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Täter + Opfer in Medien

 
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uestwc
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Anmeldungsdatum: 12.12.2005
Beiträge: 2

BeitragVerfasst am: 18.12.05, 11:42    Titel: Täter + Opfer in Medien Antworten mit Zitat

Ich hoffe, dass ich das richtige Forum für dieses Thema gewählt habe:

In den Medien werden bei Verbrechensfällen Opfer und Täter in unterschiedlichster Ausführlichkeit dargestellt, z.B. Name gekürzt/geändert, mit/ohne Foto, mit/ohne Augenbalken etc.. Dazu habe ich einige Fragen:

1. Ist es der Seriösität bzw. Sensationslust der einzelnen Medien überlassen, in welcher Form ein Täter oder Opfer dargestellt wird? D.h., hätte eine FAZ rechtlich gesehen genauso ein nicht verändertes Täterfoto samt vollem Namen abdrucken können wie die BILD?

2. Wieso werden selbst nach einer Verurteilung die Täter oftmals immer noch anonymisiert genannt, während die Opfer mit vollem Namen und Foto erwähnt werden?

Insgesamt erscheint es immer noch so, als wenn Täter mit Samthandschuhen angefasst werden, während die eh schon betroffenen Opfer u.U. nochmals eine volle Breitseite Medien- und sonstiger Aufmerksamkeit erleiden müssen. Ganz abgesehen davon, dass dem Täter ein Pflichanwalt zusteht, der vielleicht geiwsse Schutzfunktionen wahrnimmt, während das Opfer solch ein Privileg nicht erhält.

3. Muss sich ein Opfer oder Täter selbst (bzw. durch einen Anwalt) um eine anonymisierte Darstellung kümmern oder sind die Medien aufgrund von Persönlichkeitsrechten etc. dazu automatisch verpflichtet und nur bei expliziter Erlaubnis dürfen der Name und ein nicht verändertes Foto veröffentlicht werden?

Viele Grüße

Thomas
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BuGeHof
FDR-Mitglied
FDR-Mitglied


Anmeldungsdatum: 04.03.2005
Beiträge: 2086

BeitragVerfasst am: 19.12.05, 15:20    Titel: Re: Täter + Opfer in Medien Antworten mit Zitat

uestwc hat folgendes geschrieben::
2. Wieso werden selbst nach einer Verurteilung die Täter oftmals immer noch anonymisiert genannt,


Bundesverfassungsgericht hat folgendes geschrieben::
Zusammenfassend ergibt sich, daß eine Fernsehberichterstattung über eine Straftat unter Namensnennung, Abbildung oder Darstellung des Täters, besonders in der Form des Dokumentarspiels, regelmäßig einen schweren Eingriff in seine Persönlichkeitssphäre bedeuten wird.

Auf der anderen Seite sprechen erhebliche Erwägungen für eine auch die Person des Täters einbeziehende vollständige Information der Öffentlichkeit über vorgefallene Straftaten und die zu ihrer Entstehung führenden Vorgänge. Auch Straftaten gehören zunächst zum Zeitgeschehen, dessen Vermittlung Aufgabe der Medien überhaupt ist. Weiter begründen die Verletzung der allgemeinen Rechtsordnung, die Beeinträchtigung von Rechtsgütern der betroffenen Bürger oder der Gemeinschaft, die Sympathie mit den Opfern und ihren Angehörigen, die Furcht vor Wiederholungen solcher Straftaten und das Bestreben, dem vorzubeugen, ein durchaus anzuerkennendes Interesse an näherer Information über Tat und Täter. Dieses wird um so stärker sein, je mehr die Straftat sich durch die Besonderheit des Angriffsobjekts, die Art der Begehung oder die Schwere der Folgen über die gewöhnliche Kriminalität heraushebt. Bei schweren Gewaltverbrechen nach Art der hier dargestellten Straftat gibt es daher neben allgemeiner Neugier und Sensationslust ernstzunehmende Gründe für das Interesse an Information darüber, wer die Täter waren, welche Motive sie hatten, was geschehen ist, um sie zu ermitteln und zu bestrafen und um gleichartige Delikte zu verhüten. Dabei wird zunächst der Wunsch nach Kenntnis der reinen Tatsachen im Vordergrund stehen, während mit zunehmendem zeitlichen Abstand das Interesse an einer tiefer greifenden Interpretation der Tat, ihrer Hintergründe und gesellschaftsbedingten Voraussetzungen Bedeutung gewinnt. Nicht zuletzt fällt das legitime demokratische Bedürfnis nach Kontrolle der für die Sicherheit und Ordnung zuständigen Staatsorgane und Behörden, der Strafverfolgungsbehörden und der Strafgerichte maßgebend ins Gewicht. Schließlich bedarf es keiner näheren Darlegung, daß Fernsehsendungen gerade wegen ihrer Reichweite speziell geeignet sind, den dargelegten Informationsansprüchen zu genügen.

Wägt man das umschriebene Informationsinteresse an einer entsprechenden Berichterstattung im Fernsehen generell gegen den damit zwangsläufig verbundenen Einbruch in den Persönlichkeitsbereich des Täters ab, so verdient für die aktuelle Berichterstattung über Straftaten das Informationsinteresse im allgemeinen den Vorrang. Wer den Rechtsfrieden bricht, durch diese Tat und ihre Folgen Mitmenschen oder Rechtsgüter der Gemeinschaft angreift oder verletzt, muß sich nicht nur den hierfür in der Rechtsordnung verhängten strafrechtlichen Sanktionen beugen. Er muß grundsätzlich auch dulden, daß das von ihm selbst durch seine Tat erregte Informationsinteresse der Öffentlichkeit in einer nach dem Prinzip freier Kommunikation lebenden Gemeinschaft auf den dafür üblichen Wegen befriedigt wird. Im übrigen wirkt die hiermit gewährleistete Kontrolle der Strafverfolgung und des strafgerichtlichen Verfahrens auch zugunsten des Täters.

Freilich gilt dieser Vorrang des Informationsinteresses nicht schrankenlos. Die zentrale verfassungsrechtliche Bedeutung des Persönlichkeitsrechts verlangt neben der Rücksicht auf den unantastbaren innersten Lebensbereich (vgl. BVerfGE 32, 373, 379 = NJW 72, 1123 m.w. Nachw.) die strikte Beachtung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit: Der Einbruch in die persönliche Sphäre darf nicht weiter gehen, als eine angemessene Befriedigung des Informationsinteresses dies erfordert, und die für den Täter entstehenden Nachteile müssen im rechten Verhältnis zur Schwere der Tat oder ihrer sonstigen Bedeutung für die Öffentlichkeit stehen. Danach ist eine Namensnennung, Abbildung oder sonstige Identifikation der Täter keineswegs immer zulässig. Dies wird in Fällen sog. kleiner Kriminalität oder bei Jugendlichen von den Kommunikationsorganen in der Praxis überwiegend beachtet (vgl. auch die Empfehlung des Deutschen Presserates v. 16. 2. 1967 zur Abbildung und Namensnennung Jugendlicher, Tätigkeitsbericht 71, 89).

Auch die bis zur rechtskräftigen Verurteilung zugunsten des Angeschuldigten geltende Vermutung seiner Unschuld (vgl. Art. 6 Abs. 2 der Europäischen Konvention zum Schütze der Menschenrechte und Grundfreiheiten v. 4. 11. 1950 - BGBl. 1952 II 686) gebietet eine entsprechende Zurückhaltung, mindestens eine angemessene Berücksichtigung der zu seiner Verteidigung vorgetragenen Tatsachen und Argumente. Es versteht sich auch von selbst, daß das Zurücktreten des Persönlichkeitsrechts nur für eine sachbezogene Berichterstattung und seriöse Tatinterpretation gilt, nicht aber für eine auf Sensationen ausgehende, bewußt einseitige oder verfälschende Darstellung; insoweit kann auf die in Schrifttum und Rechtsprechung zu § 23 KunstUrhG für die Art und Weise der Darstellung entwickelten Grundsätze verwiesen werden (vgl. v. Gamm, aaO Einf. 115, 120 m.w. Nachw.).

Auf der anderen Seite rechtfertigt die aktuelle Berichterstattung über eine schwere Straftat nicht allein die Namensnennung und Abbildung des Täters, sie schließt grundsätzlich auch sein persönliches Leben ein, soweit es in unmittelbarer Beziehung zur Tat steht, Aufschlüsse über die Motive oder andere Tatvoraussetzungen gibt und für die Bewertung der Schuld des Täters aus der Sicht des modernen Strafrechts als wesentlich erscheint. Wo danach konkret die Grenze für das grundsätzlich vorgehende Informationsinteresse an der aktuellen Berichterstattung zu ziehen ist, läßt sich nur unter Berücksichtigung der jeweiligen Umstände des Einzelfalles entscheiden. Hier erwächst den für die Veranstaltung von Fernsehsendungen zuständigen Gremien und Personen im Hinblick auf die eingangs geschilderte mögliche „Prangerwirkung“ disqualifizierender Darstellungen eine besondere Verantwortung, der sie unter Berücksichtigung der sozialen Machtposition, die den Fernsehanstalten kraft ihrer Monopolstellung und ihres technischen und finanziellen Potentials im Verhältnis zum betroffenen Einzelnen zukommt, entsprechen müssen.

Die Ausstrahlungswirkung des verfassungsrechtlichen Schutzes der Persönlichkeit läßt es jedoch nicht zu, daß die Kommunikationsmedien sich über die aktuelle Berichterstattung hinaus zeitlich unbeschränkt mit der Person eines Straftäters und seiner Privatsphäre befassen.

(...)

Insgesamt ist somit eine wiederholte, nicht mehr durch das aktuelle Informationsinteresse gedeckte Fernsehberichterstattung über eine schwere Straftat jedenfalls dann unzulässig, wenn sie die Resozialisierung des Täters gefährdet. Die für die soziale Existenz des Täters lebenswichtige Chance, sich in die freie Gesellschaft wieder einzugliedern, und das Interesse der Gemeinschaft an seiner Resozialisierung gehen grundsätzlich dem Interesse an einer weiteren Erörterung der Tat vor. Ob und wieweit hier Ausnahmen denkbar sind, etwa bei einem überragenden historischen Interesse, bei wissenschaftlichen oder anderen Sendungen, die sich nur an einen begrenzten Zuschauerkreis wenden, bedarf keiner Prüfung, weil diese Voraussetzungen hier fehlen. Allgemein gilt: Je mehr eine Sendung das Typische einer Straftat zum Gegenstand hat, um so weniger wird sie einer Identifizierung der Täter bedürfen.

Eine Gefährdung der Resozialisierung ist regelmäßig anzunehmen, wenn eine den Täter identifizierende Sendung nach seiner Entlassung oder in zeitlicher Nähe zu der bevorstehenden Entlassung ausgestrahlt werden soll. Hierfür ist zu berücksichtigen, daß eine zeitige Freiheitsstrafe schon nach Verbüßung der Hälfte der Strafzeit unter den in § 26 Abs. 2 StGB geregelten Voraussetzungen zur Bewährung ausgesetzt werden kann und nach Verbüßung von zwei Dritteln der Strafzeit unter den in § 26 Abs. 1 StGB geregelten Voraussetzungen auszusetzen ist.

Bei einer Prüfung nach den entwickelten verfassungsrechtlichen Kriterien können die angefochtenen Entscheidungen des OLG Koblenz keinen Bestand haben.

Die Verfassungsbeschwerde richtet sich gegen die Ablehnung eines Antrags des Beschwerdeführers auf Erlaß einer einstweiligen Verfügung durch zivilgerichtliche Entscheidungen. Durch die begehrte einstweilige Verfügung sollte dem ZDF untersagt werden, ein von ihm produziertes Dokumentarspiel auszustrahlen, soweit darin der Beschwerdeführer dargestellt oder sein Name erwähnt wird.

Der 1945 geborene Beschwerdeführer war an einer schweren Straftat, dem sog. Soldatenmord von Lebach, beteiligt, die Gegenstand eines Schwurgerichtsverfahrens war. Die beiden Haupttäter waren untereinander und mit dem Beschwerdeführer befreundet, wobei die Beziehungen zum Teil eine homosexuelle Komponente hatten. Die drei jungen Männer strebten die Gründung einer Lebensgemeinschaft außerhalb der von ihnen abgelehnten Gesellschaft an. Sie planten einen Überfall auf ein Munitionsdepot der Bundeswehr, um Waffen zu erbeuten, mit deren Hilfe sie sich durch weitere Straftaten die Mittel zur Verwirklichung des erträumten Lebens auf einer Hochseejacht in der Südsee verschaffen wollten. Im Januar 1969 führten die beiden Haupttäter den Überfall aus; sie töteten hierbei vier schlafende Soldaten der Wachmannschaft, verletzten einen weiteren schwer und entwendeten Waffen und Munition. Später versuchten sie, unter Hinweis auf diese Tat einen Finanzmakler zu erpressen. Der Beschwerdeführer hatte bei den Planungen der Freundesgruppe immer wieder erklärt, er sei zur Tatausführung nicht imstande; daher hatte er bei dem Überfall nicht mitgewirkt.

Der Beschwerdefüherr hat inzwischen fast zwei Drittel seiner Strafe verbüßt; die Vollstreckung der Reststrafe wird voraussichtlich demnächst gemäß § 26 Abs. 1 StGB zur Bewährung ausgesetzt werden. Er beabsichtigt, in seine Heimatstadt zurückzukehren.

BVerfG, Urteil vom 5. 6. 1973 - 1 BvR 536/72



Zitat:
3. Muss sich ein Opfer oder Täter selbst (bzw. durch einen Anwalt) um eine anonymisierte Darstellung kümmern oder sind die Medien aufgrund von Persönlichkeitsrechten etc. dazu automatisch verpflichtet und nur bei expliziter Erlaubnis dürfen der Name und ein nicht verändertes Foto veröffentlicht werden?


Grundsätzlich darf namentlich über Täter berichtet weden. Entscheidend ist immer die Verhältnismäßigkeit zwischen öffentlichem Informations-Interesse und dem Schutz berechtigter Täter-Interessen auf Wahrung seiner Persönlichkeitsrechte.

mbG
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selbstdenker
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Anmeldungsdatum: 18.01.2006
Beiträge: 267

BeitragVerfasst am: 19.01.06, 00:33    Titel: Re: Täter + Opfer in Medien Antworten mit Zitat

Danke! Das habe ich auch gesucht.

selbstdenker
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