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Verfasst am: 23.04.08, 22:43 Titel: Wer entscheidet über Abschiebung auf Sonderschule?
Frage zum hessischen Schulwesen:
Bei einem leicht körperbehinderten Erstklässler wurde auf sonderpädagogischen Förderbedarf befunden, obwohl er den regulären Einschulungstest nahezu fehlerfrei bestand. Der Schüler wurde gegen den Willen seiner zuständigen Schule vom Schulamt "bedingt" als Regelschüler eingestuft, d. h. er soll weiterhin regelmäßig auf seine regelschulische Eignung überprüft werden, als Auflage findet ein ambulanter Beratungsdienst von der örtlich angesiedelten Sonderschule statt.
Rektor und Klassenlehrer befinden zu Anfang, der Schüler sei zwar sozial gut in die Klasse integriert, aber kognitiv hintendran und gehöre deshalb in die Sonderschule; sobald er jedoch kognitiv aufholt und den Unterrichtsstoff beherrscht, wird plötzlich behauptet, ja, er sei aber in der Klasse isoliert und kontaktscheu und gehöre deshalb trotzdem auf die Sonderschule (ungeachtet nachweislich zahlreicher außerschulischer Kontakte des Kindes zu seinen Mitschülern). Eine Wiederholung der ersten Klasse wegen vermeintlicher Lernschwierigkeiten wird von der Schulleitung abwechselnd empfohlen oder aus Altersgründen abgelehnt.
Der Beratungsdienst unterstützt diese Behauptungen mit Protokollen, die während unangemeldeter und mit den Eltern nicht abgesprochener Besuche in der Schule angefertigt werden, wobei u. a. das betroffene Kind während dem Unterricht zum "Einzelverhör" aus der Klasse geholt und seine Antworten (ob zutreffend oder nicht) beliebig im Sinne des erwünschten Verweises auf die Sonderschule interpretiert werden. Liegt hier eine Verletzung der Aufsichtspflicht seitens des Klassenlehrers vor, wenn er zulässt, dass Kinder von schulfremden Personen aus seinem Unterricht entfernt werden?
Haben die Eltern eine rechtliche Handhabe gegen solche manipulierten Protokolle und Gutachten, so dass sie vom zuständigen Schulamt nicht verwendet werden oder bevorzugt ihm gar nicht erst kenntlich gemacht werden dürfen?
Kann die Schule eigenmächtig und ohne Zustimmung der Eltern entscheiden, ob ein Erstklässler schon vor der zweiten Klasse in die Sonderschule wechseln muss?
Wer hat die Entscheidungsgewalt bzgl. des Wiederholens der ersten Klasse? Ein zwangsweises Sitzenbleiben scheint es ja im hessischen Schulgesetz nicht zu geben. (Von Rektor und Klassenlehrer sind hierzu widersprüchliche Aussagen zu bekommen.) _________________ - Lalaith
Verfasst am: 23.04.08, 23:12 Titel: Re: Wer entscheidet über Abschiebung auf Sonderschule?
Lalaith hat folgendes geschrieben::
Frage zum hessischen Schulwesen:
Bei einem leicht körperbehinderten Erstklässler wurde auf sonderpädagogischen Förderbedarf befunden, obwohl er den regulären Einschulungstest nahezu fehlerfrei bestand. Der Schüler wurde gegen den Willen seiner zuständigen Schule vom Schulamt "bedingt" als Regelschüler eingestuft, d. h. er soll weiterhin regelmäßig auf seine regelschulische Eignung überprüft werden, als Auflage findet ein ambulanter Beratungsdienst von der örtlich angesiedelten Sonderschule statt.
Rektor und Klassenlehrer befinden zu Anfang, der Schüler sei zwar sozial gut in die Klasse integriert, aber kognitiv hintendran und gehöre deshalb in die Sonderschule; sobald er jedoch kognitiv aufholt und den Unterrichtsstoff beherrscht, wird plötzlich behauptet, ja, er sei aber in der Klasse isoliert und kontaktscheu und gehöre deshalb trotzdem auf die Sonderschule (ungeachtet nachweislich zahlreicher außerschulischer Kontakte des Kindes zu seinen Mitschülern). Eine Wiederholung der ersten Klasse wegen vermeintlicher Lernschwierigkeiten wird von der Schulleitung abwechselnd empfohlen oder aus Altersgründen abgelehnt.
Soll wohl heißen: Die Schule äußert sich nicht eindeutig.
§ 54
(1) Auf Antrag der Eltern oder der allgemeinen Schule stellt das Staatliche Schulamt den sonderpädagogischen Förderbedarf fest. Der Antrag der allgemeinen Schule muss den Förderbedarf begründen und die bisherigen vorbeugenden Maßnahmen darstellen; er kann ohne sonderpädagogische Überprüfung zurückgewiesen werden, wenn weitere vorbeugende Maßnahmen ausreichend und der allgemeinen Schule möglich sind.
Anscheinend hat die Schule den Antrag gestellt - soweit alles rechtmäßig.
Lalaith hat folgendes geschrieben::
Der Beratungsdienst unterstützt diese Behauptungen mit Protokollen, die während unangemeldeter und mit den Eltern nicht abgesprochener Besuche in der Schule angefertigt werden, wobei u. a. das betroffene Kind während dem Unterricht zum "Einzelverhör" aus der Klasse geholt und seine Antworten (ob zutreffend oder nicht) beliebig im Sinne des erwünschten Verweises auf die Sonderschule interpretiert werden.
(2) Grundlage der Entscheidung über Art, Umfang und Dauer des sonderpädagogischen Förderbedarfs und über die Voraussetzungen für einen angemessenen Unterricht sind eine sonderpädagogische Überprüfung durch eine Förderschullehrerin oder einen Förderschullehrer, bei Bedarf eine schulärztliche Untersuchung und in Zweifelsfällen eine schulpsychologische Untersuchung. Das sonderpädagogische Überprüfungsverfahren kann mit Einverständnis der Eltern entfallen. [...]
Haben die Eltern ganz klar und deutlich gesagt, dass sie diese Überprüfung nicht wünschen? Bis hierher scheint alles gesetzeskonform zu laufen.
Zitat:
Liegt hier eine Verletzung der Aufsichtspflicht seitens des Klassenlehrers vor, wenn er zulässt, dass Kinder von schulfremden Personen aus seinem Unterricht entfernt werden?
Nein. Der Lehrer deligiert die Aufsicht an (Sonder-)Pädagogen. Zulässig.
Lalaith hat folgendes geschrieben::
Haben die Eltern eine rechtliche Handhabe gegen solche manipulierten Protokolle und Gutachten, so dass sie vom zuständigen Schulamt nicht verwendet werden oder bevorzugt ihm gar nicht erst kenntlich gemacht werden dürfen?
Widerspruch und Klage. Außerdem müssen die Eltern alle Gutachten bekommen und umfassend beraten werden, bevor eine Entscheidung gefällt wird. Dazu der Gesetzestext SchulG § 54 (2):
Zitat:
[...] Die Entscheidung wird in diesem Fall auf der Grundlage diagnostischer Unterlagen aus vorbeugenden Maßnahmen, aus dem Bereich vorschulischer Förderung und, wenn erforderlich, des schulärztlichen Gutachtens getroffen. Die Eltern sind im Entscheidungsverfahren umfassend zu beraten; darin erstellte Gutachten sind ihnen in einer Ausfertigung auszuhändigen. Der Widerspruch und die Anfechtungsklage gegen eine Entscheidung nach diesem Absatz haben keine aufschiebende Wirkung.
Lalaith hat folgendes geschrieben::
Kann die Schule eigenmächtig und ohne Zustimmung der Eltern entscheiden, ob ein Erstklässler schon vor der zweiten Klasse in die Sonderschule wechseln muss?
Nö. SchulG § 54 (3):
Zitat:
(3) Die Eltern entscheiden darüber, ob ihr Kind die allgemeine Schule oder die Förderschule besucht. Ihr Wahlrecht umfasst für Schülerinnen und Schüler mit praktischer Bildbarkeit oder Lernhilfebedarf (§ 53 Abs. 5) auch die Wahl zwischen integrativen, teilintegrativen oder kooperativen Angeboten im Rahmen des regionalen Schulangebots (§ 51 Abs. 2 und § 53 Abs. 3). Bei Schülerinnen und Schülern, die nach dem festgestellten sonderpädagogischen Förderbedarf für den Besuch einer Förderschule mit einer der allgemeinen Schule entsprechenden Zielsetzung (§ 53 Abs. 4 Satz 2) in Frage kommen, ist von einer Entscheidung für die allgemeine Schule auszugehen, sofern die Eltern nicht einen Antrag auf Besuch der Förderschule stellen. [...]
Lalaith hat folgendes geschrieben::
Wer hat die Entscheidungsgewalt bzgl. des Wiederholens der ersten Klasse? Ein zwangsweises Sitzenbleiben scheint es ja im hessischen Schulgesetz nicht zu geben. (Von Rektor und Klassenlehrer sind hierzu widersprüchliche Aussagen zu bekommen.)
Die Klassenkonferenz - nach Anhörung der Eltern. (SchulG § 17):
Zitat:
(3) Die Jahrgangsstufen 1 und 2 bilden eine pädagogische Einheit; die Schülerinnen und Schüler rücken ohne Versetzung in die Jahrgangsstufe 2 vor. Die Nichtversetzung in die Jahrgangsstufe 2 ist ausnahmsweise dann zulässig, wenn andernfalls die Schülerin oder der Schüler in der Entwicklung
erheblich beeinträchtigt würde. Darüber entscheidet die Klassenkonferenz nach Anhörung der Eltern. In der Jahrgangsstufe 1 werden keine Ziffernnoten erteilt; die Eltern erhalten Informationen zur Entwicklung ihres Kindes durch schriftliche Aussagen über den Leistungsstand. [...]
Ich empfehle, die §§ 54-55 (oben verlinkt) sorgfältig zu lesen.
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