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Unterschiede Theorie und Praxis - wie ist das so als Anwalt?
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Jura-Studentin
Interessierter


Anmeldungsdatum: 03.01.2008
Beiträge: 7

BeitragVerfasst am: 04.01.08, 11:20    Titel: Antworten mit Zitat

Was mir noch gerade einfällt, muss man als Anwalt nicht auch nur größtenteils die Tatsachen vortragen? Die rechtliche Würdigung übernimmt ja im Prinzip der Richter.
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Vormundschaftsrichter
FDR-Mitglied
FDR-Mitglied


Anmeldungsdatum: 03.01.2005
Beiträge: 2473
Wohnort: Niedersachsen

BeitragVerfasst am: 04.01.08, 11:32    Titel: Antworten mit Zitat

Jura-Studentin hat folgendes geschrieben::
Was mir noch gerade einfällt, muss man als Anwalt nicht auch nur größtenteils die Tatsachen vortragen? Die rechtliche Würdigung übernimmt ja im Prinzip der Richter.

Formal betrachtet: Ja, http://de.wikipedia.org/wiki/Da_mihi_factum%2C_dabo_tibi_ius

Man sollte als Anwalt die Sache aber rechtlich genauso durchblickt haben wie der Richter.

Generell sollten Sie, liebe Jura-Studentin, die spätere Berufstätigkeit nicht mit einer Hausarbeit vergleichen. Es kommt weniger auf spontan abrufbare §§-Kenntnisse oder lange wissenschaftliche Ausarbeitungen an. Nach 4 Jahren Studium und 2 Jahren Referendariat haben Sie schon genügend Kenntnisse und Erfahrungen, um sich zu behaupten.
_________________
Gruß
Vormundschaftsrichter


der stellvertretende nimmt seine nightstick und beginnt das Schlagen der daylights aus der Anwalt
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showbee
FDR-Mitglied
FDR-Mitglied


Anmeldungsdatum: 12.01.2005
Beiträge: 1524
Wohnort: Berlin

BeitragVerfasst am: 04.01.08, 17:58    Titel: Antworten mit Zitat

Jura-Studentin hat folgendes geschrieben::
Was mir noch gerade einfällt, muss man als Anwalt nicht auch nur größtenteils die Tatsachen vortragen? Die rechtliche Würdigung übernimmt ja im Prinzip der Richter.


oje... um es mit der Idee eines Hausarbeitssachverhaltes zu sagen: Wie soll der Aufgabensteller wissen, was er alles in den Sachverhalt schreiben soll ohne die rechtliche Würdigung vorweg zunehmen? Oder anders: Woher soll der Anwalt wissen, welche Tatsachen er vortragen soll ohne sie vorher rechtlich zu würdigen?

Fiktives Bsp.: Herr X kommt ganz aufgeregt in deine Feld-Wald-Wiesen-Flur-Kanzlei und spricht:

"Herr Rechtsanwalt, sie müssen wir helfen, mein Nachbar ist ein Schwein, ein ganz mieses. Wissen Sie er hat da so einen Strauch, Himbeer, vielleicht auch Brombeere, der wächst in meinen Garten rein. Nicht nur dass der Strauch meinen Zaun beschädigt, neulich hat sich meine Frau auch noch an den Himbeeren verletzt. Ich hab gleich aus Rache dem tollen Herrn Nachbarn seinen Porsche lahmgelegt, Kastanie hinten in den Auspuff, hat er verdient. Nun will der mich verklagen, dabei war es doch nur gerecht, meine arme Frau, sowieso schon gestraft weil sie arbeitslos ist wegen den scheiß Hartz4 Gesetzen, nun auch noch verletzt und die Behandlung haben wir auch komplett allein bezahlen müssen, weil Pflaster die Krankenkasse nicht zahlt. So eine Ungerechtigkeit. (... Palaver wird bei Kaffee nach Besprechung des Honorars fortgesetzt ...)"

Sollte der RA tatsächlich alle Tatsachen vortragen?

    Nachbar hat Himbeerstrauch, vielleicht auch Brombeere
    Strauch wächst durch den Zaun
    Zaun wurde durch Beklagten bezahlt, Eigentumslage dennoch ungeklärt
    Ehefrau hat sich irgendwie am Strauch verletzt
    Beklagter hat Kastanie in Auspuffes des Porsches getan
    Frau ist arbeitslos
    Krankenkasse zahlt das Pflaster nicht


Nein, natürlich nicht! Der Richter der sich bei der Verhandlung (wenn es denn eine gibt) wegen der Schadenersatzansprüche wegen unerlaubter Handlung des Nachbarn (beeinträchtigen des Auspuffes) interessiert sich bestimmt nicht für die "Story" sondern nur darum, ob der Beklagte Rechtfertigungsgründe bringen kann...

Ein guter RA hört zu, lässt unsinniges ins linke (wahlweise rechte) Ohr rein und auf der anderen Seite gleich raus. Die rechtliche Würdigung des Falles lassen wir mal heute außen vor!

Mfg vom

showbee
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Milo
FDR-Moderator


Anmeldungsdatum: 13.12.2004
Beiträge: 1572
Wohnort: Neu-Ulm

BeitragVerfasst am: 15.01.08, 01:11    Titel: Antworten mit Zitat

Jura-Studentin hat folgendes geschrieben::
Danke für Deine Antwort. Ich hoffe ich erhalte noch ein paar mehr. Winken

Was mache ich als Anwältin, wenn ich mal nicht 100%ig weiß, wie ich einen Sachverhalt rechtlich zu würdigen habe. Angenommen jemand kommt zu mir und ich habe nicht die geringste Ahnung, wie ich ihm helfen kann. Was macht man dann? In die juristische Bibliothek fahren und sich stundenlang einlesen und das dann dem Klienten berechnen? Oder das Mandat ablehnen?


Als Anfänger? Da hat man die Zeit. Übel sind die ersten 30 Minuten. Die überbrückt man mit betroffenem Nachfragen, einem Kurzvortrag zum RVG und einem "einfachen Vergleichsfall". Danach ist der Durchschnittsmandant so zugemüllt, dass er einen erst mal in Ruhe lässt. Danach hat man Zeit, sich in die Sache einzuarbeiten. Wenn man merkt, dass es gar nicht geht, kann man den Mandanten hinterher immer noch "zu seinem Wohle" an einen "Spezialisten" verweisen.

Natürlich braucht man am Anfang ewig! Mein erster Mahnbescheid hat mich (inkl. 3 Monierungen des Mahngerichts) 2,5 Stunden gekostet. Inzwischen brauche ich 3 Minuten. Klar kann man die "Mehrarbeit" dem Mandanten nicht berechnen. Dann macht man halt den ersten Fall in nem Rechtsgebiet für nen effektiven Stundensatz von 1,20 €. Der zehnte gleichartige Fall gleicht das dann schon wieder aus.
_________________
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"Zwei Dinge sind unendlich, das Universum und die menschliche Dummheit, aber bei dem Universum bin ich mir noch nicht ganz sicher.“

Albert Einstein
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StuWa
FDR-Moderator


Anmeldungsdatum: 14.03.2005
Beiträge: 935
Wohnort: Bonn

BeitragVerfasst am: 09.02.08, 12:26    Titel: Antworten mit Zitat

Guten Morgen ... oh ... sorry ... Mahlzeit ...

also zu der Brombeerstory fallen mir ja prompt mal zwei Dinge auf Winken

1. der Kollege hat einen Hartz IV Gebeutelten, der zu teure Pflaster kauft, vor sich und führt Honorarverhandlungen ... WOW (OK, mit PKH kriegt man nicht wirklich viel ... aber unser Hartzler wird uns ja auch niemals zahlen können ...)

2. die richtige Lösung in diesem Fall muss natürlich lauten:

Sachvortrag:

Nachbar, Strauch und Porsche sind miese Schweine in Mittäterschaft! Da der Nachbar sowohl den Strauch, als auch den Porsche gegen den eigenen Mandanten gehetzt hat, ist jegliche Einwirkung auf diese mittels Kastanien durch Notwehr gerechtfertigt!

rechtliche Lösung:

da das Sozialgericht nichts kostet, hier Klage gegen die ARGE auf Beseitigung des blöden Nachbarn! Kosten für ein Killerkommando sind durch die ARGE zu tragen.

3. Abgabe der Anwaltszulassung vorbereiten ....

Nein, der Anwaltsberuf hat glücklicherweise nichts mit Hausarbeiten zu tun Smilie

Wenn dem so wäre, so wäre ich (als Spitzenreiter an der Uni Bonn in Sachen vergeigter Hausarbeiten aber dennoch erfolgreicher Freischussabsolvent!) in meinen alten Beruf als Schreiner zurückgegangen.

Auch die Gerichte wissen nicht immer, wie sie rechtlich mit einer Sache umgehen soll. Das kann einem insbesondere bei einer Abteilung des Amtsgerichts, die sich mit Allem zu befassen hat, immer wieder passieren. Ich kann mich durchaus noch gut an eine WEG-Sache während meiner Stage beim Zivilgericht entsinnen, bei der der Richter mir sagte "die müssen wir unbedingt in einen Vergleich treiben - ich hab keine Ahnung von WEG-Recht! Und wenn die sich nicht einigen, müssen SIE das machen" ... nun gut ... er vermittelte in der Verhandlung durchaus den Eindruck, im WEG-Recht der absolute Fachmann zu sein und dass für beide Seiten eigentlich keine Erfolgsaussicht bestünde ... da die beiden Anwälte genausoviel Ahnung davon hatten, wie wir, haben die sich dann auch verglichen - allerdings mit einem für beide Seiten annehmbaren Ergebnis und der Frieden war wieder hergestellt Cool

Es kann einem als Anwalt durchaus auch pasieren, dass einem während der Verhandlung die Felle wegschwimmen. Ausschlaggebend dafür ist nicht selten der eigene Mandant, der zwar auf Zahlung in Höhe X klagt, aber im Saal dann lockerflockig sagt "ja doch, die Summe Y hat der ja gezahlt ..." Da heißt es dann einfach Ruhe bewahren und sich bloß nichts anmerken lassen! Wir haben die Dinge doch stets unter Kontrolle Winken Der Auftritt im Saal hat ja nicht selten auch was mit einer guten Show zu tun und damit, erstmal die Fähigkeiten und den Munitionsbestand der Gegenseite auszuloten Cool

Und zur Ausgangsfrage nach dem Unterschied zwischen Theorie und Praxis zitiere ich einfach mal einen durch Ausbilder im Referendariat oft gesagten satz zum Beginn der Ausbildung:

"Vergessen Sie alles, was Sie an der Uni gelernt haben - wir machen hier bloß Rechtsprechung ..."
_________________
mit besten Grüßen aus Bonn Smilie und übrigens: auch ich bin renoméegeil und freue mich über grüne Punkte Winken
Und noch was, nachdem ich einmal deswegen "belehrt" wurde: wenn ich die maskuline Form verwende, meine ich natürlich auch die Damen Winken
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Abrazo
FDR-Mitglied
FDR-Mitglied


Anmeldungsdatum: 30.05.2005
Beiträge: 5941
Wohnort: Köln

BeitragVerfasst am: 20.03.08, 07:32    Titel: Antworten mit Zitat

Zitat:
Auch die Gerichte wissen nicht immer, wie sie rechtlich mit einer Sache umgehen soll. Das kann einem insbesondere bei einer Abteilung des Amtsgerichts, die sich mit Allem zu befassen hat, immer wieder passieren. I

Dat sieht beim Landgericht aber schon wat anders aus.
Und wenn es so um sechsstellige Summen geht, dann gibt dat Keile, da is nich mehr mit keine Ahnung haben. Dann hat man sich die Ahnung zu beschaffen - ggf. in der UB, in der lt. meiner Tochter abends gern die "alten Säcke" sitzen.

Unterschied zur Hausarbeit?
In der Hausarbeit kriegste nen Sachverhalt präsentiert, den Du rechtlich würdigen sollst.
In der Praxis musst Du den Sachverhalt erst mal ausgraben. Und wer gut ist, muss riechen, wenn da irgendwo was faul ist.
(Oder jemanden haben, der für ihn die Nase in die Akten steckt Lachen )
_________________
Grüße,
Abrazo
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