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Sharia historisch positiv?
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mitternacht
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Anmeldungsdatum: 22.05.2005
Beiträge: 6331
Wohnort: Franken

BeitragVerfasst am: 14.04.08, 01:04    Titel: Antworten mit Zitat

Code Civil hat folgendes geschrieben::
Sowohl das Konzept eines angeblich existierenden Naturgesetzes, gemeint ist wohl schlicht das Recht des Stärkern,

Nein, gemeint ist eine Art natürliches Rechtsempfinden, das sich unabhängig von Kulturkreis und Gesellschaftsform entwickelt hat; Regelungen wie "Du sollst nicht töten - jedenfalls keine Angehörigen des eigenen Clans" oder "Recht auf Eigentum"

Zitat:
Im Gegensatz zum Islam kann der Papst sogar ganz allein bestimmen, was der Wille Gottes sei,
Solche Sprüche sind das Phantasieprodukt von Leuten, die von der katholischen Kirche wenig bis gar keine Ahnung haben.
Zitat:
ganz davon abgesehen, dass dies Konzept ohnehin wenig intelligent erscheint.
Natürlich. Denn es wurde von denen entwickelt und behauptet, die gezielt die Kirche diffamieren wollen.
Zitat:
Man braucht sich ja nur mal vorzustellen, es sei der Wille Gottes kleine Kinder auf Spielplätzen sexuell zu missbrauchen. Wohl fast jeder, außer vielleicht dem Papst und einigen Sexualstraftätern, wird zustimmen, dass ein solches Handeln auch dann nicht moralisch zu legitimieren ist, wenn es Gottes Wille wäre. Daher kann Gottes Wille nicht Grundlage eines Rechtssystems sein.
Natürlich. Aus absurden Annahmen kann man alles mögliche folgern. Nur sind alle so gewonnenen Schlussfolgerungen wertlos, weil sei auf Unsinn beruhen.
Zitat:

Sowohl Christentum als auch Islam spiegeln nur die weltlichen Moralvorstellungen von Herrschaftslegitimation in ihrer Zeit.
Auf das Christentum bezogen ist diese Aussage falsch. Das Christentum der ersten Jahrhunderte war die Religion von Sklaven und Verfolgten. Von "Herrschaftslegitimation" kann nicht die Rede sein.
Zitat:
In der Bibel gib es Ansätze zur Schaffung einer gerechteren Gesellschaft, deren Erfüllung vermutlich aus realpolitischen Gründen aber in den Himmel verschoben wurde.
Der größere Teil der Bibel besteht aus den Heiligen Schriften der Juden. Sind die gemeint?
Zitat:
So brauchten sich später auch christliche Herrscher nicht groß an Ideale zu halten,
Historisch nicht haltbar. Heinrich VIII (England) z. B. hatte ziemlich Stress mit "Kirchens", weil er sich nicht an Ideale halten wollte - und Canossa hatten wir vorhin schon.
Zitat:
was mittels inkonsistenter Bibelauslegung der Kurie legitimiert wurde.
Was für ein blühender Unsinn. Aufgabe der Kurie ist nicht "Bibelauslegung" sondern "Verwaltung der inneren Angelegenheiten". Und "inkonsistent" ist die Bibel an sich schon, da bedarf es gar nicht erst der Auslegung. Es gibt zwei - sich widersprechende - Schöpfungsberichte, die "10 Gebote" sind eigentlich 12, davon gibt es ebenfalls mehrere Versionen - die Liste lässt sich noch ziemlich weit fortsetzen.

Zitat:
Christentum und Islam haben gemein, dass Gott über dem Gesetz steht, was letztlich nur Ausdruck einer Zeit ist, indem Herrscher über dem Gesetz standen.
Nein. Das liegt einfach an der Definition des Gottesbegriffes - mit Zeitgebundenheit hat das nichts zu tun.

Zitat:
Moralisch hat sich diese Vorstellung zum Glück weitestgehend überholt.
Was ist los? Aus moralischen Gründen ist "Gott" neuerdings dem Gesetz unterworfen? Was für eine sinnentleerende Phrase.
_________________
mitternächtliche Grüße.


Gott weiß alles - Lehrer wissen alles besser. Teufel-Smilie

Bin kein Jurist: Wer mir glaubt, ist selber schuld.
Meine Damen und Herren, heute Abend sinkt für Sie: das Niveau!
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Abrazo
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Anmeldungsdatum: 30.05.2005
Beiträge: 5941
Wohnort: Köln

BeitragVerfasst am: 14.04.08, 12:16    Titel: Antworten mit Zitat

Zitat:
Ich sehe ansonsten die Gefahr, daß dieses wichtige Thema einem Schlagabtausch "Bibel gegen Koran" anheim fällt,

Eine Diskussion, auch über unterschiedliche Rechtssysteme, kann gar nicht geführt werden, ohne die Bibel - speziell das Neue Testament - gegen den Koran zu stellen. Aber nicht deswegen, um Glaube gegen Glaube zu stellen nach Art religiöser Streitigkeiten, sondern um zu analysieren, wovon die unterschiedlichen Denkweisen geprägt worden sind.

Eine Analyse, die außer Bibel und Koran aber auch die historische intellektuelle Entwicklung beider Denkweisen in 's Blickfeld nehmen muss.

Wobei es notwendig ist, sich zuerst auf Aristoteles zu beziehen: Wissen ist Wissen aus den Gründen. Hier muss nach den Gründen der gegenwärtigen Überzeugungen gefragt werden, also nach den Gründen, warum jeweils Aussagen für unhinterfragbar wahr gehalten werden.

Nur wenn man diese Gründe weiß, kann man die jeweils andere Seite verstehen, in ihren Behauptungen, ihren Entscheidungen, ihren Handlungen. Sind die Gründe nicht bekannt, neigen Menschen dazu zu sagen, der hat für seine Entscheidungen keine vernünftigen Gründe, der ist einfach nur dumm oder gar böse. Statt seine Entscheidungen ernst zu nehmen und mit ihm zu diskutieren, muss man ihn bekämpfen. Eine Einstellung, die bezeichnenderweise für beide Seiten gilt.

Da es nun einmal so ist, dass die Gründe wesentlich von den jeweiligen Religionen beeinflusst sind, bleibt einem gar nichts anderes übrig, als sie gegeneinander zu stellen.
_________________
Grüße,
Abrazo
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carn
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Anmeldungsdatum: 15.02.2006
Beiträge: 2872

BeitragVerfasst am: 14.04.08, 12:25    Titel: Antworten mit Zitat

Abrazo hat folgendes geschrieben::

Hier muss nach den Gründen der gegenwärtigen Überzeugungen gefragt werden, also nach den Gründen, warum jeweils Aussagen für unhinterfragbar wahr gehalten werden.

Beim Koran ist das einfach, der wurde von Gott diktiert und Gott ist allwissend, barmherzig und gut, deswegen muessen seine Worte wahr sein.
Abrazo hat folgendes geschrieben::

Nur wenn man diese Gründe weiß, kann man die jeweils andere Seite verstehen, in ihren Behauptungen, ihren Entscheidungen, ihren Handlungen. Sind die Gründe nicht bekannt, neigen Menschen dazu zu sagen, der hat für seine Entscheidungen keine vernünftigen Gründe, der ist einfach nur dumm oder gar böse. Statt seine Entscheidungen ernst zu nehmen und mit ihm zu diskutieren, muss man ihn bekämpfen. Eine Einstellung, die bezeichnenderweise für beide Seiten gilt.

Leider vergessen Sie bei Ihrer Traeumerei, dass ein Diskutieren bei "Gotteslaesterung wird mit dem Tode bestraft" und "Gottes Wort anzuzweifeln ist Gotteslaesterung" die Diskussion etwas zu kurz sein koennte.
Desweiteren koennen sich unterschiedeliche Positionen so unterscheiden, dass ein Konflikt unvermeidbar ist, dann muss man eventuell den anderen bekaempfen obwohl oder gerade weil man ihn versteht.
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carn
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Anmeldungsdatum: 15.02.2006
Beiträge: 2872

BeitragVerfasst am: 14.04.08, 13:01    Titel: Antworten mit Zitat

Code Civil hat folgendes geschrieben::

Man braucht sich ja nur mal vorzustellen, es sei der Wille Gottes kleine Kinder auf Spielplätzen sexuell zu missbrauchen. Wohl fast jeder, außer vielleicht dem Papst und einigen Sexualstraftätern, wird zustimmen, dass ein solches Handeln auch dann nicht moralisch zu legitimieren ist, wenn es Gottes Wille wäre.


Tut mir leid eventuell nein, aber das ist wohl eine kompliziertere Sache der islamischen Theologie, ich will es hier trotzdem skizierren, nicht weil ich denke, dass es wirklich im Islam so ist(die Quelle wo ich es gelesen habe, war nicht neutral, jemand der sich zwar in Koran, Hadithen und verschiedene arabische theologischen Schriften hervoragend auskennt, der aber seltsamer Weise trotz dieser Lektuere glaubt, der Islam sei nicht friedlich), sondern weil ich daraufhinweisen will, was es fuer Vorstellungen geben kann, die bei mir einfach nur entsetzen ausloesen:

Im Islam steht Allah ueber allem und ist vollkommen, nichts und niemand kann ihn binden und er ist barmherzig und gut.
Das bedeutet aber auch, dass ihn menschliche Gedanken nicht binden koennen. Also sind irgendwelche Ueberlegungen "Allah wird dies oder jenes sagen oder tun, weil ich denke er wird es aus den Gruenden tun" voellig bedeutungslos. Nicht nur ist es bedeutungslos, die Ueberlegung an sich muss falsch sein, denn ihr Ergebnis - Allahs Wille ist durch Logik und entsprechende Gruende gebunden - ist falsch.

Deswegen waere eine Ueberlegung wie "Allah wird nicht befehlen kleine Kinder im Park zu vergewaltigen, denn mein Gewissen/Verstand sagt mir, dass das boese waere und Allah gut ist" falsch, denn es wuerde bedeuten, dass Allah sich an meinem Gewissen ausrichtet und das wiederspricht obiges Wahrheit, dass Allah ueber allem steht.

Vielemehr ist es so, dass wenn Allah einmal befehlen wuerde kleine Kinder im Park zu vergewaltigen, dann waere diese Handlungsweise gut und barmherzig. Denn Allah ist perfekt und gut und barmherzig und ein perfektes Wesen begeht nicht den Irrtum einen Befehl zu erteilen der seinen Prinzipien wiederspricht, also ist es gut und barmherzig kleine Kinder im Park zu vergewaltigen, sofern Allah es befielht.
Und das gilt selbst dann, wenn er gestern noch was anderes befohlen hat, denn selbst sein eigenes Wort bindet ihn nicht dauerhaft(was man daran erkennt, dass einige Koransuren - Worte Allahs - andere aufheben).


(Und da ueberkam mich dann das kalte Grausen und die Hoffnung, dass dieser Knabe sich wirklich irrt.)
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Code Civil
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Anmeldungsdatum: 07.04.2008
Beiträge: 68

BeitragVerfasst am: 14.04.08, 13:23    Titel: Antworten mit Zitat

mitternacht hat folgendes geschrieben::
Code Civil hat folgendes geschrieben::

Und damit der niedere Christ auch jede Form der Willkür erträgt, wurde nachdem die Christen an die Macht kamen, kurzerhand auch der Selbstmord zur Todsünde erklärt.
Ebenfalls Unsinn, im Judentum ist die Selbsttötung seit jeher schwere Sünde - und das ist einige Jahrtausende älter.

In der Bibel wird der Suizid nirgends ausdrücklich verboten, und die christliche Lehre bezog lange Zeit keine eindeutige Stellung zum Suizid. Erst Kirchenvater Augustinus (354–430) verurteilte als erster in seinem Werk „De civitate Dei“ den Suizid als Übel und zwar zu einer Zeit als die Christen an die Macht kamen. Der römische Kaiser Theodosius I. erklärte durch verschiedene Gesetze in den Jahren 380 bzw. 390/391 das Christentum faktisch zur Staatsreligion.

mitternacht hat folgendes geschrieben::
Code Civil hat folgendes geschrieben::

Das Christentum gestattet prinzipiell jede Form der Unrechtsherschafft, dem gläubigen Christen wird je nach Bibelübersetzung und Auslegung Gerechtigkeit erst im Himmel versprochen.
Das ist grottenfalsch. Von "gestatten" kann nicht die Rede sein.


Erlaubt ist, was nicht verboten ist. Mir ist kein Papst bekannt, der etwas gegen die Versklavung von Menschen durch Christen unternommen hätte. Erst kürzlich hat der jetzige Papst in seiner neusten Lehrschrift die Befreiungstheologie für abwegig erklärt. Die verschiedenen Bibelübersetzungen unterscheiden sich allerdings teils elementar, was das Versprechen auf ein gerechtes irdisches Leben für die Gläubigen betrifft.

Matthäus 5 Vers 3 und Lukas 6 Vers 20 findet sich in folgenden Übersetzungen:
Er [Jesus] sagte:

„Selig, die arm sind vor Gott; denn ihnen gehört das Himmelreich.“ Matthäus 5,3 (EU)
„Selig, ihr Armen, denn euch gehört das Reich Gottes.“ Lukas 6, 20 (EU)

„Glückselig die Armen im Geist, denn ihrer ist das Reich der Himmel.“ Matthäus 5,3 (ELB)
„Glückselig ihr Armen, denn euer ist das Reich Gottes.“ Lukas 6, 20 (ELB)

„Glücklich sind, die erkennen, wie arm sie vor Gott sind, denn ihnen gehört die neue Welt Gottes.“ Matthäus 5,3 (HFA)
„Glücklich seid ihr Armen, denn euch gehört die neue Welt Gottes“ Lukas 6, 20 (HFA)

mitternacht hat folgendes geschrieben::
Code Civil hat folgendes geschrieben::

Wäre die Sharia dann historisch positiv zu bewerten, wenn die Reglungen (erstmalig) verbindlich für alle gewesen wären, also auch der Herrscher gesteinigt würde, wenn er Ehebruch begeht?
Auf "Ehebruch" steht "100 Peitschenhiebe" und nicht "steinigen".


Über die Strafandrohung hat uns Abrazo bereits aufgeklärt, auch darüber, dass dennoch häufig weiterhin im islamischen Kulturkreis gesteinigt wurde. Die tatsächliche Strafandrohung ist aber in Bezug auf die Fragestellung nebensächlich, was jeder, der bis zwei zählen kann erkennen sollte. Es geht um die Frage, ob nach islamischen Recht ein Herrscher genauso bestraft wird wie seine Untertanen.

mitternacht hat folgendes geschrieben::
Code Civil hat folgendes geschrieben::

Hat die Sharia also den Gedanken der Gleichheit vor dem Gesetz geprägt,
Ganz bestimmt nicht, denn die Shar'ia behauptet zwar, für alle zu gelten, hat aber für "Gläubige" und "Ungläubige" unterschiedliche Rechtsmaßstäbe, wobei die "Ungläubigen" noch mal (je nach Denomination) unterschiedlich behandelt werden.

Dieser Einwand ist insofern historisch realtiv unstatthaft, da z.B. wie dargelegt selbst in Zeiten der Aufklärung die Gleichheit vor dem Gesetz nur auf Männer bezogen wurde. Frauen bekamen z.B. in Deutschland erst 1918 Wahlrecht. Zudem steht es meines Wissens jedem frei zum Islam zu konvertriern und damit gleiche Rechte zu erwerben. Historisch wäre es also als Fortschritt zu werten, wenn zumindest in der Gruppe die Gleichheit vor dem Gesetz galt, was ja z.B. für Christen nicht galt.

mitternacht hat folgendes geschrieben::
Code Civil hat folgendes geschrieben::

während das Christentum weiterhin predigte, dass der Herrscher über dem Gesetz stünde?
Unfug. Wenn das so gewesen wäre, hätte "Canossa" nie stattgefunden.

Mit der Fragestellung wird nicht behauptet, dass das Christentum weiterhin predigte, dass der Herrscher über dem Gesetz stünde. Allerdings heißt es in der Bibel: Gebt dem Kaiser, was dem Kaiser gehört, und Gott, was Gott gehört (Mt 22, 17). Grundsätzlich erhebt das Christentum also nicht den Anspruch etwas daran zu ändern, dass der Herrscher über dem Gesetz steht. Jesus selbst hat sich über dem Gesetz stehend gesehen ( Mt 17,24ff) , und mir ist auch nicht bekannt, dass die Privilegien des Adels und des Klerus auf den Widerstand eines Papstes der katholische Kirche gestoßen wären.

mitternacht hat folgendes geschrieben::
Code Civil hat folgendes geschrieben::

Hat die Sharia ggf. in anderer Weise einen positiven Einfluss gehabt?
Sicher. (...) im Bezug auf die Rechte der Frau.

Wie hat sich der Einfluss in Europa bemerkbar gemacht?

mitternacht hat folgendes geschrieben::
Code Civil hat folgendes geschrieben::

Etwa in dem die Sharia im Gegensatz zum Christentum, wo sich der Papst ja einfach nach Belieben auf irgendeinen Bibelspruch beziehen kann, ein konsistentes Rechtssystem schaffte?
Was für ein Quatsch. Für die koptischen Christen ist der Papst seit dem 5. Jhdt. nicht "zuständig"; und die Ostkirchen lehnen den Primat des römischen Patriarchen mindestens seit 1054 ab -

Ja und? Es ist für die Frage doch völlig unrelevant, ob koptischen Christen und Ostkirchen sich nun nach dem Papst richten oder nicht. Bei der Fragestellung geht es um die konsistente Auslegung. In der Bergpredigt hießt es: „Selig, die keine Gewalt anwenden; denn sie werden das Land erben.“ ([url=http://www.bibleserver.com/act.php?search_context=40005005&context_translation=27]Mt 5,5 (EU)[/url)]. Wie ist dies mit der Zwangsbekehrung von Andersgläubigen zu vereinbaren? Oder mit dem Segnen von Kanonen durch christliche Geistliche im ersten Weltkrieg?

mitternacht hat folgendes geschrieben::

Abgesehen davon hinkt der Vergleich mit dem Christentum vor allem im historischen Kontext: Das Christentum entstand unter den Randbedingungen zweier verschiedener Rechtssysteme: Das Recht des Volkes Israel und das Recht der römischen Besatzer. Die Anhänger dieser Religion entstammten den unterschiedlichsten Völkern. Von daher hat das Christentum nie den Anspruch gehabt, ein eigenes Rechtssystem zu entwickeln, das alle Lebensbereiche abdeckte: Der "Regelungsbedarf" erstreckte sich allein auf die inner-religiösen Fragen. Hingegen entwickelte sich der Islam aus der "Stammesreligion" Mohammeds, und hatte von vornherein den Anspruch, das gesamte Leben zu regeln, eine Trennung von "Glaube" und "Staat", wie im Christentum gab es nicht - im Gegenteil.


Das wurde bereits mehrfach dargestellt. Darin liegt ja der Vorteil des Christentums in der Moderne.
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Code Civil
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Anmeldungsdatum: 07.04.2008
Beiträge: 68

BeitragVerfasst am: 14.04.08, 18:20    Titel: Antworten mit Zitat

mitternacht hat folgendes geschrieben::
Code Civil hat folgendes geschrieben::

Sowohl das Konzept eines angeblich existierenden Naturgesetzes, gemeint ist wohl schlicht das Recht des Stärkern,

Nein, gemeint ist eine Art natürliches Rechtsempfinden, das sich unabhängig von Kulturkreis und Gesellschaftsform entwickelt hat; Regelungen wie "Du sollst nicht töten - jedenfalls keine Angehörigen des eigenen Clans"

Gefragt wurde: Welches verbindliche Gesetz bindet denn den Papst oder hat Ludwig XIV in gleicher Weise wie ihre "Untertanen" gebunden? Lus primae noctis? Wenn sich das Recht auf die erste Nacht des Herrschers mit der mit einem anderen Mann frisch verheirateten Frau aus einem Naturgesetz ergeben soll, so ist damit hier wohl schlicht das Recht des Stärkern gemeint. Wie sonst ist auch die Unterdrückung der Frau zu erklären? Naturgesetz impliziert das Unabänderbare. Wenn ein Bürgermeister oder der Bundeskanzler heute auf einer Hochzeit das Recht einfordern wollte, mit der Braut vor dem Bräutigam zu schlafen, würde das aber wohl niemand als rechtmäßig empfinden. Insofern ist fraglich wie viel des Rechtsempfindens natürlich und wie viel soziologisch geprägt ist. Der jetzige Papst vertritt die Ansicht, dass der Mensch ohne Moral geboren wird und daher die Religion bräuchte, was aber nicht sein kann, da der Mensch ohne jegliche natürliche Moral, etwa dem Fürsorgeinstinkt, gar nicht überlebt hätte.

mitternacht hat folgendes geschrieben::
Code Civil hat folgendes geschrieben::
mitternacht hat folgendes geschrieben::
Code Civil hat folgendes geschrieben::

Im Gegensatz zum Islam kann der Papst sogar ganz allein bestimmen, was der Wille Gottes sei,
Solche Sprüche sind das Phantasieprodukt von Leuten, die von der katholischen Kirche wenig bis gar keine Ahnung haben.

ganz davon abgesehen, dass dies Konzept ohnehin wenig intelligent erscheint.
Natürlich. Denn es wurde von denen entwickelt und behauptet, die gezielt die Kirche diffamieren wollen.


Ist der Papst nun nach eigener Ansicht „unfehlbarer“ Stellvertreter Gottes wenn er ex cathedra spricht oder nicht? Das ansonsten die Gesamtheit der Bischöfe Träger der Unfehlbarkeit sind, macht die Sache auch nicht viel besser. Unter der Bezeichnung Heiliger Stuhl agiert der römische Papst sowohl allein als auch zusammen mit der Kurie international als nichtstaatliches Völkerrechtssubjekt und vertritt zugleich den Staat Vatikanstadt (als staatliches Völkerrechtssubjekt), dessen Staatsoberhaupt er ist. Der Papst ist auch der Gesetzgeber. Er wird durch eine Kommission vertreten. Päpste sind absolute Monarchen. Zwar wird der Papst gewählt, doch kann er beispielsweise alle Teile der Verfassung bezüglich der Papstwahl und der Vertretung des Papstes durch jene gesetzgebende Kommission außer Kraft setzen. Begründet wird dieser Anspruch mit der historisch nicht belegten Nachfolgerschaft des Apostels Petrus in Bezug auf eine Stelle aus dem Matthäus-Evangelium der Bibel (Kapitel 16, Vers 18-19):

"18Du bist Petrus und auf diesen Felsen werde ich meine Kirche bauen und die Mächte der Unterwelt werden sie nicht überwältigen. 19Ich werde dir die Schlüssel des Himmelreichs geben; was du auf Erden binden wirst, das wird auch im Himmel gebunden sein, und was du auf Erden lösen wirst, das wird auch im Himmel gelöst sein." (EU)

mitternacht hat folgendes geschrieben::
Code Civil hat folgendes geschrieben::

Sowohl Christentum als auch Islam spiegeln nur die weltlichen Moralvorstellungen von Herrschaftslegitimation in ihrer Zeit.
Auf das Christentum bezogen ist diese Aussage falsch. Von "Herrschaftslegitimation" kann nicht die Rede sein.


Moralvorstellungen von Herrschaftslegitimation meint, dass die bekannten Formen von Herrschaftslegitimation auf die Religionen übertragen wurden. Gott darf als König quasi alles, er unterliegt weder Kontrolle noch Gesetz. Jesus meint als Sohn des Königs keine Steuern zahlen zu müssen. Je tiefer im Ranking, desto mehr wird man durch Gesetze gebunden. Das Paulus im 1. Brief an die Korinther christliche Haussklaven ausdrücklich ermahnte in ihrem Stand zu bleiben, wurde bereits erwähnt.

mitternacht hat folgendes geschrieben::

Das Christentum der ersten Jahrhunderte war die Religion von Sklaven und Verfolgten.


Das sagt der Papst:

„Das Christentum hatte keine sozialrevolutionäre Botschaft gebracht, etwa wie die, mit der Spartakus in blutigen Kämpfen gescheitert war. Jesus war nicht Spartakus, er war kein Befreiungskämpfer wie Barabbas oder Bar-Kochba. Was Jesus, der selbst am Kreuz gestorben war, gebracht hatte, war etwas ganz anderes: die Begegnung mit dem Herrn aller Herren, die Begegnung mit dem lebendigen Gott und so die Begegnung mit einer Hoffnung, die stärker war als die Leiden der Sklaverei und daher von innen her das Leben und die Welt umgestaltete.“http://www.vatican.va/holy_father/benedict_xvi/encyclicals/documents/hf_ben-xvi_enc_20071130_spe-salvi_ge.html

mitternacht hat folgendes geschrieben::
Code Civil hat folgendes geschrieben::

In der Bibel gib es Ansätze zur Schaffung einer gerechteren Gesellschaft, deren Erfüllung vermutlich aus realpolitischen Gründen aber in den Himmel verschoben wurde.
Der größere Teil der Bibel besteht aus den Heiligen Schriften der Juden. Sind die gemeint?

Die Bergpredigt wurde von Jesus gehalten.

mitternacht hat folgendes geschrieben::
Code Civil hat folgendes geschrieben::
So brauchten sich später auch christliche Herrscher nicht groß an Ideale zu halten,
Historisch nicht haltbar. Heinrich VIII (England) z. B. hatte ziemlich Stress mit "Kirchens", weil er sich nicht an Ideale halten wollte - und Canossa hatten wir vorhin schon.

Was sind das für Ideale wenn einerseits Menschen versklavt werden dürfen, Scheidungen aber nicht gestattet sind?

mitternacht hat folgendes geschrieben::
Code Civil hat folgendes geschrieben::

Christentum und Islam haben gemein, dass Gott über dem Gesetz steht, was letztlich nur Ausdruck einer Zeit ist, indem Herrscher über dem Gesetz standen.
Nein. Das liegt einfach an der Definition des Gottesbegriffes - mit Zeitgebundenheit hat das nichts zu tun.

Offenbar hinkt die Definition des Gottesbegriffes der Zeit hinterher.
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Anmeldungsdatum: 09.12.2006
Beiträge: 11996

BeitragVerfasst am: 14.04.08, 20:36    Titel: Antworten mit Zitat

Code Civil hat folgendes geschrieben::
...
Ist der Papst nun nach eigener Ansicht „unfehlbarer“ Stellvertreter Gottes wenn er ex cathedra spricht oder nicht? Das ansonsten die Gesamtheit der Bischöfe Träger der Unfehlbarkeit sind, macht die Sache auch nicht viel besser. Unter der Bezeichnung Heiliger Stuhl agiert der römische Papst sowohl allein als auch zusammen mit der Kurie international als nichtstaatliches Völkerrechtssubjekt und vertritt zugleich den Staat Vatikanstadt (als staatliches Völkerrechtssubjekt), dessen Staatsoberhaupt er ist. Der Papst ist auch der Gesetzgeber. Er wird durch eine Kommission vertreten. Päpste sind absolute Monarchen. Zwar wird der Papst gewählt, doch kann er beispielsweise alle Teile der Verfassung bezüglich der Papstwahl und der Vertretung des Papstes durch jene gesetzgebende Kommission außer Kraft setzen. Begründet wird dieser Anspruch mit der historisch nicht belegten Nachfolgerschaft des Apostels Petrus in Bezug auf eine Stelle aus dem Matthäus-Evangelium der Bibel (Kapitel 16, Vers 18-19):

"18Du bist Petrus und auf diesen Felsen werde ich meine Kirche bauen und die Mächte der Unterwelt werden sie nicht überwältigen. 19Ich werde dir die Schlüssel des Himmelreichs geben; was du auf Erden binden wirst, das wird auch im Himmel gebunden sein, und was du auf Erden lösen wirst, das wird auch im Himmel gelöst sein." (EU)
....

Dazu fällt mir spontan folgendes ein: "Mein Reich ist nicht von dieser Welt." - (Jesus und die Kirche).

Aber auch dies halte ich für wichtig:
    „Gebt des Kaisers, was des Kaisers ist.“ (Lk. 20,25)
Wird hier nicht schon eine Trennung von Kirche und Staat deutlich?

Zur Unfehlbarkeit gäbe es sicher auch sehr viel zu schreiben. Im übrigen hat es immer schon eine Kirchenkritik gegeben. Ich bin der Meinung, daß selbst Glaube und Kirche nicht das selbe sind. Je länger ich mich mit der Kirche auseinandersetze, desto mehr komme ich zum Schluß, daß es der Kirche in der langjährigen Geschichte nur um "weltliche Macht" und "Machterhalt" ging. In einer Rückschau müßten die Kreuzzüge, sowie die Inquisition thematisiert werden.

Müssten wir nicht in dem Thread auch über den Ablass und den Protestantismus reden?

Seit Jahren verfolge ich die Diskussion von/über Eugen Drewermann und Uta Ranke-Heinemann. Es gibt die Kirche von unten. ... und dann wäre da noch das Zölibat.

Worum geht es eigentlich bei dem Glaube (Religion)? Sollen Menschen nicht ihr (Seelen-)Heil finden?
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Abrazo
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Anmeldungsdatum: 30.05.2005
Beiträge: 5941
Wohnort: Köln

BeitragVerfasst am: 14.04.08, 21:05    Titel: Antworten mit Zitat

Zitat:
Beim Koran ist das einfach, der wurde von Gott diktiert und Gott ist allwissend, barmherzig und gut, deswegen muessen seine Worte wahr sein.

Davon ist hier aber nicht die Rede.
Die Rede ist davon, welches die Gründe dafür sind, dass für die Einen etwas von zentraler Bedeutung sein kann, worauf andere pfeifen.
Hier erinnere ich beispielhaft - denn es betrifft ja nicht nur den Islam - an Reagans Wort "lieber tot als rot", verkündet bei einem Staatsbesuch in Deutschland. Doch statt Applaus erntete er Empörung: "der hat se wohl nich mehr alle!" Voilá. Ich halte es für angebracht, nach den Gründen zu fragen, warum Reagan so etwas sagte und offenbar Zustimmung erwartete, während es dabei nicht nur mir kalt den Rücken hinunter läuft.

Zitat:
Desweiteren koennen sich unterschiedeliche Positionen so unterscheiden, dass ein Konflikt unvermeidbar ist, dann muss man eventuell den anderen bekaempfen obwohl oder gerade weil man ihn versteht.

Bei solchen Aussagen läuft es mir auch kalt den Rücken hinunter.
Allerdings nicht lange.
Denn siehe, gegen Geist und Kultur kann man schlecht mit Kanonen anballern, die sind wie ne Hydra: haste einen Kopf weggeschossen, wachsen zwei nach. Und die beiden sind garantiert der Auffassung, dass der, der ballert, zwar gefährlich ist, aber dazu auch noch dämlich, geist- und kulturlos, und insofern keine dauerhafte Gefahr für alle darstellen kann.

Zitat:
Im Islam steht Allah ueber allem und ist vollkommen, nichts und niemand kann ihn binden und er ist barmherzig und gut.
Das bedeutet aber auch, dass ihn menschliche Gedanken nicht binden koennen. Also sind irgendwelche Ueberlegungen "Allah wird dies oder jenes sagen oder tun, weil ich denke er wird es aus den Gruenden tun" voellig bedeutungslos. Nicht nur ist es bedeutungslos, die Ueberlegung an sich muss falsch sein, denn ihr Ergebnis - Allahs Wille ist durch Logik und entsprechende Gruende gebunden - ist falsch.

Vielleicht solltest Du Dich mit solchen Überlegungen besser nicht befassen, jedenfalls nicht, bevor Du Dich nicht in paar hundert Jahre Geistesgeschichte eingelesen hast. Da wurden solche Probleme nämlich längst lang und breit diskutiert, allerdings auf einem anderen Niveau.

Hinsichtlich der Frage, ob Gott, wenn es ihn gibt, das Gute will oder ob das gut ist, was Gott will, hätte ich Dir empfohlen, Dich an Wittgenstein zu wenden, so er noch leben würde, der vertrat nämlich die zweite Ansicht; und der war bekanntlich Logiker.

Aber ich will die Diskussionsteilnehmer nicht mit solchen Fragen plagen, denn solange keiner nachfragt, halte ich sie doch für etwas zu speziell für ein Rechtsforum.

Ich schlage vor, wir kehren zu der Frage nach Rechtssystemen zurück, wobei ich zu bedenken gebe, dass 1.300 Jahre intensiver Befassung mit Rechtswissenschaft, wie es in der islamischen Welt der Fall war, einen vernünftigen Menschen wohl kaum zu der Annahme gelangen lassen, man hätte in dem, was heute als Ergebnis da steht, kein komplexes, weitgehend widerspruchsfreies und stringentes System vor sich.

Zitat:
Es geht um die Frage, ob nach islamischen Recht ein Herrscher genauso bestraft wird wie seine Untertanen.

Fragen Sie Radio Eriwan. Im Prinzip muss ein Herrscher genau so bestraft werden, wie seine Untertanen. Wobei diese Frage angesichts der Tatsache irreal erscheint, dass einer, der sich eine Strafe verdient hat, nach islamischem Recht gar kein Herrscher sein darf.
Aber die Frage ist, wie das im Falle einer diktatorischen Herrschaft möglich sein soll, ihn zu bestrafen.

Übrigens hat es mich gerade eben - denn ich hatte gerade eben paar Tage lang arabischen Besuch - positiv überrascht, wie sehr sich offenbar in der islamischen Welt der - zutreffende - Gedanke bereits verbreitet hat, dass der Islam nicht etwa Demokratie durchaus ermöglicht, sondern, dass die islamische Gemeinde ursprünglich als eine demokratische angelegt war.

Zitat:
Wird hier nicht schon eine Trennung von Kirche und Staat deutlich?

Gewiss, aber - muss die wirklich auch da positiv gesehen werden, wo es gar keine Kirche gibt?
_________________
Grüße,
Abrazo
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Anmeldungsdatum: 09.12.2006
Beiträge: 11996

BeitragVerfasst am: 14.04.08, 21:43    Titel: Antworten mit Zitat

Abrazo hat folgendes geschrieben::
Zitat:
Ich sehe ansonsten die Gefahr, daß dieses wichtige Thema einem Schlagabtausch "Bibel gegen Koran" anheim fällt,

Eine Diskussion, auch über unterschiedliche Rechtssysteme, kann gar nicht geführt werden, ohne die Bibel - speziell das Neue Testament - gegen den Koran zu stellen. Aber nicht deswegen, um Glaube gegen Glaube zu stellen nach Art religiöser Streitigkeiten, sondern um zu analysieren, wovon die unterschiedlichen Denkweisen geprägt worden sind.
...

Da es nun einmal so ist, dass die Gründe wesentlich von den jeweiligen Religionen beeinflusst sind, bleibt einem gar nichts anderes übrig, als sie gegeneinander zu stellen.

Hallo Abrazo,

welche (unterschiedlichen) Rechtssysteme können im Kontext zur Shari'a verglichen/diskutiert werden?

Mir fällt es schwer, unser "weltliches Recht" auf Grundlage des Grundgesetzes mit einem Kirchenrecht zu vergleichen. Sicher sind unserem weltlichen Recht die christlichen Wurzeln und der christliche Geist nicht zu leugnen. Aber in den letzten Jahrzehnten hat sich unser "weltliches Recht" doch sehr stark verändert (z.B. das Ehe- und Familienrecht, Sexualstrafrecht, usw.).

Mitternacht wird bestimmt der richtige Ansprechpartner sein, wenn es um den Codex des kanonischen Rechtes geht. Oder vergleichen wir lieber die Shari'a mit dem Recht der EKD?

Liebe Grüße

Klaus
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Anmeldungsdatum: 09.12.2006
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BeitragVerfasst am: 14.04.08, 23:08    Titel: Antworten mit Zitat

@ Code Civil

zu
Code Civil hat folgendes geschrieben::
... Ist der Papst nun nach eigener Ansicht „unfehlbarer“ Stellvertreter Gottes wenn er ex cathedra spricht oder nicht? ...
siehe
Can. 331 hat folgendes geschrieben::
— Der Bischof der Kirche von Rom, in dem das vom Herrn einzig dem Petrus, dem Ersten der Apostel, übertragene und seinen Nachfolgern zu vermittelnde Amt fortdauert, ist Haupt des Bischofskollegiums, Stellvertreter Christi und Hirte der Gesamtkirche hier auf Erden; deshalb verfügt er kraft seines Amtes in der Kirche über höchste, volle, unmittelbare und universale ordentliche Gewalt, die er immer frei ausüben kann.

Zwischen "Gott" und "Christi" gibt es schon einen Unterschied (s.a. Dreifaltigkeit). Winken
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Abrazo
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Anmeldungsdatum: 30.05.2005
Beiträge: 5941
Wohnort: Köln

BeitragVerfasst am: 14.04.08, 23:20    Titel: Antworten mit Zitat

Zitat:
Sicher sind unserem weltlichen Recht die christlichen Wurzeln und der christliche Geist nicht zu leugnen.

Genau darum geht es - dass es da unterschiedliche Wlurzeln gibt, die zu unterschiedlichen Anschauungen führen.

Der zentrale Unterschied in der Sichtweise liegt m.E. in der Beziehung zur Welt, zum Sein. Die ist nämlich für die christlich geprägte Sicht negativ, für die islamische positiv. Heißt: während die Welt für die christlich Geprägten ein Übel ist, mit dem man irgendwie fertig werden muss, ist sie für die Muslime Gottes gute Schöpfung, auf der einzelne Menschen zwar Unheil anrichten können, die ihr jedoch nicht die positive Qualität nehmen können. Und diese positive Qualität soll der Mensch durchaus genießen, sofern er dabei an Gott denkt.

Aus der negativen Qualität der Welt - und in ihr des Menschen - folgt die Notwendigkeit der Erlösung. Der Mensch ist grundsätzlich verloren, mit Ausnahme derjenigen, die an Jesus als den für den Menschen geopferten Sohn Gottes glauben (Menschenopfer! Auch den Juden eine unannehmbare Sache); alle anderen jedoch können machen, was sie wollen, sie landen, primitiv gesagt, in der Hölle. Hilfsweise müssen sie an eine andere Form der Erlösung glauben - die Hölle bereitet man dann denen selber, die das nicht tun.

Kann natürlich einer, der glaubt, dass die Welt und in ihr der Mensch grundsätzlich gut geschaffen wurden, dass Mensch in ihr folglich nur anständig - also nach dem göttlichen Grundgesetz - leben muss, um nach dem Tod problemlos von Gott aufgenommen zu werden, nicht nachvollziehen. Kann ein Muslim auch deswegen nicht nachvollziehen, weil er den Gedanken für absurd hält, irgend eine Macht könnte den Allmächtigen dazu zwingen, sie durch ein solches Opfer zu besiegen.

Wenn aber geglaubt wird, dass Gott genau das getan hat, dann hat die Welt eine Geschichte. Solch eine Geschichte wäre natürlich sinnlos ohne ein Ziel, und das ist eben das Ende der Geschichte, wobei es für diese Denkweise gleichgültig ist, ob das Ende der Geschichte der Augustinische Gottesstaat ist, der Kommunismus nach Marx oder die weltweite Verbreitung des eigenen Gesellschaftssystems, wie bei Huntingdon und Fukuyama. Denn es geht ja nicht um den religiösen Glauben, sondern umd die von ihm geprägte Denkweise, die so selbstverständlich erscheint, dass man sich der religiösen Wurzeln gar nicht mehr bewusst ist.

Das Ziel der Geschichte ist die reine, geschichtslose Glückseligkeit (fatalerweise kommt mir dabei immer Huxleys Satz aus "Schöne neue Welt" in den Sinn: "Geschichte ist Mumpitz"), die allerdings ihren Preis hat, nämlich das Erdulden von allerlei Ungemach und Leiden in der Gegenwart. Macht aber nichts, Leiden muss sein, ist unausweichlich, denn die Welt ist ja so (tut mir leid, wenn ich mich mit derlei Analysen befasse, falle ich immer in Zynismus und es begegnen mir Nietzsches große Füße). Die Wonne des allein selig machenden Systems wird eben unausweichlich mit Kollateralschäden bezahlt. Auch bei Robbespierre, Lenin und Ulbricht, ich will da gar nicht einseitig sein. Normal. So is dat ebent.

Wer die Welt hingegen positiv sieht, der sieht das anders. Der meint, das Leben könnte so schön sein, gäbe es da nicht ein paar Leute, die es einem versauen. Die muss man dann eben ausschließen, und wenn die einem ins Haus einsteigen, dann muss man sie eben rausschmeißen, wenn es sein muss, dann mit Gewalt.

Heißt: während die einen mangels Qualität der alten eine neue Welt überhaupt erst erschaffen wollen - ob mit oder mangels Glauben ohne göttliche Hilfe - betrachten die anderen genau das als zerstörerische Übeltat, als Einbruch in ihr Haus, gegen den man seine Truppen in Marsch setzen muss, um den Frieden wiederherzustellen.

Ein Grundkonflikt.

Wenn nun aber keiner die Ursache dieses Konfliktes, nämlich die in den untersten Schichten des Weltbildes angelegte Weltsicht, erkennt, dann sucht Mensch sich üblicherweise eine andere Ursache. Und wenn Mensch keine rationale erkennt, behauptet er eine irrationale: der jeweils andere ist dann eben böse. Ein Gewalttäter, ein Menschenfeind, ein Verbrecher, Untermensch, Gegenmensch, Satansbraten. Eine Ansicht, die sich grundsätzlich immer bestätigt, denn an jedem Konflikt beteiligen sich zuvörderst eben die Satansbraten, die in jeder größeren Menschengruppe zu finden sind, weil, da können sie sich so richtig ausleben. Und weil es so schön passt, stehen die Satansbraten eben pars pro toto für alle, die die eigene Überzeugung nicht teilen.

Von da an hat man dann zwei Varianten: entweder zu glauben, die Leute seien ja gar nicht dagegen, die Gegnerschaft beschränke sich auf die paar Satansbraten (was nicht stimmt), oder zu glauben, die gesamte Gegnerschaft bestünde nur aus lauter Satansbraten (was auch nicht stimmt).

Da beide Varianten Blödsinn sind, plädiere ich dafür, die Satansbraten Satansbraten sein zu lassen und sich statt dessen lieber in den Dialog mit den normal vernünftigen Menschen zu begeben, wobei man freilich das Risiko eingehen muss, seine eigenen Vorstellungen kritisch unter die Lupe nehmen und sie ggf. revidieren zu müssen - was gerechterweise für beide gilt.
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Grüße,
Abrazo
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Anmeldungsdatum: 09.12.2006
Beiträge: 11996

BeitragVerfasst am: 15.04.08, 01:06    Titel: Antworten mit Zitat

Abrazo hat folgendes geschrieben::
...
Ein Grundkonflikt.

Wenn nun aber keiner die Ursache dieses Konfliktes, nämlich die in den untersten Schichten des Weltbildes angelegte Weltsicht, erkennt, dann sucht Mensch sich üblicherweise eine andere Ursache. Und wenn Mensch keine rationale erkennt, behauptet er eine irrationale: der jeweils andere ist dann eben böse. Ein Gewalttäter, ein Menschenfeind, ein Verbrecher, Untermensch, Gegenmensch, Satansbraten. Eine Ansicht, die sich grundsätzlich immer bestätigt, denn an jedem Konflikt beteiligen sich zuvörderst eben die Satansbraten, die in jeder größeren Menschengruppe zu finden sind, weil, da können sie sich so richtig ausleben. Und weil es so schön passt, stehen die Satansbraten eben pars pro toto für alle, die die eigene Überzeugung nicht teilen.

Von da an hat man dann zwei Varianten: entweder zu glauben, die Leute seien ja gar nicht dagegen, die Gegnerschaft beschränke sich auf die paar Satansbraten (was nicht stimmt), oder zu glauben, die gesamte Gegnerschaft bestünde nur aus lauter Satansbraten (was auch nicht stimmt).

Da beide Varianten Blödsinn sind, plädiere ich dafür, die Satansbraten Satansbraten sein zu lassen und sich statt dessen lieber in den Dialog mit den normal vernünftigen Menschen zu begeben, wobei man freilich das Risiko eingehen muss, seine eigenen Vorstellungen kritisch unter die Lupe nehmen und sie ggf. revidieren zu müssen - was gerechterweise für beide gilt.

In "Nathan der Weise" ist m.E. der von Dir genannte Grundkonflikt sehr gut beschrieben. Dieser läßt sich allerdinge nur zwischen den Religionen und ihren Vertretern lösen. Selbstverständlich stehe ich mit den Vertretern von Moscheevereinen in einem "kritischen" Dialog. Der Glaube ist durch unsere Verfassung als Grundrecht geschützt. Die Präambel des Grundgesetzes enthält eines Gottesbezug. Natürlich darf auch die Religionsfreiheit nach Art. 4 GG m.E. nicht in Frage gestellt werden. Aber irgendwie wird die gegenseitige Toleranz auf eine harte Probe gestellt. Damit meine ich nicht nur die Toleranz zwischen "Politik und Religion", sondern auch zwischen den Religionen. Nach dem 11. September 2001 folgte der Irakkrieg. Und in Deutschland haben wir verschiedene Richtungen des Islam bzw. der Muslime vertreten.

Die Ursachen der augenblicklichen Probleme liegen aber in den 60er Jahren. Während die Italiener und Portugiesen von der Caritas sozial und religiös betreut wurden und die Griechen in der Diakonie ihre Ansprechpartner fanden, reichte die soziale Betreuung der Türken und Marokkaner durch die AWO nicht aus (s.a. Türk Danış). Lange Zeit wurde in Deutschland das religiöse Bedürfnis dieser Menschen in die Hinterhofmoscheen verbannt. Unsere Gesellschaft hat es eigentlich nie richtig zugelassen das Menschen eines anderen Glaubens wirklich in Deutschland ankommen konnten. Darin sehe ich die eigentliche Ursache dafür, daß sich die Religionen in Deutschland seit nunmehr 40 Jahren so fremd geblieben sind. Wer sich nicht wirklich angenommen fühlt, der schottet sich ab. Mit der Ausländerpolitik der letzten 40 Jahre hat sich die Bundesrepublik nicht mit Rum bekleckert.
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carn
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Anmeldungsdatum: 15.02.2006
Beiträge: 2872

BeitragVerfasst am: 15.04.08, 08:49    Titel: Antworten mit Zitat

Abrazo hat folgendes geschrieben::
Zitat:
Beim Koran ist das einfach, der wurde von Gott diktiert und Gott ist allwissend, barmherzig und gut, deswegen muessen seine Worte wahr sein.

Davon ist hier aber nicht die Rede.
Die Rede ist davon, welches die Gründe dafür sind, dass für die Einen etwas von zentraler Bedeutung sein kann, worauf andere pfeifen.

Weil der eine glaubt, es seien Worte Gottes, waehrend der andere glaubt es seien nur die Gedanken eines etwas erfolgreicheren Sektenfuehrers?
Was braucht es noch an Gruenden?
Abrazo hat folgendes geschrieben::

Zitat:
Desweiteren koennen sich unterschiedeliche Positionen so unterscheiden, dass ein Konflikt unvermeidbar ist, dann muss man eventuell den anderen bekaempfen obwohl oder gerade weil man ihn versteht.

Bei solchen Aussagen läuft es mir auch kalt den Rücken hinunter.
Allerdings nicht lange.
Denn siehe, gegen Geist und Kultur kann man schlecht mit Kanonen anballern, die sind wie ne Hydra: haste einen Kopf weggeschossen, wachsen zwei nach. Und die beiden sind garantiert der Auffassung, dass der, der ballert, zwar gefährlich ist, aber dazu auch noch dämlich, geist- und kulturlos, und insofern keine dauerhafte Gefahr für alle darstellen kann.

Denn siehe, gegen Dummheit ist kein Kraut gewachsen, egal was offensichtliches in der Welt passiert die Dummheit schliesst die Augen davor. Wer Geist und Kultur zerstoeren will, macht das nicht mehr mit Pferd und Schwert, das funktioniert wirklich nicht, aber daraus zu folgern dass es mit vollstaendiger Ueberwachung und Erfassung, Gaskammern und Nuklearwaffen nicht klappen kann ist dumm.
Abrazo hat folgendes geschrieben::

Zitat:
Im Islam steht Allah ueber allem und ist vollkommen, nichts und niemand kann ihn binden und er ist barmherzig und gut.
Das bedeutet aber auch, dass ihn menschliche Gedanken nicht binden koennen. Also sind irgendwelche Ueberlegungen "Allah wird dies oder jenes sagen oder tun, weil ich denke er wird es aus den Gruenden tun" voellig bedeutungslos. Nicht nur ist es bedeutungslos, die Ueberlegung an sich muss falsch sein, denn ihr Ergebnis - Allahs Wille ist durch Logik und entsprechende Gruende gebunden - ist falsch.

Vielleicht solltest Du Dich mit solchen Überlegungen besser nicht befassen, jedenfalls nicht, bevor Du Dich nicht in paar hundert Jahre Geistesgeschichte eingelesen hast. Da wurden solche Probleme nämlich längst lang und breit diskutiert, allerdings auf einem anderen Niveau.

Hinsichtlich der Frage, ob Gott, wenn es ihn gibt, das Gute will oder ob das gut ist, was Gott will, hätte ich Dir empfohlen, Dich an Wittgenstein zu wenden, so er noch leben würde, der vertrat nämlich die zweite Ansicht; und der war bekanntlich Logiker.

Lesen lernen, erstens habe ich versucht die Gedanken zu skizzieren, die muslimische Theologen im 9-11. Jahrhundert formuliert haben sollen und deren Aussagen auch heute noch Bedeutung in der islamischen Theologie haben.(Was Thomas von Aquin im 12. Jahrhundert formulierte interessiert die katholische Kirche immer noch.)
Zweitens ging der Punkt gerade darum, dass bereits der Versuch Gott mit Logik beizukommen Blasphemie sei, womit die Gedankengaenge von jemanden der Logik auf Gott angewandt hat, irrelevant fuer diese Ueberlegungen sind - man kann mit Logik nicht beweisen, dass es zulaessig ist Logik anzuwenden.

Wo Ihre Logik aber wirklich Purzelbaeume schlaegt ist, dass sie nicht bemerken, dass sie bestaetigen, dass Muslime(oder zumindest, die mit denen Sie zu tun haben), genau das - wenn Gott befiehlt kleine Kinder zu vergewaltigen, dann ist es gut - glauben.


Abrazo hat folgendes geschrieben::

Der zentrale Unterschied in der Sichtweise liegt m.E. in der Beziehung zur Welt, zum Sein. Die ist nämlich für die christlich geprägte Sicht negativ, für die islamische positiv. Heißt: während die Welt für die christlich Geprägten ein Übel ist, mit dem man irgendwie fertig werden muss, ist sie für die Muslime Gottes gute Schöpfung, auf der einzelne Menschen zwar Unheil anrichten können, die ihr jedoch nicht die positive Qualität nehmen können. Und diese positive Qualität soll der Mensch durchaus genießen, sofern er dabei an Gott denkt.


Folglich sind auch Wirbelstuerme, Erdbeben, Pestseuchen und Meteoroiten gut, denn Gott hat sie schliesslich so gemacht. Und wer glaubt, dass diese Dinge positiv sind, weil Gott sie so wollte, der wird auch kleine Kinder vergewaltigen positiv finden, sofern Gott es so will.

Hingegen wer meint, dass es Dinge an Gottes Schoepfung gibt, die verbesserungsbeduerftig sind(und nichts anderes impliziert der Befehl sich die Welt untertan zu machen, dass waere ja nicht noetig, wenn bereits alles in Butter waere), der wird auch bei einem Befehl Gottes kleine Kinder zu vergewaltigen von Zeit zu Zeit nachdenken, ob dass denn wirklich optimal ist.

Und ich sehe nicht wie diese Positionen vereinbar waeren, irgendjemand muesste fuer eine Einigung eine grundsaetzliche Ueberzeugung aufgeben.

Vielleicht ist es doch nicht verkehrt, eine Mauer zu bauen, dann kommt man sich wenigstens nicht so sehr in die Quere.
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Abrazo
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BeitragVerfasst am: 15.04.08, 09:17    Titel: Antworten mit Zitat

Hi,

obwohl ich Dir da vollkommen Recht gebe - wobei ich darauf hinweise, wen zu Zeiten, als man die Arbeitskraft der MIgranten dringend benötige, es denn interessiert hat, was diese denn zu Hause, nach der Arbeit, in und mit ihren Familien anstellten - sehe ich die Sache doch aus einer anderen Perspektive. Islam, das ist für mich nicht das, was hier bei uns gelebt wird, sondern das, was in den Herkunftsländern der Migranten gelebt wird, von denen, die nicht emigriert sind. Und da ergibt sich doch oft ein recht anderes Bild.

Viele machen sich nicht klar, dass Migranten, bezogen auf ihre Ursprungsgesellschaft, stets eine Auswahl sind, nämlich eine Auswahl von denen, die in ihrer Heimat keine rechte Chance hatten. Dafür kann es viele recht unterschiedliche Gründe geben.

Der klassische ist die erzwungene Armut. Wer sich tätig eine Existenz in bescheidenem Wohlstand aufbauen will, zu Hause aber nicht gebraucht wird, so dass seine Lebensperspektive mehr oder minder die eines Gelegenheitsarbeiters und Almosenempfängers ist, wird eben dahin gehen, wo er gebraucht wird. Das war schon bei unseren Amerika-Auswanderern so. Und auch bei ihnen war es so, dass sie sich um Lebensweise, Gesellschaft, Verfassung usw. des Einwanderungslandes gar keine Gedanken machten. Die wollten arbeiten und ansonsten genau so leben, wie zu Hause, nur eben besser. Wer zu Besuch heim kehrt, will zeigen, dass er es in der Fremde zu etwas gebracht hat, so, wie unsere Türken, wenn sie mit voll beladenen, nicht selten gemieteten großen Autos in den Türkeiurlaub fuhren.

Das zieht andere an, für die das Einwanderungsland zum Land wird, wo Milch und Honig fließt, denn zu hören und zu sehen bekommen sie ja nur das Positive. Kleine Glücksritter machen sich auf, die meinen, im Einwanderungsland müsse das Geld auf der Straße liegen, man müsse es nur aufsammeln, denn von den Mühen des Suchens und Bückens haben sie ja nie etwas mitbekommen. Nicht wenige scheitern und fluchen dann über die Bosheit und Ungerechtigkeit des Einwanderungslandes.

Eine zweite große Gruppe Einwanderer sind diejenigen, die in ihrem Heimatland wegen ihrer Gruppenzugehörigkeit abgelehnt werden. In Europa gehörten dazu z.B. Angehörige diverser Sekten und Minderheiten, wie Puritaner, Mennoniten und Juden. Die sich dann im Einwanderungsland so richtig schön orthodox radikalisieren können, denn dazu sind sie ja gekommen - teilweise. Denn zu dieser Gruppe gehören auch außerordentlich tüchtige Leute, die bewusst mit dem Willen kommen, als im Einwanderungsland tolerierte eine neue Heimat zu finden und sich dort zu integrieren, wie etwa die Hugenotten in Preussen oder die Armenier. Die sind vergleichsweise unproblematisch. Allerdings sollte man sich hüten, sie mit der Kernbevölkerung ihres Heimatlandes zu identifizieren. Die Hugenotten waren ebensowenig Frankreich wie z.B. die Alewiten die Türkei sind, im Gegenteil: die sind ja ausgewandert, weil sie gerade das nicht sind.

Wozu auch diejenigen gehören, denen die ganze Richtung in der Türkei nicht passt, sondern die sich im Ausland, ohne jeglichen Integrationswillen, darum bemühen wollen, diese zu ändern, z.B. in einen reaktionären Kalifatsstaat. Bei denen haben wir das Phänomen, das wir auch von unseren eigenen Rechtsradikalen kennen: eine kleine Minderheit, die jedoch von sich selbst behauptet, die große Stimme der schweigenden Mehrheit zu sein - und entsprechend die Klappe aufreißt.

Dazu gehören aber auch wegen ihrer Volkszugehörigkeit abgelehnte, wie z.B. die Kurden. Und da muss man sich klar machen, dass man es mit bis hin ins Primitive relativ wenig zivilisierten, bildungsfernen Leuten zu tun hat, was nicht deren Schuld ist, sondern das Ergebnis langer Unterdrückung im Heimatland. Die Älteren werden sich vielleicht noch an die Zeiten der Wohnungsspekulation hier erinnern. Damals wurden in Häuser, die generalrenoviert zum Verkauf als teuere Eigentumswohnungen oder auch zum Abriss vorgesehen waren, frisch eingewanderte Kurden gesetzt, als Entmietungsmethode, denn vor deren Lebensweise riss jeder andere Mieter früher oder später aus. Hier hat unsere Gesellschaft nun wirklich fürchterlich versagt, denn solche Leute können sich in keiner zivilisierten Gesellschaft aus eigener Kraft integrieren, sie begleitend zu unterstützen ist aber humane Pflicht.

Hinzu kommen noch Sondergruppen, wie die kleine Minderheit der tatsächlich politisch Verfolgten oder - scheint sich zu einer Spezialität auszuwachsen - die in ihrer diktatorischen Heimat unerwünschte Intelligenz, die mit auch schon mal äußerst großzügigen Stipendien außer Landes komplimentiert wird, in der Hoffnung, dass sie da bleiben, denn die Intelligenz ist überall ein potentieller Unruhestifter.

Schaut man sich all diese Gruppen an, muss einem klar sein, dass es da eine Einheitlichkeit nach dem Motto, sind alles Muslime, gar nicht geben kann, statt dessen eine Menge Konfliktpotential. Und dass das, was in diesen Gruppen als Islam verstanden wird, notwendigerweise nicht mit dem identisch ist, was im durch lange Historie ausgewogenen Mainstream der Heimatländer unter Islam verstanden wird; da wird im Zweifel gar nichts drunter verstanden, weil die gemeinsame Religion so selbstverständlich ist, dass man gar nicht auf die Idee kommt, man müsse sich damit befassen, weil sie etwas besonderes sei.

Wer sich mit dem Islam befassen will, kommt einfach nicht umhin, sich mit dem Islam zu befassen, der in den islamischen Ländern gelebt wird. Und der bekommt dann ein gänzlich anderes Bild. Der wird feststellen, in diesen Ländern ist der islamische Fundamentalismus ein viel größeres Problem als bei uns, nicht etwa, weil er so verbreitet wäre, sondern weil sie die Folgen unmittelbar spüren, denn prügeln und herumbomben tun diese Radikalen ja vorwiegend in jenen Ländern und nicht etwa bei uns, und man braucht noch nicht einmal die Einwohner jener Länder zu fragen; dass die damit ganz und gar nicht einverstanden sind, wenn auf ihrem Marktplatz unvermutet eine Bombe hoch geht, kann man sich ausrechnen. Absurd, anzunehmen, dadurch würden diese Leute zu Islamfeinden; im Gegenteil: als Islamfeinde betrachten sie die radikalen Bombenleger. Setzt man diese Einwohner nun mit den von ihnen als Islamfeinde betrachteten gleich, so ist das nicht nur ausgesprochen dumm, es gibt auch böses Blut, denn das läuft ja nun tatsächlich auf Beleidigung und Diffamierung der eigenen Religion hinaus; über wütende Reaktionen braucht man sich nicht zu wundern.

Da stellt sich dann die Frage nach der Toleranz in die gegenteilige Richtung, nämlich, wie ist es denn mit unserer Toleranz bestellt, wenn wir Millionen friedlicher Menschen einfach so unterstellen, sie hätten nichts anderes im Sinn, als mit dem Messer zwischen den Zähnen hinter ihren Grenzen auf die Gelegenheit zu lauern, selbiges anderen in den Bauch zu rammen, weil ihre Religion das angeblich befiehlt? Und wie ist es mit unserer Toleranz bestellt, wenn wir feststellen, andere Länder, Völker und Kulturen finden unsere Lebensweise gar nicht so toll, wenn sie sagen, lebt, wie ihr wollt, aber wir mögen eine nach euren Vorstellungen ausgerichtete Gesellschaft nicht - und damit ist nicht das politische System gemeint?

Gruß
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Grüße,
Abrazo
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Anmeldungsdatum: 07.04.2008
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BeitragVerfasst am: 15.04.08, 12:42    Titel: Antworten mit Zitat

Zitat:
Sicher sind unserem weltlichen Recht die christlichen Wurzeln und der christliche Geist nicht zu leugnen.


Spontan fällt mir da nichts ein.

Zitat:
Hinsichtlich der Frage, ob Gott, wenn es ihn gibt, das Gute will oder ob das gut ist, was Gott will, hätte ich Dir empfohlen, Dich an Wittgenstein zu wenden, so er noch leben würde, der vertrat nämlich die zweite Ansicht; und der war bekanntlich Logiker.


Das gut ist, was Gott will, lässt sich in einem logischen System nur als Prämisse setzen. Es wäre dann auch gut kleine Kinder zu vergewaltigen, wenn es der Wille Gottes wäre. Wer also meint, das gut ist, was Gott will, meint dann auch, dass Kinderschänden gut sein könne, es sei denn, er ginge davon aus, dass es nie Gottes Wille sein könnte, kleine Kinder zu vergewaltigen, da Gott nur das Gute will, was aber im Widerspruch zu der Annahme steht.

Die Prämisse, das gut ist, was Gott will, lässt sich auch unter der Prämisse, dass es den Teufel gibt, widerlegen.

Prämissen:

1. Was Gott will, ist gut
2. Was der Teufel will, ist böse

- Gott will A
- Teufel will A

a) Ist A gut oder böse? b) Oder ist gut = böse? c) Oder ist A weder gut noch böse?

- Wenn A weder gut noch böse ist, kann nicht dass, was Gott will, gut sein.

- Wenn A gut und böse ist, kann dass, was Gott will, nicht nur gut sein, und dass was der Teufel will, nicht nur böse.

- Wenn A böse ist, kann dass, was Gott will, nicht gut sein.

- Wenn A gut ist, kann dass, was der Teufel will, nicht böse sein.

Die Prämisse, dass was Gott will gut ist, lässt sich also nur unter aufrechterhalten, wenn auch dass, was der Teufel will gut sein kann. Das dürfte aber im krassen Widerspruch zur der Meinung derer stehen, die meinen, dass alles, was Gott will gut sei.
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