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recht.de :: Thema anzeigen - Abschuß von Passagierflugzeugen (§§ 14; 15 LuftSiG)
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Abschuß von Passagierflugzeugen (§§ 14; 15 LuftSiG)
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jurico
FDR-Moderator


Anmeldungsdatum: 03.08.2005
Beiträge: 6123
Wohnort: Chemnitz

BeitragVerfasst am: 09.02.06, 17:55    Titel: Abschuß von Passagierflugzeugen (§§ 14; 15 LuftSiG) Antworten mit Zitat

Abschuß von Passagierflugzeugen (§§ 14; 15 LuftSiG)

An dieser Stelle möchte ich eine Debatte wiederbeleben, die hier im Forum im Jahre 2004 schon einmal begonnen wurde ( http://www.recht.de/archiv/viewtopic.php?t=1372& ).

An sich ließe sich hierzu auch im Unterforum "Luftrecht“ oder "Verfassungsrecht“ diskutieren. Die Fragen, die sich hier stellen, gehen aber über den luftrechtlichen und verfassungsrechtlichen Kreis hinaus; mehr noch, sie verlassen den Bereich des Rechts überhaupt.


Überblick

Seit Anfang 2005 ist das Luftsicherheitsgesetz (LuftSiG) in Kraft. Es enthält in §§ 14; 15 Befugnisnormen, die unter bestimmten Voraussetzungen auch den Abschuß von Passagierflugzeugen erlauben, die von Terroristen als fliegende Bomben mißbraucht werden. Man nennt solche Flugzeuge "RENEGADE-Flugzeuge", eine Bezeichnung für zivile Luftfahrzeuge, die zu terroristischen Zwecken als Waffe für einen gezielten Absturz mißbraucht werden.

Das LuftSiG umschreibt das Abschießen solcher Flugzeuge als "unmittelbare Einwirkung mit Waffengewalt" (siehe § 14 Abs. 3 LuftSiG).

Gegen die genannten Normen des LuftSiG erhoben mehrere Beschwerdeführer (Rechtsanwälte, Patentanwalt, Flugkapitän) Verfassungsbeschwerde zum Bundesverfassungsgericht (BVerfG). Ende 2005 fand vor dem BVerfG eine mündliche Verhandlung hierzu statt.


In seiner Pressemitteilung Nr. 101/2005 führt das BVerfG in die Problematik ein und faßt die Argumente der Beschwerdeführer zusammen.


Kernproblem

Ist es legitim, daß der Staat Unschuldige (Passagiere, Flugzeugbesatzung) vorsätzlich tötet und opfert, um dadurch das Leben anderer zu retten?


Was meinen Sie dazu? Diskutieren Sie mit!



Auszug aus der Pressemitteilung des BVerfG:

Zitat:
Anlass für die Gesetzgebung waren die Vorfälle des 11. September 2001
und der Irrflug eines Sportflugzeugs in Frankfurt am Main am 5. Januar
2003 ...

Die ... angegriffenen Regelungen ... ermächtigen die Bundeswehr ... ein
verdächtiges Flugzeug abzudrängen, zur Landung zu zwingen, Waffengewalt
anzudrohen, Warnschüsse abzugeben und als ultima ratio Waffengewalt
anzuwenden, das heißt, das Flugzeug gegebenenfalls samt Passagieren
abzuschießen.
...
Die Beschwerdeführer sollten im Ernstfall geopfert und vorsätzlich getötet
werden, wenn der Verteidigungsminister auf der Grundlage der ihm zu diesem
Zeitpunkt vorliegenden Informationen annehme, dass ihr Leben nur noch
kurze Zeit dauern werde und daher im Vergleich zu den sonst drohenden
Verlusten keinen Wert mehr habe oder jedenfalls nur noch minderwertig sei.
...
Keinesfalls dürfe der Staat eine Mehrheit seiner Bürger dadurch schützen, dass
er eine Minderheit vorsätzlich töte. Eine Abwägung Leben gegen Leben nach
dem Maßstab, wie viele Menschen möglicherweise auf der einen und wie viele
auf der anderen Seite betroffen seien, sei unzulässig.
...

Volltext der Pressemitteilung Nr. 101/2005: http://www.bverfg.de/cgi-bin/link.pl?presse (dort in Suchfunktion unter „Volltext:“ eingeben: „luftsig“)


Auszug aus dem LuftSiG:

Zitat:
LuftSiG § 14 Einsatzmaßnahmen, Anordnungsbefugnis
(1) Zur Verhinderung des Eintritts eines besonders schweren Unglücksfalles dürfen die
Streitkräfte im Luftraum Luftfahrzeuge abdrängen, zur Landung zwingen, den Einsatz
von Waffengewalt androhen oder Warnschüsse abgeben.
(2) Von mehreren möglichen Maßnahmen ist diejenige auszuwählen, die den Einzelnen und
die Allgemeinheit voraussichtlich am wenigsten beeinträchtigt. Die Maßnahme darf nur
so lange und so weit durchgeführt werden, wie ihr Zweck es erfordert. Sie darf nicht
zu einem Nachteil führen, der zu dem erstrebten Erfolg erkennbar außer Verhältnis
steht.
(3) Die unmittelbare Einwirkung mit Waffengewalt ist nur zulässig, wenn nach den
Umständen davon auszugehen ist, dass das Luftfahrzeug gegen das Leben von Menschen
eingesetzt werden soll, und sie das einzige Mittel zur Abwehr dieser gegenwärtigen
Gefahr ist.
(4) Die Maßnahme nach Absatz 3 kann nur der Bundesminister der Verteidigung oder im
Vertretungsfall das zu seiner Vertretung berechtigte Mitglied der Bundesregierung
anordnen. Im Übrigen kann der Bundesminister der Verteidigung den Inspekteur der
Luftwaffe generell ermächtigen, Maßnahmen nach Absatz 1 anzuordnen.

LuftSiG § 15 Sonstige Maßnahmen
(1) Die Maßnahmen nach § 14 Abs. 1 und 3 dürfen erst nach Überprüfung sowie
erfolglosen Versuchen zur Warnung und Umleitung getroffen werden. Zu diesem Zweck
können die Streitkräfte auf Ersuchen der für die Flugsicherung zuständigen Stelle im
Luftraum Luftfahrzeuge überprüfen, umleiten oder warnen. Ein generelles Ersuchen ist
zulässig. Die Voraussetzungen für ein Tätigwerden werden in diesem Fall durch
vorherige Vereinbarung festgelegt.
(2) Der Bundesminister der Verteidigung kann den Inspekteur der Luftwaffe generell
ermächtigen, Maßnahmen nach Absatz 1 anzuordnen. Der Inspekteur der Luftwaffe hat den
Bundesminister der Verteidigung unverzüglich über Situationen zu informieren, die zu
Maßnahmen nach § 14 Abs. 1 und 3 führen könnten.
(3) Die sonstigen Vorschriften und Grundsätze der Amtshilfe bleiben unberührt.

Volltext des LuftSiG: http://bundesrecht.juris.de/bundesrecht/luftsig/gesamt.pdf

Siehe auch: http://de.wikipedia.org/wiki/LuftSiG#Rechtliche_und_moralische_Fragen


Edit: Die Entscheidung des BVerfG vom 15.02.2006 (Az. 1 BvR 357/05) ist jetzt auf dessen Webseite ( http://www.bverfg.de/entscheidungen/rs20060215_1bvr035705.html ) abrufbar.


Zuletzt bearbeitet von jurico am 16.02.06, 22:59, insgesamt 1-mal bearbeitet
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Gast






BeitragVerfasst am: 10.02.06, 01:09    Titel: Antworten mit Zitat

Noch zwei interessante Hyperlinks zu dem Argument, kerntechnische Anlagen durch Abschuß von in die Nähe gelangenden Luftfahrzeugen schützen zu müssen:

http://www.frm2.de/TerrorismusHirsch.htm
http://www.kernenergie-wissen.de/terroristen.html

Die Geschwindigkeitsangaben sind im zweiten Text fehlerhaft umgerechnet, die richtigen Geschwindigkeiten betrugen beim "AA Flug 11" 756 km/h und beim "UA Flug 175" 950 km/h.


Wenn noch Fragen sind: Ich erkläre mich zur konsiliarischen Unterstützung bereit.


Zuletzt bearbeitet von Gast am 12.02.06, 13:24, insgesamt 4-mal bearbeitet
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jurico
FDR-Moderator


Anmeldungsdatum: 03.08.2005
Beiträge: 6123
Wohnort: Chemnitz

BeitragVerfasst am: 10.02.06, 16:21    Titel: Antworten mit Zitat

PS: Die Entscheidung des BVerfG zum Luftsicherheitsgesetz soll am Mittwoch (15.02.2006) verkündet werden.
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Abrazo
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Anmeldungsdatum: 30.05.2005
Beiträge: 5941
Wohnort: Köln

BeitragVerfasst am: 10.02.06, 20:17    Titel: Antworten mit Zitat

Wir haben das hier ja schon mal in Recht und Politik diskutiert.
Bin gespannt auf die Entscheidung.
_________________
Grüße,
Abrazo
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jaeckel
Administrator


Anmeldungsdatum: 12.09.2004
Beiträge: 4985
Wohnort: Bad Nauheim

BeitragVerfasst am: 11.02.06, 09:53    Titel: Antworten mit Zitat

Zitat:
Kernproblem: Ist es legitim, daß der Staat Unschuldige (Passagiere, Flugzeugbesatzung) vorsätzlich tötet und opfert, um dadurch das Leben anderer zu retten?


Das verstehe ich als eine Frage der Ethik.

Innerhalb der normativen Ethik (normativ kommt von Normen=Regeln) unterscheidet man zwei Hauptansätze:
  1. Eine teleologische (stammt vom griesch. Wort für Zweck ab) Theorie behauptet, dass das grundlegende Kriterium dafür, was moralisch richtig, falsch, verpflichtend usw. ist, der außermoralische Wert ist, der geschaffen wird. Man beruft sich bei der Begründung also auf die vergleichweise Summe guter Konsequenzen. Das Übergewicht von guten gegenüber schlechten Folgen, der Nutzen zählt.

  2. Eine deontologische (stammt vom griesch. Wort für Pflicht ab) Theorie bestreitet, was teleologische Theorien behaupten. Demzufolge gibt es absolute Werte oder Gründe, warum eine Regel zu einer pflichtgemäßen und richtigen wird, die mit dem messbaren Nutzen nichts zu tun hat.


Exkurs hat folgendes geschrieben::
Beispiel: Ich gebe jemandem ein Versprechen ab, habe aber jetzt nachträglich einen Nachteil davon.
Der Teleologe sagt, wenn das Brechen des Verprechens (für alle Beteiligten in der Summe) einen Vorteil bringt, darf ich das Versprechen brechen.
Der Deontologe sagt, ein Versprechen ist eine Pflicht an sich. Es muss gehalten werden, egal, was an messbarem Nutzen für alle Beteiligten rauskommt.


Der Teleologe beantwortet obige Ausgangsfrage mit "ja". Der Deontologe kann je nach zugrundeliegendem Wertesystem mit "ja" oder "nein" antworten.
_________________
Herzlichen Gruss
Ihr Achim Jäckel
www.recht.de
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Gast






BeitragVerfasst am: 11.02.06, 17:24    Titel: Antworten mit Zitat

Genau so isses.
Anmerken möchte ich nur noch, dass m.E. die teleologische Ethik nicht in der Lage ist zu erklären, warum die Grundwerte in allen möglichen Kulturen die gleichen sind - und warum die Würde des Menschen unantastbar sein soll.
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jaeckel
Administrator


Anmeldungsdatum: 12.09.2004
Beiträge: 4985
Wohnort: Bad Nauheim

BeitragVerfasst am: 13.02.06, 18:35    Titel: Antworten mit Zitat

Anonymous hat folgendes geschrieben::
m.E. die teleologische Ethik nicht in der Lage ist zu erklären, warum die Grundwerte in allen möglichen Kulturen die gleichen sind.


Dazu 2 Anmerkungen:

1) Aus meiner Sicht ist das nicht so: Es gibt Kulturen mit sehr verschiedenen Grundwerten.

2) Selbst wenn das so wäre, müsste der Ethiker das nicht erklären können. Er müsste nur begründen können, warum es ggf. so sein sollte. Denn nicht alles , was ist, ist auch automatisch gut so.

Diese wichtige Unterscheidung ist in der Ethik-Diskussion als Sein-Sollen- oder Naturalistischer Fehlschluß berühmt geworden.

Anonymous hat folgendes geschrieben::
und warum die Würde des Menschen unantastbar sein soll.


Der Teleologe hat ein Problem mit allen absoluten (dogmatischen) Werten, die nicht durch Argumente herleitbar sind. Einer hält Pflanzen und Tiere für unantastbar, ein anderer nur Glaubensbrüder...
Ohne Argumente kein Dialog. Dann bleibt nur Toleranz oder Eskalation.

.
_________________
Herzlichen Gruss
Ihr Achim Jäckel
www.recht.de
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Abrazo
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Anmeldungsdatum: 30.05.2005
Beiträge: 5941
Wohnort: Köln

BeitragVerfasst am: 13.02.06, 19:08    Titel: Antworten mit Zitat

Zitat:
Selbst wenn das so wäre, müsste der Ethiker das nicht erklären können. Er müsste nur begründen können, warum es ggf. so sein sollte.

Das ist - nach der Definition der Richtung, die mir als die fundierteste erscheint - keine Ethik, sondern Morallehre.
_________________
Grüße,
Abrazo
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jurico
FDR-Moderator


Anmeldungsdatum: 03.08.2005
Beiträge: 6123
Wohnort: Chemnitz

BeitragVerfasst am: 13.02.06, 21:56    Titel: Antworten mit Zitat

jaeckel hat folgendes geschrieben::
Es gibt Kulturen mit sehr verschiedenen Grundwerten.

Aber ist nicht zumindest ein "Grundwert", nämlich das Leben, allen Kulturen eigen? Läßt sich nicht insoweit ein Grundkonsens erzielen?

jaeckel hat folgendes geschrieben::
Der Teleologe hat ein Problem mit allen absoluten (dogmatischen) Werten, die nicht durch Argumente herleitbar sind. ...
Ohne Argumente kein Dialog. Dann bleibt nur Toleranz oder Eskalation.

Da haben Sie Ihre Rechnung aber ohne Kant gemacht. Hat dieser nicht den Versuch unternommen, zwischen beiden Fraktionen zu vermitteln?
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Abrazo
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Anmeldungsdatum: 30.05.2005
Beiträge: 5941
Wohnort: Köln

BeitragVerfasst am: 13.02.06, 22:57    Titel: Antworten mit Zitat

Guter Hinweis, jurico.

Spätestens seit Kant ist es nämlich tatsächlich nicht die deontologische Ethik, die absolute Soll-Normen verkündet, sondern die teleologische.

Die moderne deontologische Ethik sucht nicht nach dem, was sein soll, sondern nach dem, was ist. Sprich: worin sind wir uns interkulturell und intersubjektiv einig, dass es gut, richtig, human, also ein allgemeingültiger Wert ist, den man niemandem vorschreiben muss, weil jeder, der sich reflektierend besinnt, erkennt, dass das auch ihm ein Wert ist.

Die teleologische Ethik hingegen ist tatsächlich die Morallehre des Imperialismus. Die Moral einer Gesellschaft ist um so besser, je fortschrittlicher ihre Zivilisation ist, denn davon ist sie abhängig. Wir haben die fortschrittlichste Zivilisation, ergo haben alle anderen unsere Moralen zu übernehmen, und wenn sie sie noch so abscheulich finden. So tönt es nicht nur aus den USA (bei Huntingdon, wenn ich mich recht erinnere, auch).

So tönt es auch bei dem angeblich so freiheitlichen und liberalen Popper, der schon vor Jahren in einem Spiegel-lnterview Atombomben als 'Therapie' gegen widerspenstige Moslems empfahl und tatsächlich die protestantische Ethik als die beste der Welt ansah, die man doch am besten auf der ganzen Welt verbreiten sollten.

Na ja, über Popper habe ich schon vor zig Jahren die Stirne gerunzelt und nehme mit einer gewissen Befriedigung hin, dass ich mich darin wohl doch nicht so übel getäuscht habe; und ich habe viel Verständnis für Wittgenstein, der sich ja nur durch umgehende Flucht dem dringenden Bedürfnis entziehen konnte, Popper einen Schürhaken über den Schädel zu ziehen Lachen
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Grüße,
Abrazo
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Old Piper
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Anmeldungsdatum: 14.09.2004
Beiträge: 2538

BeitragVerfasst am: 14.02.06, 09:10    Titel: Antworten mit Zitat

jurico hat folgendes geschrieben::
Aber ist nicht zumindest ein "Grundwert", nämlich das Leben, allen Kulturen eigen? Läßt sich nicht insoweit ein Grundkonsens erzielen?
Nein, schon da scheiden sich die Geister bzw. Kulturen. Die Frage, was das einzelne Leben innerhalb einer Gemeinschaft oder auch gegenüber 'höhergestellten' Menschen 'wert' ist, beantwortet der abendländische christliche Theologe völlig anders als z.B. der Hamas-Kämpfer oder ein in der Samurai-Tradition verwurzelter Japaner.
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Abrazo
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Beiträge: 5941
Wohnort: Köln

BeitragVerfasst am: 14.02.06, 11:26    Titel: Antworten mit Zitat

Wirklich?
Bei den Samuraitraditionen kenne ich mich nicht gut genug aus - aber gilt nicht der Opfer- und Märtyrertod im Kampf für Gott und Vaterland im christlichen Abendland sogar eher noch mehr als "süß und ehrenvoll"?

(Anmerkung: bevor ich allerdings bereit bin, diese Auffassung zu den humanen Grundprinzipien zu zählen, möchte ich sie doch erst einmal misstrauisch in ihre Einzelteile zerlegen.)
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Old Piper
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Anmeldungsdatum: 14.09.2004
Beiträge: 2538

BeitragVerfasst am: 14.02.06, 12:29    Titel: Antworten mit Zitat

Ich denke, dass diese Einstellung seit der Zeit der Kreuzzüge sich doch einigermaßen gewandelt hat. Sicher wurden auch im 2. Weltkrieg noch von den Priestern die Waffen gesegnet (was mit der 'reinen' neutestamentarischen christlichen Lehre überhaupt nicht zu vereinen ist). Auch ist es evtl. eine Art 'Trost' für die Hinterbliebenen gewesen, wenn ihre Angehörigen "ehrenvoll für Volk und Vaterland" gestorben sind und nicht nur aus Versehen vom eigenen Panzer überrollt wurden. Das Ziel jedes Einzelnen ist es aber doch gewesen, unversehrt wieder nach Hause zu kommen. Der 'süße Märtyrertod' hat in den Wertevorstellungen der heutigen christlichen Kultur keinen nennenswerten Stellenwert mehr.
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jaeckel
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Anmeldungsdatum: 12.09.2004
Beiträge: 4985
Wohnort: Bad Nauheim

BeitragVerfasst am: 14.02.06, 12:49    Titel: Antworten mit Zitat

jurico hat folgendes geschrieben::
Da haben Sie Ihre Rechnung aber ohne Kant gemacht. Hat dieser nicht den Versuch unternommen, zwischen beiden Fraktionen zu vermitteln?


Kant war ein sog. "Regel-Deontologe". Die grundsätzlichen Unterschiede bleiben.

Abrazo hat folgendes geschrieben::

Spätestens seit Kant ist es nämlich tatsächlich nicht die deontologische Ethik, die absolute Soll-Normen verkündet, sondern die teleologische.


Das ist kein Argument sondern aus meiner Sicht eine falsche pauschale Behauptung. Begrifflich ist die Behauptung irreführend, da sie die Begrifflichkeiten in falscher Defintion gebraucht. Inhaltlich ist ein solch pauschalierter Vorwurf - übrigens auch mit umgekehrten Vorzeichen - immer falsch. Beide der ethischen Grundpositionen sind nicht per definitionem redlich oder unredlich, sondern es gibt in beiden Lagern Positionen, die sich trotzdem sehr nahe stehen.

Abrazo hat folgendes geschrieben::

Die moderne deontologische Ethik sucht nicht nach dem, was sein soll, sondern nach dem, was ist.

Das gibts meiner Ansicht nach Sprach-/Begriffsverwirrung zwischen der normativen und deskriptiven Ebene.

Abrazo hat folgendes geschrieben::
Das ist [...] keine Ethik, sondern Morallehre.

Was unterscheidet denn nach Ihrer Ansicht Ethik von Morallehre?

Abrazo hat folgendes geschrieben::
Die teleologische Ethik hingegen ist tatsächlich die Morallehre des Imperialismus.


Leider fallen Sie auch hier einem Fehlschluß zum Opfer. Ein Teleologe könnte die negativen Konsequenzen und Folgen des Imperialismus zweifellos als hinreichenden Grund dafür ansehen, diese Anschauung zu verurteilen.
_________________
Herzlichen Gruss
Ihr Achim Jäckel
www.recht.de


Zuletzt bearbeitet von jaeckel am 14.02.06, 17:18, insgesamt 1-mal bearbeitet
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jaeckel
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Anmeldungsdatum: 12.09.2004
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Wohnort: Bad Nauheim

BeitragVerfasst am: 14.02.06, 13:00    Titel: Antworten mit Zitat

jurico hat folgendes geschrieben::
jaeckel hat folgendes geschrieben::
Es gibt Kulturen mit sehr verschiedenen Grundwerten.

Aber ist nicht zumindest ein "Grundwert", nämlich das Leben, allen Kulturen eigen? Läßt sich nicht insoweit ein Grundkonsens erzielen?


Lieber jurico,

zu Frage 1: Nein. Beweis: Anthropologie, Geschichte.
zu Frage 2: Eine Konsensus-Theorie hat ebenfalls Begründungsprobleme: Denn wer kann behaupten, dass wenn die meisten sich einig sind, es auch richtig ist? Man denke nur an Wahlen heute oder deutlicher im dritten Reich.
_________________
Herzlichen Gruss
Ihr Achim Jäckel
www.recht.de
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