Unsere Website verwendet Cookies, um Ihnen eine bestmögliche Funktionaliät zu gewährleisten. Auch unserer Werbepartner Google verwendet Cookies. Wenn Sie auf der Seite weitersurfen, stimmen Sie der Cookie-Nutzung zu. Ich stimme zu.
Verfasst am: 06.07.07, 20:42 Titel: Bürokratie und Gesetzesflut?
Hi,
es wird ja häufig kolportiert, in Deutschland herrsche eine Paragraphen- bzw. Gesetzesflut und eine Bürokraie wie sonst nirgendwo.
Leider stützen die jeweiligen Politiker und Menschen, die dies behaupten, das nicht mit Belegen.
Ich wollte mal fragen, ob ihr dem trotzdem zustimmen könnt und mir Beispiele geben könntet?
Da ich erst 17 bin, bekomme ich von solchem verwaltungstechnischen Kram nicht so viel mit.
Kennt ihr da Fakten, wie sich die Anzahl der Gesetze in der BRD und anderen Staaten entwickelt hat - und ob Deutschland tatsächlich im Steuerrecht bzgl. der Quantität Spitzenreiter ist?
Schön wären konkrete Beispiele von Gesetzen, die eurer Meinung nach einfach unnötig und bürokratisch sind.
- warum gibt es überhaupt so viele gesetzliche Regelungen? Alles Dummheit oder Böswilligkeit der Politiker? Gewöhnlich verläuft das anders: Es gibt eine allgemeine Regelung, die als solche gut und vernünftig ist. Es meldet sich dann jedoch eine (vielleicht sehr kleine, aber lautstarke) Teilgruppe der Bevölkerung (fiktives Beispiel: die Kriegswaisen), die darauf hinweist, dass die allgemeine Regelung als solche vielleicht ganz in Ordnung ist, aber für diese Teilgruppe nicht recht passt, sondern ungerecht ist. Der Gesetzgeber lässt sich überzeugen und hängt dem entsprechenden Paragraphen einen Absatz 2 an, mit einer Sonderregelung für diese Teilgruppe. Wenig später meldet sich nun eine Teilgruppe dieser Teilgruppe (fiktives Beispiel: die Kriegswaisen, die zugleich schwerbehindert sind) und zeigt auf, dass Absatz 2 der Vorschrift gerade für sie unerträgliche Härten mit sich bringt. Der Gesetzgeber reagiert erneut und fügt dem Paragraphen einen Absatz 3 an, der eine Ausnahme zum Absatz 2 enthält, welcher seinerseits ja schon eine Ausnahmevorschrift war - und so weiter. Der Mechanismus ist klar: Je mehr man vom Prinzip der für alle gleichermaßen geltenden Gesetze zugunsten der Einzelfallgerechtigkeit abgeht, desto komplizierter wird das Rechtssystem. Vereinfachung würde bedeuten, dass man bereit sein müsste, unpassende Ergebnisse für ungewöhnliche Einzelfälle in Kauf zu nehmen. Dafür spricht vieles. Aber man muss sich über die Konsequenzen im klaren sein und dürfte dann nicht beklagen, wie 'ungerecht' das Recht ist.
- dass zwei Drittel aller Steuerrechtsliteratur der Erde deutsches Steuerrecht betreffe, ist eine dieser umlaufenden, aber nie belegten Behauptungen. Wer einmal eine US-amerikanische steuerrechtliche Bibliothek gesehen hat, will es nicht mehr glauben.
- vieles in Deutschland ist - trotz dem oben Gesagten - meines Erachtens ganz sicher überreguliert. Beispiel: In Deutschland gibt es zahlreiche Gesetze, noch viel mehr Gerichtsentscheidungen, vorher standesamtliche Entscheidungen, dazu Kommentierungen, wissenschaftliche Aufsätze und so weiter zum Namensrecht. In England gibt es demgegenüber so gut wie gar kein Namensrecht. Welchen Namen eine Person führt, ist ihr selbst überlassen, ebenso welcher Namen einem Kind gegeben wird. Der Staat registriert zwar den Namen, kümmert sich im übrigen aber genausowenig darum wie um die Kleidung oder die Frisur einer Person. Allein dadurch werden in England erhebliche Summen gespart - ohne Schaden, denn die Engländer tragen im allgemeinen genau so traditionelle Namen wie wir auch.
es wird ja häufig kolportiert, in Deutschland herrsche eine Paragraphen- bzw. Gesetzesflut und eine Bürokraie wie sonst nirgendwo.
Hier einige Beispiele:
Deutsche Bürokratie - (k)ein Märchen
Auszüge aus Beamten-Vorschriften und anderen offiziellen Unterlagen:
"Besteht ein Personalrat aus einer Person, erübrigt sich die Trennung nach Geschlechtern." (Info des Deutschen Lehrerverbandes Hessen)
"Eine einmalige Zahlung wird für jeden Berechtigten nur einmal gewährt." (Gesetz über die Anpassung von Versorgungsbezügen)
"Ausfuhrbestimmungen sind Erklärungen zu den Erklärungen, mit denen man eine Erklärung erklärt"(Protokoll im Wirtschaftsministerium)
"Der Wertsack ist ein Beutel, der auf Grund seiner besonderen Verwendung nicht Wertbeutel, sondern Wertsack genannt wird, weil sein Inhalt aus mehreren Wertbeuteln besteht, die in den Wertsack nicht verbeutelt, sondern versackt werden."
(Merkblatt der Deutschen Bundespost)
"Der Tod stellt aus versorgungsrechtlicher Sicht die stärkste Form der Dienstunfähigkeit dar." (Unterrichtsblätter für die Bundeswehrverwaltung)
"Stirbt ein Bediensteter während einer Dienstreise, so ist damit die Dienstreise beendet."
(Kommentar zum Bundesreisekostengesetz)
"Persönliche Angaben zum Antrag sind freiwillig. Allerdings kann der Antrag ohne die persönlichen Angaben nicht weiter bearbeitet werden." (Formular in Postgirodienst)
"Nach dem Abkoten bleibt der Kothaufen grundsätzlich eine selbstständige bewegliche Sache, er wird nicht durch Verbinden oder Vermischen untrennbarer Bestandteil des Wiesengrundstücks, der Eigentümer des Wiesengrundstücks erwirbt also nicht automatisch Eigentum am Hundekot." (Fallbeispiel der Deutschen Verwaltungspraxis)
"Es ist nicht möglich, den Tod eines Steuerpflichtigen als 'dauernde Berufsunfähigkeit' im Sinne von §16 Abs. 1 Satz 3 EStG zu werten und demgemäß den erhöhten Freibetrag abzuziehen." (Bundessteuerblatt)
"Welches Kind erstes, zweites, drittes Kind usw. ist, richtet sich nach dem Alter des Kindes." (Bundesanstalt für Arbeit)
moro hat folgendes geschrieben::
und dürfte dann nicht beklagen, wie 'ungerecht' das Recht ist.
Nö. Finde ich nicht. Eher sehr logisch.
Spieluhr hat folgendes geschrieben::
Kennt ihr da Fakten, wie sich die Anzahl der Gesetze in der BRD und anderen Staaten entwickelt hat - und ob Deutschland tatsächlich im Steuerrecht bzgl. der Quantität Spitzenreiter ist?
Allein dadurch werden in England erhebliche Summen gespart - ohne Schaden, denn die Engländer tragen im allgemeinen genau so traditionelle Namen wie wir auch.
Genau das ist das Problem. In Dtschl. hätten so auch 99,9 % der Kinder normale Namen. Allerdings will dieser (deutsche) Aufwand die 0,1 % der Kinder schützen, die von ihren Eltern sonst mit verunstaltenden Namen belegt worden wären.
Wie so oft bedarf es der vielen Bürokratie um wenige "Idioten" zu verwalten. _________________ mfg
Klaus
- vieles in Deutschland ist - trotz dem oben Gesagten - meines Erachtens ganz sicher überreguliert. Beispiel: In Deutschland gibt es zahlreiche Gesetze, noch viel mehr Gerichtsentscheidungen, vorher standesamtliche Entscheidungen, dazu Kommentierungen, wissenschaftliche Aufsätze und so weiter zum Namensrecht. In England gibt es demgegenüber so gut wie gar kein Namensrecht. Welchen Namen eine Person führt, ist ihr selbst überlassen, ebenso welcher Namen einem Kind gegeben wird. Der Staat registriert zwar den Namen, kümmert sich im übrigen aber genausowenig darum wie um die Kleidung oder die Frisur einer Person. Allein dadurch werden in England erhebliche Summen gespart - ohne Schaden, denn die Engländer tragen im allgemeinen genau so traditionelle Namen wie wir auch.
Hallo,
dazu gibt es , auch aus Sicht eines durchaus leidensfähigen, aber vor allem Leidtragenden im öffentlichen Dienst (Aufsicht über die Standesbeamten und in dieser Funktion Vertreter der Öffentlichkeit bei zahlreichen namensrechtlichen Gerichtsverfahren) eine einleuchtende Erklärung.
Leider ist der Name in DE die heilige Kuh, das wird deutlich wenn man sich zahlreiche Gesetzgebungsverfahren (bspw. die Diskussion in 1993/ 1994 um die angedachte Einführung eines Doppelnamens zum Ehenamen anschaut), insbesondere lesenswert sind die Protokolle der Bundestagsaussprachen
Die Person wird in Deutschland nahezu ausschließlich über den Namen identifiziert, während in Staaten die im britischen Kulturkreis ihren Ursprung haben (z.B. USA) die Sozialversicherungsnummer das wesentliche Ident- Merkmal darstellt. Bei GB bin ich mir in dieser Hinsicht nicht sicher, da die Briten auch kein hinreichendes Meldesystem haben (was ihnen erst im Zusammenhang mit den Bedrohungen der letzten Jahre klar wurde).
Weil die Person in Deutschland über ihren Namen identifiziert wird, besteht aus Sicht des Staates also der Öffentlichkeit ein entsprechendes Interesse an der weitgehenden Unveränderbarkeit eines Namens, zumindest müssen irgendwelche Änderungen in der Namensführung dokumentiert werden, damit die Änderung nachvollziehbar bleibt. Auch unser System der anlassbezogenen Beurkundung von Personenstandsfällen lässt keine andere Unterscheidung zu. Wäre ein personengebundenes Beurkundugssystem eingeführt worden, mit einer individuellen personengebundenen Identifizierungsnummer, hätte man sch die namensrechtlichen Probleme ersparen können.
Mglw. wird in dieser Hinsicht irgendwann eine Liberalisierung eintreten, da wir ja (aus dem Steuerrecht) zukünftig über eine individuelle Identifizierungsnummer (eTIN) verfügen werden.
Grüße
Ronny _________________ Vielen Dank auch für die positiven Bewertungen.
Sie können keine Beiträge in dieses Forum schreiben. Sie können auf Beiträge in diesem Forum nicht antworten. Sie können Ihre Beiträge in diesem Forum nicht bearbeiten. Sie können Ihre Beiträge in diesem Forum nicht löschen. Sie können an Umfragen in diesem Forum nicht mitmachen.