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Verwendung von illegal erlangten Beweismitteln moeglich?

 
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carn
FDR-Mitglied
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Anmeldungsdatum: 15.02.2006
Beiträge: 2872

BeitragVerfasst am: 27.10.06, 10:47    Titel: Verwendung von illegal erlangten Beweismitteln moeglich? Antworten mit Zitat

Hallo,
in Filmen ueber das US Justizsystem kommt es immer wieder vor, dass Beweismittel nicht zu gelassen werden, weil sie illegal erlangt wurden, z.b. ohne Durchsuchungsbefehl.
Als Beispiel faellt mir der Film "Ein Richter sieht Rot" ein.
Unter anderem wird dort ein Mordverdaechtiger von 2 Polizisten verfolgt, sie verhaften ihn vor dem Eingang seiner Wohnung, aber nicht bevor dieser etwas, von dem die Polizisten vermuten es koennte die Tatwaffe sein, in seinen Muelleimer wirft, der vor der Haustuere steht, da an diesem Tag die Muellabfuhr kommt. Diese ist bereits in der Strasse unterwegs und wird in kuerze den Muelleimer leeren.
Die Polizisten haben also keine Zeit mehr einen Durchsuchungsbefehl zu bekommen, warten also ab bis der Muelleimer in den hinteren Teil des Muellautos entlehrt wurde, wo er noch nicht mit dem restlichen Muell im Auto vermischt wurde. Sie durchsuchen den Muell und finden die Waffe, die sich aus Tatwaffe herausstellt. Diese wird aber als Beweismittel abgelehnt, da der Muell des Verdaechtigen erst mit der Durchmischung mit dem sonstigen Muell im Muellauto nicht mehr Privateigentum gewesen waere. Es haette also einen Dursuchungsbefehl benoetigt, somit war das Beweismittel illegal erlangt und der Verdaechtige konnte natuerlich nicht verurteilt werden.

Mal abgesehen davon dass der Film das US Recht vielleicht nicht korrekt wiedergibt, ist es in Deutschland aehnlich?(falls Muelltonnen anders gehandhabt werden in D, einfach durch passendes ersetzen, z.b. Verdaechtiger wirft Gegenstand in seine Wohnung und Gefahr besteht, dass Mitbwohner Gegenstand unmittelbar entsorgt.)

Werden illegal erlangte Beweismittel ebenfalls verworfen oder kann das Gericht sie trotzdem werten, wenn sie eindeutig sind und es um schwere Verbechen geht?
Kann eine Verurteilung nur aufgrund illegal erlangter Beweismittel stattfinden?

Ganz extremes Beispiel, bei einer illegalen Durchsuchung werden Leichen im Keller gefunden, koennen diese dann und die sich aus ihnen ergebenden Beweise(z.b. Autopsie) verwendet werden?
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jurico
FDR-Moderator


Anmeldungsdatum: 03.08.2005
Beiträge: 6123
Wohnort: Chemnitz

BeitragVerfasst am: 27.10.06, 12:55    Titel: Re: Verwendung von illegal erlangten Beweismitteln moeglich? Antworten mit Zitat

Hallo,

carn hat folgendes geschrieben::
Werden illegal erlangte Beweismittel ebenfalls verworfen oder kann das Gericht sie trotzdem werten, wenn sie eindeutig sind und es um schwere Verbechen geht?
Kann eine Verurteilung nur aufgrund illegal erlangter Beweismittel stattfinden?

so pauschal will ich das nicht sagen. Ich versuche es mal, an einem (anderen) Beispiel festzumachen. Sehen wir uns mal § 136a StPO an.

Beispiel: Ein Kind ist verschwunden. Die Ermittlungen richten sich gegen den Beschuldigten B. In der Vernehmung des B werden diesem unter Aufsicht eines Arztes so lange vom Kampfsportexperten die Gelenke überdehnt, bis B den Aufenthaltsort des Kindes preisgibt. Das Kind ist tot. Neben dem Kind befinden sich das Tatwerkzeug (ein Seil mit DNA-Spuren des B, mit dem B mutmaßlich das Kind erdrosselt hat) sowie andere persönliche Gegenstände des B (siehe Daschner-Fall, etwas abgewandelt).

Das erzwungene "Geständnis" des B darf in einem Prozess nicht gegen ihn verwendet werden. Das Seil und die anderen persönlichen Gegenstände des B als Augenscheinsobjekte schon.

Die Rechtsprechung (BGH) begründet das damit, dass das Verwertungsverbot aus § 136a StPO keine "Fernwirkung" habe. Das heißt, wenn die (unverwertbare) Aussage Hinweise auf andere Beweismittel enthält, dann dürfen diese verwertet werden. Siehe dazu: Volk, Grundkurs StPO, § 9 Rn. 27 sowie:

BGHSt 34, 362 hat folgendes geschrieben::
... Eine so weitreichende Fernwirkung eines Verfahrensverstoßes wird nicht anerkannt. Wie der Bundesgerichtshof schon mehrfach ausgesprochen hat, darf ein Verfahrensfehler, der ein Verwertungsverbot für ein Beweismittel herbeiführt, nicht ohne weiteres dazu führen, daß das gesamte Strafverfahren lahmgelegt wird (BGHSt 27, 355 [358]; 32, 68 [71]). Die Aussage, die ein Zeuge in der Hauptverhandlung macht, ohne durch verbotene Mittel (§§ 136a, 69 Abs. 3 StPO) in seiner Willensfreiheit beeinträchtigt zu sein, darf deshalb auch dann verwertet werden, wenn die Strafverfolgungsbehörden ihn nach Angaben des Beschuldigten ermittelt haben, die auf unzulässige Weise zustandegekommen sind. Eine solche Begrenzung der Auswirkung eines Verfahrensfehlers ist zu einer wirksamen Verbrechensbekämpfung und auch deshalb erforderlich, weil sich kaum jemals feststellen läßt, ob die Polizei den Zeugen ohne den Verstoß nicht auch gefunden hätte (vgl.BGHSt 32, 68 [71]). ...

Übrigens ist das bei den US-Amerikanern auch nicht so strikt, wie das manchmal rüberkommt.

Volk, Grundkurs StPO, § 9 rn. 28 hat folgendes geschrieben::
Die amerikanische Doktrin "fruit of the poisonous tree" lehrt das Gegenteil, wird aber stark eingeschränkt durch die Regel, das Beweise verwertet werden dürfen, wenn man sie auf legalem Wege hätte erlangen können (hypothetical clean path doctrine).

Das klingt auch in der BGH-Entscheidung (oben) an, die unter den Juristen umstritten ist.


Zuletzt bearbeitet von jurico am 27.10.06, 13:01, insgesamt 1-mal bearbeitet
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Toph
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FDR-Mitglied


Anmeldungsdatum: 28.02.2006
Beiträge: 2424
Wohnort: Pfalz

BeitragVerfasst am: 27.10.06, 12:59    Titel: Antworten mit Zitat

Die angesprochen Thematik -Beweisverbote- ist extremst komplex und schwierig und gesetzlich so gut wie gar nicht geregelt, so dass es Aufgabe der Rechtsprechung ist darüber zu entscheiden.

Zur Einführung empfehle ich mal diesen Wikipedia-Artikel.

Zur Mülltonne:
Im geschilderten Fall wären die Polizisten (sofern sie nicht nur Polizisten, sondern gleichzeitig Ermittlungspersonen der StA) sind, nach deutschem Recht befugt gewesen, die Durchsuchung aufgrund drohenden Beweismittelverlustes wegen Gefahr in Verzug selber anzuordnen, so dass schon keine rechtswidrige Durchsuchung vorgelegen hätte.

Selbst wenn die Durchsuchung auch nach deutschem Recht rechtswidrig gewesen wäre, würde aber daraus noch nicht unbedingt und unmittelbar die Rechtswidrigkeit der Beschlagnahme (und damit ein Beweisverwertungsverbot) resultieren, wie dies das US-amerikanische Recht entsprechend der fruit-of-the-poisonous-tree-doctrine vorsieht.
Die US-amerikanische fruit-of-the-poisonous-tree-doctrine wurde von der dortigen Rechtsprechung insbesondere entwickelt, um die dortigen Strafverfolgungsorgane zu disziplinieren, eine Funktion, die die deutsche Rechtsprechung zu Beweisverboten in Deutschland für als unnötig erachtet, da die entsprechende Disziplin in Deutschland schon ganz überwiegend durch entsprechende Straftatbestände erzwungen wird (z.B. für vorsätzlich rechtswidrige Durchsuchungen durch den Straftatbestand des Hausfriedensbruchs).
_________________
"§ 354 Abs. 1 a Satz 1 StPO bei verfassungskonformer Auslegung mit Grundgesetz vereinbar" Lachen
Bundesverfassungsgericht; Pressemitteilung Nr. 76/2007 vom 6. Juli 2007 zum Beschluss vom 14. Juni 2007 – 2 BvR 1447/05; 2 BvR 136/05
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D-Fens [HH]
FDR-Mitglied


Anmeldungsdatum: 02.01.2006
Beiträge: 36

BeitragVerfasst am: 28.10.06, 14:03    Titel: Antworten mit Zitat

bleibt vielleicht noch der vollständigkeit halber nachzutragen, dass die erörterung eines hypothetischen ersatzeingriffes auch hier zu lande größere bedeutung gewinnt, das gericht also die verwertung eines beweismittels zulässt, wenn es (rechts)fehlerhaft gewonnen wurde, im falle eines ordnungsgemäßen handelns aber ebenfalls hätte gewonnen werden können; beispiel: bgh vom 14.03.2003 - 2 str 341/02
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