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Neulich habe ich mal eine Gerichtsshow im Fernsehen gesehen ( Jaaaaaa, ich weiss, die haben nichts mit der Realität zu tun (zum Glück !) Wie dem auch sei, kurz bevor ich dabei eingeschlafen bin, fiel mir noch auf, dass andauernd darauf verzichtet wurde, die Zeugen zu vereidigen, bzw der Staatsanwalt einmal damit "drohte", den Zeugen als nächstes unter Eid aussagen zu lassen.
Warum wird eigentlich nicht "sicherheitshalber" gleich mal jeder Zeuge vereidigt, sondern "nur" darauf hingewiesen, dass eine Falschaussage vor Gericht auch schon so strafbar ist ?
Ist das besonders kompliziert, oder wird etwas dadurch komplizierter ?
Oder ist das einfach eine Art "Vertrauensvorschuss", der unterstellt, die Ernthaftigkeit der Sache würde schon jeden zur wahrheitsgemässen Aussage veranlassen ?
Herzliche Grüsse
Lulu _________________ Jeder Satz, den ich äussere, muss als Frage verstanden werden, nicht als Behauptung.(Niels Bohr)
viel wichtiger jedoch und keine Frage :
Jeder Einzelne zählt ! Du auch ! www.dkms.de
(1) Zeugen werden nur vereidigt, wenn es das Gericht wegen der ausschlaggebenden Bedeutung der Aussage oder zur Herbeiführung einer wahren Aussage nach seinem Ermessen für notwendig hält. Der Grund dafür, dass der Zeuge vereidigt wird, braucht im Protokoll nicht angegeben zu werden, es sei denn, der Zeuge wird außerhalb der Hauptverhandlung vernommen. (...)
Es ist also tatsächlich sowas wie ein Druckmittel.
Ich würde einfach mal behaupten, es wird oft davon abgesehen, weil es schlicht schneller geht. Echte Verhandlungen sind meist nicht nur weniger spektakulär, sondern schlichtweg auch viel schneller abgehandelt.
Ein bisschen Aufwand ist eben doch:
Gibt es Gründe, warum der Zeuge nicht vereidigt werden darf(zu jung o.ä.)?
Gibt es Gründe, aus denen der Zeuge den Eid ablehnen darf(enge Verwandschaft o.ä.)?
Will der Zeuge keinen Eid leisten, weil seine Religion es ihm verbietet? Dann muss er eine "eidesgleiche Bekräftigung" abgeben?
usw.
Das alles muss ausgelotet werden, der Zeuge muss belehrt werden und schließlich den Eid leisten.
Einfach mal ein bisschen §57 StPO und aufwärts blättern. _________________ Dass Laien am Rechtsverkehr teilnehmen ist zwar ärgerlich aber eben unvermeidbar. spraadhans (cave: Ironie) Forenregeln!
ich habe es bisher einmal erlebt, dass ein Zeuge vereidigt wurde. Es war eine ziemlich "feierliche Zeromonie". Alle aufstehen, Eidesformel usw.
Ich denke, weiß es aber nicht genau, dass es tatsächlich nur zu einer Vereidigung kommt, wenn Richter und Beteiligte der Meinung sind, dass der Zeuge trotz Belehrung und (so war es damals) eigentlich sehr eindeutigen Hinweisen, dass seine Aussage nicht stimmen kann, vehement auf seiner Aussage besteht.
Unterscheiden tun sich die uneidliche Falschaussage und der Meineid in der Härte der Bestrafung, wobei in meinen Augen eine Lüge eine Lüge bleibt.
Ich denke, dass der Druck durch die Vereidigung doch etwas höher wird, sofern der Vereidigte etwas ähnliches wie eine Hemmschwelle hat (und natürlich wirklich lügt).
LG _________________ LG Maus
Streite nie mit einem Idioten, er zieht dich auf sein Niveau und schlägt dich dann mit seiner Erfahrung.
So erstaunlich das auch klingen mag - in prozessrechtlicher Hinsicht sind diese Shows stark an der Realität (gemessen an dem, was sonst im Fernsehen gezeigt wird) orientiert, wenn sich nicht viel geändert hat. Nur eben spektakulärer aufgemacht...man lässt den Leuten einiges durchgehen um Drama zu erzeugen und im Leben ungeheuer seltene Ereignisse und spektakuläre rechtliche Dinge werden gehäuft gezeigt.
Ich ahbe seit Jahren keine mehr gesehen, aber wenn es Salesh und Hold (?) noch geben sollte, die habe ich mal eine zeitlang geschaut. _________________ Few people are capable of expressing with equanimity opinions which differ from the prejudices of their social environment. Most people are even incapable of forming such opinions.
Anmeldungsdatum: 06.06.2005 Beiträge: 2351 Wohnort: Wolkenkukucksheim h.d. Mond
Verfasst am: 05.05.06, 20:13 Titel:
Hallo !
Danke Ihr Zwei !
Mir scheint es dann auch so zu sein, wie von Euch schon angemerkt.
Es ist also praktikabler (weniger "Drama"),
ein "unwilliger" Zeuge kann ohne Eid noch mal leichter "zurückrudern" und seine Aussage doch noch mal ...naja....korrigieren und alle Beteiligten (Richter, Staatsanwalt...) haben noch einen "Trumpf" in der Schublade, um den Druck bei Notwendigkeit etwas erhöhen zu können.....
Danke !
Herzliche Grüsse
Lulu
PS : Edit : Natürlich auch Dank an questionable content und moro !! Dabei fällt mir ein : in den USA ist es auch üblich, vorher auf die Bibel zu schwören ? Und : ja, ich bin bei Frau Salesch eingeschlafen, die gibt es also noch (wenn das keine tausendste Wiederholung war ) _________________ Jeder Satz, den ich äussere, muss als Frage verstanden werden, nicht als Behauptung.(Niels Bohr)
viel wichtiger jedoch und keine Frage :
Jeder Einzelne zählt ! Du auch ! www.dkms.de
Zuletzt bearbeitet von lulu66 am 05.05.06, 20:26, insgesamt 1-mal bearbeitet
Zur Vereidigung im deutschen Strafprozess: Noch zu Beginn des 20. Jahrhunderts war die Vereidigung eines Zeugen die Regel, von der es nur wenige Ausnahmen gab. Im Verlauf des 20. Jahrhunderts hat sich das Regel-/Ausnahmeverhältnis praktisch umgedreht, teils durch Gesetzesänderungen, teils durch die Handhabung der Gesetze.
Im englischen Strafprozess ist die Vereidigung immer noch die Regel, und zwar dort interessanterweise nicht als Nacheid (nach der Zeugenvernehmung) wie in Deutschland, sondern als Voreid.
Im Verlauf des 20. Jahrhunderts hat sich das Regel-/Ausnahmeverhältnis praktisch umgedreht, teils durch Gesetzesänderungen, teils durch die Handhabung der Gesetze.
Das Regel-/Ausnahmeverhältnis hat sich tatsächlich umgekehrt, aber ausschließlich durch die Rechtspraxis.
Der Gesetzgeber hat dann reagiert und die StPO der Rechtspraxis angepasst (war's das 1. Justizmodernisierungsgesetz A.D. 2005 das die Regelvereidigung abschaffte?). _________________ "§ 354 Abs. 1 a Satz 1 StPO bei verfassungskonformer Auslegung mit Grundgesetz vereinbar"
Bundesverfassungsgericht; Pressemitteilung Nr. 76/2007 vom 6. Juli 2007 zum Beschluss vom 14. Juni 2007 – 2 BvR 1447/05; 2 BvR 136/05
- sowie durch die gesetzlichen StPO-Änderungen der Jahre 1933, 1943, 1950 und 1975, wobei die Änderungen von 1950 wieder einen Schritt hin zur Regelvereidigung gingen, während die der anderen drei Änderungsgesetze der Tendenz zur Vereidigung als Ausnahme folgten.
- sowie durch die gesetzlichen StPO-Änderungen der Jahre 1933, 1943, 1950 und 1975, wobei die Änderungen von 1950 wieder einen Schritt hin zur Regelvereidigung gingen, während die der anderen drei Änderungsgesetze der Tendenz zur Vereidigung als Ausnahme folgten.
Geht das ein bißchen genauer? Inwieweit haben StPO-Änderungen in den o.g. Jahren die Tendenz zur Vereidigung als Ausnahme bestärkt oder verursacht?
Erst das 1. Justimodernisierungsgesetz hat das gesetzlich bestehende Regel-/Ausnahmeverhältnis umgekehrt, oder? _________________ "§ 354 Abs. 1 a Satz 1 StPO bei verfassungskonformer Auslegung mit Grundgesetz vereinbar"
Bundesverfassungsgericht; Pressemitteilung Nr. 76/2007 vom 6. Juli 2007 zum Beschluss vom 14. Juni 2007 – 2 BvR 1447/05; 2 BvR 136/05
Was die ersten drei genannten Jahreszahlen angeht, zitiere ich mal aus einer Entscheidung des LG Amberg aus dem Jahre 1951 (http://www.futuo.org/Gerichtsurteile/Strafverfahrensrecht_2.html):
Zitat:
Das deutsche Strafverfahrensrecht hat im Laufe der Entwicklung die Bedeutung des Eides ganz verschieden eingeschätzt. Ursprünglich war die Vereidigung eines Zeugen die Regel von der das Gesetz nur ganz bestimmte, eng umgrenzte Ausnahmen vorschrieb oder zuließ. Durch das Gesetz vom 24. November 1933 (RGBl I, 1008) wurden die Ausnahmen erheblich erweitert, immerhin bildete auch da noch die Vereidigung die Regel (vgl RStG 68, 275; 69, 264). Erst durch Art 4 der Verordnung vom 29. Mai 1943 (RGBl I, 341) wurde sie in das Ermessen des Gerichts gestellt. Das führte dazu, daß die Vereidigung von Zeugen vielfach zur seltenen Ausnahme wurde. Mit dieser Entwicklung hat die seit dem 1. Oktober 1950 im Bundesgebiet geltende Strafprozeßordnung in der Fassung des Gesetzes zur Wiederherstellung der Rechtseinheit vom 12. September 1950 (BGBl 455) bewußt gebrochen (vgl die Ausführungen des Berichterstatters Abgeordneten Dr. Greve vor dem Bundestag, veröffentlicht in JuVerw 1950, 207). Danach ist jetzt wieder grundsätzlich jeder Zeuge zu vereidigen (§ 59 StPO).
Die Gesetzesänderungen 1975 haben die Zahl der Ausnahmen wieder erheblich erweitert, insbesondere die wichtige Vorschrift des damaligen § 61 Nr. 5 StPO eingeführt, die der Praxis den Rahmen geboten hat, dann sukzessive die Vereidigungen soweit zurückzufahren, dass sie im Alltag der Strafgerichte fast nicht mehr vorkamen.
- sowie durch die gesetzlichen StPO-Änderungen der Jahre 1933, 1943, 1950 und 1975, wobei die Änderungen von 1950 wieder einen Schritt hin zur Regelvereidigung gingen, während die der anderen drei Änderungsgesetze der Tendenz zur Vereidigung als Ausnahme folgten.
Geht das ein bißchen genauer? Inwieweit haben StPO-Änderungen in den o.g. Jahren die Tendenz zur Vereidigung als Ausnahme bestärkt oder verursacht?
Erst das 1. Justimodernisierungsgesetz hat das gesetzlich bestehende Regel-/Ausnahmeverhältnis umgekehrt, oder?
Ein dogmatisches Regel-Ausnahme-Verhältnis kann statistisch wiederum genau umgekehrt sein. Wie es so schön heißt "die Ausnahme ist die Regel".
Wenn man formell "Regelvereidigung" hat, aber die "wenigen" Ausnahmen so gefasst sind, dass die Mehrzahl alles Fälle in der Praxis darunter fällt - was für eine Rolle spielt dann die dogmatische Struktur für die Praxis? _________________ Few people are capable of expressing with equanimity opinions which differ from the prejudices of their social environment. Most people are even incapable of forming such opinions.
Ein dogmatisches Regel-Ausnahme-Verhältnis kann statistisch wiederum genau umgekehrt sein. Wie es so schön heißt "die Ausnahme ist die Regel".
Unbestritten.
Zitat:
Wenn man formell "Regelvereidigung" hat, aber die "wenigen" Ausnahmen so gefasst sind, dass die Mehrzahl alles Fälle in der Praxis darunter fällt - was für eine Rolle spielt dann die dogmatische Struktur für die Praxis?
Schon klar. Ich hatte ein (Verständnis)Problem damit, dass Gesetzesänderungen und nicht ausschließlich die Rechtspraxis das Regel-/Ausnahmeverhältnis umgekehrt haben. Auf die Idee, dass Rechtsänderungen, die Ausnahmemöglichkeiten vorgesehen haben (von denen dann die Praxis regen Gebrauch gemacht hat), gemeint waren, kam ich nicht. _________________ "§ 354 Abs. 1 a Satz 1 StPO bei verfassungskonformer Auslegung mit Grundgesetz vereinbar"
Bundesverfassungsgericht; Pressemitteilung Nr. 76/2007 vom 6. Juli 2007 zum Beschluss vom 14. Juni 2007 – 2 BvR 1447/05; 2 BvR 136/05
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