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Verfasst am: 17.11.05, 18:13 Titel: Stornierter Flug und Mehrkosten
Guten Tag!
Das Internetreisebüro E verkauft dem L knapp sechs Monate vor Reiseantritt einen Gabelflug (und nur diesen) über mehrere Flughäfen, die durch eine Linienfluggesellschaft erbracht werden sollen.
Knapp zwei Monate vor Reiseantritt schickt E allerdings eine E-Mail, in der sie darauf hinweist, dass die Fluggesellschaft leider einen Abschnitt der Reise annulliert hat, und auch keine Alternativen in Sicht seien, bietet aber großmütig die kostenfreie "Stornierung" - gemeint ist offenbar ein vertragliches Rücktrittsrecht - an.
L, ob der bis dahin wegen Zeitablaufs deutlich gestiegenen Preise für vergleichbare Flüge anderer Gesellschaften verärgert, bittet E unter Hinweis auf § 651c BGB um (kostenfreie) Umbuchung auf einen gleichartigen Flug einer anderen Gesellschaft.
E antwortet, man verstehe selbstverständlich den Ärger des Kunden, sei aber lediglich Vermittler/Besorger zwischen dem Kunden und der Fluglinie, so dass man für Flugplanänderungen der Fluglinie nichts könne. Außer dem kostenfreien Rücktritt könne man leider nichts anbieten.
L fragt sich,
- ist § 651a II BGB bei einem solchen Internetreisebüro einschlägig, ist also E und nicht etwa die Fluglinie Vertragspartner von L geworden?
- kann er von E weiterhin Erfüllung bzw. Abhilfe verlangen
und
- kann er, soweit die E weiterhin bei Ihrem Standpunkt bleibt und nicht abhilft, selbst einen anderen Flug als Deckungsgeschäft buchen und dessen Preis gemäß § 651c III BGB herausfordern?
Grüße,
Lukas _________________ "Die Irrenärzte haben längst als eines der Anzeichen der Geistesstörung die Vorliebe für massenhafte Ausrufezeichen und Unterstreichungen festgestellt."
E. Engel: Gutes Deutsch (1922)
Meist wird ein Reisebüro als Vermittler zwischen Fluglinie und Kunden auftreten. Somit ergibt sich das Rechtsverhältnis Kunde : Fluglinie.
Das Reisebüro ist in diesem Fall nicht als Erfüllungsgehilfe anzusehen, jedoch müsste man hier den genauen Status kennen, um diesen Punkt exakt klären zu können.
Weiters wären die AGB der Fluglinie zu durchforsten: gibt es darin einen Vorbehalt, dass die Buchung(en) immer auf der Basis des jeweils gültigen Flugplans erstellt werden? Denn jetzt war Sommer-Winterflugplanwechsel, dabei kommt es sehr oft zu Streckenänderungen.
Zur Gesamtbetrachtung der Situation gehörte auch noch um welche Fluggesellschaft es sich handelt bzw. wer den stornierten Flug erbringen hätte sollen und in welchem Land.
Verfasst am: 18.11.05, 10:25 Titel: Re: Stornierter Flug und Mehrkosten
luggi83 hat folgendes geschrieben::
- ist § 651a II BGB bei einem solchen Internetreisebüro einschlägig, ist also E und nicht etwa die Fluglinie Vertragspartner von L geworden?
§651a ff. BGB bezieht sich auf Reiseverträge - wenn es um eine Nur-Flug-Buchung geht, liegt aber überhaupt kein Reisevertrag vor, sondern ein Beförderungsvertrag zwischen L und Fluglinie.
Das Vertragsverhältnis zwischen L und Reisebüro dürfte als Geschäftsbesorgungsvertrag zu bestimmen sein.
Rückfrage: Geht es um einen realen Fall oder um eine theoretische Aufgabe? Der Begriff "Deckungsgeschäft" klingt nach letzterem - die Behandlung hier im Forum wäre dadurch einfacher, denn Rechtsberatung in "realen Fällen" geht hier nicht.
Vielen Dank für die bisher eingegangenen Antworten! Zu den Rückfragen:
Herr Engel: Es handelt sich beim vorliegenden Fall selbstverständlich um eine theoretische Aufgabe - die Beantwortung alles anderen wäre natürlich rechtswidrig. Es soll aber bei der Beantwortung ein besonderes Gewicht auf die praktische Rechtsanwendung und weniger auf die Dogmatik gelegt werden: es soll eruiert werden, welche Rechte L zur Seite stehen und wie er sie - am Besten außergerichtlich und ohne anwaltliche Hilfe - gegenüber E am Besten durchsetzen kann.
mosaik: So ist offenbar auch die Rechtsauffassung von E. Als (noch) weitgehendem Laien stellt sich mir aber folgende Frage: entspricht es nicht eher der Verkehrsauffassung, dass E, die L den Flug anbietet und von ihm die Gegenleistung in voller Höhe entgegennimmt, sein Vertragspartner geworden ist und dementsprechend für die Leistungsgefahr erst einmal einzustehen hat? Es wäre mir hier einleuchtender, die Fluglinie selbst als Erfüllungsgehilfe des Reisebüros anzusehen, wenn dieses Vertragspartner des L geworden ist.
Und um noch einmal die praktische Seite des Falles hervorzukehren: L hat voll bezahlt, muss nun einen wegen des Zeitablaufs deutlich teureren Flug buchen und erhält lediglich ein Rücktrittsrecht - hat er denn wirklich keine Möglichkeit, diesen Nachteil von E zumindest teilweise ausgeglichen zu bekommen?
report: Ja, L hält ein voll bezahltes Papierticket in seinen enttäuschten und völlig fiktionalen Händen. Die Fluglinie M sitzt in den Vereinigten Arabischen Emiraten. _________________ "Die Irrenärzte haben längst als eines der Anzeichen der Geistesstörung die Vorliebe für massenhafte Ausrufezeichen und Unterstreichungen festgestellt."
E. Engel: Gutes Deutsch (1922)
stellt sich mir aber folgende Frage: entspricht es nicht eher der Verkehrsauffassung, dass E, die L den Flug anbietet und von ihm die Gegenleistung in voller Höhe entgegennimmt, sein Vertragspartner geworden ist und dementsprechend für die Leistungsgefahr erst einmal einzustehen hat? Es wäre mir hier einleuchtender, die Fluglinie selbst als Erfüllungsgehilfe des Reisebüros anzusehen, wenn dieses Vertragspartner des L geworden ist.
Wenn L zwar auf seinem Firmenpapier, aber mit deutlichem Hinweis: "Leistungserbringer ist die Fluglinie XYZ" und der Zusatz: "L tritt lediglich als Vermittler der Leistung [zwischen Kunden und Leistungserbringer] auf", dann ist er nicht Erfüllungsgehilfe der Fluglinie.
In diesem Fall haftet L weder für
- Flugzeitenänderungen noch für
- Ausfall oder Verspätungen
- Personen- oder Gepäckschäden
- Schadenersatzansprüche jedwegiger Art
- Prozesskosten usw.
Bei Fluglinien, die nicht ihren Hauptfirmensitz oder eine klagbare Niederlassung in Deutschland hat, kann nur in Deutschland geklagt werden, wenn der Bestimmungsort des Fluges = der im Flugschein vereinbarte Endpunkt des Fluges, in Deutschland liegt.
Somit sind alle Ansprüche mit der Fluglinie zu klären und nicht mit dem vermittelnden Reisebüro.
@luggi83: Deine Auffassung wäre richtig, wenn ein Reisevertrag vorliegen würde, mit dem Reisebüro als Reiseveranstalter. Dann wäre die Fluglinie Erfüllungsgehilfe des RB, dann müsste man auch mit §651a ff. BGB argumentieren.. Bei einer Nur-Flug-Buchung liegt aber wie schon gesagt kein Reisevertrag vor.
@Nils ...und selbst unter deiner Annahme - RB-->Erfüllungsgehilfe - wäre es immer noch so, dass die Ansprüche an den Veranstalter zu stellen wären und nicht an den Erfüllungsgehilfen -> RB
Nach Wälzen der einschlägigen Kommentierungen hat sich das mit der Anwendbarkeit von §§ 651a ff. BGB ja sowieso erledigt (worauf zutreffend hingewiesen wurde), und wenn man die Vermittlerrolle des Reisebüros so akzeptiert, wird L wohl die hypothetische Kröte schlucken und etwas teurer nachbuchen müssen.
Wobei mir aber mein persönliches Rechtsempfinden immer noch Probleme damit macht, dass E - die ja im Internet völlig auf eigene Rechnung auftreten und bei Verkauf der Flugtickets auch eine gewisse Wertschöpfung haben - sich einfach mit dieser Vermittlerrolle aus der Haftung hieven kann.
Mir drängt sich hier folgender Vergleich auf: Der V verkauft eine Sache aus der Gattung, die er noch nicht hat. Wenn sein Großhändler ausfällt, muss er diese ja nun auch bis zu den Grenzen der §§ 275 II bzw. 313 BGB ersatzweise beschaffen - und das kann eine ganze Menge sein. Oder auch die ebenfalls erklecklichen Anstrengungen, die ihm § 439 BGB auferlegt, bis er die Nachlieferung einer mangelhaften Sache verweigern kann.
Für mich gibt es hier einen gewissen Wertungswiderspruch. Ist aber natürlich nur de lege ferenda und damit in einer praxisbezogenen Diskussion nicht wirklich zu gebrauchen.
Auf jeden Fall danke ich noch einmal allen Beteiligten! _________________ "Die Irrenärzte haben längst als eines der Anzeichen der Geistesstörung die Vorliebe für massenhafte Ausrufezeichen und Unterstreichungen festgestellt."
E. Engel: Gutes Deutsch (1922)
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