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Sharia historisch positiv?
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Dipl.-Sozialarbeiter
FDR-Moderator


Anmeldungsdatum: 09.12.2006
Beiträge: 11996

BeitragVerfasst am: 12.04.08, 15:25    Titel: Re: Sharia historisch positiv? Antworten mit Zitat

Code Civil hat folgendes geschrieben::
  1. Wäre die Sharia dann historisch positiv zu bewerten, wenn die Reglungen (erstmalig) verbindlich für alle gewesen wären, also auch der Herrscher gesteinigt würde, wenn er Ehebruch begeht?

  2. Hat die Sharia also den Gedanken der Gleichheit vor dem Gesetz geprägt, während das Christentum weiterhin predigte, dass der Herrscher über dem Gesetz stünde?

  3. Hat die Sharia ggf. in anderer Weise einen positiven Einfluss gehabt?

  4. Etwa in dem die Sharia im Gegensatz zum Christentum, wo sich der Papst ja einfach nach Belieben auf irgendeinen Bibelspruch beziehen kann, ein konsistentes Rechtssystem schaffte?

Hallo Code Civil,

im Augenblick frage ich mich immer noch warum Du den Thread eröffnest hast und welche Botschaft Du hier verkünden möchtet. Daher habe ich Deine Eingangsfragen mal nummeriert, damit ich in der weiteren Diskussion darauf Bezug nehmen kann.

Mein grundsätzliches Problem ist aber, daß das FDR kein Forum für Glaubensfragen ist, sondern ein Forum für Deutsches Recht. Selbst in dem Unterforum "Rechtsgeschichte, - philosophie, -theorie" ist der Thread eigentlich nicht richtig aufgehoben, da die Schari'a zumindest in der Gesetzgebung der Bundesrepublik bisher keinen Einfluß hatte.

Art. 4 GG hat folgendes geschrieben::
(1) Die Freiheit des Glaubens, des Gewissens und die Freiheit des religiösen und weltanschaulichen Bekenntnisses sind unverletzlich.

(2) Die ungestörte Religionsausübung wird gewährleistet.

...

In einem Forum für Religionsfragen lassen sich sicher die Vor- oder Nachteile der verschiedenen Glaubensrichtungen diskutieren. Die Glaubensfreiheit ist im Grundgesetz ein wichtiges Grundrecht und dieses war schon in der Weimarer Verfassung verankert.

Die Weimarer Verfassung vom 11. August 1919 hat folgendes geschrieben::
Religion und Religionsgesellschaften

Artikel 135

Alle Bewohner des Reichs genießen volle Glaubens- und Gewissensfreiheit. Die ungestörte Religionsübung wird durch die Verfassung gewährleistet und steht unter staatlichem Schutz. Die allgemeinen Staatsgesetze bleiben hiervon unberührt.

Artikel 136
Die bürgerlichen und staatsbürgerlichen Rechte und Pflichten werden durch die Ausübung der Religionsfreiheit weder bedingt noch beschränkt.
Der Genuß bürgerlicher und staatsbürgerlicher Rechte sowie die Zulassung zu öffentlichen Ämtern sind unabhängig von dem religiösen Bekenntnis.
Niemand ist verpflichtet, seine religiöse Überzeugung zu offenbaren. Die Behörden haben nur soweit das Recht, nach der Zugehörigkeit zu einer Religionsgesellschaft zu fragen, als davon Rechte und Pflichten abhängen oder eine gesetzlich angeordnete statistische Erhebung dies erfordert.
Niemand darf zu einer kirchlichen Handlung oder Feierlichkeit oder zur Teilnahme an religiösen Übungen oder zur Benutzung einer religiösen Eidesform gezwungen werden.

Artikel 137
Es besteht keine Staatskirche.
Die Freiheit der Vereinigung zu Religionsgesellschaften wird gewährleistet. Der Zusammenschluß von Religionsgesellschaften innerhalb des Reichsgebiets unterliegt keinen Beschränkungen.
Jede Religionsgesellschaft ordnet und verwaltet ihre Angelegenheiten selbständig innerhalb der Schranken des für alle geltenden Gesetzes. Sie verleiht ihre Ämter ohne Mitwirkung des Staates oder der bürgerlichen Gemeinde.
Religionsgesellschaften erwerben die Rechtsfähigkeit nach den allgemeinen Vorschriften des bürgerlichen Rechts.
Die Religionsgesellschaften bleiben Körperschaften des öffentlichen Rechtes, soweit sie solche bisher waren. Anderen Religionsgesellschaften sind auf ihren Antrag gleiche Rechte zu gewähren, wenn sie durch ihre Verfassung und die Zahl ihrer Mitglieder die Gewähr der Dauer bieten. Schließen sich mehrere derartige öffentlich-rechtliche Religionsgesellschaften zu einem Verbande zusammen, so ist auch dieser Verband eine öffentlich-rechtliche Körperschaft.
Die Religionsgesellschaften, welche Körperschaften des öffentlichen Rechtes sind, sind berechtigt, auf Grund der bürgerlichen Steuerlisten nach Maßgabe der landesrechtlichen Bestimmungen Steuern zu erheben.
Den Religionsgesellschaften werden die Vereinigungen gleichgestellt, die sich die gemeinschaftliche Pflege einer Weltanschauung zur Aufgabe machen.
Soweit die Durchführung dieser Bestimmungen eine weitere Regelung erfordert, liegt diese der Landesgesetzgebung ob.

Die in der Weimarer Zeit geschlossen Staatskirchenverträge gelten bis in die heutige Zeit weiter (Vertiefend: Die Verfassung der Weimarer Republik).

Ein historischer Vergleich oder auch eine Bewertung (Frage 1) kann m.E. nur aus dem Jahre 2008 heraus gesehen. Es ist eine Glaubensfrage, ob die Shari'a positiv zu bewerten ist oder nicht. Natürlich gestattet es die Glaubensfreiheit auch, den Islam mit anderen Religionen zu vergleichen. Schließlich kann jeder glauben was er will - oder eben auch nicht glauben.

Auch die Frage 2 ist eher eine Frage für Religionswissenschaftler. Der Einfluß des Islams in die bundesdeutsche Gesetzgebung war bisher sehr gering. Hier sei nur am Rande an die Situation der Gastarbeiter erinnert.

Wikipedia hat folgendes geschrieben::
.... Ab 1960 kamen auch Gastarbeiter aus der Türkei und Portugal. 1964 wurde in der Bundesrepublik der offiziell einmillionste Gastarbeiter, ein Portugiese, begrüßt. ...

Zur Frage 3: Seit 1972 (damals war ich in der Stahlindustrie) habe ich Kontakte zu Arbeitsmigraten, die neuerdings "Menschen mit Migrationshintergrund" genannt werden. Zumindest in der deutschen Gesetzgebung hatte die Shari'a bisher keinen Einfluß gehabt. Sicher hat dies was mit dem "Christliches Abendland" zu tun.

Zu Frage 4: Was ein Papst in Rom sagt, mag zwar interessant sein, aber in einem Gemeinwesen, in dem Kirche und Staat getrennt sind, wirkt sich dies nicht unmittelbar aus. Im übrigen halte ich eine Vermengung von Christentum, Konfession und Religion für die Diskussion nicht sehr hilfreich. Das Bundesverfassungsgericht hat sich in den letzten Jahren schon häufiger mit Fragen zum Verhältnis von "Staat und Kirche (Stand: 30.11.2004)" beschäftigt (s.a. Kruzifix-Beschluss, Kopftuchstreit und Kopftuchurteil).

Mit den Augen rollen Ich frage mich, ob uns ein Vergleich der Bibel und Koran wirklich weiter bringt. Haben wir eigentlich einen Gottesbeweis?

Liebe Grüße

Klaus
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Code Civil
FDR-Mitglied


Anmeldungsdatum: 07.04.2008
Beiträge: 68

BeitragVerfasst am: 12.04.08, 17:25    Titel: Antworten mit Zitat

Dipl.-Sozialarbeiter hat folgendes geschrieben::

im Augenblick frage ich mich immer noch warum Du den Thread eröffnest hast

Zum diskutieren, da mich das Thema interessiert. Erstaunlich wie wenig darüber bekannt ist, obwohl es doch in den letzten Jahren genügend Anlass zur intensiveren Auseinandersätzung mit dem Thema gegeben hätte.

Dipl.-Sozialarbeiter hat folgendes geschrieben::

Daher habe ich Deine Eingangsfragen mal nummeriert, damit ich in der weiteren Diskussion darauf Bezug nehmen kann.


Danke, ich hatte bereits hier zwei Thesen aufgestellt. Auch sind bereits einige Diskussionsbeiträge zu den Thesen formuliert worden.

Die 1. These, dass die Shari´a historisch fortschrittlich sei, da erstmals alle die Gesetze gleich zu befolgen haben ist bislang weder bestätigt noch widerlegt worden.

Die 2. These, dass die Shari´a historisch fortschrittlich sei, da erstmals ein in sich konsistentes Rechtsystem aufgebaut wurde, ist auch noch nicht abschließend erörtert. Einzelne Suren des Korans können unterschiedlich ausgelegt werden, ob sich aber dennoch eine bzw. mehrere insgesamt konsistente Auslegungen ergeben ist noch nicht geklärt.

Dipl.-Sozialarbeiter hat folgendes geschrieben::

Mein grundsätzliches Problem ist aber, daß das FDR kein Forum für Glaubensfragen ist, sondern ein Forum für Deutsches Recht.

Es geht zwar nicht um Glaubens- sondern um Wissenslücken. Wäre aber auch interessant zu diskutieren, inwieweit ein Rechtssystem ohne Glauben funktionieren würde.

Dipl.-Sozialarbeiter hat folgendes geschrieben::

Selbst in dem Unterforum "Rechtsgeschichte, - philosophie, -theorie" ist der Thread eigentlich nicht richtig aufgehoben, da die Schari'a zumindest in der Gesetzgebung der Bundesrepublik bisher keinen Einfluß hatte.

In der Vergangenheit haben sich islamische und christliche Gelehrte oft inspiriert. Einen Einflusses der Shari´a halte ich daher zumindest nicht für ausgeschlossen. Zudem sollte in einem Unterforum für Rechtstheorie, auch wenn es ein deutsches ist, doch der Vergleich von Rechtssystemen möglich sein.

Dipl.-Sozialarbeiter hat folgendes geschrieben::

In einem Forum für Religionsfragen lassen sich sicher die Vor- oder Nachteile der verschiedenen Glaubensrichtungen diskutieren.

Es geht um Recht und nicht um Glauben.

Dipl.-Sozialarbeiter hat folgendes geschrieben::

Die Glaubensfreiheit ist im Grundgesetz ein wichtiges Grundrecht

Das bestreitet hier niemand.

Dipl.-Sozialarbeiter hat folgendes geschrieben::

Ein historischer Vergleich oder auch eine Bewertung (Frage 1) kann m.E. nur aus dem Jahre 2008 heraus gesehen.

Wir können uns in das Jahr 1973 zurückversetzen, da hätte uns das Thema wohl kein sonderliches Interesse geweckt, da, wie beschreiben, andere Themen die Identitäts- und Sinnstiftung bedienten.

Dipl.-Sozialarbeiter hat folgendes geschrieben::

Im übrigen halte ich eine Vermengung von Christentum, Konfession und Religion für die Diskussion nicht sehr hilfreich.

Wieso wäre dies im diskutieren Zusammenhang von Relevanz? Katholische oder evangelische Muslime gibt es bekanntlich nicht und ein katholischer oder evangelischer Christ kann zumindest theoretisch nicht ungläubig sein.

Dipl.-Sozialarbeiter hat folgendes geschrieben::

Haben wir eigentlich einen Gottesbeweis?

Selbst bin ich auch bekenender Agnostiker, aber was wäre, wenn es gelänge die Existenz Gottes zu beweisen und seinen Willen festzustellen? Gut, der Papst wäre arbeitslos und wahrscheinlich blamiert, denn warum sollte z.B. Homosexualität eine Sünde sein? Aber mal angenommen, Gott wäre für die Absshaffung des Grundgesetz und die Übernahbe der Regierungsgeschäfte durch den Papst oder Hans-Jürgen Papier?


Zuletzt bearbeitet von Code Civil am 12.04.08, 19:32, insgesamt 3-mal bearbeitet
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Dipl.-Sozialarbeiter
FDR-Moderator


Anmeldungsdatum: 09.12.2006
Beiträge: 11996

BeitragVerfasst am: 12.04.08, 18:56    Titel: Antworten mit Zitat

Code Civil hat folgendes geschrieben::
...
Es geht zwar nicht um Glaubens- sondern um Wissenslücken. Wäre aber auch interessant zu diskutieren, inwieweit ein Rechtssystem ohne Glauben funktionieren würde.
...
Es geht um Recht und nicht um Glauben.
...

Hallo Code Civil,

Wikipedia in: Schari'a hat folgendes geschrieben::
... Die Scharia beansprucht universale Geltung für alle Menschen. Auch alle Nichtmuslime sollen ihr unterworfen werden. Nur wenige Bereiche, wie der islamische Ritus und größtenteils das Familienrecht gelten nur für Muslime. Alle Beziehungen des öffentlichen und privaten Lebens müssen im Sinne des religiösen Gesetzes geregelt werden. ...

Allein dieser Anspruch ist m.E. mit unserem Grundgesetz nicht vereinbar. Interessant wäre aber Vergleich der Schari'a mit dem römischen Recht, da die Wurzeln des europäischen und des deutschen Recht im römischen Recht liegen. Und natürlich geht es m.E. in dieser Diskussion auch um Glaube. Glaube ich nämlich nicht z.B. an einen Gott, dann sehe ich mich zum Beispiel auch nicht gezwungen mich an die 'Gesetze' zuhalten, die in Namen dieses Gottes erlassen wurden.

Dein Nick (Code Civil) wirst Du sicher nicht zufällig gewählt haben. Natürlich habe auch ein großes Interesse an der Rechtswissenschaft und der Rechtsphilosophie. Aber die Shari'a kann nicht losgelöst vom Glaube gesehen werden, weil sie aus dem Glaube ihre Rechtsgeltung legitimiert.

Liebe Grüße

Klaus
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Code Civil
FDR-Mitglied


Anmeldungsdatum: 07.04.2008
Beiträge: 68

BeitragVerfasst am: 12.04.08, 19:26    Titel: Antworten mit Zitat

Dipl.-Sozialarbeiter hat folgendes geschrieben::
Glaube ich nämlich nicht z.B. an einen Gott, dann sehe ich mich zum Beispiel auch nicht gezwungen mich an die 'Gesetze' zuhalten, die in Namen dieses Gottes erlassen wurden.

Dazu kann man ja den Ungläubigen durch Strafandrohung zwingen. Da besteht aber kein Unterschied zum Glauben ans Recht ohne Gott. Wer nicht ans Gesetz glaubt, und sich daher nicht dran hält, der kann durch Strafandrohung dazu gezwungen werden. Wenn niemand mehr an ein Rechtssystem glaubt, bricht es zusammen.

Dipl.-Sozialarbeiter hat folgendes geschrieben::
Aber die Shari'a kann nicht losgelöst vom Glaube gesehen werden, weil sie aus dem Glaube ihre Rechtsgeltung legitimiert.

Wie soll sich die Shari´a legitimeren, wenn Gott nicht legitimeren kann kleine Kinder zu missbrauchen?

Dipl.-Sozialarbeiter hat folgendes geschrieben::

Und natürlich geht es m.E. in dieser Diskussion auch um Glaube.

Was ist denn wenn morgen Gott wirklich in der Tagesschau auftreten würde und erklären würde, es sei sein Wille, dass der Papst oder Hans-Jürgen Papier die Staatsgeschäfte übernimmt?
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Dipl.-Sozialarbeiter
FDR-Moderator


Anmeldungsdatum: 09.12.2006
Beiträge: 11996

BeitragVerfasst am: 12.04.08, 19:59    Titel: Antworten mit Zitat

Code Civil hat folgendes geschrieben::
...
Dazu kann man ja den Ungläubigen durch Strafandrohung zwingen. Da besteht aber kein Unterschied zum Glauben ans Recht ohne Gott. Wer nicht ans Gesetz glaubt, und sich daher nicht dran hält, der kann durch Strafandrohung dazu gezwungen werden. Wenn niemand mehr an ein Rechtssystem glaubt, bricht es zusammen.
...

Hallo Code Civil,

dies sehe ich natürlich ganz anders. In der Bundesrepublik Deutschland haben wir keine Staatskirche. Ferner bin ich für die strikte Trennung von Religion (Kirche) und Staat. An ein Gesetz kann man m.E. auch nicht glauben. Mir scheint es aber wichtig, noch einmal unser Grundgesetz zu bemühen.

Art. 20 GG hat folgendes geschrieben::
(1) Die Bundesrepublik Deutschland ist ein demokratischer und sozialer Bundesstaat.

(2) Alle Staatsgewalt geht vom Volke aus. Sie wird vom Volke in Wahlen und Abstimmungen und durch besondere Organe der Gesetzgebung, der vollziehenden Gewalt und der Rechtsprechung ausgeübt.

(3) Die Gesetzgebung ist an die verfassungsmäßige Ordnung, die vollziehende Gewalt und die Rechtsprechung sind an Gesetz und Recht gebunden.

(4) Gegen jeden, der es unternimmt, diese Ordnung zu beseitigen, haben alle Deutschen das Recht zum Widerstand, wenn andere Abhilfe nicht möglich ist.

Damit sind wir beim Rechts- und Sozialstaat, sowie unserer Rechtsordnung.

Liebe Grüße

Klaus
_________
Vertiefend: Artikel 20 des Grundgesetzes für die Bundesrepublik Deutschland
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Code Civil
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Anmeldungsdatum: 07.04.2008
Beiträge: 68

BeitragVerfasst am: 12.04.08, 20:12    Titel: Antworten mit Zitat

Dipl.-Sozialarbeiter hat folgendes geschrieben::
Code Civil hat folgendes geschrieben::
...
Dazu kann man ja den Ungläubigen durch Strafandrohung zwingen. Da besteht aber kein Unterschied zum Glauben ans Recht ohne Gott. Wer nicht ans Gesetz glaubt, und sich daher nicht dran hält, der kann durch Strafandrohung dazu gezwungen werden. Wenn niemand mehr an ein Rechtssystem glaubt, bricht es zusammen.
...


dies sehe ich natürlich ganz anders.

Die Mitglieder der RAF haben das sicher auch anders gesehen, allerdings haben sie sich in der Annahme getäuscht, die meisten Deutschen würden das genauso sehen wie sie und ihren Glauben an eine bessere Welt teilen.

Dipl.-Sozialarbeiter hat folgendes geschrieben::

Art. 20 GG hat folgendes geschrieben::
(1) Die Bundesrepublik Deutschland ist ein demokratischer und sozialer Bundesstaat.

(2) Alle Staatsgewalt geht vom Volke aus. Sie wird vom Volke in Wahlen und Abstimmungen und durch besondere Organe der Gesetzgebung, der vollziehenden Gewalt und der Rechtsprechung ausgeübt.

(3) Die Gesetzgebung ist an die verfassungsmäßige Ordnung, die vollziehende Gewalt und die Rechtsprechung sind an Gesetz und Recht gebunden.

(4) Gegen jeden, der es unternimmt, diese Ordnung zu beseitigen, haben alle Deutschen das Recht zum Widerstand, wenn andere Abhilfe nicht möglich ist.

Damit sind wir beim Rechts- und Sozialstaat, sowie unserer Rechtsordnung.

_________
Vertiefend: Artikel 20 des Grundgesetzes für die Bundesrepublik Deutschland


Gilt Artikel 20 Absatz 4 des Grundgesetzes für die Bundesrepublik Deutschland auch für Gott, wenn er versucht die in Absatz 1 bis 3 des Artikel 20 dargelegte Ordnung zu beseitigen? Darf Gott notfalls getötet werden?
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Dipl.-Sozialarbeiter
FDR-Moderator


Anmeldungsdatum: 09.12.2006
Beiträge: 11996

BeitragVerfasst am: 12.04.08, 21:21    Titel: Antworten mit Zitat

Code Civil hat folgendes geschrieben::
...
Gilt Artikel 20 Absatz 4 des Grundgesetzes für die Bundesrepublik Deutschland auch für Gott, wenn er versucht die in Absatz 1 bis 3 des Artikel 20 dargelegte Ordnung zu beseitigen? Darf Gott notfalls getötet werden?

Hallo Code Civil,

darauf erwartest Du wohl nicht wirklich eine Antwort - oder?

Aber wenn ich an verschieden Stellen auf unser Grundgesetz verweise, dann sehe ich eben das Problem der Islamisierung und die Entstehung von Parallelgesellschaften.

Code Civil hat folgendes geschrieben::
Mich interessiert ob die Sharia im historischen Kontext positiv zu bewerten ist. Zwar muten Strafen wie das Abhacken der Hand bei Diebstahl oder Steinigung von Ehebrechern heute barbarisch an, in Frankreich konnte ein Dieb aber noch im 18. Jahrhundert auch einfach mal gehängt werden. Das Christentum gestattet prinzipiell jede Form der Unrechtsherschafft, dem gläubigen Christen wird je nach Bibelübersetzung und Auslegung Gerechtigkeit erst im Himmel versprochen. Und damit der niedere Christ auch jede Form der Willkür erträgt, wurde nachdem die Christen an die Macht kamen, kurzerhand auch der Selbstmord zur Todsünde erklärt. ...

Was mich in Deinem Eröffnungsthread stutzig gemacht hat, ist der Satz über den "Selbstmord". Mal abgesehen, daß ich die Begriffe Suizid bzw. Selbsttötung bevorzuge, drängt sich mir bei dem Begriff "Selbstmord" irgendwie auch Selbstmordattentat auf. Was allerdings der Hinweis auf die RAF bewirken soll, erschließt sich mir nicht so ganz.

Der Eingangsthread begann mit ..."ob die Sharia im historischen Kontext positiv zu bewerten ist. ..." Wer sollte diese Bewertung vornehmen?

Dr. phil. Necla Kelek hat sich zu diesen Fragen schon geäußert (Die Mercator-Professur 2006: Necla Kelek (PDF-Datei)). Winken

Liebe Grüße

Klaus
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Code Civil
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Anmeldungsdatum: 07.04.2008
Beiträge: 68

BeitragVerfasst am: 13.04.08, 11:06    Titel: Antworten mit Zitat

Dipl.-Sozialarbeiter hat folgendes geschrieben::
Code Civil hat folgendes geschrieben::
...
Gilt Artikel 20 Absatz 4 des Grundgesetzes für die Bundesrepublik Deutschland auch für Gott, wenn er versucht die in Absatz 1 bis 3 des Artikel 20 dargelegte Ordnung zu beseitigen? Darf Gott notfalls getötet werden?

Hallo Code Civil,

darauf erwartest Du wohl nicht wirklich eine Antwort - oder?


Was ist denn wenn morgen der Teufel wirklich in der Tagesschau auftreten würde und erklären würde, es sei sein Wille, dass das Grundgesetz abgeschafft wird und der Papst oder Hans-Jürgen Papier die Staatsgeschäfte übernimmt? Darf der Teufel dann notfalls getötet werden?
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Dipl.-Sozialarbeiter
FDR-Moderator


Anmeldungsdatum: 09.12.2006
Beiträge: 11996

BeitragVerfasst am: 13.04.08, 12:38    Titel: Antworten mit Zitat

Code Civil hat folgendes geschrieben::
...
Was ist denn wenn morgen der Teufel wirklich in der Tagesschau auftreten würde und erklären würde, es sei sein Wille, dass das Grundgesetz abgeschafft wird und der Papst oder Hans-Jürgen Papier die Staatsgeschäfte übernimmt? Darf der Teufel dann notfalls getötet werden?

Hallo Code Civil,

auch darauf erwartest Du doch nicht wirklich eine Antwort - oder? Winken

Daß der Teufel den Papst mit der Übernahme der Staatsgeschäfte in Deutschland beauftragt ist doch eher unwahrscheinlich. Der Papst führt seine Regierungsgeschäfte über die Gläubigen der römisch-katholischen Kirche vom Petrusstuhl vom/in Vatikan/Rom aus.

Liebe Grüße

Klaus
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Code Civil
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Anmeldungsdatum: 07.04.2008
Beiträge: 68

BeitragVerfasst am: 13.04.08, 17:41    Titel: Antworten mit Zitat

Dipl.-Sozialarbeiter hat folgendes geschrieben::


Daß der Teufel den Papst mit der Übernahme der Staatsgeschäfte in Deutschland beauftragt ist doch eher unwahrscheinlich.


Warum sollte der Teufel nicht den Papst vorschlagen. Schließlich soll es doch in seinem Interesse sein, Menschen zu quälen. Zudem haben Gott und Teufel laut Bibel und Koran eine praktische Aufgabenteilung.


Dipl.-Sozialarbeiter hat folgendes geschrieben::
Code Civil hat folgendes geschrieben::
...
Was ist denn wenn morgen der Teufel wirklich in der Tagesschau auftreten würde und erklären würde, es sei sein Wille, dass das Grundgesetz abgeschafft wird und der Papst oder Hans-Jürgen Papier die Staatsgeschäfte übernimmt? Darf der Teufel dann notfalls getötet werden?



auch darauf erwartest Du doch nicht wirklich eine Antwort - oder? Winken


Mal abgesehen davon, dass außer ein paar Satanisten ohnehin niemand auf den Teufel hören würde, dürfte der Teufel natürlich nicht getötet werden, da die Menschen ja schließlich frei in ihrer Entscheidung sind, dem Willen des Teufels zu folgen oder nicht. Gott dürfte daher natürlich auch nicht getötet werden. Schließlich vergewaltigt ja auch niemand kleine Kinder, wenn es Gottes Wille wäre. Ein Gottesstaat kann sich also nur durch den Willen der Bewohner legitimieren.
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Abrazo
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FDR-Mitglied


Anmeldungsdatum: 30.05.2005
Beiträge: 5941
Wohnort: Köln

BeitragVerfasst am: 13.04.08, 19:19    Titel: Antworten mit Zitat

code civils Thread ist in einem Rechtsforum voll und ganz berechtigt, denn worum es hier geht, ist die Diskussion unterschiedlicher Rechtssysteme.

Problematisch ist, dass die meisten hier nicht in der Lage sind zu erkennen, dass Religionen sehr verschieden sind. Heißt, es wird grundsätzliche jede Religion durch die Brille des Christentums gesehen, was zu völlig falschen Ergebnissen führt.

So sind Forderungen nach Laizismus und Säkularisation für etliche Religionen völlig unsinnig, denn diese Forderungen setzen voraus, dass es Kirchen gibt; Kirchen (Institution) gibt es aber weder im Judentum noch im Islam (als Beispiel), so dass zu fragen ist, wer oder was denn hier überhaupt säkularisiert werden soll.

Der Islam ist in seinen Strukturen dem Judentum ähnlicher als dem Christentum. So begreifen Muslime sich ebenso wie Juden als eine Nation. Wobei der Islam, im Unterschied zum Judentum, die Nationalität einzig am Glauben festmacht und nicht an einer Volkszugehörigkeit. Die islamische Nation ist also gänzlich ohne die biologische Herkunft definiert. Was für Europäer ein Problem ist. Das Problem ist durch Israel - scheinbar - gelöst, denn viele meinen, ein Jude müsse israelischer Nationalität sein, was überhaupt nicht stimmt; es gibt nämlich durchaus auch Juden, die diese Nationalität ablehnen. Vergleichbar meinen viele, ein Muslim müsse grundsätzlich fremder, nicht deutscher Nationalität sein, und wenn z.B. ein Deutscher Muslim wird, dann müsse er damit quasi seine deutsche Staatsangehörigkeit aufgeben, was natürlich Blödsinn ist.

Im Gegensatz zu Europa, insbesondere zu Deutschland. In Deutschland wird Nationalität automatisch verbunden mit der Volkszugehörigkeit.

Frankreich hingegen ist insofern wiederum dem Islam ähnlicher, als dass es seine Nationalität verbindet mit der Zugehörigkeit zur französischen Kultur.

Jedenfalls gilt für einen Muslim, seine primäre Nationalität ist bestimmt durch die Zugehörigkeit zur islamischen Nation (Milla). Dafür steht Mekka als Gebetsrichtung: das Zentrum, um das sich die gesamte islamische Nation im Gebet versammelt.

Die staatliche Nationalität ist demgegenüber sekundär. Allerdings ist es völlig normal für einen Muslim, zwei Nationalitäten zu haben, genau so, wie für einen Juden. Ein deutscher Jude hat eben beides, die jüdische und die deutsche Nationalität, und die jüdische Nationalität (jüdisch, nicht israelisch!) hindert ihn nicht im mindesten daran, ein ganz normaler echter Deutscher, zugehörig und verwachsen in der deutschen Kultur zu sein. Das gleiche gilt für einen deutschen Muslim (ich reden natürlich nicht von dem fundamentalistischen Unfug).

Nichts desto trotz anerkennen beide, Juden wie Muslime, zwei Rechtssysteme (denn beides sind Gesetzesreligionen), nämlich das deutsche Recht und das jüdische bzw. islamische Recht. Und in den seltenen Konfliktfällen werden beide dem religiösen Recht die Priorität einräumen.

Hier haben wir nun einen eklatanten Unterschied zum religiösen christlichen Recht (das es ja auch mal gab und von dem unser Rechtssystem lange Jahrhunderte hinduch geprägt war), denn das christliche Recht war ein von einer Institution, der vom Volk separierten Kirche, diktiertes Recht, während das jüdische und islamische Recht auf der Überzeugung, dem Glauben basiert, denn da gibt es keine Trennung zwischen Klerus und Laien, weil es eben keinen Klerus gibt. Also entsteht in solchen Konfliktfällen die Frage, ob es überhaupt möglich ist, Menschen zu einem Rechtssystem zu zwingen, das sie nicht akzeptieren. Beispiel: das Schächten. Juden wie Muslime können das deutsche Tierschutzgesetz in jedem Punkt unterschreiben, bis auf eines: das Schächten. Hier hat das religiöse Recht für beide Priorität.

Was verwirrend hinzu kommt, ist das jeweilige Rechtssystem der Kultur, der insbesondere die Muslime entstammen, denn die meisten sind ja Einwanderer, kommen aus anderen Ländern, und eben diese Länder, speziell aber die Regionen, haben ebenfalls ihr eigenes Rechtssystem, das aber kein religiöses Recht ist. Wobei dieser Konflikt nicht auf unseren Staat beschränkt ist; der türkische Staat hat im Grunde das gleiche Problem, denn auch da gibt es, speziell in Sachen Anatolien, Konflikte zwischen dem regionalen anatolischen Rechtssystem und dem des türkischen Staates. So mögen in einigen Regionen Anatoliens sogenannte Ehrenmorde zum regionalen Rechtssystem gehören, sie gehören aber nicht zum türkischen Rechtssystem und auch nicht zum islamischen, stehen auch mit diesen in Konflikt. Denn ob nach türkischem oder islamischem Recht, dat is in beiden Mord.

Insofern finde ich, dass dieser Thread ein wirklich grundlegendes Problem anschneidet. Das allerdings erst einmal in seine unterschiedlichen Komponenten aufgedröselt werden muss.

So wurde hier behauptet, ein Konflikt mit unserem Rechtssystem sei die Forderung nach Steinigung nach Ehebruch. Das ist in der Tat ein Konflikt zu unserem Rechtssystem, jedoch ist es kein Konflikt mit dem islamischen Recht - weil das die Steinigung nach Ehebruch nämlich überhaupt nicht vorsieht. Lt. Koran ist Ehebruch nämlich mit hundert Peitschenhieben zu bestrafen - und zwar für beide Beteiligten, den Mann genau so wie die Frau. Da gibt es keinen Unterschied. Problem, und hier kommen wir in den Bereich der Rechtssprechung, diese Strafe kommt nur in Frage, wenn der Ehebruch nachgewiesen ist. Und das ist in der Praxis so gut wie unmöglich. Denn für den Nachweis wird das Zeugnis von vier männlichen Zeugen verlangt - nun möge man mal überlegen, wie findet man die? Hinzu kommt, wenn Ehebruch nicht durch vier männliche Zeugen nachweisbar ist (zuverlässige natürlich, da gilt das gleiche wie für jede seriöse Rechtsprechung), dann wird der Beschuldigende bestraft, nämlich wegen schwerer Verleumdung. Also kann man sich ausrechnen, dass es zu den 100 Peitschenhieben mangels Beweisbarkeit gar nicht kommen kann, es sei denn bei psychisch Kranken - und die gelten nach islamischem Recht genau so als unzurechnungsfähig und damit nicht schuldig wie nach unserem.

Die Steinigungsgeschichte ist hingegen etwas ganz anderes. Zunächst möge man überlegen, dass das ein durchaus übliches Verfahren war, allein schon bei einem Zeugnis die betroffene Frau auf den Acker zu schleppen und einzugraben und zu steinigen; kennen wir z.B. als Gesetz aus dem Alten Testament / Thora. Kennen wir auch als Brauch aus dem Neuen Testament - siehe: "Wer von euch ist ohne Sünde, der werfe den ersten Stein", womit nicht das jüdische Gesetz der Steinigung aufgehoben wird, sondern lediglich Probleme bei der praktischen Durchführung geschaffen werden.

Nun waren die Freunde der Steinigung offenbar der Auffassung, Steinigung müsse auch im Islam weiter als guter alter Brauch bestehen bleiben. Und das war ein Problem bei der Edition des Koran. Der nämlich wurde spätestens ca. 50 Jahre nach Mohammeds Tod mit großer Sorgfalt gesammelt und redigiert. Es wurden also bis dahin überlieferte Koranverse gesammelt und auf Authentizität hin untersucht. Wobei zweifelhafte Verse nicht aufgenommen wurden (Salman Rushdie griff ja ein wenig das Problem in den "Satanischen Versen" auf). Nun soll es einen Vers gegeben haben (soll heißt, die Geschichte kann auch nachträglich erfunden sein), der die Steinigung vorsah. Allerdings nur von einer einzigen Person bezeugt, nämlich dem 2. Kalifen (sic!) Omar. Das Zeugnis reichte den Koranredakteuren allerdings nicht, denn wenn Omar der einzige war, der davon wusste, dann musste das ja nicht stimmen. Es gibt dann noch weiter die Geschichte, dass der - im Wortlaut bekannte - angebliche Steinigungsvers auch Mohammeds Frau Aischa bekannt gewesen sein soll. Angeblich soll der niedergeschrieben gewesen sein, wie auch einige andere Verse, nur soll eine Ziege gekommen sein und diese Verse gefressen haben. Soweit die Geschichten.

Die Wahrheit dürfte anders gewesen sein: die Koranredakteure waren ausgesucht zuverlässige und für die damalige Zeit gebildete Leute, der Peitschenvers war verbürgt und passte in den Kontext, der Steinigungsvers (falls der überhaupt zur Debatte stand) stand dazu im Widerspruch, also raus damit.

Was freilich die Freunde der Steinigung nicht allzu sehr irritierte; die behaupten das bis heute als religiöses Recht der besonders Frommen, was freilich - siehe oben - nicht belegbar ist. So gibt es jede Menge angeblicher Konflikte unseres Rechtes mit dem religiösen Recht, die sich, wenn man da mal professionell herum polkt, in Nichts auflösen.

Bleiben die tatsächlichen Konflikte mit dem religiösen Recht. Das sind vor allem die Konflikte zwischen Muslimen und Nichtmuslimen in islamischen Ländern. Dies ist nun unter dem Aspekt zu betrachten, dass, wie gesagt, Muslime sich als Angehörige der islamischen Nation begreifen. Und hier ist schlicht und einfach festzustellen, wer kein Muslim ist, gehört dieser Nation nicht an. Und wer den Islam verlässt, der verlässt diese Nation, gibt also seine Nationalität auf. Damit verliert er aber auch die der Nation garantierten Rechte. Wenn nun verlangt wird, dies dürfe nicht sein, so wird nichts weniger verlangt, als dass alle Muslime ihre Nationalität aufgeben und statt dessen die Nationalität qua Volkszugehörigkeit akzeptieren, was nicht möglich ist. Es wird von ihnen verlangt, dass sie Nationalität anders definieren. Da machen die natürlich nicht mit. Und zwar, das ist der springende Punkt, freiwillig nicht mit. Somit wäre diese Aufgabe der islamischen Nationalität erzwungen - und das kollidiert mit dem Recht auf Selbstbestimmung. Was unserem eigenen Rechtssystem widerspricht und in etwa den Stellenwert der Zwangstaufe bei den Juden hätte, denn auch dies war die Unterwerfung unter ein anderes, nicht akzeptiertes Rechtssystem, was die Juden bekanntlich auch nicht mit machten, sofern sie die Möglichkeit hatten, dem durch Flucht zu entgehen.

Was nun speziell in Deutschland zu der ganzen Sache hinzu kommt, ist das Problem türkischer Islam. Der unterscheidet sich nämlich vom Islam insgesamt in einem wichtigen historischen Punkt: in der Türkei fielen in der Tat geistliche und weltliche Herrschaft zusammen, nämlich im türkischen Sultan, ein Monarch. Der beanspruchte beides, also quasi Kaiser und Papst in einer Person zu sein, ein Anspruch freilich, der außerhalb der Türkei nicht anerkannt wurde. Jedenfalls ist der türkische Islam ein Staatsislam, der zwei Spielarten hervor brachte: einerseits die Ditib, das türkische Religionsministerium (bzw. dessen deutscher Arm), das notwendigerweise, als quasi Nachfolger des Sultans das Kommando über alle Türken beansprucht, die damit auch bitteschön Türken bleiben sollen, denn nach türkischer Lesart fallen beide Nationalitäten, Islam und Türkei, zusammen, andererseits den gegen die türkische Verfassung opponierenden Zweig des türkischen Islam, der nichts desto trotz ein rein türkischer ist, wie z.B. der berüchtigte Kaplan mit seinen Träumen vom Kalifatsstaat (Träume, die kein Nichttürke teilte), aber auch die gerade in Diskussion stehende VIKZ, ebenfalls ein rein türkischer Verband, der nach dem Modell Sultan offenbar streng hierarchisch gegliedert sein soll, was insbesondere im sunnitischen Islam strikt abgelehnt wird; da verwaltet sich jede Gemeinde nämlich selbst, und die sowohl von solchen Verbänden als auch von der Ditib vertretene Idee, man müsse einer Gemeinde den Imam staatlicherseits oder von Seiten des Verbandes her aufdrücken, wird da als dem islamischen Recht widersprechend angesehen; denn da wählt sich jede Gemeinde ihren Imam ebenso selbst wie ihre Ältesten (vergleichbar dem evangelischen Presbyterium).

Ein weitverzweigtes Thema also, für das m.E. auch unter rein rechtlichem Aspekt Klärungsbedarf besteht.
_________________
Grüße,
Abrazo
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Dipl.-Sozialarbeiter
FDR-Moderator


Anmeldungsdatum: 09.12.2006
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BeitragVerfasst am: 13.04.08, 19:59    Titel: Antworten mit Zitat

Code Civil hat folgendes geschrieben::
...
Mal abgesehen davon, dass außer ein paar Satanisten ohnehin niemand auf den Teufel hören würde, dürfte der Teufel natürlich nicht getötet werden, da die Menschen ja schließlich frei in ihrer Entscheidung sind, dem Willen des Teufels zu folgen oder nicht. Gott dürfte daher natürlich auch nicht getötet werden. Schließlich vergewaltigt ja auch niemand kleine Kinder, wenn es Gottes Wille wäre. Ein Gottesstaat kann sich also nur durch den Willen der Bewohner legitimieren.

Hallo Code Civil,

es ist doch immer wieder erstaunlich, wie selbst Erwachsene am Kinderglaube festhalten. Weiter oben habe ich schon geschrieben, daß ich mich nicht zu Glaubensfragen äußere. In der Diskussion mit den Moscheevereinen versuche ich immer zuerst die Verfassungsfrage zu klären. Die freiheitliche demokratische Grundordnung der Bundesrepublik steht m.E. nicht zur Disposition. Art. 1 GG spricht von der "Würde" des Menschens, nicht aber von der "Ehre". Wenn also ein (historischer) Vergleich der Shari'a erfolgt, kann m.E. das Grundgesetz nicht außen vor bleiben. Ich hoffe, daß wir uns darüber einig sind, daß sich der islamische Fundamentalismus nicht mit unserm Grundgesetz im Einklang zu bringen läßt. Winken

Liebe Grüße

Klaus
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BeitragVerfasst am: 13.04.08, 20:45    Titel: Antworten mit Zitat

Code Civil hat folgendes geschrieben::
Was ist denn wenn morgen der Teufel wirklich in der Tagesschau auftreten würde und erklären würde, es sei sein Wille, dass das Grundgesetz abgeschafft wird und der Papst oder Hans-Jürgen Papier die Staatsgeschäfte übernimmt? Darf der Teufel dann notfalls getötet werden?
Erstens würde ein Ex-Ministerpräsident so einen Unfug nicht verlangen, zweitens könnte man dann über eine Betreuung nachdenken - oder über eine Überweisung in die Psychiatrie; und drittens ist die Todesstrafe im StGB nicht vorgesehen. Die Verfassung von Baden-Württemberg erlaubt das vermutlich auch nicht - bin jetzt aber zu faul, das nachzulesen.
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BeitragVerfasst am: 13.04.08, 20:45    Titel: Antworten mit Zitat

Abrazo hat folgendes geschrieben::
code civils Thread ist in einem Rechtsforum voll und ganz berechtigt, denn worum es hier geht, ist die Diskussion unterschiedlicher Rechtssysteme.
...

Was nun speziell in Deutschland zu der ganzen Sache hinzu kommt, ist das Problem türkischer Islam. Der unterscheidet sich nämlich vom Islam insgesamt in einem wichtigen historischen Punkt: in der Türkei fielen in der Tat geistliche und weltliche Herrschaft zusammen, nämlich im türkischen Sultan, ein Monarch. Der beanspruchte beides, also quasi Kaiser und Papst in einer Person zu sein, ein Anspruch freilich, der außerhalb der Türkei nicht anerkannt wurde. Jedenfalls ist der türkische Islam ein Staatsislam, der zwei Spielarten hervor brachte: einerseits die Ditib, das türkische Religionsministerium (bzw. dessen deutscher Arm), das notwendigerweise, als quasi Nachfolger des Sultans das Kommando über alle Türken beansprucht, die damit auch bitteschön Türken bleiben sollen, denn nach türkischer Lesart fallen beide Nationalitäten, Islam und Türkei, zusammen, andererseits den gegen die türkische Verfassung opponierenden Zweig des türkischen Islam, der nichts desto trotz ein rein türkischer ist, wie z.B. der berüchtigte Kaplan mit seinen Träumen vom Kalifatsstaat (Träume, die kein Nichttürke teilte), aber auch die gerade in Diskussion stehende VIKZ, ebenfalls ein rein türkischer Verband, der nach dem Modell Sultan offenbar streng hierarchisch gegliedert sein soll, was insbesondere im sunnitischen Islam strikt abgelehnt wird; da verwaltet sich jede Gemeinde nämlich selbst, und die sowohl von solchen Verbänden als auch von der Ditib vertretene Idee, man müsse einer Gemeinde den Imam staatlicherseits oder von Seiten des Verbandes her aufdrücken, wird da als dem islamischen Recht widersprechend angesehen; denn da wählt sich jede Gemeinde ihren Imam ebenso selbst wie ihre Ältesten (vergleichbar dem evangelischen Presbyterium).

Ein weitverzweigtes Thema also, für das m.E. auch unter rein rechtlichem Aspekt Klärungsbedarf besteht.

Hallo Abrazo,

es ist ein sehr verzweigtes Thema. Daher bedarf es in der Diskussion auch irgendwie einer Eingrenzung. Ich sehe ansonsten die Gefahr, daß dieses wichtige Thema einem Schlagabtausch "Bibel gegen Koran" anheim fällt, oder Vorurteile gepostet werden. Ich stehe im Kontakt zu Moscheevereinen und in einem kritischen Dialog mit ihnen. Mangels Kenntnisse der deutschen (christlichen) Bevölkerung werden die Schiiten, Sunniten und Aleviten gern dann mal auch in einem Topf geworfen. Dies erschwert dann meist eine sachliche Diskussion. Ich jedenfalls verfolge mit großem Interesse die Islamkonferenz und bin auf die Ergebnisse gespannt.

Liebe Grüße

Klaus Winken
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BeitragVerfasst am: 14.04.08, 00:00    Titel: Re: Sharia historisch positiv? Antworten mit Zitat

Code Civil hat folgendes geschrieben::
Mich interessiert ob die Sharia im historischen Kontext positiv zu bewerten ist. Zwar muten Strafen wie das Abhacken der Hand bei Diebstahl oder Steinigung von Ehebrechern heute barbarisch an, in Frankreich konnte ein Dieb aber noch im 18. Jahrhundert auch einfach mal gehängt werden.
Soweit ich feststellen kann, eine korrekte Darstellung.
Zitat:
Das Christentum gestattet prinzipiell jede Form der Unrechtsherschafft, dem gläubigen Christen wird je nach Bibelübersetzung und Auslegung Gerechtigkeit erst im Himmel versprochen.
Das ist grottenfalsch. Von "gestatten" kann nicht die Rede sein.
Zitat:
Und damit der niedere Christ auch jede Form der Willkür erträgt, wurde nachdem die Christen an die Macht kamen, kurzerhand auch der Selbstmord zur Todsünde erklärt.
Ebenfalls Unsinn, im Judentum ist die Selbsttötung seit jeher schwere Sünde - und das ist einige Jahrtausende älter.

Zitat:
Wäre die Sharia dann historisch positiv zu bewerten, wenn die Reglungen (erstmalig) verbindlich für alle gewesen wären, also auch der Herrscher gesteinigt würde, wenn er Ehebruch begeht?
Auf "Ehebruch" steht "100 Peitschenhiebe" und nicht "steinigen".
Zitat:
Hat die Sharia also den Gedanken der Gleichheit vor dem Gesetz geprägt,
Ganz bestimmt nicht, denn die Shar'ia behauptet zwar, für alle zu gelten, hat aber für "Gläubige" und "Ungläubige" unterschiedliche Rechtsmaßstäbe, wobei die "Ungläubigen" noch mal (je nach Denomination) unterschiedlich behandelt werden.
Zitat:
während das Christentum weiterhin predigte, dass der Herrscher über dem Gesetz stünde?
Unfug. Wenn das so gewesen wäre, hätte "Canossa" nie stattgefunden.
Zitat:
Hat die Sharia ggf. in anderer Weise einen positiven Einfluss gehabt?
Sicher. Zum einen, was die Identitätsfindung der islamischen Welt angeht, zum anderen im Bezug auf die Rechte der Frau.
Zitat:
Etwa in dem die Sharia im Gegensatz zum Christentum, wo sich der Papst ja einfach nach Belieben auf irgendeinen Bibelspruch beziehen kann, ein konsistentes Rechtssystem schaffte?
Was für ein Quatsch. Für die koptischen Christen ist der Papst seit dem 5. Jhdt. nicht "zuständig"; und die Ostkirchen lehnen den Primat des römischen Patriarchen mindestens seit 1054 ab - sie haben ihre eigenen Patriarchen. "Konsistente Rechtssysteme" hatten bereits vorher bestanden; etwa in den klassischen griechischen Stadtstaaten, im Judentum oder im hoch entwickelten römischen Recht.

Abgesehen davon hinkt der Vergleich mit dem Christentum vor allem im historischen Kontext: Das Christentum entstand unter den Randbedingungen zweier verschiedener Rechtssysteme: Das Recht des Volkes Israel und das Recht der römischen Besatzer. Die Anhänger dieser Religion entstammten den unterschiedlichsten Völkern. Von daher hat das Christentum nie den Anspruch gehabt, ein eigenes Rechtssystem zu entwickeln, das alle Lebensbereiche abdeckte: Der "Regelungsbedarf" erstreckte sich allein auf die inner-religiösen Fragen. Hingegen entwickelte sich der Islam aus der "Stammesreligion" Mohammeds, und hatte von vornherein den Anspruch, das gesamte Leben zu regeln, eine Trennung von "Glaube" und "Staat", wie im Christentum gab es nicht - im Gegenteil.
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