Navigationspfad: Home » Foren
Foren
recht.de :: Thema anzeigen - Formell unzureichender Zwangseinweisungsbeschluss
Forum Deutsches Recht
Foren-Archiv von www.recht.de
Achtung: Keine Schreibmöglichkeiten! Zu den aktiven Foren wählen Sie oben im Menü "Foren aus!
 
 SuchenSuchen 

Formell unzureichender Zwangseinweisungsbeschluss

 
Neuen Beitrag schreiben   Auf Beitrag antworten    recht.de Foren-Übersicht -> Betreuungsrecht
Vorheriges Thema anzeigen :: Nächstes Thema anzeigen  
Autor Nachricht
Jimbim
noch neu hier


Anmeldungsdatum: 15.03.2008
Beiträge: 1

BeitragVerfasst am: 15.03.08, 12:14    Titel: Formell unzureichender Zwangseinweisungsbeschluss Antworten mit Zitat

Ausrufezeichen Ein Bekannter wurde unlängst per vormundschaftsgerichtlichem Einweisungsbeschluss vorläufig für 4-6 Wochen in einer psychatrischen Anstalt untergebracht. Auf Details soll es an dieser Stelle weniger ankommen. Gegen den Beschluss hatte er sofortige Beschwerde eingereicht. Mittlerweile ist er aber entlassen worden, ohne dass über seinen Rechtsbehelf entschieden worden ist. Insofern hat sich zunächst die vorläufige Unterbringung erledigt. Nunmehr gibt es wohl die Möglichkeit einen Feststellungsantrag zu stellen, dass der vorläufige Unterbringungsbeschluss rechtswidrig war. Wenn man nun einmal davon ausgeht, dass aus ärztlicher Sicht die Maßnahme (im Nachhinein) tatsächlich vertretbar war, der Einweisungsbeschluss jedoch zugrunde liegende ärztliche Tatsachenvermutungen (z.B. Verwicklung in ein Handgemenge ) ohne weitere Hinterfragung (z.B. Notwehrrecht?, Zeugen des Handgemenges fehlen) übernimmt und das ärztliche Zeugnis nebst einem Anhörungsprotokoll als Begründung für die Einweisung heranzieht. Der gerichtliche Beschluss trifft also keine Feststellungen dazu, ob und wie eine Tatsachenermittlung hinsichtlich einer Fremdgefährdung stattgefunden haben soll. Kann sich hier ein Gericht einfach mit den schlichtweg angenommenen Tatsachen aus dem ärzlichen Zeugnis begnügen? Ich frag mich gerade, ob man denn einen solchen Gerichtsbeschluss auch nach Erledigung rein mit formellen Argumenten anfechten kann. Mit rein formell meine ich, dass das Gericht möglicherweise erforderliche Aufklärungen unterlassen bzw. der Entscheidung zugrundeliegende tatsächliche Gesichtspunkte einfach nicht im Text des Einweisungsbeschlusses ausdrücklich aufführt. Oder kann jetzt einfach in einem nachträglichen Feststellungsverfahren der Richter ein neues umfassenderes ärztliches Gutachten einholen und feststellen, dass die Maßnahme (im Nachhinein) nunmehr ganz offensichtlich rechtmäßig war? Oder anders gefragt: ist Maßstab für die Beurteilung der Rechtmäßigkeit des Einweisungsbeschlusses ausschließlich der wörtliche Inhalt der gerichtlichen Entscheidung oder können im Nachhinein bislang dort nicht erwähnte Gesichtspunkte jederzeit "nachgeschoben" werden? Wo kämen wir im letzteren Falle denn dahin, wenn das verfassungsrechtlich garantierte Grundrecht der Freiheit durch pauschal getroffene Feststellungen unterlaufen wird und das Risiko der gerichtlichen Überprüfung nahezu vollständig beim Betroffenen liegen würde, da für diesen ja nicht ersichtlich ist, was jetzt genau dem gerichtlichen Einweisungsbeschluss zugrunde liegen soll. Würden denn in einem solchen Fall Gerichtskosten für eine solche Feststellungsklage bzw. für eventuelle nachträglich erstellten Gutachten anfallen?
Vielleicht gibt es Erfahrungen zu diesem Themenkreis. Mit dem Thema "Zwangseinweisung" wird meiner Meinung nach in der Praxis mitunter sehr nachlässig verfahren. Mögen auch das nur die "schwarzen Schafe" sein, so ist doch jeder Einzelfall einer zuviel. Problem ist auch, dass sich zumindest offiziell der Arzt niemals den Schuh des Richters und der Richter niemals den Schuh des Arztes anziehen wollen. Paradoxerweise geschieht dies aber in ähnlich gelagerten Fällen im Ergebnis sehr wohl, indem der Arzt sich irgendwelche Tatsachenfragmente zusammenreimt, einen darauf gestützten Antrag auf Überweisung an das Gericht stellt und der Richter die darin gemachten Tatsachenvermutungen ohne weiteres als Grundlage für seinen Beschluss heranzieht. Frage
Nach oben
Benutzer-Profile anzeigen Private Nachricht senden
BtRecht
Account gesperrt


Anmeldungsdatum: 26.10.2006
Beiträge: 314

BeitragVerfasst am: 22.03.08, 15:55    Titel: Antworten mit Zitat

Jimbim hat folgendes geschrieben::
Ausrufezeichen Ein Bekannter wurde unlängst per vormundschaftsgerichtlichem Einweisungsbeschluss vorläufig für 4-6 Wochen in einer psychatrischen Anstalt untergebracht. Gegen den Beschluss hatte er sofortige Beschwerde eingereicht. Mittlerweile ist er aber entlassen worden, ohne dass über seinen Rechtsbehelf entschieden worden ist. Insofern hat sich zunächst die vorläufige Unterbringung erledigt. Nunmehr gibt es wohl die Möglichkeit einen Feststellungsantrag zu stellen, dass der vorläufige Unterbringungsbeschluss rechtswidrig war.


Art. 19 Abs. 4 GG gebietet den Rechtsmittelgerichten, ein von der jeweiligen Prozessordnung eröffnetes Rechtsmittel nicht ineffektiv zu machen. Deshalb ist das Rechtsschutzinteresse in Fällen tiefgreifender Grundrechtseingriffe auch dann zu bejahen, wenn sich die direkte Belastung durch den angegriffenen Hoheitsakt erledigt hat, eine Sachentscheidung nach dem typischen Verfahrensablauf aber in der Kürze der zur Verfügung stehenden Zeit nicht zu erlangen war. Die Bejahung eines fortbestehenden Rechtsschutzinteresses trotz Eintritts der Erledigung in der Hauptsache beruht auf dem mit der Freiheitsentziehung verbundenen tiefgreifenden Eingriff in die Grundrechte (vergl. BVerfG NJW 2002, 2456; wistra 2006, 59; std. Rspr. des Senats; BVerfGE 104, 220 [232 f.]; - 105, 239 [246]; BVerfGE 81, 138 [140 f.]) Übrigens ist nicht nur die freiheitsentziehende Unterbringung sondern jede Bestellung eines Betreuers ein tiefgreifender Grundrechtseingriff, der gebietet den Rechtsmittelgerichten, ein von der jeweiligen Prozessordnung eröffnetes Rechtsmittel nicht ineffektiv zu machen (BVerfG 1 BvR 618/ 93).


Jimbim hat folgendes geschrieben::

Wenn man nun einmal davon ausgeht, dass aus ärztlicher Sicht die Maßnahme (im Nachhinein) tatsächlich vertretbar war,

Es kommt nicht auf die ärztliche Sicht an, sondern ob die Vorraussetzungen vorliegen. Es darf nur bei Ausschluss der freien Willenbestimmung in der Psychiatrie nach PsychKG oder Betreuungsrecht untergebracht werden (BayObLG FamRZ 2002, 909). Zudem muss hier eine erhebliche Selbst- oder Fremdgefährdung vorliegen (z.B.: § 9 I 1 HmbPsychKG). Weiteres siehe auch hier und hier.

Jimbim hat folgendes geschrieben::

Wenn man nun einmal davon ausgeht, dass aus ärztlicher Sicht die Maßnahme (im Nachhinein) tatsächlich vertretbar war, der Einweisungsbeschluss jedoch zugrunde liegende ärztliche Tatsachenvermutungen (z.B. Verwicklung in ein Handgemenge ) ohne weitere Hinterfragung (z.B. Notwehrrecht?, Zeugen des Handgemenges fehlen) übernimmt und das ärztliche Zeugnis nebst einem Anhörungsprotokoll als Begründung für die Einweisung heranzieht. Der gerichtliche Beschluss trifft also keine Feststellungen dazu, ob und wie eine Tatsachenermittlung hinsichtlich einer Fremdgefährdung stattgefunden haben soll. [b]Kann sich hier ein Gericht einfach mit den schlichtweg angenommenen Tatsachen aus dem ärzlichen Zeugnis begnügen?


Nein, nach durchgehender Rechtssprechung hat der Richter ein ärztliches Gutachten oder Attest kritisch zu prüfen. „Die Anhörung erschöpft sich, wie sich durch das Erfordernis mündlicher Anhörung erweist, nicht in der bloßen Gewährung rechtlichen Gehörs. Vorrangiger Zweck der Anhörung im Unterbringungsverfahren ist es vielmehr, dem Richter einen persönlichen Eindruck von dem Betroffenen und der Art seiner Erkrankung zu verschaffen, damit er in den Stand gesetzt wird, ein klares und umfassendes Bild von der Persönlichkeit des Unterzubringenden zu gewinnen und seiner Pflicht zu genügen, den ärztlichen Gutachten richterliche Kontrolle entgegenzusetzen. In Unterbringungssachen ist der persönliche Eindruck von hoher Bedeutung für die Sachentscheidung; nur er ermöglicht die erforderliche bestmögliche Überprüfung psychiatrischer Zeugnisse und Gutachten.“ -BVerfG 1 BvR 338/ 07

Das gerichtliche Verfahren bei Entscheidungen über die Zulässigkeit oder Fortdauer einer Freiheitsentziehung (Art. 104 Abs. 2 Satz 1 GG) muß darauf angelegt sein, dem Betroffenen vor dem Freiheitsentzug alle diejenigen rechtsstaatlichen Sicherungen zu gewähren, die mit einem justizförmigen Verfahren verbunden sind. Die Eilbedürftigkeit einer solchen Entscheidung kann eine Vereinfachung und Verkürzung des gerichtlichen Verfahrens rechtfertigen, darf aber die unabhängige, aufgrund der Justizförmigkeit des Verfahrens besonders verlässliche Entscheidungsfindung nicht gefährden (BVerfGE 83, 24). Meines Erachtens gehören dazu auch weitere Ermittlungen durch das Gericht, wie z.B. die Anhörung weiterer Zeugen.

Eine einstweilige Anordnung, betreffend eine vorläufige Unterbringungsmaßnahme, ist kein "Urteil in einer Rechtssache" im Sinne des § 839 Abs. 2 Satz 1 BGB. Es bestehen daher Schadenersatzansprüche gegen das Gericht bei besonders groben Verstößen. Einstweilige Anordnungen im Unterbringungsverfahren sind im Amtshaftungsprozess nicht uneingeschränkt auf ihre sachliche Richtigkeit, sondern nur daraufhin zu überprüfen, ob sie vertretbar sind (BGH, 03.07.2003 - III ZR 326/02).
Nach oben
Benutzer-Profile anzeigen Private Nachricht senden
Beiträge vom vorherigen Thema anzeigen:   
Neuen Beitrag schreiben   Auf Beitrag antworten    recht.de Foren-Übersicht -> Betreuungsrecht Alle Zeiten sind GMT + 1 Stunde
Seite 1 von 1

 
Gehen Sie zu:  
Sie können keine Beiträge in dieses Forum schreiben.
Sie können auf Beiträge in diesem Forum nicht antworten.
Sie können Ihre Beiträge in diesem Forum nicht bearbeiten.
Sie können Ihre Beiträge in diesem Forum nicht löschen.
Sie können an Umfragen in diesem Forum nicht mitmachen.


Powered by phpBB © 2001, 2005 phpBB Group
©  Forum Deutsches Recht 1995-2019. Anbieter: Medizin Forum AG, Hochwaldstraße 18 , D-61231 Bad Nauheim , RB 2159, Amtsgericht Friedberg/Hessen, Tel. 03212 1129675, Fax. 03212 1129675, Mail info[at]recht.de.