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Verfasst am: 05.04.06, 20:33 Titel: Berufung, Revision etc.
Ein wenig lückenhaftes Wissen bedarf der Auffüllung.
Normalerweise klagt man beim Amtsgericht, beruft beim Landgericht und revisioniert beim Oberlandesgericht, ist das richtig?
Wenn wegen des Streitwertes aber das Amtsgericht übersprungen wurde, dann ist das Berufungsgericht das Oberlandesgericht, oder? Und eine dritte Instanz gibt es nicht.
Revision prüft nur, ob ein Urteil formal korrekt ist und hebt es ggf. auf, ist das richtig? Das Gericht, dessen Urteil aufgehoben wurde, muß dann ein neues fällen.
Die Berufung hingegen ist ein neuer Prozeß mit altem Thema, wenn ich das richtig verstanden habe. Aber so ganz hab ich das nicht verstanden. Zum Beispiel, wenn man in erster Instanz verloren hat, weil man einige Beweise nicht beibringen konnte oder vergessen hat, daß sie wichtig sein könnten. - Kann man das in der Berufung nachreichen? Kann man im Falle eines Gutachtens, das ungünstig war, ein neues Gutachten anfordern, mit neuer Fragestellung und so?
Also mit anderen Worten: Kann man die Berufung so behandeln, als würde man nochmal von vorn anfangen? Wenn nicht, wie sind die Einschränkungen?
Verfasst am: 06.04.06, 21:43 Titel: Re: Berufung, Revision etc.
relysium hat folgendes geschrieben::
...
Zum Beispiel, wenn man in erster Instanz verloren hat, weil man einige Beweise nicht beibringen konnte oder vergessen hat, daß sie wichtig sein könnten. - Kann man das in der Berufung nachreichen? Kann man im Falle eines Gutachtens, das ungünstig war, ein neues Gutachten anfordern, mit neuer Fragestellung und so?
Also mit anderen Worten: Kann man die Berufung so behandeln, als würde man nochmal von vorn anfangen? Wenn nicht, wie sind die Einschränkungen?
Peter
Die Berufungsgründe ergeben sich aus § 513 Abs. 1 ZPO. Hieraus ergibt sich, dass Berufungsgründe nur die §§ 546 und 529 ZPO sind. § 546 ZPO sind Rechtsverletzungen.
Zu deiner Frage:
§ 529 ZPO regelt den Prüfungsumfang des Berufungsgerichts. § 529 Abs. 1 S. 2 ZPO weist ausdrücklich darauf hin, dass nur neue Tatsachen eingebracht werden können, soweit die Berücksichtigung zulässig ist.
Das heißt auf deutsch, dass die Sachen aus deinem Beispiel keine Berufung rechtfertigen. Diese würde wahrscheinlich im Beschlusswege abgelehnt werden, da unzulässig.
Seit der ZPO-Reform 2002 ist es in der Berufung nicht mehr möglich, Tatsachen und/oder Beweise "nachzuschieben". Alles, was in der I. Instanz bekannt, jedoch nicht geltend gemacht oder vorgetragen wurde, ich praktisch "weg". _________________ LG Maus
Streite nie mit einem Idioten, er zieht dich auf sein Niveau und schlägt dich dann mit seiner Erfahrung.
Verfasst am: 09.04.06, 15:11 Titel: Re: Berufung, Revision etc.
Maus hat folgendes geschrieben::
§ 529 ZPO regelt den Prüfungsumfang des Berufungsgerichts. § 529 Abs. 1 S. 2 ZPO weist ausdrücklich darauf hin, dass nur neue Tatsachen eingebracht werden können, soweit die Berücksichtigung zulässig ist.
Das heißt auf deutsch, dass die Sachen aus deinem Beispiel keine Berufung rechtfertigen. Diese würde wahrscheinlich im Beschlusswege abgelehnt werden, da unzulässig.
Seit der ZPO-Reform 2002 ist es in der Berufung nicht mehr möglich, Tatsachen und/oder Beweise "nachzuschieben". Alles, was in der I. Instanz bekannt, jedoch nicht geltend gemacht oder vorgetragen wurde, ich praktisch "weg".
Was sind denn "neue" Tatsachen? Es ist doch recht unwahrscheinlich, daß ausgerechnet in dem Monat Frist zwischen Urteil der ersten Instanz und Berufungsantrag neue Beweismittel auftauchen, oder?
Ich fühle mich irgendwie nicht sonderlich schlauer. Gibt es nicht irgendwo im Internet Beispieldatenbanken für sowas?
Tatsachen und Beweismittel sind zwei paar verschiedene Schuhe.
Ein Beweis ist eine Rechnung, ein Zeuge etc. Eine Tatsache kann ein Ereignis sein, was der Klage eine entscheidende Wende gibt/geben kann, dem Unterlegenen jedoch im Lauf der I. Instanz nicht bekannt war.
Und eine solche Tatsache würde eine Berufung rechtfertigen, so sie denn so wichtig ist, dass sie für den Rechtsstreit entscheidungserheblich ist. Das z.B. fällt in den Prüfungsrahmen des § 529 BGB.
Wie gesagt, einfach nur weil man jetzt verloren hat, aber keine Rechtsverletzungen des Gerichts (z.B. Gehörsrüge oder Verletzung der Hinweispflicht etc.) einwenden und auch keine neuen Tatsachen, die dem "Geschehen" eine Wende geben können, hat, düfte die Berufung im Beschlusswege als unzulässig abgewiesen werden.
Es kommt nicht immer nur auf´s Geld (sprich die Beschwer) an. _________________ LG Maus
Streite nie mit einem Idioten, er zieht dich auf sein Niveau und schlägt dich dann mit seiner Erfahrung.
Tatsachen und Beweismittel sind zwei paar verschiedene Schuhe.
Ein Beweis ist eine Rechnung, ein Zeuge etc. Eine Tatsache kann ein Ereignis sein, was der Klage eine entscheidende Wende gibt/geben kann, dem Unterlegenen jedoch im Lauf der I. Instanz nicht bekannt war.
Dann dürfte es kaum je zu einer Berufung kommen. Wie gesagt, daß ausgerechnet nach Ablauf der 1. Instanz in dem Monat, den man Zeit hat, Berufung einzulegen, noch irgendwelche Überraschungen ans Tageslicht kommen, halte ich für extrem unwahrscheinlich.
Wie sieht es denn aus mit einem Urteil, das rechtsfehlerhaft erscheint? Da ist das Rechtsmittel der Berufung eventuell das falsche, oder? Dann muß man stattdessen Revision einlegen?
Anmeldungsdatum: 25.09.2004 Beiträge: 15339 Wohnort: Rom
Verfasst am: 16.04.06, 15:41 Titel:
relysium hat folgendes geschrieben::
Dann dürfte es kaum je zu einer Berufung kommen. Wie gesagt, daß ausgerechnet nach Ablauf der 1. Instanz in dem Monat, den man Zeit hat, Berufung einzulegen, noch irgendwelche Überraschungen ans Tageslicht kommen, halte ich für extrem unwahrscheinlich.
§513 I ZPO:
"Die Berufung kann nur darauf gestützt werden, dass die Entscheidung auf einer Rechtsverletzung (§ 546) beruht oder nach § 529 zugrunde zu legende Tatsachen eine andere Entscheidung rechtfertigen."
Der 2. Halbsatz läßt ja noch Möglichkeiten (fehlerhafte Würdigung von Beweismitteln, falsche Schlußfolgerungen etc.).
relysium hat folgendes geschrieben::
Wie sieht es denn aus mit einem Urteil, das rechtsfehlerhaft erscheint? Da ist das Rechtsmittel der Berufung eventuell das falsche, oder? Dann muß man stattdessen Revision einlegen?
§545 I ZPO:
"Die Revision kann nur darauf gestützt werden, dass die Entscheidung auf der Verletzung des Bundesrechts oder einer Vorschrift beruht, deren Geltungsbereich sich über den Bezirk eines Oberlandesgerichts hinaus erstreckt."
Das ist wesentlich härterer Tobak und noch viel unwahrscheinlicher als ein Berufungsgrund. _________________ DefPimp: Mein Gott
Biber: Nö, war nur M.A.S. Aber hier im Forum ist das schon ziemlich dicht dran.
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Anmeldungsdatum: 29.01.2006 Beiträge: 8913 Wohnort: Berlin
Verfasst am: 16.04.06, 17:45 Titel:
Wobei, lieber Schaffrath, zu ergänzen wäre, daß die Revision im Zivilprozeß ohne vorherige Durchführung der Berufung (die sogenannte "Sprungrevision") den absoluten Ausnahmefall darstellt, da § 566 ZPO hier sehr enge Voraussetzungen zugrunde legt:
Zitat:
§ 566 ZPO Sprungrevision
(1) Gegen die im ersten Rechtszug erlassenen Endurteile, die ohne Zulassung der Berufung unterliegen, findet auf Antrag unter Übergehung der Berufungsinstanz unmittelbar die Revision (Sprungrevision) statt, wenn
1. der Gegner in die Übergehung der Berufungsinstanz einwilligt und
2. das Revisionsgericht die Sprungrevision zulässt.
Der Antrag auf Zulassung der Sprungrevision sowie die Erklärung der Einwilligung gelten als Verzicht auf das Rechtsmittel der Berufung.
(2) Die Zulassung ist durch Einreichung eines Schriftsatzes (Zulassungsschrift) bei dem Revisionsgericht zu beantragen. Die §§ 548 bis 550 gelten entsprechend. In dem Antrag müssen die Voraussetzungen für die Zulassung der Sprungrevision (Absatz 4) dargelegt werden. Die schriftliche Erklärung der Einwilligung des Antragsgegners ist dem Zulassungsantrag beizufügen; sie kann auch von dem Prozessbevollmächtigten des ersten Rechtszuges oder, wenn der Rechtsstreit im ersten Rechtszug nicht als Anwaltsprozess zu führen gewesen ist, zu Protokoll der Geschäftsstelle abgegeben werden.
(3) Der Antrag auf Zulassung der Sprungrevision hemmt die Rechtskraft des Urteils. § 719 Abs. 2 und 3 ist entsprechend anzuwenden. Die Geschäftsstelle des Revisionsgerichts hat, nachdem der Antrag eingereicht ist, unverzüglich von der Geschäftsstelle des Gerichts des ersten Rechtszuges die Prozessakten einzufordern.
(4) Die Sprungrevision ist nur zuzulassen, wenn
1. die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat oder
2. die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Revisionsgerichts erfordert.
Die Sprungrevision kann nicht auf einen Mangel des Verfahrens gestützt werden.
(5) Das Revisionsgericht entscheidet über den Antrag auf Zulassung der Sprungrevision durch Beschluss. Der Beschluss ist den Parteien zuzustellen.
(6) Wird der Antrag auf Zulassung der Revision abgelehnt, so wird das Urteil rechtskräftig.
(7) Wird die Revision zugelassen, so wird das Verfahren als Revisionsverfahren fortgesetzt. In diesem Fall gilt der form- und fristgerechte Antrag auf Zulassung als Einlegung der Revision. Mit der Zustellung der Entscheidung beginnt die Revisionsbegründungsfrist.
( Das weitere Verfahren bestimmt sich nach den für die Revision geltenden Bestimmungen. § 563 ist mit der Maßgabe anzuwenden, dass die Zurückverweisung an das erstinstanzliche Gericht erfolgt. Wird gegen die nachfolgende Entscheidung des erstinstanzlichen Gerichts Berufung eingelegt, so hat das Berufungsgericht die rechtliche Beurteilung, die der Aufhebung durch das Revisionsgericht zugrunde gelegt ist, auch seiner Entscheidung zugrunde zu legen.
Ohne Zulassung der Berufung unterliegen nur Urteile, deren Beschwer den Wert von 600,00 € übersteigt (§ 511 II Nr. 2 ZPO).
Schließlich sind bei dem BGH in Zivilsachen nur die bei dem BGH zugelassenen Rechtsanwälte postulationsfähig - und die arbeiten selten für die gesetzlichen Gebühren des Rechtsanwaltsvergütungsgesetzes...
Verfasst am: 16.04.06, 19:22 Titel: Re: Berufung, Revision etc.
relysium hat folgendes geschrieben::
Normalerweise klagt man beim Amtsgericht, beruft beim Landgericht und revisioniert beim Oberlandesgericht, ist das richtig?
Nein. Es kommt darauf an, worum man streitet.
AG-->LG. Ende. EDIT: So war es früher. Heute: Revision beim BGH theoretisch möglich.
AG--->OLG--->BGH
LG--->OLG--->BGH
sind nur die drei Varianten des Zivilrechtsweges.
Berufung prüft erneut die Tatsachen und Rechtsfragen. Revision prüft allein auf Rechtsfehler. _________________ Few people are capable of expressing with equanimity opinions which differ from the prejudices of their social environment. Most people are even incapable of forming such opinions.
Zuletzt bearbeitet von questionable content am 18.04.06, 14:34, insgesamt 1-mal bearbeitet
Verfasst am: 18.04.06, 14:32 Titel: Re: Berufung, Revision etc.
Pünktchen hat folgendes geschrieben::
In Bayern gibt es noch (mit der Betonung auf noch) das Oberste Landgericht als Revisionsinstanz.
questionable content hat folgendes geschrieben::
relysium hat folgendes geschrieben::
Normalerweise klagt man beim Amtsgericht, beruft beim Landgericht und revisioniert beim Oberlandesgericht, ist das richtig?
Nein. Es kommt darauf an, worum man streitet.
AG-->LG. Ende
Da gibt es auch noch eine Revisionsinstanz - BGH.
Autsch, erwischt! "Neue" (nicht mehr ganz so neue....) ZPO.
Ich arbeite es oben ein.
Und wo wir dabei sind:
Dank des Kapitalanleger-Musterverfahrensgesetzes kann nun - für solche Verfahren - auch das OLG Erstinstanzlich zuständig sein. _________________ Few people are capable of expressing with equanimity opinions which differ from the prejudices of their social environment. Most people are even incapable of forming such opinions.
Anmeldungsdatum: 29.01.2006 Beiträge: 8913 Wohnort: Berlin
Verfasst am: 19.04.06, 00:35 Titel:
qc hat folgendes geschrieben::
Kapitalanleger-Musterverfahrensgesetzes
Boah, da ist mal wieder etwas richtig an mir vorbeigelaufen . Betrifft mich zwar nicht bei meinen Fällen - aber im Rahmen meiner Fortbildungspflicht muß ich mir das mal angucken. Einen Grünen für qc! Hoch die Tassen mit Absinth!
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