Lebenslang keinesfalls von einem gleichartigen Ersatz sprechen.


Ich hatte sie so verstanden, dass sie einen gleichartigen Ersatz für unverzichtbar halten. Darauf basiert meine Anmerkung mit der Nummer 1. Wenn sie dieser Meinung nicht sind, dann betrachten sie meine vier Punkte als hinfällig.

Welche konkrete Änderung im Hinblick auf die lebenslange Freiheitsstrafe schlagen sie denn vor? (Mal abgesehen von der Umbenennung).

Zitat:
Ja, habe mir auch schon ueberlegt, dass es Sinn machen koennte einen festen Katalog zu erstellen, der die Strafe nach mutwillig angerichteten Schaden, angerichteten Schaden und aehnlichem festlegt und konkrete Begriffe versucht zu vermeiden.
Das haette den Vorteil, dass man nicht dauernd neue Gesetzte fuer neue Straftaten braucht, sondern dass man neue Straftatentypen anhand des Schadens und aehlichen Kriterien einordnen und auch sofort bestrafen koennte.


Ähm.... das wäre vielleicht ein Thema für einen anderen Thread. Ich verstehe nicht so ganz, worauf sie damit hinauswollen und hier wäre es wohl auch OT. Nur so viel: wir brauchen nicht „dauernd“ neue Straftatbestände. Die Einführung neuer Straftatbestände ist verhältnismäßig selten.
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Adromir
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Anmeldungsdatum: 30.10.2005
Beiträge: 5610
Wohnort: Hannover

BeitragVerfasst am: 08.03.07, 15:00    Titel: Antworten mit Zitat

Jedes Rechtssystem ist nur so gut oder schlecht, wie der Gedanke der dahinter steht. Und ich würde sagen, daß der Vorrangige Gedanke nicht "Strafe" als staatlich durchgeführte und legitimierte "Rache", sondern eher Bestrafung als "Sühne" mit der möglichen Wiederaufnahme des "Sträflings" in die Gesellschaft.
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SpecialAgentCooper
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Anmeldungsdatum: 07.09.2006
Beiträge: 3296

BeitragVerfasst am: 08.03.07, 15:20    Titel: Antworten mit Zitat

@Adromir:
Kein schlechter Ansatz, aber weswegen bietet unser Rechtssystem dann Straftätern wie den RAF-Häftlingen die Möglichkeit der Resozialisierung, wenn diese (dies mal der Einfachheit halber unterstellt) gar nicht in dieser Gesellschaftsform resozialisiert werden wollen?
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Adromir
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Anmeldungsdatum: 30.10.2005
Beiträge: 5610
Wohnort: Hannover

BeitragVerfasst am: 08.03.07, 15:28    Titel: Antworten mit Zitat

Die Problematik ist nicht, ob vereinzelte Straftäter dies vielleicht nicht wollen, sondern das jeder Prinzipiel die Möglichkeit dazu haben sollte. Das so auch Straftäter "zu früh" entlassen werden ist natürlich ein Problem, aber letztendlich eine Abwägungssache.

Aber mit rein statistischen Zahlen können wir diese Frage auch nicht lösen, weil aus den hier genannten Zahlen nicht hervorgeht, wie viele von den vorzeitig entlassenen lebenslänglich Verurteilten nicht resozialisierbar waren oder sind.
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carn
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Anmeldungsdatum: 15.02.2006
Beiträge: 2872

BeitragVerfasst am: 08.03.07, 15:29    Titel: Antworten mit Zitat

Cicero hat folgendes geschrieben::
@Carn,



Welche konkrete Änderung im Hinblick auf die lebenslange Freiheitsstrafe schlagen sie denn vor? (Mal abgesehen von der Umbenennung).


Erstmal nur klaeren, ob ein lebenslang bei dem ein erheblicher Prozentsatz(>50%) der Verurteilten auch tatsaechlich lebenslang, bzw. so gut wie lebenslang(bis 5 Jahre vor dem Tod, schwerkranke muss man ja nicht in Gefaengnisse eingesperrt halten) einsitzt mit dem GG vereinbar waere.
Momentan ist es ja eher so, dass praktisch alle zu lebenslang verurteilten, nicht lebenslang aufgrund ihrer Strafe eingesperrt werden, also sozusagen die mildeste denkbare Form von lebenslang.

Wenn dem so ist, kann man diskutieren, ob so etwas Sinn machen wuerde.

Da gibt es 3 Punkte, negative Spenzialpraevention wuerde verbessert, aber die Frage ist, ob die bei Moerdern heute nicht schon gut genug ist, sonstige gefaehrliche zeitgenossen, z.b. Kinderschaender, waeren ja soweiso nicht davon betroffen.

2. stellt sich die Frage, ob es einen Unterschied bei der Abschreckung macht, wobei das eher nicht der Fall sein duerfte, wenn sowieso keiner weis, dass es nur scheinbar lebenslang gibt. Aber vielleicht spricht es sich irgendwann rum, dass es fuer Mord "nur" 15 Jahre gibt, sofern man schafft besondere schwere der Schuld zu vermeiden.

Und 3. entspricht, soweit ich das Beurteilen kann, dem Rechtsempfinden der Bevoelkerung ein "Tuere zu und Schluessel wegwerfen" viel eher als ein 20-30 Jahre. Den Wunsch der Bevoelkerung kann man zwar nicht entsprechen, aber aufgrund dessen das wir eine Demokratie sind und das die Bevolkerung nur Vertrauen in die Rechtsordnung hat, wenn sie die Urteile als gerecht empfindet, waere es sinnvoll sich soweit es das GG zulaesst den Strafvorstellungen der Bevolkerung anzunaehern.
Und da waere eben "50% der lebenslaenglichen sitzen tasaechlich lebenslaenglich" erheblich naeher am Wunsch der Bevoelkerung als "alle lebenslaenglichen sind nach 30 Jahren spaetestens draussen".
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SpecialAgentCooper
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Anmeldungsdatum: 07.09.2006
Beiträge: 3296

BeitragVerfasst am: 08.03.07, 15:45    Titel: Antworten mit Zitat

@Adromir:
Eine grundsätzliche Möglichkeit zur Resozialisierung ließe ja für den Gesetzgeber die Ausnahme zu, die Chance der Resozialisierung nicht bieten zu müssen. Egal ob es vom Willen des Straftäters oder von der verurteilten Tat abhängig gemacht würden.
Dies wäre aber wohl nur möglich, wenn diese Chance überhaupt seitens des Täters oder des Staates disponibel wäre -kann es m. E. nach aber wegen des hierin zu sehenden Eingriffs in den Kern der Menschenwürde aber nicht sein.
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carn
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Anmeldungsdatum: 15.02.2006
Beiträge: 2872

BeitragVerfasst am: 09.03.07, 16:27    Titel: Antworten mit Zitat

Adromir hat folgendes geschrieben::
Jedes Rechtssystem ist nur so gut oder schlecht, wie der Gedanke der dahinter steht. Und ich würde sagen, daß der Vorrangige Gedanke nicht "Strafe" als staatlich durchgeführte und legitimierte "Rache", sondern eher Bestrafung als "Sühne" mit der möglichen Wiederaufnahme des "Sträflings" in die Gesellschaft.


Ein Gedanke hinter unserem Rechtssystem ist, dass es das Vertrauen der Bevoelkerung in die Rechtsordnung staerken soll. Da die Bevoelkerung bei gewissen Straftaten "Tuere zu und Schluessel weg" als gerecht empfindet, wird sich der Rachegedanke nie verbannen lassen, es sei denn mal waehlt dieses Volk endlich mal ab.
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SpecialAgentCooper
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Anmeldungsdatum: 07.09.2006
Beiträge: 3296

BeitragVerfasst am: 09.03.07, 16:38    Titel: Antworten mit Zitat

Das ist ein Scheinargument. Vertrauen in ein wider die Menschenrechte gerichtetes Rechtssystem ist nie schützenswert.
Der Pöbel hätte mit Sicherheit auch mehr Vertrauen in den Staat, wenn er z. B. jeden Juden, Zigeuner oder jeden der Vergewaltigung Verdächtigten lynchen dürfte, aber man sollte gerade bei Fragen, die keiner Mehrheitsentscheidung sondern einer Vernunftsentscheidung bedürfen, sicher nicht der durchschnittlichen Allgemeinheit nach dem Maul reden. Ob die Erde eine Scheibe ist, lässt sich nicht demokratisch entscheiden.
Gute Gesetzgebung ist nichtsdestotrotz eine transparente, möglichst leicht verständliche Gesetzgebung.
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carn
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Anmeldungsdatum: 15.02.2006
Beiträge: 2872

BeitragVerfasst am: 09.03.07, 16:42    Titel: Antworten mit Zitat

SpecialAgentCooper hat folgendes geschrieben::
Das ist ein Scheinargument.


Wieso ist das ein Schinargument dafuer, dass der Rachegedanke nie ganz verschwinden wird?

SpecialAgentCooper hat folgendes geschrieben::

Vertrauen in ein wider die Menschenrechte gerichtetes Rechtssystem ist nie schützenswert.


Tja, wie waehlt man diese Volk jetzt bloss ab?
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