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Gestohlene Fundsachen - wer muss zahlen?

 
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Bambusbieger
Gast





BeitragVerfasst am: 19.12.05, 16:53    Titel: Gestohlene Fundsachen - wer muss zahlen? Antworten mit Zitat

Hallo, Leute!

Folgender Fall: Ein unbescholtener Erstsemester der Humanmedizin leiht sich von seinem anatomischen Institut ein Beckenknochenmodell aus und vergisst diesen nach einer Klausur am selben Tag noch in einem Seminarraum. Soweit kein Problem, denn der Knochen wird vom aufsehenden Professor und einigen Kommilitonen der nachfolgenden Gruppe entdeckt und von einer freundlichen Mitstudentin dem Pförtner des Gebäudes übergeben, mit dem Hinweis, dass in Kürze jemand kommen wird, um ihn wieder abzuholen. Als der Betreffende nun am nächsten Tag zur Pforte kommt, um den vermissten Gegenstand entgegenzunehmen, stellt sich heraus, das dieser gestohlen wurde - IN der Pforte, einem Verwaltungsbereich! Dabei wurde der Knochen extra nochmal in das hinterste Eck eines in Fußhöhe befindlichen Regalfachs verstaut, d.h. per Zufall kann er nicht verschwunden sein (ich tippe auf Reinigungskraft).

Wie auch immer, auf entsprechende Anfragen u.a. beim Sekreteriat der Einrichtung hin kommt die Antwort, man sei für Derartiges nicht versichert und der Betreffende müsse selber damit klarkommen. Meine Frage an Euch: Hat der Pförtner in dem Moment, als er das Fundstück zur vorübergehenden Verwahrung entgegengenommen hat (er hätte es auch verweigern können), in irgendeiner Weise Verantwortung für den Gegenstand übernommen? Muss der, der das Ding letztendlich liegengelassen hat, allein dafür aufkommen oder hat sich die Pforte (bzw. der Pförtner) sich in irgendeiner Weise mitverantwortlich gemacht?


Besten Dank für Eure Auskunft!







Mit freundlichen Grüßen
H.-K. Lee
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TheKing28
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Anmeldungsdatum: 16.06.2005
Beiträge: 338

BeitragVerfasst am: 19.12.05, 17:03    Titel: Re: Gestohlene Fundsachen - wer muss zahlen? Antworten mit Zitat

Ich denke, es müßte Verschulden des Pförtners vorliegen, ob das vorliegt kann ich nicht sagenn denke aber eher nicht.
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Dos
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Anmeldungsdatum: 18.08.2005
Beiträge: 1520

BeitragVerfasst am: 19.12.05, 17:13    Titel: Antworten mit Zitat

Hallo,

ich geh jetzt davon aus, dass der Knochen dem Studi gehört oder er ihn zumindest im Einverständnis mit dem Eigentümer rumgetragen ("entliehen") hat. Und nicht, dass (zunächst) er den Knochen gestohlen hatte.

Wir sind hier wahrscheinlich im öffentlichen Recht, denn vermutlich handelt es sich um eine staatliche Hochschule.

Wäre Privatrecht einschlägig, gälte wohl Folgendes: Die nette Kommilitonin hat einen Verwahrungsvertrag (§ 688 BGB) mit dem Pförtner geschlossen. Vertragliche Schadensersatzansprüche gegen den Pförtner stehen also nur ihr zu, nicht dem Studi, dem der Knochen gehört. Aber die nette Kommilitonin hat natürlich selbst keinen Schaden erlitten, den hat der Studi. Hierfür gibt es die schöne Figur der Drittschadensliquidation. Die nette Kommilitonin kann den Schaden des Studis gegen den Pförtner geltend machen. Oder der Studi lässt sich dann den Anspruch von ihr an sich abtreten und macht ihn selbst geltend. Die Anspruchsgrundlage ist übrigens § 280 Abs. 1 BGB. Aber jetzt wird die Sache spannend: Der Pförtner haftet hier nicht nach der Grundregel (§ 280 Abs. 1 Satz 2 i.V.m. § 276 Abs. 1 Satz 1 BGB) auch für leichte Fahrlässigkeit, sondern nur für grobe. Das folgt, da es sich um einen unentgeltlichen Verwahrungsvertrag handelte (die Kommilitonin hat den Pförtner nichts bezahlt), aus § 690 i.V.m. § 277 BGB. Und grob fahrlässig dürfte der Pförtner hier nicht gehandelt haben. Was will man ihm vorwerfen? Dass er den Knochen nicht eingeschlossen hat? So wertvoll war das Ding bestimmt nicht, dass "jeder hätte einsehen müssen", dass man ihn einschließen muss (das ist die Definition von grober Flk). Er hatte ihn ja sogar in gewisser Weise sicher verpackt. Grobe Flk sieht anders aus. Also: der Pförtner haftet nicht.

Schöner Fall <- Juristen ticken manchmal wie Ärzte Winken.

Gruß, dos
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Diese Auskunft stellt keine Rechtsberatung dar. Sie ersetzt nicht die Beratung durch einen Anwalt. Eine Gewähr für die Richtigkeit besteht nicht.
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TheKing28
FDR-Mitglied
FDR-Mitglied


Anmeldungsdatum: 16.06.2005
Beiträge: 338

BeitragVerfasst am: 19.12.05, 17:30    Titel: Antworten mit Zitat

Es dürfte nicht einmal leichte Fahrlässigkeit vorliegen, oder?

P.S. Ich bin immer wieder vom deutschen Rechtssystem überrascht, so schnell passe ich nicht mehr auf irgendwelche Sachen mal kurz auf Winken
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Bambusbieger
Gast





BeitragVerfasst am: 19.12.05, 19:31    Titel: Antworten mit Zitat

Hi,

ich danke herzlich für die ersten Rückmeldungen.

Also, dieser Knochen (Wert: Größenordnung +100,- EUR) befand sich in einer leuchtend orangenen Stofftasche. Diese war zugeknotet. Der Pförtner hatte sie zuerst einfach zu den anderen Fundsachen in ein offenes Regalfach in gut einsehbarer Höhe gelegt - dieses Fach befindet sich übrigens nur etwa 1m von der Tür entfernt, also in bester Greifreichweite (von "sicher verpackt" ist also keine Rede!). Später kam dann ein Mikrobiologe vorbei und verstaute sie, da sie ihm doch etwas zu augenfällig erschien, zwei Fächer tiefer sicher(er) hinter einen Karton. Dies nur mal, um die Details genannt zu haben.

Ein weiterer Punkt: Bei der Pforte handelt es sich m. E. um einen Verwaltungsbereich, der nicht von Jedermann und -frau betreten werden darf. Setzt dies nicht voraus, dass die Tür in Abwesenheit des Pförtners ABGESCHLOSSEN sein muss? Denn wäre dies der Fall gewesen, hätte der Gegenstand unter normalen Umständen nicht gestohlen werden können. Zudem sagte mir der Pförtner selbst, dass praktisch jeder x-Beliebiger in die Pforte rein- und rausspazieren kann. Warum hat er meine Kommilitonin damals nicht auf diesen Umstand hingewiesen?

Und was versteht man unter "wertvoll"? Selbst wenn es sich um eine Rolex gehandelt hätte, ich bezweifle stark, dass dies irgendetwas an der Art und Weise der Verwahrung geändert hätte.





Gruß
H.-K.
PS.: Bei diesem Studi handelt es sich natürlich um meine Wenigkeit.
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Dos
FDR-Mitglied
FDR-Mitglied


Anmeldungsdatum: 18.08.2005
Beiträge: 1520

BeitragVerfasst am: 20.12.05, 08:19    Titel: Antworten mit Zitat

Hi,

also, dass der Pförtner selbst nicht haftet, scheint bislang Mehrheitsmeinung hier im Forum zu sein (naja, bei drei Beiträgen Smilie ). Grobe Flk würde ich auch verneinen, selbst wenn er die Tür zur Pforte nicht abgeschlossen hat, hier könnte man allenfalls von leichter Flk reden, die aber in diesem Fall nicht ausreicht. Auch ein deliktischer Anspruch des Knocheneigentümers (§ 823 Abs. 1 BGB) würde hier übrigens ausnahmsweise grobe Flk verlangen, weil die vertragsrechtliche Haftungsmilderung auf das Deliktsrecht durchschlägt.

Wie schon gesagt, spielt die Sache - im Verhältnis zur Hochschule - wohl eher im öffentlichen Recht (wenn es eine staatliche ist). Wenn die Hochschule die Pforte zum Aufbewahren bereitstellt oder es zumindest über längere Zeit wusste und duldete, dass dort der Pförtner Sachen von Studis aufbewahrt, dann kann ich mir eine Haftung der Hochschule vorstellen, entweder aus dem Uni-Studi-Verhältnis insgesamt oder aus einem öffentlich-rechtlichen Aufbewahrungsverhältnis in concreto, in dem der Pförtner als öffentlich-rechtlicher Erfüllungsgehilfe (Verwaltungshelfer?) aufgetreten ist. Hier würde wohl keine grobe Flk für eine Haftung vorausgesetzt, denn im Verhältnis zur Hochschule, die dieses Angebot macht, liegt keine Unentgeltlichkeit vor, sondern die Aufbewahrungsmöglichkeit ist - quasi und fiktiv - mit den Studiengebühren mitbezahlt. Letzteres kenne ich noch von der Garderobe an meiner Uni, wo allerdings ein Schild mit einem Haftungsausschluss hing (ob der griff, wurde wohl nie ausgefochten).

Der Studi, der den Knochen "entliehen" hat, haftet im Übrigen gegenüber dem anatomischen Institut privatrechtlich für jede, auch eine leichte Flk. § 599 BGB gilt nur für den Verleiher. Leichte Flk dürfte hier vorliegen, schon das "Vergessen" des Knochens dürfte ausreichen.

Viele Grüße, dos
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ihuehn
FDR-Mitglied
FDR-Mitglied


Anmeldungsdatum: 17.03.2005
Beiträge: 558
Wohnort: Bielefeld

BeitragVerfasst am: 20.12.05, 10:05    Titel: Antworten mit Zitat

Dos hat folgendes geschrieben::
...weil die vertragsrechtliche Haftungsmilderung auf das Deliktsrecht durchschlägt...

...öffentlich-rechtlicher Erfüllungsgehilfe (Verwaltungshelfer?)...


Ich beteilige mich an der Diskussion nicht, da ich von sowas keine Ahnung hab Smilie Aber ich muss sagen, dass diese Begriffe doch einfach schön zu lesen sind- das klingt schon fast so wie in diesen Gerichtssendungen, die nachmittags im Fernsehen laufen Sehr glücklich Sehr glücklich
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Bitte berücksichtigen Sie, dass meine Meinung beruflich beeinflusst ist Winken
WM- ich war dabei!!
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Bambusbieger
Gast





BeitragVerfasst am: 20.12.05, 21:41    Titel: Antworten mit Zitat

Hi, Dos!

Vielen Dank für deine Ausführungen. Was bedeutet das nun konkret für mein weiteres Vorgehen? Siehst Du eine Möglichkeit für mich, eine "Schadensersatzleistung" zu umgehen, zumindest einen im vollen Umfang? Verstehe mich nicht falsch, ich bin mir meiner eigenen Fahrlässigkeit sehr wohl bewusst. Ich denke aber auch, dass der Pförtner (oder die Pforte oder welche Einrichtung auch immer) unverantwortlich handelte, indem er meiner Kollegin - auf eine direkte Anfrage hin! - eine verlässliche Verwahrungsmöglichkeit zugesichert hat, die so eigentlich gar nicht gegeben war/ist.





MfG
Bambus
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