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Verfasst am: 10.10.04, 13:22 Titel: Widerspruch gegen IHK Zwangsmitgliedschaft
Hallo,
ich habe eine Kapitalgesellschaft gegründet. Schon flattern die ersten Schreiben der IHK ins Haus. Ich habe der Zwangsmitgliedschaft widersprochen, in der Hoffnung, dass der EuGH ein weiteres Mal die Unfähigkeit des BVG ausgleicht und den absurden Kammerzwang in Deutschland aufhebt. Vielleicht ringt sich auch irgendwann eine Bundesregierung zu diesem längst überfälligen Schritt durch.
Mein Frage:
Mein Unternehmen wird auf die Beitragsbeescheide und Mahnungen nicht reagieren. Die IHK müßte dann ein Vollstreckungsverfahren beauftragen. Demnach rückt der freundliche Gerichtsvollzieher eines Tages an. Der bekommt außer einem Widerspruch nichts Neues in die Hand. Was passiert dann? Gewaltsame Öffnung der Geschäftsräume?
Nehmen wir an, der EuGH beschließt in 2007 in Abschaffung des IHK Zwangs. Kann man die bis dahin entstandenen Kosten und Pfändungen auf Grund des Widerspruchs einfordern?
Vielen Dank für unbürokratische und sachdienliche Hinweise
Jasmin
Verfasst am: 10.10.04, 16:39 Titel: Re: Widerspruch gegen IHK Zwangsmitgliedschaft
Anonymous hat folgendes geschrieben::
Vergessen Sie den Quatsch. Der EuGH wird den Kammerzwang für Inländer nicht aufheben.
Danke, aber ich befürchte Sie haben in der Sache keinen blassen Schimmer. Sogar ein rational denkender IHK-Präsident nennt den EUGH als Regulierer.
http://www.ihk-zwang-nein.de/site209_d.htm
Eine einzige Klage beim EUGH würde nach seinen Worten ausreichen um der arroganten Kammergesellschaft den Dolchstoß zu versetzen.
Verfasst am: 11.10.04, 00:24 Titel: Re: Widerspruch gegen IHK Zwangsmitgliedschaft
Der gute Mann hat nicht verstanden, worüber der EuGH entscheidet. Dieses Zitat zeigt, dass er keinen blassen Schimmer hat:
"Wenn Firmen aus anderen Ländern nicht dabei sein müssen, dann braucht es nur eine Klage einer deutschen Firma beim Europäischen Gerichtshof, bis die Zwangsmitgliedschaft fällt"
Über die Mitgliedschaft von Inländern wird der EuGH nicht befinden, weil der EuGH nur über die Dienstleistungsfreiheit zwischen den Mitgliedsstaaten urteilt.
Dieselbe Problematik besteht bei den Handwerkskammern. Ausländische Firmen brauchen keinen Meister, aber die deutschen schon. Gegen die "Inländerungleichbehandlung" können Sie nichts machen.
Verfasst am: 11.10.04, 00:35 Titel: Re: Widerspruch gegen IHK Zwangsmitgliedschaft
Jasmin hat folgendes geschrieben::
Die IHK müßte dann ein Vollstreckungsverfahren beauftragen. Demnach rückt der freundliche Gerichtsvollzieher eines Tages an. Der bekommt außer einem Widerspruch nichts Neues in die Hand. Was passiert dann? Gewaltsame Öffnung der Geschäftsräume?
Das wäre denkbar. Notfalls wird der GV dazu die Polizei um Hilfe bitten, falls Sie ihm nicht freiwillig Zugang gewähren. Voraussetzung ist ein vollstreckbarer Bescheid, den die IHK selbst erlassen kann. Sie muß auch nicht den Gerichtsvollzieher beauftragen, oft haben Behörden eigene Vollstreckungsbeamte oder beauftragen z.B. das Finanzamt oder den Zoll. Denkbar und sogar wahrscheinlicher wäre es, daß die Bankkonten des Unternehmens gepfändet werden. Das ist nicht gut bei der Schufa.
Verfasst am: 14.10.04, 08:15 Titel: Re: Widerspruch gegen IHK Zwangsmitgliedschaft
Hallo,
bin zwar kein Jurist, aber ein betroffener Handwerker der keinen Meisterbrief besitzt.
Beim BGH liegen etliche Klagen vor wegen "Inlandsdiskriminierung" Inhalt der Klagen ist, dass deutsche Handwerker nur mit Meisterbrief bestimmte Handwerksberufe als stehendes Gewerbe ausüben dürfen, Bürger europ. Mitgliedsstaaten jedoch auch ohne.
Aufgrund einer vorrangegangenen Klage wurde Deutschland gezwungen die Meisterpflicht zu "überarbeiten" 61 Handwerksberufe wurden daraufhin vom Meiosterzwang befreit, 41 verblieben darunter, Begründung :
"Bei der Ausübung besteht Gefahr für Leib und Leben"
Daraufhin wurde Klage eingereicht welche vom BGH angenommen wurde. Der BGH wartet nunmehr seit Jahren auf eine Antwort der Kammern auf die Frage, " wie es zu vereinbaren sei, dass dem deutschen Handwerker die Ausübung seines Handwerks ohne Meisterbrief untersagt sei, jedoch einem EU-Bürger, der die deutsche Sprache weder verstehen noch lesen können muß jedoch nicht"
Verfasst am: 14.10.04, 08:51 Titel: Re: Widerspruch gegen IHK Zwangsmitgliedschaft
Jasmin hat folgendes geschrieben::
Mein Unternehmen wird auf die Beitragsbeescheide und Mahnungen nicht reagieren.
Das ist ganz gewiss der falsche Weg! Die Bescheide werden dann rechtskräftig und vollstreckbar. Das sollten Sie vermeiden. Legen sie Widerspruch ein und beantragen Sie die aufschiebende Wirkung des Widerspruchs und der ggf. anschließenden Klage, falls diese nicht sowieso kraft Gesetzes eintritt.
Jasmin hat folgendes geschrieben::
Nehmen wir an, der EuGH beschließt in 2007 in Abschaffung des IHK Zwangs. Kann man die bis dahin entstandenen Kosten und Pfändungen auf Grund des Widerspruchs einfordern?
Siehe oben. Sollte auf Grund eines noch zu fällenden Urteils die Zwangsmitgliedschaft ab einem bestimmten Zeitpunkt - z.B. Datum des Urteils, der Rechtskraft desselben oder ab Folgemonat - aufgehoben werden, besteht weiterhin die Zwangsmitgliedschaft bis dahin. Die Kosten, die Ihnen bis dahin entstanden sind, können Sie dann in den Wind schreiben.
Denkbar wäre auch eine Regelung, die besagt, dass die Mitgliedschaft auch rückwirkend nicht wirksam wird, wenn zum Zeitpunkt des Urteils noch keine rechtskräftige Entscheidung der IHK darüber vorliegt. Deshalb sollten sie auf jeden Fall so lange wie möglich vermeiden, dass eine entsprechende Entscheidung Rechtskraft erlangt. _________________ MfG
Old Piper
_____________________
Behörden- und Gerichtsentscheidungen sind zwar oft recht mäßig, aber meistens rechtmäßig.
Verfasst am: 14.10.04, 22:46 Titel: Re: Widerspruch gegen IHK Zwangsmitgliedschaft
Anonymous hat folgendes geschrieben::
Der gute Mann hat nicht verstanden, worüber der EuGH entscheidet. Dieses Zitat zeigt, dass er keinen blassen Schimmer hat:
"Wenn Firmen aus anderen Ländern nicht dabei sein müssen, dann braucht es nur eine Klage einer deutschen Firma beim Europäischen Gerichtshof, bis die Zwangsmitgliedschaft fällt"
Über die Mitgliedschaft von Inländern wird der EuGH nicht befinden, weil der EuGH nur über die Dienstleistungsfreiheit zwischen den Mitgliedsstaaten urteilt.
Dieselbe Problematik besteht bei den Handwerkskammern. Ausländische Firmen brauchen keinen Meister, aber die deutschen schon. Gegen die "Inländerungleichbehandlung" können Sie nichts machen.
Schon merkwürdig, wenn jemand behauptet, das der EuGH bei Wettbewerbsverzerrung tatenlos zusieht. Ich kann nur wiederholen, daß der EuGH den BGH in der Vergangenheit bereits mehrfach vorgeführt hat (bestes Beispiel ist die Geschäftsfähigkeit einer engl. Ltd mit einer Niederlassung in D nach engl. Gesellschaftsrecht). Der BGH leidet ebenso wie die Politik unter zuviel Lobbyeinfluß.
Verfasst am: 15.10.04, 01:29 Titel: Re: Widerspruch gegen IHK Zwangsmitgliedschaft
Dieses Märchen, Gast Thomas, haben Sie vermutlich von IHK-Verweigerern oder Handwerkskammer-“Geschädigten“ gehört. Der BGH verhandelt weder derzeit noch in der Zukunft Klagen gegen den Meisterzwang, weil dafür allein das Bundesverwaltungsgericht zuständig wäre. Aber auch beim BVerwG ist keine Klage anhängig. Ferner hat das Bundesverfassungsgericht die Verfassungsmäßigkeit der IHK-Zwangsmitgliedschaft sowie der Zwangsmitgliedschaft in den Handwerkskammern mehrfach bestätigt. Eine „Inländerdiskriminierung“ durch unterschiedliche Vorschriften für EU-Ausländer - Unternehmen mit Sitz im Ausland, die in Deutschland tätig sind - und Inländer ist ebenfalls verfassungsgemäß – auch bereits entschieden.
Ebenfalls ein Märchen ist es, dass „aufgrund einer vorangegangenen Klage Deutschland gezwungen wurde die Meisterpflicht zu überarbeiten“ und „daraufhin 61 Handwerksberufe vom Meisterzwang befreit wurden“. Richtig ist, dass die Aufhebung des Meisterzwanges für diese Berufe im vergangenen Jahr auf die Initiative von Wolfgang Clement zurückzuführen ist. Gegen die Änderung hatten sich bis zuletzt Handwerksverbände sowie die CDU/CSU-Fraktion im Bundestag – ein typisches Beispiel von Klientelpolitik - vehement gewehrt.
Verfasst am: 15.10.04, 01:36 Titel: Re: Widerspruch gegen IHK Zwangsmitgliedschaft
Sie sollten sich besser mit der Rechtslage etwas intensiver befassen, Jasmin, statt die Argumente der IHK-Verweigerer ungeprüft nachzuerzählen. Insbesondere sollten Sie sich mit den Aufgaben des EuGH befassen. Denn dieser ist nicht für jede „Wettbewerbsverzerrung“ zuständig. Zuständig ist der EuGH z. B. für die gerichtliche Kontrolle der Dienstleistungsfreiheit zwischen den Mitgliedsstaaten. Inlandssachverhalte interessieren den EuGH nicht, und um einen solchen Inhaltsachverhalt handelt es sich beim Zwang zur IHK-Mitgliedschaft nur für Inländer.
Rechtsanwältin Hilke Böttcher: EuGH-Urteil verschärft Inländerdiskriminierung für deutsche Handwerker ohne Meisterbrief und höhlt Kammerzwang aus!
Der EuGH stärkt die Rechte der europäischen Dienstleister, die in Deutschland ihre handwerklichen Tätigkeiten anbieten und nicht nur vorübergehend hier arbeiten wollen. Dadurch wird die Situation für die deutschen Handwerker, die ohne Meisterbrief selbständig in Deutschland arbeiten wollen, verschärft.
Rechtsanwältin Hilke Böttcher teilt mit:
Der EuGH in Luxemburg hat in seinem Urteil vom 11.12.2003 - Rechtssache C-215/01- festgestellt, dass ausländische Unternehmer ohne Eintragung in die Handwerksrolle in Deutschland Aufträge nicht nur vorübergehend ausüben dürfen. Für ausländische Unternehmen gibt es keine Verpflichtung, sich in die Handwerksrolle eintragen zu lassen! Eine Eintragungspflicht verstoße gegen EU-Recht (Dienstleisungsfreiheit).
Der Sachverhalt:
Es ging im Verfahren darum, dass ein deutscher Unternehmer (Stukkateurmeister, der durch Frau Rechtsanwältin Böttcher vertreten wurde) über mehrere Jahre (1994- 1997) hinweg häufig ein portugiesisches Unternehmen beauftragte, Verputzarbeiten für ihn zu übernehmen, ohne das dieses Unternehmen in die Handwerksrolle eingetragen war - was in Deutschland noch immer Voraussetzung für die selbständige Handwerkstätigkeit ist. Der deutsche Unternehmer erhielt von der Stadt Augsburg einen Bußgeldbescheid in nicht unerheblicher Höhe wegen angeblicher Beauftragung von Schwarzarbeit.
Dagegen wendet sich der Betroffene nun erfolgreich dagegen.
Der EuGH bestätigte zunächst seine Rechtsprechung zur weiten Auslegung der Dienstleistungsfreiheit.
Gleichzeitig wird festgestellt, dass andere EU-Unternehmer Handwerksleistungen in Deutschland über einen langen Zeitraum ausüben dürfen, weil im EU-Recht nicht geregelt ist, ab welcher Dauer der Tätigkeit eine Eintragung in die Handwerksrolle erfolgen muss, damit der EU-Unternehmer in Deutschland eine Niederlassung betreibt.
Der EuGH bestätigt auch den Vortrag der Rechtsanwältin Hilke Böttcher in der mündlichen Verhandlung, dass für den Fall, dass ein EU-Unternehmen in die Handwerksrolle einzutragen ist, dies nicht mit Kosten oder Verzögerungen verbunden sein darf.
Dies ist ein schwerer Schlag für die Handwerkskammern in Deutschland, denn ein EU-Unternehmen musste bisher mit Eintragungskosten in die Handwerksrolle bis zu 800,00 € rechnen. Außerdem dauerte die Eintragung z.T. bis zu 3 Monate! Hier müssen die Handwerkskammern nun schnell reagieren und Abhilfe schaffen.
Dieses Urteil eröffnet auch einheimischen Gesellen nun zumindest leichtere Möglichkeiten, vom EU-Ausland aus ein Unternehmen (z.B. Limetid) zu gründen und rechtmäßig vom EU-Ausland aus in Deutschland zu arbeiten.
Dieses Urteil wird den Kammerzwang weiter aushöhlen, weil kein Kammerzwang für ausländische Unternehmen, die im Rahmen der Dienstleitungsfreiheit in Deutschland tätig werden, nicht besteht. Damit kann auch die Handwerkerpflichtversicherung umgangen werden.
Dies führt wiederum dazu, dass die Inländerdiskriminierung für deutsche Gesellen, die sich ohne Meisterbrief selbständig machen wollen, zugenommen hat. Frau Rechtsanwältin Hilke Böttcher hofft nun auf das Bundesverfassungsgericht, bei dem mittlerweile einige Verfassungsbeschwerden zur Inländerdiskriminierung anhängig sind. Möglicherweise wird dieses kurzfristig die Inländerdiskriminierung aufheben.
Verfasst am: 15.10.04, 11:46 Titel: Re: Widerspruch gegen IHK Zwangsmitgliedschaft
Das Märchen bezog sich auf anhängige Klagen beim BGH. Immerhin haben Sie mittlerweile herausgefunden, dass das BVerfG gemeint war. Aber auch die Hoffnung der Frau Böttcher auf das BVerfG wird enttäuscht werden, weil das BVerfG eine IInländerdiskriminierung bereits abgesegnet hat.
Letzteres Märchen - Aufhebung des Meisterzwanges aufgrund eines EuGH-Urteils - haben Sie offensichtlich schon vergessen....
Verfasst am: 15.10.04, 12:31 Titel: Re: Widerspruch gegen IHK Zwangsmitgliedschaft
Egal wie anhängige Gerichtverfahren ausgehen. Wenn der Gerichtsvollzieher oder andere Vollstreckungsbeamte mit einem vollstreckbaren Titel der IHK in ihren Geschäftsräumen stehen, nützt ihnen kein Widerspruch sondern nur Zahlung. Andernfalls stellt der "Vollstrecker" eine Unpfändbarkeitsbescheinigung aus. Das reicht für die IHK aus, beim Amtsgericht gegen ihre Firma ein Insolvenzverfahren zu beantragen.
Verfasst am: 24.10.04, 16:28 Titel: Re: Widerspruch gegen IHK Zwangsmitgliedschaft
Anonymous hat folgendes geschrieben::
Sie sollten sich besser mit der Rechtslage etwas intensiver befassen, Jasmin, statt die Argumente der IHK-Verweigerer ungeprüft nachzuerzählen. Insbesondere sollten Sie sich mit den Aufgaben des EuGH befassen. Denn dieser ist nicht für jede „Wettbewerbsverzerrung“ zuständig. Zuständig ist der EuGH z. B. für die gerichtliche Kontrolle der Dienstleistungsfreiheit zwischen den Mitgliedsstaaten. Inlandssachverhalte interessieren den EuGH nicht, und um einen solchen Inhaltsachverhalt handelt es sich beim Zwang zur IHK-Mitgliedschaft nur für Inländer.
Lieber Hobby-Jurist, liebe Hobby-Juristen, bevor Sie hier weiter mit Halbwissen glänzen, empfehle ich eine Recherche in dem Thema. Im Übrigen verlasse ich mich nicht auf Beiträge in diesem Forum, sondern beziehe meine Informationen aus anerkannten und hochwertigen Quellen, wie z.B. auch aus diesem Fachbeitrag von
Professor Dr. Hans-Wolfgang Arndt.
Zwangsmitgliedschaft und Beitragspflicht in der IHK
Professor Dr. Hans-Wolfgang Arndt, Lehrstuhl für Öffentliches Recht und Steuerrecht, Universität Mannheim
Die Zwangsmitgliedschaft in der IHK ist europarechtlich und verfassungsrechtlich nicht unbedenklich.
Daß eine Zwangsmitgliedschaft in einer öffentlich-rechtlichen Körperschaft grundsätzlich mit dem Grundgesetz vereinbar ist, hat das Bundesverfassungsgericht in mehreren Entscheidungen hervorgehoben. Mit seinem Beschluß vom 19.12.1962 hat das Gericht auch die Zwangsmitgliedschaft in der IHK als mit Art. 2 Abs. 1 GG vereinbar angesehen (BVerfGE 15, 235, 239 ff.). Die Wahrnehmung des Gesamtinteresses der der Kammer zugehörigen Gewerbetreibenden und die Förderung der gewerblichen Wirtschaft ihres Bezirkes würden die Zwangszugehörigkeit rechtfertigen. Die Wahrnehmung des Gesamtinteresses erfolge insbesondere durch die Teilnahme an der staatlichen Entscheidungsfindung bei wirtschaftspolitischen Fragen. Die Förderung der Wirtschaft umfasse Informationen und Beratung von Kammerzugehörigen, die Abgabe von Empfehlungen und Warnungen sowie die Förderung und Unterstützung der Berufsausbildung.
Es spricht nicht wenig dafür, daß sich die tatsächliche Ausgangslage, die der Entscheidung des Bundesverfassungsgericht vom 19.12.1962 zugrunde gelegen hat, in den vergangenen 33 Jahren so sehr verändert hat, daß eine neue rechtliche Sichtweise möglich ist. Verfassungsrechtlicher Parameter ist der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit. Die Zwangsmitgliedschaft in einer Kammer ist sicher geeignet, die oben genannten Ziele zu erreichen. Fraglich ist aber, ob eine Zwangsmitgliedschaft in der IHK auch erforderlich und angemessen ist. Ein milderes Mittel wäre eine privatrechtliche Organisation der Kammer ohne Pflichtzugehörigkeit. Ein privatrechtliches Kammersystem ist auch in einigen Mitgliedsstaaten der EU verbreitet, so in Belgien, Dänemark, Großbritannien, Irland und Portugal. Das Bundesverfassungsgericht hat die Zwangsmitgliedschaft insbesondere mit nationalstaatlichen Aspekten - Wahrung des Gesamtinteresses der Gewerbetreibenden einerseits und Fördertätigkeiten, die nur dann sinnvoll betrieben werden können, wenn alle Gewerbetreibenden eines Bezirkes in der Kammer zusammengefaßt sind, andererseits - gerechtfertigt.
Ich habe meine Zweifel, ob der nationalstaatliche Aspekt als Legitimationsgrundlage noch greift, nachdem wirtschaftsrechtliche Kompetenzen in den letzten 33 Jahren von den Mitgliedsstaaten mehr und mehr auf die EU verlagert wurden. Gleiches mag auch für die Fördertätigkeiten als Rechtfertigungsgrund zutreffen, nachdem die EU auf diesem Gebiet - von der Ausbildung bis hin zur Subventionierung - mehr und mehr Kompetenzen erlangt hat. Auch die Frage, ob es so etwas wie ein Gesamtinteresse der Kammerzugehörigen gibt, das beispielsweise einen Antiquitätenhändler mit einer Firma wie Siemens verbindet, ist nicht unberechtigt. Ein rein fiktives Gesamtinteresse aber taugt ebensowenig als Legitimationsgrund für eine Zwangsmitgliedschaft wie ein tatsächlich vorhandenes, wenn dieses nachrangig gegenüber dem Freiheitsanspruch des einzelnen wäre, eine zwangsweise Vertretung und Durchsetzung dieser Interessen gegen seinen Willen in Kauf nehmen zu müssen. Da das Grundgesetz seiner Konzeption nach vom Vorrang dieser Freiheit des einzelnen ausgeht, hat jede Einschränkung dieser Freiheit beispielsweise durch Zwangsmitgliedschaft, immer die Begründungslast zu tragen.
Auf europarechtlicher Ebene können vergleichbare Bedenken geltend gemacht werden: Zwangsmitgliedschaft berührt für ein ausländisches Unternehmen, welches sich in der Bundesrepublik niederlassen will, den Schutzbereich der in Artikel 52 EGV geschützten Niederlassungsfreiheit. Es handelt sich allerdings weder um eine offene noch um eine versteckte Diskriminierung, da ausländische Unternehmen mit inländischen gleichgestellt sind. Literatur und Rechtsprechung tendieren jedoch überwiegend dazu, Artikel 52 EGV als umfassendes Beschränkungsverbot oder als Freiheitsgrundrecht zu interpretieren. Danach soll die Norm nicht nur offene und versteckte Diskriminierungen erfassen, sondern auch solche Einschränkungen, bei denen sich die Ausländereigenschaft in keiner Weise auswirkt. Wenn man dieser im Vordringen begriffenen Ansicht folgt, wären nationale Regelungen zu einer Zwangsmitgliedschaft nur zulässig: "wenn die in ihnen enthaltenen Beschränkungen wirklich in Anbetracht allgemeiner Verpflichtungen gerechtfertigt sind, von denen die ordnungsgemäße Ausübung der fraglichen Berufe abhängt" (EuGH Sig. 1986, 1475, 1485 f.). Ob dies zutrifft, richtet sich nach den gleichen Voraussetzungen wie die nationalstaatlich zu beantwortende Frage, ob eine Zwangsmitgliedschaft heute noch angesichts des sich in den letzten 33 Jahren verwandelten Umfeldes erforderlich ist. Die Beitragsreform der Industrie- und Handelskammer durch die geänderte Fassung des IHKG vom 25.12. 1992 halte ich im Grundsatz für rechtlich unbedenklich. Da der IHK- Beitrag eine Verbandslast ist, genügt es zunächst, daß die Summe aller Kammerbeiträge dem der Gesamtheit der Mitglieder gewahrten Vorteilen entspricht.
Nur wenn ganze Berufsgruppen oder abgrenzbare Teile davon, die bislang nicht oder kaum der Beitragspflicht unterfielen, darlegen können, daß für sie mit der oft vervielfachten Erhöhung des Beitrages keinerlei Möglichkeit der Wahrnehmung eines potentiellen Vorteils verbunden ist, habe ich rechtliche Bedenken. Abzugrenzen ist in diesem Fall die (noch) zulässige Verbandslast, bei der sich der "Vorteil des Pflichtigen zu einer bloßen gesetzlichen Vermutung oder Fiktion des Vorteils verflüchtigen" (Hessischer VGH, DÖV 1987, 548, 550, m.w.N.) kann von der gegenleistungslosen Abgabe, die niemals in Form eines Beitrages oder einer Verbandslast, sondern allein in Form der Steuer oder (ausnahmsweise) Sonderabgabe erhoben werden darf (so noch einmal in seltener Deutlichkeit das Bundesverfassungsgericht im sog. "Kohlepfennig-Beschluß", EVeifGE 91, 186 ff.).
Bei dieser Abgrenzung spielt das Kriterium der Zumutbarkeit insofern eine Rolle, als sie der vom Bundesverwaltungsgericht in Kauf genommenen "Verflüchtigung des Vorteils" Grenzen setzt. Wenn aber für die Beitragspflichtigen weder ein subjektiver noch ein objektivierbarer Vorteil erkennbar ist, steht die Belastung der Betroffenen "außer Verhältnis zur Bedeutung des angestrebten Zweckes, so daß die Maßnahme den Betroffenen als nicht mehr zumutbar erscheint" (Tipke, K; Lang, J; Steuerrecht, 1994, S.1l2). Der angestrebte Zweck, "der potentielle Vorteil" existiert dann nicht mehr. Die Verbandslast verwandelt sich in eine unzulässige gegenleistungslose Steuer. Indiz dafür, daß eine derartige Abgabe "dem Betroffenen als nicht mehr zumutbar erscheint", ist die statistisch belegbare Unzufriedenheit und Austrittswilligkeit von leistungsschwachen Kammermitgliedern.
Nationalstaatlich - auf der Ebene des Grundgesetzes - bin ich daher folgender Ansicht: es ist durchaus zweifelhaft, ob angesichts der seit 1962 eingetretenen Entwicklungen wirtschaftlicher, gesellschaftlicher und politischer Bundesverfassungsgericht seinerzeit die Erforderlichkeit der Zwangsmitgliedschaft bejaht hat. Angesichts des grundsätzlichen Freiheitsanspruches des einzelnen ist die Legitimationsgrundlage für eine Zwangsmitgliedschaft daher fraglich. Für eine Überprüfung wäre zunächst einmal umfangreiches empirisches Material notwendig. Unter juristischen Aspekten liefe eine derartige Untersuchung auf eine Auseinandersetzung mit dem Werk von Rolf Stober, ãDie Industrie- und Handelskammer als Mittler zwischen Staat und WirtschaftÒ Köln 1992, hinaus.
Dieses Buch beruht auf einem Rechtsgutachten, welches im Auftrag mehrerer Industrie- und Handelskammern erstattet wurde und im Ergebnis die Zwangsmitgliedschaft auch 30 Jahre nach der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts von 1962 ohne Einschränkung rechtfertigt. Aufgrund der dargestellten Problematik halte ich es für sinnvoll, über die Zwangsmitgliedschaft in der IHK auf politischer wie auf juristischer Ebene erneut nachzudenken.
Es geht hier um eine Kapitalgesellschaft (GmbH o.ä) und einen vollstreckbaren Titel der IHK. Wenn der Vollstreckungsbeamte diesen als nicht vollstreckbar an die IHK zurückschickt, ist die Kapitalgesellschaft nicht mehr liquide. Das ist ein Grund (für die IHK), sofort einen Insolvenzantrag zu stellen.
Es ist dabei völlig belanglos, wer wie und wo die Existenzberechtigung der IHK anzweifelt.
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