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Verfasst am: 23.04.06, 20:43 Titel: Ethikunterricht in Berlin
Der Berliner Schulsenator Böger wollte das Fach Ethik/Philosophie/Religionskunde in Berlin als Wahlpflichtfach einführen, um die Schüler Mores zu lehren.
Die Mehrheit der Berliner Stadtbezirke sprach sich aber dafür aus, dieses Schulfach, kurz Ethik genannt, als Pflichtfach für alle einzuführen, also ohne die Möglichkeit, alternativ Religionsunterricht zu wählen.
So ist es denn auch zum kommenden neuen Schuljahr geplant.
Dagegen haben nun Eltern Verfassungsklage eingereicht. Begründung dürfte sein (denn das ergibt sich aus der vorherigen Diskussion), ein alleiniges staatliches Pflichtfach, ohne die Möglichkeit als Alternative Religionsunterricht zu wählen, verstoße gegen die im Grundgesetz garantierte positive Religionsfreiheit. Also Art. 4 GG. Quasi analog: niemand darf gegen sein Gewissen zur Teilnahme am nicht-religiösen Ethik-Unterricht gezwungen werden.
Ich gehe mal, so über den großen Daumen gepeilt, davon aus, dass das durchkommt.
Wie seht Ihr das? _________________ Grüße,
Abrazo
Über den Daumen gepeilt sage ich mal dass die Sache verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden ist. Ebensoweinig wie die Teilnahme am nicht-religiösen Biologieunterricht (Evolution) oder Sport (Koedukation) zu beanstanden ist; der Schüler hat kein Recht darauf, von schichter Wissensvermittlung verschont zu bleiben.
Um in der Gesellschaft mitreden zu können ist es IMO hilfreich zu wissen was (oder an was) andere denken, was sie bewegt oder verletzt (Krikaturenstreit). Und wenn bei der Vermittlung dieses Wissens nicht darauf Einfluss genommen wird WAS man glauben soll habe ich damit keinerlei Probleme...
Um in der Gesellschaft mitreden zu können ist es IMO hilfreich zu wissen was (oder an was) andere denken, was sie bewegt oder verletzt (Krikaturenstreit). Und wenn bei der Vermittlung dieses Wissens nicht darauf Einfluss genommen wird WAS man glauben soll habe ich damit keinerlei Probleme...
Im Prinzip hast Du damit vollkommen recht.
Nur: dieser Unterricht soll - so besagen alle vorangegangenen Diskussionen - in erster Linie Werte vermitten, erst in zweiter Linie Wissen.
Und genau aus dem Grunde gehen Eltern zum Verfassungsgericht: weil sie die Möglichkeit haben wollen, dass ihre Kinder alternativ zum Ethikunterricht, also statt dessen, Unterricht in ihrer Religion erhalten und deren Werte vermittelt bekommen und berufen sich damit auf die positive Religionsfreiheit, was immer das bedeuten soll, denn so ganz klar ist mir das noch nicht. _________________ Grüße,
Abrazo
Oh je, ich erinnere mich dumpf an die säkilarisierte Auseinandersetzung um die einführung von LER in Brandenburg...
Unsere querulatorischen Freunde aus der Kirchenebene wollen also wieder mal erreichen, dass ihre Sprösslinge nur einseitig ihre jeweiligen Glaubensrichtungen erfahren wollen, die Sache ist doch Anfang 2001 schonmal ausgegangen wie das Hornberger Schießen...
Die Auseinandersetzung dürfte sich auch hier darauf beschränken, ob das Land davon absehen kann, Religionskunde im Sinne eines speziellen evangelischen oder katholischen oder muslimischen Lehrplans anzubieten, also die Frage, ob Art. 7 Abs. 2 GG ein individuelles Recht eröffnet.
Wann werden wir endlich eine vernünftige laizistische staatliche Ausrichtung ohne staatliche Eintreibung der Kirchensteuer u.a. erreichen??
Auch da mahne ich zu neutraler Vorsicht: es gibt nämlich auch ne ganze Menge fundamentalistischer atheistischer Missionare, die haben im Unterricht genau so wenig was zu suchen wie religiöse.
Tatsächlich könnte der Schuss mit dem Ethik-Unterricht auch nach hinten losgehen: die Kirchen sind nämlich eingeladen, an der Gestaltung mitzuwirken. Und das kann durchaus im Sinne von Ministerin von der Leyen ausgehen: das christliche Abendland soll christliche Werte lehren.
Also, Ethik/Religion als Wahlpflichtfächer scheint mir da die sauberere Lösung zu sein.
Zitat:
also die Frage, ob Art. 7 Abs. 2 GG ein individuelles Recht eröffnet
Gute Frage.
Nächste Frage: was ist mit "bekenntnisfreie Schule" gemeint? _________________ Grüße,
Abrazo
Auch da mahne ich zu neutraler Vorsicht: es gibt nämlich auch ne ganze Menge fundamentalistischer atheistischer Missionare, die haben im Unterricht genau so wenig was zu suchen wie religiöse.
Da muss ich zustimmen. Missionierung hat in der Schule nichts verloren, es dürfte jedoch einen Drahtseilakt gleichkommen, zu seinen eigenen Überzeugungen zu stehen, verschiedene Möglichkeiten darzustellen und dem Schüler jede Wahlmöglichkeit offen zu halten ohne missionierende einzuwirken. Missioniere ich nicht alleine dadurch, dass ich mich einer Diskussion stelle oder beginnt dies erst, wenn ich konkret versuche auf die Vorstellung eines Menschen einzuwirken? Wirke ich nicht schon dadurch konkret auf die Vorstellung eines Menschen ein, indem ich mich einer Diskussion stelle und mit Argumenten versuche meinen Standpunkt darzulegen?
Abrazo hat folgendes geschrieben::
Tatsächlich könnte der Schuss mit dem Ethik-Unterricht auch nach hinten losgehen: die Kirchen sind nämlich eingeladen, an der Gestaltung mitzuwirken. Und das kann durchaus im Sinne von Ministerin von der Leyen ausgehen: das christliche Abendland soll christliche Werte lehren.
Könnte passieren aber sind die vermeintlichen christlichen Grundwerte nicht eigentlich Werte die viele Religionen und Weltanschauungen als Basis eines zivilisierten, menschlichen Zusammenlebens entwickelt haben. Wären diese Grundwerte, die wir aus unserer christlich geprägten Gesellschaft heraus entwickelt haben nicht identisch mit den Grundwerten, welche auch Juden, Moslems und Buddhisten entwickelt haben und sind nicht diese Grundwerte, der kleinste gemeinsame Nenner, den wir Ethik nennen müssten? Oder verstehe ich den Wesensgehalt des Begriffes falsch (ernsthaft mal nachgefragt)?
Abrazo hat folgendes geschrieben::
Also, Ethik/Religion als Wahlpflichtfächer scheint mir da die sauberere Lösung zu sein.
Ich sehe es eigentlich anders, ich halte Ethik für ein fundamentales Element das Zusammenleben von Menschen verschiedener Kulturen, Weltanschauungen, Religionen, Wertevorstellungen reibungsloser funktionieren zu lassen (so zumindest meine Wunschvorstellung).
Ich sehe Ethik, egal aus welcher Wurzel stammend, als das Grundgerüst auf dem z.B. Religionen aufbauen oder aufbauen sollten. Von daher ist Ethik m.E. nach der elementare Baustein der in jedem Falle vermittelt werden sollte und sollte Pflichtfach werden.
Religion könnte darüber hinaus als Wahlfach angeboten werden, dagegen habe ich sicherlich nichts aber ich erinnere mich noch an meinen katholischen Religionsunterricht und andere Religionen, eine Auseinandersetzung mit anderen Wertevorstellungen hat nicht stattgefunden und das läuft meiner bescheidenen Meinung dem Gedanken des Ethikunterricht zuwider.
Ich würde mir also Ethik als Pflichtfach wünschen und Religion/Religionskunde in welcher Form auch immer als freiwilliges Wahlfach.
Ich denke die Positionen liegen aber eigentlich nicht so weit auseinander, denn der Grundgedanke ist doch, dass man zu der Meinung kommt, dass Schule nicht nur Wissen, sondern auch Werte vermitteln muss oder sollte.
Abrazo hat folgendes geschrieben::
Nächste Frage: was ist mit "bekenntnisfreie Schule" gemeint?
Ich habe früher immer gedacht, damit sind staatliche oder private Schulen gemeint, deren Träger keine Kirche ist und welche den Religionsunterricht nicht verpflichtend vorschreiben aber nachdem ich ein bißchen gegoogelt habe bin ich mir da gar nicht mehr sicher.
Vielleicht haut uns ja auch noch jemand die richtige Definition um die Ohren
Bekenntnisfreie Schulen, hab ich jetzt heraus gefunden, sind explizit areligiöse Schulen, also ebenso weltanschaulich gebunden wir religiöse Schulen. Weil sie das sind, brauchen sie auch keinen Religionsunterricht anzubieten, im Gegensatz zu öffentlichen Schulen.
Die Befürchtung scheint zu bestehen, dass die bekenntnisfreie Schule in Berlin zur Regelschule gemacht werden soll, was sicherlich nicht verfassungsgemäß ist.
In Sachen Ethik stimme ich Dir grundsätzlich zu; Problem: daran wird noch gearbeitet. Und so lange eine allgemeingültige Ethik nicht in Sätze formulierbar ist, wird, fürchte ich, wertorientierter Unterricht (das muss man scharf von wissensvermittelndem Unterricht trennen) nicht ohne weltanschaulichen Hintergrund erteilen können. Dann gilt nun mal, dass niemand sich die Lehren einer fremden Weltanschauung aufzwingen lassen muss.
Interessant dazu übrigens der Vermittlungsvorschlag des BVG zum ähnlichen Problem in Brandenburg:
Ich selbst würde lieber einen anderen Vorschlag machen: Recht und Staatsbürgerschaftskunde als Pflichtfach für alle. Basis sind unsere Normen, die in unserer Gesellschaft gelten; mit welchem Recht braucht man da nicht lange zu hinterfragen. Und die ersten Grundgesetzartikel bieten genügend Diskussionsstoff über Werte, ohne dass man sich auf Weltanschauungsfragen einlassen muss. Da kann jeder seine eigene gleichberechtigt einbringen. Da die Basis aber unser Recht ist, das für alle gilt, kann keine Religion und keine Weltanschauung sich beschweren, ihr würde eine fremde Anschauung zwangsweise aufs Auge gedrückt.
Beispiel: fundamentalistische Evangelikale halten Homosexualität für eine schwere Sünde, gegen die man unbedingt vorgehen muss. Kommen dabei schon mal zu Äußerungen, die klar rechtswidrig sind. Muss man in einem neutralen Unterricht sich mit solchen Glaubensfragen befassen? Nö. Kann man sagen, rechtswidrig, weil - siehe § StGB und begründet durch - siehe Ableitung aus GG.
Wenn dat dir nich passt, es dat ejal, dat gilt et hier. Basta. _________________ Grüße,
Abrazo
Ich selbst würde lieber einen anderen Vorschlag machen: Recht und Staatsbürgerschaftskunde als Pflichtfach für alle. Basis sind unsere Normen, die in unserer Gesellschaft gelten; mit welchem Recht braucht man da nicht lange zu hinterfragen. Und die ersten Grundgesetzartikel bieten genügend Diskussionsstoff über Werte, ohne dass man sich auf Weltanschauungsfragen einlassen muss. Da kann jeder seine eigene gleichberechtigt einbringen. Da die Basis aber unser Recht ist, das für alle gilt, kann keine Religion und keine Weltanschauung sich beschweren, ihr würde eine fremde Anschauung zwangsweise aufs Auge gedrückt.
Der Vorschlag ist super.
Die meisten Fragesteller wissen nicht mal, dass ein Vertrag auch mündlich geschlossen werden kann. Hier fehlt eine große Menge an rechtlichem Hintergrundwissen.
Religionskunde kann im Rahmen von Arbeitsgemeinschaften auf freiwilliger Basis unterrichtet werden.
Falls jemand der Lehrplan für Ethik interessiert (Mittelschule, Freistaat Sachsen):
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