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recht.de :: Thema anzeigen - Wann darf man sich auf GG Art 20, Abs.4 berufen?
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Wann darf man sich auf GG Art 20, Abs.4 berufen?
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carn
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Anmeldungsdatum: 15.02.2006
Beiträge: 2872

BeitragVerfasst am: 12.05.06, 11:33    Titel: Wann darf man sich auf GG Art 20, Abs.4 berufen? Antworten mit Zitat

[quote]Artikel 20:
[Staatsstrukturprinzipien; Widerstandsrecht]
(1) Die Bundesrepublik Deutschland ist ein demokratischer und sozialer Bundesstaat.

(2) Alle Staatsgewalt geht vom Volke aus. Sie wird vom Volke in Wahlen und Abstimmungen und durch besondere Organe der Gesetzgebung, der vollziehenden Gewalt und der Rechtsprechung ausgeübt.

(3) Die Gesetzgebung ist an die verfassungsmäßige Ordnung, die vollziehende Gewalt und die Rechtsprechung sind an Gesetz und Recht gebunden.

(4) Gegen jeden, der es unternimmt, diese Ordnung zu beseitigen, haben alle Deutschen das Recht zum Widerstand, wenn andere Abhilfe nicht möglich ist. [quote]

So wie ich 20.4 bisher verstanden habe heisst es auf deutsch:
Wenn "Hitler" nochmal Kanzler werden wuerde, Parlament entmachtet, etc., dann freundlich fragen, ob er nicht zuruecktreten will, wenn er nein sagt, darf man ihn umbringen.

Nur ist mir bei erneutem Nachdenken aufgefallen, dass da nirgendwo steht, dass man bis zum letzten Moment warten muss,"Gegen jeden, der es unternimmt" heisst ja nichts anderes als "jeder der es versucht".
Die Einschraenkung "wenn andere Abhilfe nicht möglich ist" bedeutet natuerlich, dass man die ganzen Theorierevoluzzer am Leben lassen muss, da hier die geeignete Abhilfe "abwarten bis sie zu sehr mit Geld verdienen beschaeftigt sind" ist.

Nun habe ich aber die Vermutung, dass 20.4 nicht nur fuer den deutschlandweiten Fall gilt, sondern wenn bereits jemand lokal(z.b. in einem Stadtteil) versuchen wuerde, die verfassungsmaessige Ordnung ausser Kraft zu setzen.

Ein moegliches Beispiel waere eine groesse kriminelle Jugendgang, die einen Stadtteil so sehr terrorisiert, dass die Polizei, wenn ueberhaupt, nur mit Grossaufgebot anrueckt.
Das haette aber die Konsequenz, dass auf jeden Fall kleinere Delikte(Beleidigungen, kleinere Diebstaehle, Belaestigungen, Sachbeschaedigung) nicht mehr verfolgt wuerden, da zu erwarten waere, dass die Polizei nicht die Moeglichkeiten hat, wegen jedem kleinen Delikt ein Grossaufgebot zur Festnahme der Taeter, die natuerlich durch die Jugendgang erheblich behindert wuerde, bereitzustellen.
Damit waere die aber die verfassungsmaessige Ordnung aber wenigstens teilweise ausser Kraft gesetzt.

Koennten die Buerger des betroffenen Gebietes, die zustaendigen Behoerden davon in Kenntnis setzen, dass, sofern die Behoerden nicht in der Lage sind die Ordnung innerhalb eines Jahres wieder herzustellen, sie unter Berufung auf GG 20.4 Gewalt anwenden werden, um das Problem zu loesen?

Inwiefern wuerden sie sich mit dieser Ankuendigung einer Selbstjustiz strafbar machen?
Und inwiefern waeren sie dann im Falle der Ausfuehrung strafbar, sofern der Staat wirklich nicht in der Lage war die Situation zu verbessern?

(
Meine Gedanken sind nicht voellig aus der Luft gegriffen, es kam in dieser Woche schon 2 mal in Berlin vor, dass Gruppen versucht haben eine Festnahme zu vereiteln
http://www.tagesspiegel.de/berlin/archiv/12.05.2006/2526414.asp
Zum Glueck ist die Polizei in Berlin so gut ausgestattet, dass sie damit fertig werden kann.

Und es gibt wirklich Leute, die denken, dass von Mitbuergern islamischen Glaubens mit Migrationshintergrund eine Gefahr fuer die Bundesrepublik Deutschland ausgeht.
http://myblog.de/kewil
http://myblog.de/politicallyincorrect
Diese Personen koennten sich eine solche Frage irgendwann ernsthaft stellen.
)
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Rembrandt
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Anmeldungsdatum: 06.08.2005
Beiträge: 2634
Wohnort: Saarbrücken

BeitragVerfasst am: 12.05.06, 11:51    Titel: Antworten mit Zitat

Vorsicht mit Artikel 20 Abs.4 GG!

Der hat eher symbolischen Charakter. Er gewährt auch kein Widerstandsrecht gegen einzelne Maßnahmen staatlicher Organe, schon gar nicht gegen Maßnahmen von Privaten. Es darf keine andere Abhilfe objektiv möglich sein. Ein solcher Fall ist zur jetzigen Zeit nicht vorstellbar.
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carn
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Anmeldungsdatum: 15.02.2006
Beiträge: 2872

BeitragVerfasst am: 12.05.06, 13:02    Titel: Antworten mit Zitat

Rembrandt hat folgendes geschrieben::
Vorsicht mit Artikel 20 Abs.4 GG!

Der hat eher symbolischen Charakter.

Was ist daran symbolisch?
Rembrandt hat folgendes geschrieben::


Er gewährt auch kein Widerstandsrecht gegen einzelne Maßnahmen staatlicher Organe, schon gar nicht gegen Maßnahmen von Privaten.

Wenn diese einzelne Massnahmen objektiv das Ziel und die Folge haben, dass die Verfassungsordnung ausser Kraft gesezt wird, warum sollte dann der 20.4 dann nicht das Recht geben Widerstand zu leisten?
Rembrandt hat folgendes geschrieben::

Es darf keine andere Abhilfe objektiv möglich sein.


Das ist klar.
Aber wenn die Polizei ueber ein Jahr lang nicht in der Lage war in einem Stadtteil fuer Recht und Ordnung zu sorgen und sagt "tut uns leid, wir koennen nichts tun", waere das nicht ein solcher Fall?
Was wenn Buerger die Lage unwissentlich und unverschuldet die Lage falsch einschaetzen?

Rembrandt hat folgendes geschrieben::

Ein solcher Fall ist zur jetzigen Zeit nicht vorstellbar.


Stimme ich zu, ist auch nur eine theoretische Frage.

Meine Links sollten nur demonstrieren, warum ich auf den Gedanken kam, dass vielleicht eines Tages Buerger glauben in einer vergleichbaren Situation zu sein.
Es gab auf den gelinkten Seiten einige Kommentare die darueber spekulierten, ob sich innerhalb der naechsten Jahrzehnte Milizen formieren, wenn es mit der Integration sehr schlecht laeuft, was ja in etwa meinem Beispiel entspraeche.
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jurico
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Anmeldungsdatum: 03.08.2005
Beiträge: 6123
Wohnort: Chemnitz

BeitragVerfasst am: 12.05.06, 14:05    Titel: Re: Wann darf man sich auf GG Art 20, Abs.4 berufen? Antworten mit Zitat

Hallo carn,

carn hat folgendes geschrieben::
kleinere Delikte(Beleidigungen, kleinere Diebstaehle, Belaestigungen, Sachbeschaedigung) nicht mehr verfolgt wuerden

das ist doch der Normalfall und mittels §§ 153; 153a StPO grundsätzlich möglich. Winken

carn hat folgendes geschrieben::
Damit waere die aber die verfassungsmaessige Ordnung aber wenigstens teilweise ausser Kraft gesetzt.

Was verstehen Sie unter verfassungsmäßiger Ordnung?

Nach meinem Verständnis berührt das Nicht-Verfolgen kleinerer Straftaten, ja, nicht einmal das Nicht-Verfolgen größerer Straftaten, die verfassungsmäßige Ordnung im Sinne der freiheitlich demokratischen Grundordnung nicht.
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Michael A. Schaffrath
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Anmeldungsdatum: 25.09.2004
Beiträge: 15339
Wohnort: Rom

BeitragVerfasst am: 12.05.06, 14:29    Titel: Antworten mit Zitat

Man sollte dazu mal (mit Verstand!) Klassiker wie Isensees "Das legalisierte Widerstandsrecht" lesen.

Leider wird Isensee (wie auch der Art. 20 IV GG) gerne von interessierten Gruppen jeglicher Couleur (von Rechtsradikalen bis zu Querulanten) - dank absichtlicher oder fahrlässiger Fehlinterpretation - als vermeintliche Rechtfertigung für Straftaten oder Rachephantasien mißbraucht.
Da kommen dann so Blüten raus wie (mehrseitige Tiraden zusammengefaßt) "Wenn ich einen Prozeß verloren habe, wurde das Recht gebeugt, und wenn der Richter damit durchkommt, wurde für mich die verfassungsmäßige Ordnung beseitigt und damit habe ich das Recht, den Richter zu erschießen".

Der Widerstandsartikel wurde in der Tat, wie carn schon im Eingangsbeitrag andeutet, im Gedanken an die NS-Diktatur in das GG eingebracht. Er soll auch - so mein Verständnis und so meinte Rembrandt es wohl auch mit dem "symbolischen Charakter" - mehr eine moralische Rechtfertigung sein, weil eine wirkliche Diktatur (gleich welcher Ausrichtung) natürlich als erstes das GG beseitigen würde und somit der Artikel gar nicht mehr relevant wäre.
Die Einschränkung "wenn andere Abhilfe nicht möglich ist" ist daher auch sehr streng auszulegen. Im Eingangsbeispiel (Polizei verfolgt Kleindelikte nicht) wäre also zumindest schon mal der Rechtsweg zu beschreiten. (Zumal immer der Privatklageweg bleibt.) Die Einschränkung bedeutet nicht, daß schon bloße Untätigkeit des Staates oder "weil wir es nicht mehr abwarten können" als Rechtfertigung ausreicht.
Ansonsten könnte ich auch argumentieren "die NPD will die verfassungsmäßige Ordnung beseitigen und der Staat hat die Partei nicht verboten, also ziehe ich den Art. 20 IV GG und haue den Nazis auf die Omme".
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carn
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Anmeldungsdatum: 15.02.2006
Beiträge: 2872

BeitragVerfasst am: 13.05.06, 09:29    Titel: Re: Wann darf man sich auf GG Art 20, Abs.4 berufen? Antworten mit Zitat

jurico hat folgendes geschrieben::
Hallo carn,

carn hat folgendes geschrieben::
kleinere Delikte(Beleidigungen, kleinere Diebstaehle, Belaestigungen, Sachbeschaedigung) nicht mehr verfolgt wuerden

das ist doch der Normalfall und mittels §§ 153; 153a StPO grundsätzlich möglich. Winken

In solchen Faellen wird aber nach Gesetzen und von dem Gesetzgeber vorgesehenen Stellen entschieden.
Ich meine aber den Fall, wo die Polizei nicht verfolgt, weil sie es gar nicht kann und trotz ausreichender Zeit, der Staat nichts unternimmt, um die Polizei dazu zu befaehigen.
jurico hat folgendes geschrieben::

carn hat folgendes geschrieben::
Damit waere die aber die verfassungsmaessige Ordnung aber wenigstens teilweise ausser Kraft gesetzt.

Was verstehen Sie unter verfassungsmäßiger Ordnung?


Ich dachte so in etwa:

1) Die Bundesrepublik Deutschland ist ein demokratischer und sozialer Bundesstaat.

(2) Alle Staatsgewalt geht vom Volke aus. Sie wird vom Volke in Wahlen und Abstimmungen und durch besondere Organe der Gesetzgebung, der vollziehenden Gewalt und der Rechtsprechung ausgeübt.

Wenn Banden Stadtteile komtrollieren, statt die Polizei, dann geht in diesem Gebiet definitiv nicht mehr alle Staatsgewalt vom Volke aus, da der Staat dort ja gar nicht mehr praesent ist. Die Banden wuerden dann lokal den Staat ersetzen.

jurico hat folgendes geschrieben::

Nach meinem Verständnis berührt das Nicht-Verfolgen kleinerer Straftaten, ja, nicht einmal das Nicht-Verfolgen größerer Straftaten, die verfassungsmäßige Ordnung im Sinne der freiheitlich demokratischen Grundordnung nicht.


Aber doch nur, wenn die Nicht-Verfolgung aufgrund von Gesezten und nicht dauerhaft aufgrund von Personalmangel geschieht(In Ausnahmesituation z.b. Massenrandalen ist die Justiz natuerlich ueberfordert, alle Verdaechtigen anzuklagen)
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carn
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Anmeldungsdatum: 15.02.2006
Beiträge: 2872

BeitragVerfasst am: 13.05.06, 09:48    Titel: Antworten mit Zitat

Michael A. Schaffrath hat folgendes geschrieben::



Der Widerstandsartikel wurde in der Tat, wie carn schon im Eingangsbeitrag andeutet, im Gedanken an die NS-Diktatur in das GG eingebracht. Er soll auch - so mein Verständnis und so meinte Rembrandt es wohl auch mit dem "symbolischen Charakter" - mehr eine moralische Rechtfertigung sein, weil eine wirkliche Diktatur (gleich welcher Ausrichtung) natürlich als erstes das GG beseitigen würde und somit der Artikel gar nicht mehr relevant wäre.

Aber der Diktator darf es doch gar nicht abschaffen, es waere also theoretisch immer noch gueltig. Und wenn die Diktatur ueberwunden waere und das GG auch praktisch wieder gelten wuerde, muessten sofern es 20.4 nicht gaebe, alle Personen die gewaltsam gegen die Diktatur Widerstand geleistet haben mit Anklagen bzw. mit Bestaetigung ihrer waehrend der Diktatur verhaengten Strafen rechnen.

Denn ohne 20.4 waere ja das Beschaffen von Waffen, Verteilung von diesen, einen Aufstand organisieren und durchfuehren, der Einsatz militaerischer Waffen, das Stuermen des Regierungsitzes und die Ermordung des Diktators und seiner Handlanger immer noch alle rechtswidrig und die Beteiligten muessten auf mildernde Umstaende hoffen.

Mit 20.4 muessten lediglich nachgewiesen werden, dass der Diktator tatsaechlich einer war und die Beteiligten haetten rechtens gehandelt.
Michael A. Schaffrath hat folgendes geschrieben::

Die Einschränkung "wenn andere Abhilfe nicht möglich ist" ist daher auch sehr streng auszulegen. Im Eingangsbeispiel (Polizei verfolgt Kleindelikte nicht) wäre also zumindest schon mal der Rechtsweg zu beschreiten. (Zumal immer der Privatklageweg bleibt.) Die Einschränkung bedeutet nicht, daß schon bloße Untätigkeit des Staates oder "weil wir es nicht mehr abwarten können" als Rechtfertigung ausreicht.

Was aber wenn die Beschreitung des Rechtsweges sich als sinnlos erweist, weil anschliessend die Behoerden, dass Urteil gar nicht durchsetzen koennen, da sie nicht 200 Polizisten fuer eine Pfaendung wegen wiederholtem zerstechen von Reifen abkommandieren koennen?
Was wenn Verfahren deswegen nicht moeglich sind, weil die Polizei die Gerichtsvorladungen fuer Zeugen nicht durchsetzen kann?
Michael A. Schaffrath hat folgendes geschrieben::

Ansonsten könnte ich auch argumentieren "die NPD will die verfassungsmäßige Ordnung beseitigen und der Staat hat die Partei nicht verboten, also ziehe ich den Art. 20 IV GG und haue den Nazis auf die Omme".


Duerfte man so argumentieren, wenn die NPD eine Mehrheit im Bundestag erringen wuerde und an den meisten Landesregierungen beteiligt waere, weil dann ja ein normales NPD Verbot gar nicht mehr moeglich waere?
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Michael A. Schaffrath
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Anmeldungsdatum: 25.09.2004
Beiträge: 15339
Wohnort: Rom

BeitragVerfasst am: 13.05.06, 10:33    Titel: Re: Wann darf man sich auf GG Art 20, Abs.4 berufen? Antworten mit Zitat

carn hat folgendes geschrieben::
Wenn Banden Stadtteile komtrollieren, statt die Polizei, dann geht in diesem Gebiet definitiv nicht mehr alle Staatsgewalt vom Volke aus, da der Staat dort ja gar nicht mehr praesent ist. Die Banden wuerden dann lokal den Staat ersetzen.


Oh, Moment, da fallen mir gleich zwei Argumente ein:

1. Wie ich oben schon schrieb, wo ist die Grenze? Wenn Herr A wegen schwerer Krankheit haftunfähig und nebenbei völlig pleite ist, aber trotzdem schön weiter über das Internet Betrügereien begeht - wäre dann nicht auch für die Betrugsopfer die "Staatsgewalt" ausgehebelt, weil dem A ja keiner was kann? Hätten sie dann auch das Recht, sich in Selbstjustiz an dem A zu rächen?
Oder was, wenn Papa Schulze seiner Tochter Fernseh- und Zeitungsverbot erteilt und sie daraufhin meint, das verletze ihre Grundrechte auf Informationsfreiheit? Kann sie sich dann - unter Zuhilfenahme von Verbotsirrtum oder was auch immer - ebenfalls auf 20.4 berufen und ihren Vater die Treppe herunterstoßen?

2. Wer beseitigt denn eigentlich die verfassungsmäßige Ordnung, wenn die Polizei nicht mehr einschreitet? Die Banden, die ja nichts dafür können, daß der Staat sie nicht verfolgt? Oder der Staat selbst? Gegen wen richten sich da Ihrer Meinung nach die von 20.4 gerechtfertigten Maßnahmen?

Zitat:
weil anschliessend die Behoerden, dass Urteil gar nicht durchsetzen koennen, da sie nicht 200 Polizisten fuer eine Pfaendung wegen wiederholtem zerstechen von Reifen abkommandieren koennen?
Was wenn Verfahren deswegen nicht moeglich sind, weil die Polizei die Gerichtsvorladungen fuer Zeugen nicht durchsetzen kann?


Sorry, das halte ich für konstruiert. Wenn ich einen Gerichtsvollzieher bedrohe, lande ich im Knast. Wenn meine Kumpels mich vor der Verhaftung beschützen wollen, werden sie auch verhaftet. Notfalls unter Waffengewalt. Und wenn sich tatsächlich eine bewaffnete Hundertschaft von Anarchisten gegen die Polizei stellt, ist da ganz schnell eine Spezialeinheit der GSG9 oder ein SEK vor Ort. So funktioniert es bei uns nicht, wir sind ja nicht in Kolumbien.
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carn
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Anmeldungsdatum: 15.02.2006
Beiträge: 2872

BeitragVerfasst am: 13.05.06, 11:59    Titel: Re: Wann darf man sich auf GG Art 20, Abs.4 berufen? Antworten mit Zitat

Michael A. Schaffrath hat folgendes geschrieben::
carn hat folgendes geschrieben::
Wenn Banden Stadtteile komtrollieren, statt die Polizei, dann geht in diesem Gebiet definitiv nicht mehr alle Staatsgewalt vom Volke aus, da der Staat dort ja gar nicht mehr praesent ist. Die Banden wuerden dann lokal den Staat ersetzen.


Oh, Moment, da fallen mir gleich zwei Argumente ein:

1. Wie ich oben schon schrieb, wo ist die Grenze? Wenn Herr A wegen schwerer Krankheit haftunfähig und nebenbei völlig pleite ist, aber trotzdem schön weiter über das Internet Betrügereien begeht - wäre dann nicht auch für die Betrugsopfer die "Staatsgewalt" ausgehebelt, weil dem A ja keiner was kann? Hätten sie dann auch das Recht, sich in Selbstjustiz an dem A zu rächen?

Offensichtlich erfolgt die Nicht-Durchsetzung des Urteils aufgrund von Gesetzen, waere also definitiv kein Fall fuer 20.4. Wem das nicht passt muss lediglich eine eigene Partei gruenden, eine Mehrheit in Bundesrat und -tag erringen und dann Gesetze aendern/einfuehren die kreative alternativ Strafen erlauben, falls die standard nicht umsetzbar sind, hier z.b. Internetverbot und Hausarrest.
Michael A. Schaffrath hat folgendes geschrieben::

Oder was, wenn Papa Schulze seiner Tochter Fernseh- und Zeitungsverbot erteilt und sie daraufhin meint, das verletze ihre Grundrechte auf Informationsfreiheit? Kann sie sich dann - unter Zuhilfenahme von Verbotsirrtum oder was auch immer - ebenfalls auf 20.4 berufen und ihren Vater die Treppe herunterstoßen?

Soweit sind solche Dinge dem Erziehungsberechtigten erlaubt, falls er Missbrauch betreibt, muss die Tochter sich an Gerichte und Jugendaemter wenden.
Michael A. Schaffrath hat folgendes geschrieben::

2. Wer beseitigt denn eigentlich die verfassungsmäßige Ordnung, wenn die Polizei nicht mehr einschreitet? Die Banden, die ja nichts dafür können, daß der Staat sie nicht verfolgt? Oder der Staat selbst? Gegen wen richten sich da Ihrer Meinung nach die von 20.4 gerechtfertigten Maßnahmen?

Die Banden, die durch massive Gewaltandrohung die Polizei abschrecken, koennen nichts dafuer, dass der Staat sie nicht verfolgt?
Natuerlich gehe ich davon aus, dass in so einem Fall sich die Massnahmen nach 20.4 gegen die Banden richten muessten.
Michael A. Schaffrath hat folgendes geschrieben::

Zitat:
weil anschliessend die Behoerden, dass Urteil gar nicht durchsetzen koennen, da sie nicht 200 Polizisten fuer eine Pfaendung wegen wiederholtem zerstechen von Reifen abkommandieren koennen?
Was wenn Verfahren deswegen nicht moeglich sind, weil die Polizei die Gerichtsvorladungen fuer Zeugen nicht durchsetzen kann?


Sorry, das halte ich für konstruiert. Wenn ich einen Gerichtsvollzieher bedrohe, lande ich im Knast. Wenn meine Kumpels mich vor der Verhaftung beschützen wollen, werden sie auch verhaftet. Notfalls unter Waffengewalt. Und wenn sich tatsächlich eine bewaffnete Hundertschaft von Anarchisten gegen die Polizei stellt, ist da ganz schnell eine Spezialeinheit der GSG9 oder ein SEK vor Ort. So funktioniert es bei uns nicht, wir sind ja nicht in Kolumbien.


Es geht hier ja um konstuierte Beispiele. Meines Wissens gab es in der BRD noch keinen Fall der nur in die Naehe von 20.4 geht.

Und mein konstuiertes Beispiel ist ja gerade, dass nur noch Verhaftungen im Falle von schweren Straftaten durchgefuehrt werden, da es so viele kleinere Straftaten gibt, dass der fuer alle Verhaftungen noetige Dauereinsatz von SEK oder wem auch immer, die Kapazitaeten der Polizei ueberfordert.
Und mit "kleineren" Straftaten meine ich alles was weniger als 3 Jahre Hoechststrafe hat.
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omnerritas
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Anmeldungsdatum: 08.11.2005
Beiträge: 428
Wohnort: Wiesbaden

BeitragVerfasst am: 14.05.06, 19:30    Titel: Antworten mit Zitat

Vor einiger Zeit habe ich auch mal an diesen Teil unseres Grundgesetzes denken müssen aber sicherlich nicht in Hinblick auf die kleineren "Unzulänglichkeiten" unseres Staates Winken

Ich denke es wurde schon deutlich gemacht, dass Art. 20 Abs. 4 im Hinblick auf die NS Diktatur gesehen werden muss und es nicht um Kleinkram dabei ging.
Es gab bisher nur einen einzigen Fall, wo ich mir hierzu mal Gedanken gemacht habe und das war, als eine zum damaligen Zeitpunkt verhinderte Kanzlerkandidatin, welche nicht in der politischen Verantwortung stand für mich den Anschein erweckte, dass sie einen Angriffskrieg unterstützen würde wenn sie es nur könnte.

Ich befürchte allerdings, dass selbst ein kleinerer bis mittlerer "Vernichtungsfeldzug" an der Seite des "großen Bruders" gegen "willkürliche" Ziele einen wie auch immer gearteten Wiederstand gemäß Art. 20 Abs. 4 nicht gerechtfertigt hätte. Sehr böse

Wie gesagt, war dies bisher aber das einzige mal, wo ich den Art. 20 Abs. 4 allein von meinem Bauchgefühl mal in Erwägung gezogen habe aber das Gedankenexperiment hab ich nicht zuende durchgespielt, weil sich im Zuge meiner laienhaften Überlegungen einfach zuviele Probleme auftauchten die damit verbunden sind.
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Michael A. Schaffrath
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Anmeldungsdatum: 25.09.2004
Beiträge: 15339
Wohnort: Rom

BeitragVerfasst am: 14.05.06, 21:12    Titel: Antworten mit Zitat

omnerritas hat folgendes geschrieben::
Ich befürchte allerdings, dass selbst ein kleinerer bis mittlerer "Vernichtungsfeldzug" an der Seite des "großen Bruders" gegen "willkürliche" Ziele einen wie auch immer gearteten Wiederstand gemäß Art. 20 Abs. 4 nicht gerechtfertigt hätte. Sehr böse


Es gibt immer wieder mal Verfassungsverstöße unterschiedlichen Ausmaßes, aber bisher war sicherlich noch keiner auch nur annähernd dafür geeignet, 20.4 zu ziehen. Denn ein (geplanter oder tatsächlicher) Verfassungsverstoß allein ist noch keine Unternehmung zur Beseitigung der verfassungsmäßigen Ordnung (ansonsten wäre der 20.4 ganz anders formuliert). Man denke dabei auch an das gern aus dem Zusammenhang gerissene Merkel-Zitat zum Thema "Kein Rechtsanspruch auf Demokratie", das ja vor allem vom rechten Rand gerne als "Verteidigungsfall" für den 20.4 postuliert wurde.
Zumal ja zunächst mal der Weg über das BVerfG zu beschreiten wäre.

Ich persönlich habe auch erst einmal an den 20.4 gedacht, nämlich vor dem Hintergrund der Frage, wie weit der Staat die Überwachung unter dem Vorwand "Kampf gegen Terrorismus" noch ausweiten will. Aber auch da muß noch viel Wasser den Tiber herunter fließen, bevor man in Reichweite des Widerstandsrechts kommt.

Interessant ist natürlich die Frage, wie sich der 20.4 zum Art. 146 GG verhält. Wenn jetzt die deutliche Mehrheit der Bevölkerung und die deutliche Mehrheit ihrer Repräsentanten eine wesentlich restriktivere Verfassung beschließen würde, wäre der Sinn des 146 immer noch erfüllt, es könnte sich aber die oppositionelle Minderheit auf 20.4 berufen und sagen "ihr dürft 146 nicht anwenden, wir haben Widerstandsrecht"... Tricky, isn't it? Cool
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carn
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Anmeldungsdatum: 15.02.2006
Beiträge: 2872

BeitragVerfasst am: 15.05.06, 15:21    Titel: Antworten mit Zitat

Habe ich es richtig verstanden?

Wenn man in einem Gebiet in Deutschland wohnt, in dem die Polizei nur noch vorbeikommt, um Moerder zu verhaften, ansonsten aber eine Gang bestimmt, was erlaubt ist und was nicht, dann darf der Buerger als einziges Briefe an Staatsanwaelte, Polizei, Stadt, Land, Bund und Presse schreiben.
Falls diese nichts bringen, muss er entweder damit leben lernen oder umziehen.
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jurico
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Anmeldungsdatum: 03.08.2005
Beiträge: 6123
Wohnort: Chemnitz

BeitragVerfasst am: 15.05.06, 15:36    Titel: Antworten mit Zitat

Gegebenenfalls müßte der Bündnisfall gemäß NATO-Vertrag ausgerufen werden. Ich denke, die Amerikaner würden uns schon helfen ... Winken
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Michael A. Schaffrath
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Anmeldungsdatum: 25.09.2004
Beiträge: 15339
Wohnort: Rom

BeitragVerfasst am: 15.05.06, 16:55    Titel: Antworten mit Zitat

carn hat folgendes geschrieben::
Falls diese nichts bringen, muss er entweder damit leben lernen oder umziehen.


Jetzt bringen Sie einen neuen Faktor in die Argumentation - bisher scheiterte Ihr Beispiel immer noch an dem "wenn andere Abhilfe nicht möglich ist".
Ich weiß aber auch nicht, ob man sich über so ein konstruiertes Beispiel jetzt echauffieren muß. Im übrigen ist das Herangehen auch unlogisch. Als einzelner kann man sich gegen eine "bewaffnete Bande" wohl kaum sinnvoll wehren. Als organisierte Masse schon besser, und wer sollte dann behaupten wollen, es läge kein "übergeordneter Notstand" vor?

Dazu reichen aber schon die Notwehr-Regelungen des StGB, dazu braucht man den Art. 20 IV GG nicht. Denn ich würde sagen, in so einer Situation gibt es wesentlich konkretere und kritischere Bedrohungen als die Frage, ob man Schadensersatz wegen einer zerkratzten Motorhaube notfalls "selbst mit Waffengewalt" vollstrecken kann. Winken
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carn
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Anmeldungsdatum: 15.02.2006
Beiträge: 2872

BeitragVerfasst am: 16.05.06, 03:19    Titel: Antworten mit Zitat

Michael A. Schaffrath hat folgendes geschrieben::
carn hat folgendes geschrieben::
Falls diese nichts bringen, muss er entweder damit leben lernen oder umziehen.


Jetzt bringen Sie einen neuen Faktor in die Argumentation - bisher scheiterte Ihr Beispiel immer noch an dem "wenn andere Abhilfe nicht möglich ist".
Ich weiß aber auch nicht, ob man sich über so ein konstruiertes Beispiel jetzt echauffieren muß. Im übrigen ist das Herangehen auch unlogisch. Als einzelner kann man sich gegen eine "bewaffnete Bande" wohl kaum sinnvoll wehren. Als organisierte Masse schon besser, und wer sollte dann behaupten wollen, es läge kein "übergeordneter Notstand" vor?

Dazu reichen aber schon die Notwehr-Regelungen des StGB, dazu braucht man den Art. 20 IV GG nicht. Denn ich würde sagen, in so einer Situation gibt es wesentlich konkretere und kritischere Bedrohungen als die Frage, ob man Schadensersatz wegen einer zerkratzten Motorhaube notfalls "selbst mit Waffengewalt" vollstrecken kann. Winken


Wieso sollten die Notwehr-Regelungen reichen?
Diese gelten ja nur, wenn ein Verbrechen gerade vorbereitet oder ausgefuehrt wird.
Das heisst es muesste sich eine Buergerwehr bilden, die die Gang rund um die Uhr ueberwacht.
Oder man muesste der Gang auflauern, einen Koeder auslegen und wenn sie die Straftat begehen "im Affekt" so hart gegen sie vorgehen, dass die Gegend ein paar Monate Ruhe hat, waehrend sie im Krankenhaus sind.

Und als kleine Gruppe kann man sich im Prinzip gegen eine Gang wehren, sofern man weis wo sie schlafen und wann sie zugedroehnt sind, aber das ist dann natuerlich auf keinen Fall durch Notwehr abgedeckt.
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