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Abfindung an Chefarzt - Rechtsanwälte erstatten Strafanzeige

 
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kdM
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Anmeldungsdatum: 27.09.2004
Beiträge: 3223
Wohnort: Raum Flensburg-Regensburg

BeitragVerfasst am: 21.03.09, 18:11    Titel: Abfindung an Chefarzt - Rechtsanwälte erstatten Strafanzeige Antworten mit Zitat

Im Südwesten haben weit über hundert Rechtsanwälte, nach einigen Meldungen 144, nach anderen Mitteilungen sogar mehr als 160 Rechtsanwälte eine Strafanzeige gegen das Land Baden-Württemberg und die Universitätsklinik F. eingereicht. Beide hätten aus ihrer Sicht "Geld zum Fenster hinausgeworfen".

Chefarzt F hat nachweislich schwere Behandlungsfehler begangen. Die Folge: F wurde ab 2000 vom Dienst suspendiert und die Staatsanwaltschaft erhob Anklage. In einem aufsehenerregenden Prozess verurteilte das Landgericht Freiburg 2003 den Mediziner wegen drei Fällen fahrlässiger und einer vorsätzlichen Körperverletzung zu 24.300 Euro Geldstrafe. Das relativ milde Urteil führte dazu, dass F. nicht sofort aus dem Amt scheiden musste. Denn automatisch geht der Beamtenstatus nur bei einer Freiheitsstrafe von mindestens einem Jahr verloren. Bei geringeren Strafen muss ein Disziplinarverfahren durchgeführt werden. Dort wird geprüft, ob das Dienstvergehen so schwer wiegt, dass der Staat kein Vertrauen mehr in seinen Beamten haben kann.

Eigentlich schien das bei F. reine Formsache zu sein. Schließlich hatte er nicht nur Kunstfehler begangen, sondern diese auch noch mehrfach vertuscht. Außerdem hat F. sogar Mitarbeiter in seine Machenschaften einbezogen, indem er sie Operationsberichte falsch ausfüllen ließ. Auch das Landgericht ging davon aus, "dass der Verlust der Stelle an der Universitätsklinik endgültig sein wird".

Nun soll F jetzt im Rahmen eines Vergleichs 1,98 Millionen Euro Abfindung erhalten, weil die Universitätsklinik und das Land Baden-Württemberg glauben, dass sie F nicht anders loswerden können. In der Abfindung für F. sind enthalten: das Gehalt, entgangene Erlöse aus der Privatliquidation und Pensionsansprüche.

Allerdings haben sie es gar nicht erst versucht. Eine Disziplinarklage beim zuständigen Verwaltungsgericht wurde nicht eingereicht. Das Land beruft sich Pressemeldungen zufolge auf den Untersuchungsbericht des Richters, der das Disziplinarverfahren führte. Dort soll angeblich stehen, dass die Vorwürfe gegen F. "aller Voraussicht nach nicht zu einer Entfernung aus dem Amt führen werden". Wie der Richter zu diesem Schluss kommt, ist unklar, sein Bericht ist geheim. Welcher Untersuchungsrichter den Zwischenbericht für das Wissenschaftsministerium geschrieben hat, ist nicht bekannt, das zuständige Verwaltungsgericht in F. legt Wert darauf, dass es keiner aus ihren Reihen war.

Der Initiator der Kampagne behauptet: "Allein in unserer Kanzlei liegt genug Belastungsmaterial, um Herrn F. per Disziplinarverfahren aus dem Beamtenverhältnis hinaus zu klagen – das ist meine feste Überzeugung. Und diese Meinung teilt angesichts der Fülle der Vorwürfe, die geäußert wurden, auch eine Vielzahl Kollegen."

Die Anwälte halten das nicht nur für skandalös, sondern auch für strafbar. Sie haben gegen die "Verantwortlichen" Strafanzeige erstattet. Die Anwälte sehen in diesem Deal eine "Untreue" zulasten des Landeshaushalts. Sie verstehen nicht, warum der Arzt nicht per Disziplinarverfahren aus dem Beamtenverhältnis entlassen wurde - ohne Abfindung.

Sich aufdrängende Fragen:
Pfeil Hat das Land hier keine Ahnung vom Beamtendisziplinarrecht, oder sind es die Anwälte?
Pfeil Was ist von der Einschätzung, daß strafrechtliche Aufarbeitung dieser Abfindungsvereinbarung notwendig sei, zu halten?
Pfeil Ist die Strafanzeige angemessen, oder handelt es sich hier um den Versuch von ein paar Dutzend Organen der Rechtspflege, öffentlichkeitswirksam politisch zu agieren?
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„Ich habe zu keiner Zeit körperliche Gewalt gegen Kinder und Jugendliche in irgendeiner Form angewandt. Die ein oder andere Watschn kann ich nicht ausschließen.“
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Anmeldungsdatum: 14.02.2005
Beiträge: 6312
Wohnort: Mein Körbchen.

BeitragVerfasst am: 22.03.09, 18:30    Titel: Antworten mit Zitat

Gegenfrage:

Was glauben Sie, was im Sumpf einer Klinik alles verborgen sein kann, dass gerade ein Chefarzt, der sich zu extremsten Behandlungsfehlern hat hinreißen lassen, wissen könnte?

Mal rein soziologisch betrachtet: Meist machen höchstqualifizierte Experten solche Fehler dann, wenn das System sie unterstützt oder hervorgebracht hat. Mit anderen Worten - weil die Betreffenden massiven Druck in diese Richtung erhalten haben oder weil sie davon ausgingen, dass sie damit davonkommen - was oft genug als "alle" machen es übersetzt werden kann.

Und nun Hand aufs Herz: Was macht wohl eine Verwaltung, die derartige Summen nicht selbst aufbringen oder kompensieren muss in dem Moment, wenn der Satz "im Verwaltungsverfahren packe ich aus!" (juristisch angemessen verpackt) fällt?
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0Klaus
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Anmeldungsdatum: 30.12.2004
Beiträge: 2595

BeitragVerfasst am: 25.03.09, 20:50    Titel: Antworten mit Zitat

Hallo,

Abfindungen sind im Beamtenrecht unzulässig, weil sie dem Beamten eine höhere Besoldung zusichern als er Anspruch hätte (insoweit findet auch ein Vergleich nicht statt). § 2 Abs. 2 BBesG.

Zu fragen ist auch, wie man die Privatliquidationsansprüche abfinden kann und die Pension. Entweder der Beamte beantragt Entlassung. Dann treten die gesetzlichen Folgen ein oder nicht, dann bleibt er im Amt. Der Antrag auf Entlassung ist meines Erachtens auch bedingungsfeindlich, so dass die Abfindung nicht als zugesichert angesehen werden kann, damit jemand geht.

Im Ergebnis dürfte der gesamte Vertrag nichtig sein. Da auf eine nichtigen Vertrag gezahlt wurde, liegt Untreue vor (Zahlung ohne Rechtsgrund, missbräuchliche Vermögensverfügung).
_________________
mfg
Klaus
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