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Verfasst am: 02.03.06, 00:13 Titel: Bi- und Polygamie - strafwürdig und strafbedürftig?
In den letzten Tagen konnte man in den Medien vernehmen, dass in dem US-Bundesstaat Utah ein Richter suspendiert worden sei, weil er drei Ehefrauen (und 32 Kinder) habe.
Nicht nur in Deutschland ist die "Doppelehe" strafbar.
Zitat:
StGB § 172 Doppelehe
Wer eine Ehe schließt, obwohl er verheiratet ist, oder wer mit einem Verheirateten
eine Ehe schließt, wird mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder mit Geldstrafe
bestraft.
Welches Strafrechtsgut rechtfertigt es eigentlich, die "Doppelehe" mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren zu ahnden?
Ist § 172 StGB ein Relikt aus grauer Vorzeit?
Reicht nicht die Ahndung mit einer Geldbuße aus (Ordnungswidrigkeit)?
Ist die Schließung einer "Doppelehe" strafwürdig und auch strafbedürftig?
Natürlich, denn Dummheit gehört bestraft! Allerdings würde ich die Höchststrafe mit dem Vorhandensein zweier Schwiegermütter als abgegolten ansehen.
Im Ernst: Hier zeigt sich doch ziemlich deutlich, wie die Moral- und Wertevorstellungen einer Gesellschaft sich im Laufe der Zeit festigen können und Einzug in gesetzliche Regelungen finden.
Ein Relikt aus grauer Vorzeit ist m.E. eher die Mehrfachehe z.B. bei den Mormonen. Sie hat geschichtliche und rein praktische Hintergründe. Die Mormonen gründeten sich kurz nach dem amerikanischen Bürgerkrieg, aus dem viele Männer nicht nach Hause kamen. Es herrschte ein erheblicher 'Frauenüberschuss', und da allein lebende Frauen in der damaligen Gesellschaft entweder Lehrerinnen oder auch sonst nicht besonders angesehen waren (auch wieder so eine Moralvorstellung), durfte ein Mormone bis zu vier Frauen ehelichen. Eine den damaligen Umständen entsprechende - im weitesten Sinne zum Schutz der Frauen geborene - Regelung, die heute nicht mehr zu rechtfertigen ist. _________________ MfG
Old Piper
_____________________
Behörden- und Gerichtsentscheidungen sind zwar oft recht mäßig, aber meistens rechtmäßig.
Die Mormonen gründeten sich kurz nach dem amerikanischen Bürgerkrieg,
Das ist so nicht ganz richtig. Die Mormonen gab es schon lange vor dem Bürgerkrieg und die von ihnen praktizierte Poligamie (aber auch die Behauptung ihres Begründers John Smith, eine direkte Kommunikationsverbindung zu Gott zu haben) hat ihnen erhebliche Konflikte mit der Mehrheitsgesellschaft in allen Bundesstaaten eingebracht, in denen sie Gemeinden begründet haben. So haben Sie in Utah einen eigenen Bundesstaat gegründet. Ihr Anführer Brigham Young wurde 1850 zum Gouverneur von Utah ernannt und errichtete dort eine Art Kirchenstaat. Dieser war natürlich innerhalb der USA ein Fremdkörper. Troztdem hat Lincoln nach seiner Wahl auf die Frage, was gegen die Mormonen zu unternehmen sei, geantwortet: sie wären im Augenblick sein geringstes Problem, er schlage deshalb vor, sie in Ruhe zu lassen.
Die Polygamie war insofern keineswegs aus der Not geboren, sondern sie war ein religiöses Prinzip.
entweder Lehrerinnen oder auch sonst nicht besonders angesehen
Ächz. Hoffentlich liest das nicht meine Frau!
jurico hat folgendes geschrieben::
Welches Strafrechtsgut rechtfertigt es eigentlich, die "Doppelehe" mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren zu ahnden?
Interessanterweise fehlt im Tröndle/Fischer hier - im Gegensatz zu den meisten anderen §§ - der Hinweis auf das "geschützte Rechtsgut".
Vielleicht kann ja mal jemand in einem Großkommentar blättern _________________ Gruß
Vormundschaftsrichter
der stellvertretende nimmt seine nightstick und beginnt das Schlagen der daylights aus der Anwalt
Das mit den bis zu 3 Jahren ist doch als Erholungsurlaub gemeint oder nicht?
Was ist die höchststrafe für Bigamie???
Mehrere Schwiegermütter _________________ Alle Angaben ohne Gewähr, dass bedeutet das ich es nicht mag wenn man auf mich schiesst
Das sog. 'Lehrerinnenzölibat' dürfte wohl zu den ausgestorbenen Relikten gehören. Im übrigen sollten Sie das besser direkt mit Ihrer Frau als hier klären _________________ MfG
Old Piper
_____________________
Behörden- und Gerichtsentscheidungen sind zwar oft recht mäßig, aber meistens rechtmäßig.
Interessanterweise fehlt im Tröndle/Fischer hier - im Gegensatz zu den meisten anderen §§ - der Hinweis auf das "geschützte Rechtsgut".
Also in meinem TröFi steht, dass § 172 nach hM die staatliche Eheordnung im Sinne des Grundsatzes der Einehe (§ 1306 BGB) schütze (Tröndle/Fischer, StGB, § 172 Rn. 2). Leider kein Hinweis auf "aA".
Zitat:
BGB § 1306 Bestehende Ehe oder Lebenspartnerschaft
Eine Ehe darf nicht geschlossen werden, wenn zwischen einer der Personen, die die Ehe
miteinander eingehen wollen, und einer dritten Person eine Ehe oder eine
Lebenspartnerschaft besteht.
Die staatliche Eheordnung im Sinne einer Einehe als Rechtsgut, das strafrechtlich geschützt werden muss? Zweifelhaft.
Anmeldungsdatum: 31.10.2005 Beiträge: 8443 Wohnort: Am Meer
Verfasst am: 02.03.06, 13:47 Titel:
So richtig erscheint mir diese Doppelehe (oder auch Dreifach- oder Mehrfachehe) heutzutage nicht mehr strafwürdig.
Es mag sein, daß ein solches Gesetz Sinn hatte in einer Zeit, als Kuppelei und Ehebruch strafbar und nichteheliche Lebensgemeinschaften ungewöhnlich waren.
Aber heutzutage sind sie dies nicht mehr und jeder Mann kann mit einer oder mehreren Frauen (oder vielleicht auch den einen oder anderen Mann dazu) eine nichteheliche Lebensgemeinschaft eingehen.
Oder er heiratet eine Frau und hält sich eine oder mehrere Geliebte (nicht unüblich - angeblich).
Wie sieht es eigentlich nach dem Partnerschaftsgesetz aus? Eine doppelte Verpartnerung ist ja wohl nicht strafbar, oder habe ich etwas überlesen? _________________ Toleranz sollte eigentlich nur eine vorübergehende Gesinnung sein: Sie muß zur Anerkennung führen. Dulden heißt beleidigen. (Goethe, Maximen und Reflexionen).
無爲 / 无为
Nein, § 172 StGB erfasst die eingetragene Lebenspartnerschaft nicht (das soll aber kein Appell sein, § 172 insoweit auszudehnen).
Zitat:
LPartG § 1 Form und Voraussetzungen
(1) Zwei Personen gleichen Geschlechts begründen eine Lebenspartnerschaft, wenn sie ...
(2) Eine Lebenspartnerschaft kann nicht wirksam begründet werden
1. mit einer Person, die minderjährig oder verheiratet ist oder bereits mit
einer anderen Person eine Lebenspartnerschaft führt;
...
Also in meinem TröFi steht, dass § 172 nach hM die staatliche Eheordnung im Sinne des Grundsatzes der Einehe (§ 1306 BGB) schütze (Tröndle/Fischer, StGB, § 172 Rn. 2).
Das steht in meinem TröFi auch nach nochmaliger Durchsicht nicht (unter Rn. 2 steht bei mir etwas von Auslandsehen). Naja, habe aber auch nur die 49. Aufl. Außerdem kenne ich mich im Strafrecht auch nicht so aus _________________ Gruß
Vormundschaftsrichter
der stellvertretende nimmt seine nightstick und beginnt das Schlagen der daylights aus der Anwalt
Mich würde ja interessieren, wie damit (rechtlich) umgegangen wird, wenn Menschen hierher ziehen, die in ihrem Heimatland bereits legal Ehe mit mehreren Frauen haben? Was passiert, wenn sie zu deutschen Staatsbürgern werden?
Müssen sie sich Scheiden lassen? Der Staat kann ja keine Scheidung fordern. Oder werden sie sofort verhaftet?
Da passiert gar nichts, weil § 172 nur in Deutschland gilt und der Betroffene in deutschland keine Doppelehe geschlossen hat, wie es die Vorschrift verlangen würde.
Anmeldungsdatum: 06.06.2005 Beiträge: 2351 Wohnort: Wolkenkukucksheim h.d. Mond
Verfasst am: 02.03.06, 16:12 Titel:
Zitat:
Aber heutzutage sind sie dies nicht mehr und jeder Mann kann mit einer oder mehreren Frauen (oder vielleicht auch den einen oder anderen Mann dazu) eine nichteheliche Lebensgemeinschaft eingehen.
Hört sich ein bisschen an, wie "das Leben des Brian"... aber ich möchte trotzdem anfügen : wenn schon denn schon.
Es gibt sicher auch Frauen, die eine Vielehe begrüssen würden. Allerdings mit mehreren Männern.
Ich persönlich bin da ja eher altmodisch, aber eben nicht das Mass der Dinge und fände daher eigentlich keine Gründe (heutzutage) das gesetzlich zu sanktionieren..... der, wie ich hörte, gewünschte besondere Schutz von Familien bliebe davon ja auch unberührt.... ? _________________ Jeder Satz, den ich äussere, muss als Frage verstanden werden, nicht als Behauptung.(Niels Bohr)
viel wichtiger jedoch und keine Frage :
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