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Verhältnis zwischen Rechtsethik und Volkswille
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jaeckel
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Anmeldungsdatum: 12.09.2004
Beiträge: 4985
Wohnort: Bad Nauheim

BeitragVerfasst am: 20.10.08, 16:41    Titel: Antworten mit Zitat

Hallo Questor,

Questor hat folgendes geschrieben::
Sie glauben alles, was in Wikipedia steht??

nein, aber manchmal ists richtig.

Allein das "Gesunde" dabei bedeutet doch , dass Andersempfindende "krank" sein müssten. Krankes gehört aber in der Originaldiktion verurteilt und "ausgemerzt".

Ein Mensch hat Empfindungen. Aber was soll denn ein "Volksempfinden" sein? Es ist eine Begrifflichkeit von Populisten und Demagogen, die gleichzeitig durch Ihre Folterkeller sicher stellen konnten, dass Angst umging und jeder froh war, dass sich das "Volksempfinden" gegen die "Volksschädlinge" richtete.

Questor hat folgendes geschrieben::
Norbert Lammert als Nazi zu titulieren

Hat ja niemand gemacht. Herr Lammert sollte ggf. öfters mal ein Geschichtsbuch zu Hand nehmen. Auch hat er für die Stamm-Leserschaft ja nur wenige Worte zu Auswahl. Ausrutscher können da schon mal passieren.

Questor hat folgendes geschrieben::
Und das ist beileibe nicht der einzige intelligente Mensch, der diesen Terminus


Hat jemand behauptet, Propagandisten und Demagogen wären dumm?
_________________
Herzlichen Gruss
Ihr Achim Jäckel
www.recht.de
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Cicero
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Anmeldungsdatum: 24.11.2005
Beiträge: 5793

BeitragVerfasst am: 20.10.08, 16:42    Titel: Antworten mit Zitat

Wikipedia lässt sich nunmal besonders schön verlinken. Allerdings werde ich bis zum Beweis des Gegenteils tatsächlich davon ausgehen, dass es sích beim "Gesunden Volksempfinden" um eine Begrifflichkeit aus der Nazizeit handelt, auch wenn ich mich damit der unkritischen Wikipediagläubigkeit verdächtig mache.
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jurico
FDR-Moderator


Anmeldungsdatum: 03.08.2005
Beiträge: 6123
Wohnort: Chemnitz

BeitragVerfasst am: 20.10.08, 21:46    Titel: Antworten mit Zitat

Alter Römer, kannst Du bitte Deine Frage noch mal auf den Punkt bringen? Smilie
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Abrazo
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Anmeldungsdatum: 30.05.2005
Beiträge: 5941
Wohnort: Köln

BeitragVerfasst am: 20.10.08, 23:17    Titel: Antworten mit Zitat

Die Frage, bei der ich erst mal stecken bleibe: was ist denn überhaupt mit Volk gemeint?

Die NPD hat sich irgendwo im Netz damit befasst. In typisch laienhafter Manier, nämlich so: ich stelle mir vor, was das sein sollte - natürlich was positives - und biege meine Erklärungen dann so von hinten durch die Brust ins Auge hin, dass das raus kommt, was ich will.

So geht's natürlich nicht.
Also: was ist mit Volk gemeint?
Es ist nicht das englische "people", nicht das römische "populus", und vom arabischen "Scha'b" unterscheidet es sich schon dadurch, dass mit "scha'b" überwiegend die anderen gemeint sind, aber nicht die eigene - hm - Volksgemeinschaft? Was soll das denn nun wieder sein?
"Es ist das Volk", ließ Thomas Mann Betsy Buddenbrook flüstern, als vor ihrem Haus so'n paar Lübecker einen kleinen Aufstand probten.
"Das Volk ist nicht tümlich", meinte Brecht.
In beiden Fällen wird das Volk offenbar nicht als identisch mit dem Sprecher betrachtet.
Der Richter soll im Namen des Volkes Recht sprechen.
Gehört er dazu? Zum Volk?
Wird da nicht im "gesunden Volksempfinden" eine Art Kriegsaufruf sichtbar? Gegen die Scheiss-Intellektuellen, die irjendswie krank im Kopp sind und das Volk nicht machen lassen wollen, was es will?
(Ketzerisch fällt mir hier der so typisch deutsche Widerstand des Mediokren ein.
(Ich behaupte ja manchmal, Deutschland hatte deswegen solche Herkulesse an Dichtern und Denkern, weil gegen das gesunde Volksempfinden nur ein Herkules bestehen kann Lachen )
Wir haben den bürokratischen Begriff des Staatsvolks. Der ist einfach. Zum Staatsvolk gehört jeder, der nen deutschen Personalausweis hat. Fertig ist die Laube.
Gehen wir mal rüber zum Grundgesetz. "Das Deutsche Volk bekennt sich darum zu den unveräußerlichen Menschenrechten..." dat is doch glatt gelogen. Als das Grundgesetz verabschiedet wurde, hat sich das deutsche Volk einen feuchten Kehricht um die unveräußerlichen Menschenrechte geschert. Das hatte ganz andere Interessen - mehr so materieller Natur und hätte die Menschenrechte bedenkenlos gegen ne anständige Plockwurst verkauft.
Wer oder was also ist das Volk?
Denn um zu eruieren, was einer empfindet oder will, muss man ja wohl erst einmal wissen, wer das überhaupt ist.
_________________
Grüße,
Abrazo
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SpecialAgentCooper
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Anmeldungsdatum: 07.09.2006
Beiträge: 3296

BeitragVerfasst am: 21.10.08, 08:16    Titel: Antworten mit Zitat

Dank Präsident von Weizsäcker haben wir ja schon vor Jahren gelernt, dass es keine Kollektivschuld gibt. Ich denke das läßt sich auf Begriffe wie "Volksempfinden" oder "Anstandsgefühl aller" ohne weiteres transponieren. Und wenn es diesen kollektiven Gefühlsdusel doch gibt, dann bietet er eben auch reichlich Chancen zu Unsachlichkeit, der sich ein Staat nicht hingeben darf.
_________________
„Die Welt wird immer absurder. Nur ich bin weiter Katholik und Atheist. Gott sei Dank!“ (Luis B.)
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Abrazo
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Anmeldungsdatum: 30.05.2005
Beiträge: 5941
Wohnort: Köln

BeitragVerfasst am: 21.10.08, 08:46    Titel: Antworten mit Zitat

Den Staat sollten wir raus lassen, denn sonst müssen wir auch noch fragen, wer oder was das denn ist, wenn er sich hingeben darf, und wer das ist, der ihm selbiges verbieten sollte.

Natürlich gibt es keine Kollektivschuld; die ist zwar bequem, denn wenn alle Schuld sind, ist keiner Schuld, aber dummes Zeug.

Ich selbst rede lieber von der Gesellschaft, denn zur Gesellschaft eines Landes mit ihren Untergesellschaften und auch Subkulturen gehören alle.

Da gibt es nun zweifellos Gruppierungen, Kräfte, die die Oberhand gewinnen können, auch die Meinungshoheit, und damit die Politik wesentlich bis hin zur Diktatur bestimmen können. Manchmal langlebig, wie im Feudalismus, manchmal relativ kurzlebig, wie die Nazis.

Auch die russischen Bolschewisten waren eine solche Gruppierung. Die von ihnen dominierte SED sprach auch vom Volk - die Antwort kam ja in den Neunzigern mit dem "Wir sind das Volk" der Gegendemonstranten.

Populismus ist ein politisches Schimpfwort. Vorgeworfen wird Populismus Lafontaine, vorgeworfen wurde er aber auch Haider. Populismus ist ja doch mit dem "gesunden Volkempfinden" sehr nahe verwandt.

Im Gegensatz dazu Luther: "Dem Volk auf's Maul schauen" - damit es mit 'Gottes Wort' was anfangen kann.

Ich erinnere mich an Zeiten, in denen es hieß, wenn das Volk zu bestimmen hätte, würde es die Todesstrafe wieder einführen - aber es hat ja nicht zu bestimmen.

Mittlerweile entstand das Wort "Verfassungspatriotismus", und ich wage mit aller Vorsicht zu behaupten, dass "das Volk" heute mehrheitlich nicht mehr für die Todesstrafe stimmen würde.

Dazwischen ist also mit "dem Volk" was passiert.

Stellen wir mal Luther gegen den Populismus, dann dürfte etwas sichtbar werden.
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Grüße,
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Cicero
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Anmeldungsdatum: 24.11.2005
Beiträge: 5793

BeitragVerfasst am: 21.10.08, 11:54    Titel: Antworten mit Zitat

jurico hat folgendes geschrieben::
Alter Römer, kannst Du bitte Deine Frage noch mal auf den Punkt bringen? Smilie


Ich fürchte, wir haben uns auch von dieser inzwischen meilenweit entfernt. Jetzt geht es um die Frage, ob die Rechtsprechung auf Formeln wie "Anstandsgefühl aller billig und gerecht denkenden" etc. abstellen darf und in der Konsequenz auch darum, ob es überhaupt Generalklauseln im Gesetz geben darf.

Zitat:
Ich denke das läßt sich auf Begriffe wie "Volksempfinden" oder "Anstandsgefühl aller" ohne weiteres transponieren.


Unbelehrbar, wie ich nunmal bin, sehe ich nach wie vor einen erheblichen Unterschied zwischen beidem. Beim "gesunden Volksempfinden" wird dem Volk ein kollektiver Wille unterstellt, beim "Anstandsgefühl aller" hingegen nur danach gefragt, was normale Menschen zu einem bestimmten Sachverhalt in der Regel wohl sagen würden.
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0Klaus
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Anmeldungsdatum: 30.12.2004
Beiträge: 2595

BeitragVerfasst am: 22.10.08, 19:29    Titel: Antworten mit Zitat

Hallo,

Zitat:
gibt es eine vom Volkswillen unabhänige Ethik als Maßstab dessen, was Recht ist


Volkswille: Hier gibt es mehrere Betrachtungsweisen. Volkswille kann das sein, was bei einem Volksentscheid herauskommt. Der Volkswille kann aber auch das sein, was herauskäme, wenn man mit jedem Bürger einzeln diskutiert und eine Lösung sucht.

Volk kann in diesem Zusammenhang nur die Gesamtheit der Wahlberechtigten/Abstimmungsberechtigten sein. (=Bürger, ggf. EU-Bürger).

vom Volkswillen unabhängige Ethik:

Variante 1 - biologisch/genetisch :

Jeder Mensch ist geprägt von UImwelteinflüssen und genetischer Veranlagung. Dabei ist das, was als Ethik betrachtet wird, von Nation zu Nation verschieden. In islamischen Ländern sind körperliche Strafen möglich, während dies in Deutschland usw. als verboten (Verstoß Menschenwürde) gilt.

Das bedeutet, es wäre zu prüfen, ob es trotz verschiedener genetischer Veranlagungen einen kleinsten gemeinsamen Nenner für das gibt, was gerecht und ungerecht ist. Zwar wird der Mensch zu einem großen Teil durch Umwelteinflüsse geprägt, dennoch wäre interessant zu wissen, ob Menschen einen inneren gemeinsamen Sinn für eine Gerechtigkeit haben. Dieser könnte ggf. zum Tragen kommen, wenn Menschen mit wenig Kontakt zur Außenwelt aufwachsen. (zB Naturvölker).

Variante 2 - ökonomisch:

Man geht das Problem danach an, was für die Menschheit objektiv am besten ist. Eine Regelung entspricht danach der Ethik, wenn sie das Fortkommen der Menschheit und deren Wohlstand am stärksten fördert. Dazu müssten Maßstäbe geschaffen, woran man das erkennt.

Variante 3 - theologisch:

Bekenntnis zu einem übernatürlichen Wesen und Bekenntnis zu dessen Geboten als Grundlage der menschlichen Existenz.
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mfg
Klaus
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Abrazo
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Anmeldungsdatum: 30.05.2005
Beiträge: 5941
Wohnort: Köln

BeitragVerfasst am: 22.10.08, 23:41    Titel: Antworten mit Zitat

Zitat:
Variante 1 - biologisch/genetisch :

Die Biologie stellt nicht die Möglichkeit, sich gegen seine biologische Steuerung zu entscheiden, weil sie dem biologisch funktionierenden Lebewesen gar nicht die Wahl lässt. Die Wahl hat nur einer, der nicht nur tut, sondern auch weiß, dass und was er tut. Also reflektiert.

Zitat:
Variante 2 - ökonomisch:

Man geht das Problem danach an, was für die Menschheit objektiv am besten ist.

Aus welchem Grund sollte es einen ökonomisch denkenden interessieren, was für die Menschheit das beste ist?
Was hat Ökonomie mit Menschheit zu tun?
Ökonomisch das beste wäre es für die Menschheit, die Arbeitunfähigen um die Ecke zu bringen, statt an sie Transferleistungen zu zahlen.

Zitat:
Variante 3 - theologisch:

Bekenntnis zu einem übernatürlichen Wesen und Bekenntnis zu dessen Geboten als Grundlage der menschlichen Existenz.

Ich mache darauf aufmerksam, dass diese Gebote verschieden sind.
Dass der Gott der Juden mit der Abraham-Geschichte Menschenopfer rigoros verbot, war zu seiner Zeit durchaus ungewöhnlich.
_________________
Grüße,
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0Klaus
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Anmeldungsdatum: 30.12.2004
Beiträge: 2595

BeitragVerfasst am: 23.10.08, 21:35    Titel: Antworten mit Zitat

Zitat:
Die Biologie stellt nicht die Möglichkeit, sich gegen seine biologische Steuerung zu entscheiden, weil sie dem biologisch funktionierenden Lebewesen gar nicht die Wahl lässt. Die Wahl hat nur einer, der nicht nur tut, sondern auch weiß, dass und was er tut. Also reflektiert.


Doch. Der Mensch wird auch geprägt von Umwelteinflüssen, so dass genetische Faktoren nicht allein bestimmend sind.

Der Mensch scheint ein angeborenes Bedürfnis nach Freiheit zu haben. Diese wurde in der Vergangenheit in Europa und wird noch heute in vielen Staaten unterdrückt. Irgendwann entlädt sich diese Spannung in einem Bürgerkrieg/einer Revolution.

Zu 2.: Wenn man nach einer vom Volkswillen abweichenden Ethik sucht, kann ein Maßstab dieser Ethik das objektive Gemeinwohl (orientiert am Lebensstandard) sein. Wenn man die Gesamtheit der Menschen betrachtet, ist es eben gerade nicht Ziel, die die nicht können umzubringen, da das dieser Menschengruppe nicht zu Gute käme.

Beispiel: Volk will, dass Ausländer nicht mehr in D. arbeiten dürfen. In der Folge wandern alle guten Fachkräfte ab. Das Ergebnis widerspricht dem Gemeinwohl, obwohl es der Volkswille ist. Das Ergebnis ist zwar demokratisch, widerspricht aber einer ethischen (dh menschlichen) Gesetzgebung, weil der Lebensstandard aller sinkt.

3. Das ist auch klar. Wenn allerdings ein Volk fast ausschließlich aus Gläubigen einer Religion besteht, kann diese die gesetzesunabhängige Ethik bilden (so sehen bspw. Landesverfassungen die christlichen Werte als Erziehungsziel vor). Vermutlich bezieht man sich dabei auf in der westlichen Welt anerkannte Grundwerte (Leben, körperl. Unversehrkeit, Nächstenliebe = Frieden im übertragenen Sinne)
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Anmeldungsdatum: 30.05.2005
Beiträge: 5941
Wohnort: Köln

BeitragVerfasst am: 24.10.08, 10:01    Titel: Antworten mit Zitat

Zitat:
Der Mensch wird auch geprägt von Umwelteinflüssen, so dass genetische Faktoren nicht allein bestimmend sind.

Das trifft auf jedes halbwegs höher entwickelte Tier genau so zu.
Lernen, Speichern (erinnern), aus den vorhandenen Sinnes- und Erinnerungsdaten zu spezifisch an die vorliegende Situation angepassten Handlungsimpulsen zu kommen, gehört zu den genetischen Faktoren. So funktioniert ein Lebewesen, ich habe den Verdacht, dass - in engen Grenzen natürlich - sogar Pflanzen so funktionieren, denn wenn man eine Knöterich-Ranke z.B. von einem Sonnenschirmständer ablöst, dann kann man fast sicher sein, dass die nach spätestens einer Stunde sich da wieder herum gerankt hat. Das sind aber keine freien Entscheidungen, sondern eine Art Rechenergebnisse: werden die und die Daten eingegeben, dann kommt das und das als Handlungsimpuls heraus; die Durchführung dieser Handlung wird dann über das Gefühl gesteuert. Wenn die 'Datenberechnung' ergibt, dass dieses Karnickel gefasst werden kann, dann rennt der Hund begeistert hinterher: er will es auch fassen, er hat große Lust dazu. Der lustvolle Wille ist ein durch die 'errechnete' (natürlich nicht bewusst errechnete) Entscheidung ausgelöstes Gefühl, ohne das die Entscheidung vielleicht nur Momentcharakter hätte und zu keiner Handlung führen würde.

Mensch funktioniert genau so, lässt sich vielfältig beobachten.

Der springende Punkt ist: Tier kann nicht anders, Mensch schon.
Nimm die landläufige Körperverletzung. Deren Ursache ist häufig weiter nichts als die ganz normale biologisch gesteuerte Dominanzaggression: ich bin hier der Platzhirsch, und du haust entweder ab oder unterwirfst dich mir, und dies wird durch eine gehörige Tracht Prügel klar gemacht. Würde man bei jedem Viech sagen, normales, artgerechtes Verhalten. Mensch aber wird dafür vom Gericht verurteilt, und das setzt voraus, dass er auch anders kann, nämlich merken, dass er jetzt stinkesauer ist und dem Kontrahenten eine rein hauen will, und zu entscheiden, eben das nicht zu tun. Denn in dem Moment, in dem einer weiß, das will ich tun und das kann ich tun, sich selbst also quasi als Objekt in der Welt ansieht, hat er logisch zwingend die Möglichkeit, das auch nicht zu tun. Denn jedes A kann nur in Abgrenzung von Nicht-A erfasst werden. Einen Fleck auf einer Wand kann man nur wahrnehmen, wenn er sich z..B. farblich vom Rest der Wand unterscheidet. Ein weißer Fleck auf einer weißen Wand ist nur so lange erkennbar, wie die Farbe des Flecks nicht getrocknet ist. Ist sie das, dann kann dieser Fleck nicht mehr von der Wand unterschieden werden, es gibt ihn nicht mehr. Grundlage der Logik.

Nun gibt es zwei Möglichkeiten, warum einer dem anderen keine rein haut, wenn ihm danach ist. Die eine funktioniert gem. Biologie: zu den Erinnerungsdaten gehört, pass Achtung, wenn du dem jetzt eine rein haust, kriegst du Strafe. So funktioniert die Erziehung beim Hund. Das Erinnerungsdatum folgende Unlust überwiegt, also gehorcht er seinem Halter und verprügelt den anderen Hund nicht. Abschreckung durch Strafandrohung. Folgt natürlich, wenn keine Strafe angedroht wird, gibt's auch keine Abschreckung. Wenn der Staat die Geschäfte der Juden zum Plündern frei gegeben hat, dann macht man das eben. Steht nämlich keine drohende Unlust gegen.

Die andere Möglichkeit ist, dass er dem anderen keine reinhauen will. Weil er Gewaltanwendung abscheulich findet, weil er es abscheulich findet, einen anderen nur deswegen zusammen zu schlagen, weil er da gerade große Lust drauf hat. Dahinter steckt das, was ich Rechtsbewusstsein nenne und damit die Frage nach der Ethik: was und warum wollen Menschen eigentlich, wenn sie sich bewusst entscheiden?

Rechtsbewusstsein heißt, ich könnte zwar dieses Geschäft jetzt ohne negative Konsequenzen für mich plündern und hätte davon große Vorteile, aber es ist nicht rechtens. Oder auch: es ist schlecht, böse.

Jetzt kommt oft die Erklärung, jo, die sind halt anders erzogen worden, haben gelernt, sich anders zu verhalten. Das Argument zieht aber nicht, wenn man mal in die Menschheitsgeschichte schaut. Ein schönes Beispiel dafür - weil aus historisch fassbaren Zeiten, von der Altsteinzeit haben wir ja keine entsprechenden Zeugnisse - ist Mohammed. Noch zu seiner Zeit war es durchaus üblich, unerwünschten weiblichen Nachwuchs straflos nach der Geburt im Sand zu verbuddeln. So war das eben, normal. Mohammed verbot dies. Kann einer machen. Die Frage ist, warum lassen sich andere davon überzeugen, sagen, ja, das ist böse, das gehört verboten? Weil er sagte, er sei der Prophet Gottes? Das kann jeder sagen. Wenn ich sagen würde, folgt mir, ich bin der Prophet Gottes, hätte ich gute Chancen, in die Psychiatrie zu wandern, auch dann, wenn ich ein paar Bekloppte um mich sammeln könnte, die mir das abnehmen. Sektierer hat es wohl zu allen Zeiten gegeben. Wenn sie ernst genommen wurden, dann als gewalttätige Terrorgruppe. Setzen wir die z.B. die politisch Verfolgten dagegen: die werden nicht verfolgt, weil sie gewalttätig sind, sondern weil ihre Überzeugungskraft gefürchtet wird. Und Mohammed hatte Überzeugungskraft: ja, du hast recht, das ist böse.

Hierzu ein Satz des alten Heraklit: Gesetz ist auch, dem Willen eines Einzelnen zu folgen. Hier folgte die Gesellschaft dem Willen eines Einzelnen - und das war mit physischer Gewalt nicht zu bewirken.

Dass die Berufung auf Glauben und Religion tatsächlich kein Argument ist, veranschaulicht die von Franz von Assisi geschaffene (und meist missverstandene) Metapher. Der predigte bekanntlich den Vögeln. Und wollte damit keineswegs den lieben Tierlein Gottes Wort verkünden, das was vielmehr eine Demonstration: statt euch, Bürger meiner Stadt, zu predigen, kann ich das auch mit den Vögeln machen, die haben nämlich vielleicht sogar mehr Verstand im Kopp als ihr (Denker sind keine netten Menschen). Heißt, sagen kann einer viel, das ist weit weniger interessant als die Frage, ob und warum es gehört, verstanden und gar als richtig akzeptiert wird. Nicht die Aussage, dass ist Gottes Wille, ist von Bedeutung, sondern die Frage, warum einem das geglaubt wird. Denn dafür muss es eine Begründung geben - die Menschen waren noch nie so blöd, dass sie jedem hinter gelaufen sind, der behauptete, der liebe Gott oder sein Abgesandter zu sein.

Wenn wir uns also die uns heute so selbstverständlichen ethischen Grundsätze anschauen, so ist zu fragen, unter welchen Voraussetzungen konnten die sich überhaupt entwickeln. Hierbei kann man nicht vom Bestehenden ausgehen, sondern man muss begreifen, dass zu der Zeit, als die Entscheidung für den ethischen Grundsatz fiel, diese vor dem Hintergrund einer bereits bestehenden Alternative fiel, die seinerzeit genau so möglich war - und zu einer ganz anderen Menschheitsentwickllung geführt hätte. Übersehen wir nicht, Verhalten gemäß biologischer Steuerung funktioniert prima. Das Viehzeug lebt damit nämlich genau so lange und genau so gut wie wir.

Zitat:
Der Mensch scheint ein angeborenes Bedürfnis nach Freiheit zu haben.

Normal. Das hat jedes Viech auch.

Zitat:
Das Ergebnis ist zwar demokratisch, widerspricht aber einer ethischen (dh menschlichen) Gesetzgebung, weil der Lebensstandard aller sinkt.

Bei den Nazis stieg er.
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Beiträge: 2595

BeitragVerfasst am: 29.10.08, 19:39    Titel: Antworten mit Zitat

Hallo,

dann könnte man als rechtsunabhängige Ethik / überpositibes Recht all diejenigen Rechte definieren, die ca. 99 % der Menschen als unverletzlich ansehen würde und auf die jeder selbst unter keinen Umständen verzichten würde.

Bsp.
Zu-schnell-Fahren = Bußgeld: Jeder würde dies als gerechtfertigte / noch vertrebare Regelung halten, da dies der Sicherheit dient
Zu-schnell-Fahren = Lebenslange Freiheitsstrafe: Niemand würde dies als Betroffener als gerechtfertigt ansehen.

Im Prinzip kommt dies dem Volkswillen nahe. Der Unterschied besteht darin, die Ethik aus der Sicht des Betroffenen zu sehen. Kann es vom Betroffenen als zumutbar angesehen werden oder nicht.

Als Maßstab der Zumutbarkeit kann man sich an allgemeinen Grundsätzen orientieren. (Fast) Jeder hat ein Bedürfnis nach Leben, nach persönlicher Freiheit, nach Schutz seines Eigentums ...

Auf der ganzen Welt strebt jeder nach Leben und körperliche Unversehrtheit (und alles was dazu gehört: Essen, Wasser, Schlaf, Wärme, Schutz vor Natureinflüssen ...). Somit kann dieser Anspruch dem überpositiven Recht zugeordnet werden. Eine Regelung die einen willkürlichen Eingriff in dieses Recht vorsieht, widerspricht diesem menschlichen Grundbedürfnis.

Dabei ist die Abgrenzung selbstverständlich unscharf und kann auch nicht weiter konkretisiert werden, da die Ausformung durch Tradition unterschiedlich ist. Unethisch kann eine Regelung nur dann sein, wenn sie diesen Grundsätzen offensichtlich widerspricht.

Bsp.: Frauen sind in islam. Ländern Männern untergeordnet. Aus Sicht der Frauen weltweit ist diese Regelung unzumutbar, weil umgekehrt Männer auch nicht benachteiligt werden wollten.
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Wohnort: Köln

BeitragVerfasst am: 30.10.08, 00:10    Titel: Antworten mit Zitat

Zitat:
dann könnte man als rechtsunabhängige Ethik / überpositibes Recht all diejenigen Rechte definieren, die ca. 99 % der Menschen als unverletzlich ansehen würde und auf die jeder selbst unter keinen Umständen verzichten würde.

Das ist nicht Ethik, Klaus, sondern Moral.
Sollnormen sind Moralen.
Ethik befasst sich u.a. mit der Frage, warum Mensch überhaupt Moralen für nötig hält - das Viehzeug hat sie nicht, verlässt sich auf das, was ihm qua Gefühl und Instinkt von der Natur als Steuerung mitgegeben wurde. Lebensnotwendig sind Moralen also nicht.
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Redfox
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BeitragVerfasst am: 30.10.08, 16:34    Titel: Antworten mit Zitat

Ivanhoe hat folgendes geschrieben::
Viva la Revolucion!

War das auch nicht ein Gedanke der RAF?


Viva la Revolucion?

Ich verorte das eher hier --> www.ibaicu.exactpages.com/ee011.jpg
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Toleranz sollte eigentlich nur eine vorübergehende Gesinnung sein: Sie muß zur Anerkennung führen. Dulden heißt beleidigen. (Goethe, Maximen und Reflexionen).
無爲 / 无为
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