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Der "furchtbare Jurist"
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Redfox
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Anmeldungsdatum: 31.10.2005
Beiträge: 8443
Wohnort: Am Meer

BeitragVerfasst am: 16.04.07, 12:57    Titel: Antworten mit Zitat

Ivanhoe hat folgendes geschrieben::

Wäre er ein Verbrecher gewesen, dann wäre er wohl nachträglich verurteilt worden. Oder sehe ich das falsch?


Mir persönlich wäre es neu, daß alle Verbrecher verurteilt werden.

Denn dann wäre Adolf Hitler (der ja tot ist und den man dann wohl ruhen lassen müßte) kein Verbrecher gewesen.

(Ob A.H., wenn es eine Trauerrede gegeben hätte, wohl auch als Gegner seiner selbst bezeichnet worden wäre?)

Denn ändern kann man es ja eh nicht mehr. Mit den Augen rollen
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Toleranz sollte eigentlich nur eine vorübergehende Gesinnung sein: Sie muß zur Anerkennung führen. Dulden heißt beleidigen. (Goethe, Maximen und Reflexionen).
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Leon6
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Anmeldungsdatum: 15.04.2005
Beiträge: 613

BeitragVerfasst am: 16.04.07, 13:08    Titel: Antworten mit Zitat

Zitat Ivanhoe
Zitat:
Wäre er ein Verbrecher gewesen, dann wäre er wohl nachträglich verurteilt worden. Oder sehe ich das falsch?

ich denke, du siehst es genau richtig. Er ist aber nie verurteilt worden und darum finde ich es umso fragwürdiger, dass man nach Filbingers Tod das nun meint außerhalb des Rechtsweges durch Verbalverurteilung nachzuholen zu müssen. Ich war auch kein Anhänger Filbingers, aber die Art und Weise Geschichte neu schreiben zu wollen und in eine heute neu gestaltete Sichtweise und Anschauung pressen zu wollen, finde ich höchst bedenklich. Je mehr Zeit vergeht, desto "schräger" werden die neuen "Erkenntnisse". Die dadurch gesteuerte Meinungsbildung halte ich für gefährlich und geschichtsverfälschend. Vor Demagogen dieser Art habe ich mehr Angst, als vor irgendwelchen Altnazis.

Im übrigen: Haben nicht alle Richter damals im Sinne der damals geltenden Gesetze geurteilt, so wie heute alle Richter im Sinne der heutigen Gesetze urteilen ?
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SpecialAgentCooper
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Anmeldungsdatum: 07.09.2006
Beiträge: 3296

BeitragVerfasst am: 16.04.07, 13:20    Titel: Antworten mit Zitat

Das Moment der Unverschämtheit dieses Falls liegt doch darin, dass Herrn O. und seinem vorab darüber in Streit gefallenem Beraterstab es durchaus bewußt war, dass die weiße Weste des Verstorbenen - objektiv - einige unübersehbare braune Flecken hat. Ein Ministerpräsident, der hiervor die Augen verschließt, wird seiner Verantwortung vor dem gesamten Volk seines Bundeslandes nicht gerecht. Im Gegenteil beleidigt er damit die Opfer der NS-Justiz und deren Hinterbliebenen.
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„Die Welt wird immer absurder. Nur ich bin weiter Katholik und Atheist. Gott sei Dank!“ (Luis B.)
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Redfox
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Anmeldungsdatum: 31.10.2005
Beiträge: 8443
Wohnort: Am Meer

BeitragVerfasst am: 16.04.07, 13:28    Titel: Antworten mit Zitat

Leon6 hat folgendes geschrieben::

Im übrigen: Haben nicht alle Richter damals im Sinne der damals geltenden Gesetze geurteilt, so wie heute alle Richter im Sinne der heutigen Gesetze urteilen ?


Nein, sie haben nicht alle im Sinne der nazionalsozialistischen Auffassung (für die schon das Wort des "Führers" Gesetz war) geurteilt, und das Schlimmste ist: der gravierendste Nachteil, wenn es überhaupt einen gab, war die Versetzung in den Ruhestand unter Wahrung des Pensionsanspruches.

Für Richter war es wirklich kein besondes großes Problem, mutig zu sein, wenn man es denn sein wollte.

Siehe dazu z.B. Angela Borgstedt, "Badische Juristen im Widerstand" oder auch Angela Borgstedt: Justiz im Nationalsozialismus, Widerstand aus der Justiz.

IOm übrigens ist es eigenartig, daß einige Leute unsere Gesetze mit denen des nationalsozialistischen Deutschland auf eine Stufe stellen.
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ZetPeO
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Anmeldungsdatum: 14.07.2006
Beiträge: 2166

BeitragVerfasst am: 16.04.07, 14:01    Titel: Antworten mit Zitat

Leon6 hatte geschrieben:
Zitat:
Je mehr Zeit vergeht, desto "schräger" werden die neuen "Erkenntnisse".


Hier übersehen Sie, dass dies weder schräge noch neue Erkenntnisse sind.
Nur weil keine rechtliche Würdigung existiert bzw. nachgeholt wurde
kann man diese alten Erkenntnisse nicht wegdiskutieren.
Zitat:
Die dadurch gesteuerte Meinungsbildung halte ich für gefährlich und geschichtsverfälschend. Vor Demagogen dieser Art
habe ich mehr Angst, als vor irgendwelchen Altnazis.

Was ist daran denn Geschichtsverfälschung und welche Demagogen
meinen Sie?


Vor solchen Meinungen habe ich Angst.


Gr.
ZetPeO
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Manche Menschen haben einen Gesichtskreis vom Radius Null und nennen ihn ihren Standpunkt
David Hilbert

Wenn die Sonne der Weisheit tief steht, werfen auch geistige Zwerge lange Schatten.
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SpecialAgentCooper
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Anmeldungsdatum: 07.09.2006
Beiträge: 3296

BeitragVerfasst am: 16.04.07, 16:15    Titel: Antworten mit Zitat

Mag sein, aber gerade in der Filbinger-Debatte ist ein derartig überzeichnendes, im Kern m. E. aber zutreffendes Hitler-Totschlags-Argument wirklich verlockend, weil er zwar nur einbeinig, aber dennoch immerhin mit Verstand um die Ecke hinkt. Der Beitrag von Redfox bietet für eine wohl kritisierte angebliche Gleichstellung von Filbinger und Anstreicher m. E. keinen Raum.
Es sollte im Hinterkopf behalten, das Recht und Gerechtigkeit hier wohl auseinanderfallen; eine angemessene Vergangenheitsbewältigung aber auch dem Recht zu seiner erforderlichen Geltung verhelfen kann.
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Cicero
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Anmeldungsdatum: 24.11.2005
Beiträge: 5793

BeitragVerfasst am: 16.04.07, 18:43    Titel: Antworten mit Zitat

Ivanhoe hat folgendes geschrieben::
Bei einer Trauerrede schlecht über den Verstorbenen und dessen Vergangenheit zu reden, wäre meines Erachtens genauso deplaziert.


Demnach wäre es also deplaziert, einen verstorbenen Bäcker in einer Trauerrede als Bäcker zu bezeichnen. Aber muss man deswegen gleich behaupten, er sei Schreiner gewesen?
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Roni
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Anmeldungsdatum: 21.01.2005
Beiträge: 4287

BeitragVerfasst am: 16.04.07, 21:08    Titel: Antworten mit Zitat

Warum die nationalsozialistische Vergangenheit überhaupt erwähnt wurde ist fraglich.
Was wollte man damit bezwecken. Diplomatischer wäre es gewesen hierzu einfach nichts zu sagen. Oder hat man damit bewusst was erreichen wollen Frage Frage

Gruß roni
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SpecialAgentCooper
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Anmeldungsdatum: 07.09.2006
Beiträge: 3296

BeitragVerfasst am: 17.04.07, 07:27    Titel: Antworten mit Zitat

Ein cleverer Ministerpräsident hat bei solchen Anlässen unaufschiebbare andere Termine und schickt einen als Langeweiler bekannten Staatssekretär wegen der Trauerreder los, damit die Presse gar nicht erst Interesse entwickelt. Aber hier ging es für Herrn O. doch wohl in erster Linie darum, rechtspopulistisches Profil zu schärfen, auch wenn das zurückrudernde Ergebnis nun ein wohl nicht beabsichtigtes sein dürfte. Den Spass hat der Betrachter.
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Redfox
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Anmeldungsdatum: 31.10.2005
Beiträge: 8443
Wohnort: Am Meer

BeitragVerfasst am: 17.04.07, 08:10    Titel: Antworten mit Zitat

Charly50226 hat folgendes geschrieben::

Denn ich gebe zu Bedenken, dass streng genommen alle Naziverbrechen durch das berühmte Ermächtigungsgesetz gedeckt waren.


Das hat eigentlich nichts damit zu tun, ob etwas streng genommen wird oder nicht, sondern ist eine rechtpositivistische Auffassung; siehe z.B. --> http://de.wikipedia.org/wiki/Rechtspositivismus

Nur Anhänger des Rechtspositivismus können zu dem Ergebnis kommen, daß heute nicht Unrecht sein kann, was damals Recht war.

Wenn man den Rechtspositivismus jedoch ablehnt, war damals genauso Unrecht was auch heute Unrecht ist.

Charly50226 hat folgendes geschrieben::
Erst durch die nachträgliche Anwendung von wichtigen Teilen des heutigen Strafrechts, gelang überhaupt eine Verurteilung von Nazis.


Das ist nur zum Teil richtig und bezieht sich im wesentlichen auf die Kriegsverbrecherprozesse gegen die Hauptkriegsverbrecher in Nürnberg, wo neue Strafvorschriften angewandt wurden.

Die Folgeverfahren beruhten in der Regel auf normale strafrechtliche Verfehlungen, die auch in der Zeit des Nationalsozialismus strafbar waren, denen man aber u.U. die Rechtfertigung durch nationalsozialistische Gesetze versagte; siehe z.B --> http://de.wikipedia.org/wiki/Auschwitz-Prozesse

Charly50226 hat folgendes geschrieben::
Dass die Juristen (insbesondere des berüchtigten Volksgerichtshofs) davon ausgenommen wurden, ist wohl kaum damit zu begründen, dass alles mit rechten Dingen zuging...


Der Bundesgerichtshof billigte 1956 den Angehörigen des Volksgerichtshofs das so genannte Richterprivileg zu, wonach keiner wegen Rechtsbeugung oder anderen Delikten verurteilt werden kann, wenn er sich an damals geltende Gesetze gehalten hat bzw. das Unrecht seines Tuns nicht erkannt hat.

Auch das ist eine rechtspositivistische Auffassung, die nicht unumstritten ist.

Inoffizielle wurde übrigens dem Vorsitzenden Freisler ein erhebliches Einwirken auf die übrigen Richter zugesprochen. Bei Freisler mußte man aber durch sein Ableben im Februar 1945 keine Gedanken mehr über Rechtsbeugung und das Richterprivileg machen.
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Cicero
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Anmeldungsdatum: 24.11.2005
Beiträge: 5793

BeitragVerfasst am: 17.04.07, 10:11    Titel: Antworten mit Zitat

Zitat:
Nur Anhänger des Rechtspositivismus können zu dem Ergebnis kommen, daß heute nicht Unrecht sein kann, was damals Recht war.

Wenn man den Rechtspositivismus jedoch ablehnt, war damals genauso Unrecht was auch heute Unrecht ist.


Die beiden Aussagen widersprechen sich doch gar nicht. Winken
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Redfox
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Anmeldungsdatum: 31.10.2005
Beiträge: 8443
Wohnort: Am Meer

BeitragVerfasst am: 17.04.07, 11:17    Titel: Antworten mit Zitat

Cicero hat folgendes geschrieben::

Die beiden Aussagen widersprechen sich doch gar nicht. Winken


Inwiefern nicht?
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flüstertüte
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Anmeldungsdatum: 19.10.2006
Beiträge: 807
Wohnort: Stuttgart

BeitragVerfasst am: 17.04.07, 11:38    Titel: Antworten mit Zitat

Der Wunsch, alte Kamellen nicht mehr lutschen zu wollen ist verständlich @ Ivanhoe.
Es ist aber keine alte Kamelle, sondern eine aktuelle Aussage eines Ministerpräsidenten, welche vor dem Hintergrund der bekannten Fakten unhaltbar war.

Von einer, ich formuliere mal, "inneren Emigration" des seinerzeitigen Marinerichters zu sprechen ist schlicht nicht drin. Zugegeben, für alle war es damals eine schwierige Zeit und ich selbst habe das Verfahren nicht mehr im Kopf. Soweit ich weiß ging es um ein oder mehrere Todesurteile kurz vor Ende des Kriegs wegen vergleichsweise geringer Delikte. "Kriegsrecht" eben.

Ich bezweifle nicht, dass Herr Oettinger die Nazizeit und ihre Auswirkungen selbst verurteilt, aber diese Art der versuchten "Ehrenrettung" ist taktlos und peinlich.

Leon6 hat folgendes geschrieben::
Vor Demagogen dieser Art habe ich mehr Angst, als vor irgendwelchen Altnazis.


Das ist zumindest unüberlegt. Wo ist da Demagogie? Jeder weiß was war, man kann es immer noch nachlesen. Der einzige der Geschichtsklitterung betrieb, war Herr Oettinger in seiner Rede.
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Das Leben ist ungerecht, aber denke daran: nicht immer zu deinen Ungunsten. John F. Kennedy
War die Antwort nützlich? Ein kurzes Klick oder "Danke" wäre schön.
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Karsten11
FDR-Moderator


Anmeldungsdatum: 17.06.2005
Beiträge: 3169

BeitragVerfasst am: 17.04.07, 11:52    Titel: Antworten mit Zitat

Hallo,

der berühmt/berüchtigte Satz Filbingers "daß heute nicht Unrecht sein kann, was damals Recht war" ist für mich ein Musterbeispiel darin, dass eine differenzierte Auseinandersetzung mit dem Thema immer noch sehr schwierig ist.

Natürlich setzte sich das Recht im Nationalsozialismus aus Teilen zusammen, die damals wie heute unstrittig waren und solchen, die nach heutigen Maßstäben unrechtmäßig sind (und sein müssen). Die STVO zum Beispiel ist in Nazideutschland, der DDR und der BRD im Kern gleich. Bei einem Autofahrer, der wegen Verstosses gegen die Geschwindigkeitsbegrenzung in Nazideutschland verurteilt wurde, würde daher Filbingers Satz völlig korrekt sein (auch wenn Nazideutschland kein Rechtsstaat war) .

Umgekehrt sind alle Gesetze, die zur Legitimierung der Verbrechen des Nazi-Regimes dienten, angefangen vom Ermächtigungsgesetz, in einem Rechtsstaat notwendigerweise ungültig. Urteile des Volksgerichtshofs z.B. können daher nach 1945 keine Gültigkeit mehr für sich beanspruchen. Hier Filbingers Satz anzuwenden, um solche Rechtsakte zu legitmieren wäre natürlich unerträglich.

Diese Unterscheidung hat Filbinger damals nicht getroffen. Die Folge war sein Rücktritt.

Auch heute wird die Unterscheidung oft nicht getroffen. Nur ist die Argumentation heute meist umgekehrt: Ein Richter, der zu NS-Zeiten "Recht" sprach, habe damit schon Unrecht begangen, da das anzuwendende Recht der damaligen Zeit nicht rechtstaatlichen Maßstäben entsprach.

Das ist natürlich genauso undifferenziert. Im Falle Filbingers wäre also nicht zu fragen (wie Oettinger dies tat): Wurden Todesstrafen verhängt oder vollstreckt? Sondern es wäre zu fragen: Was wäre denn gewesen, wenn Filbinger Marinerichter Englands oder der USA gewesen wäre? Hätte er dort Fahnenflüchtlinge nicht genauso verurteilt und ebenfalls mit der Todesstrafe? Natürlich hätte er. Und niemand hätte ihm einen Vorwurf gemacht. Es war Krieg. Und im Krieg steht auf Dissertation auch die Todesstrafe.

Der Teil, des Rechts, den Filbinger anwenden musste, war eben kein Teil des rechtsstaatlich inakzeptabelen Nazi-Rechtes, sondern das in der damaligen Zeit in allen Staaten übliche Militärrecht.
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Redfox
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Anmeldungsdatum: 31.10.2005
Beiträge: 8443
Wohnort: Am Meer

BeitragVerfasst am: 17.04.07, 12:48    Titel: Antworten mit Zitat

flüstertüte hat folgendes geschrieben::
"Kriegsrecht" eben.


Diese Begründung besagt leider nicht sehr viel.

Im ersten Weltkrieg gab es im Deutschen Reich 48 vollstreckte Todesurteile der Militärjustiz.

Im Zweiten Weltkrieg gab es knapp 20.000, von denen rund 15.000 vollstreckt wurden.

Karsten11 hat folgendes geschrieben::
Was wäre denn gewesen, wenn Filbinger Marinerichter Englands oder der USA gewesen wäre? Hätte er dort Fahnenflüchtlinge nicht genauso verurteilt und ebenfalls mit der Todesstrafe? Natürlich hätte er.


In Großbritannien wurde im Zweiten Weltkrieg kein einziges Todesurteil wegen Fahnenflucht verhängt.

Die USA etwa vollstreckten während des Zweiten Weltkrieges insgesamt 146 Todesurteile, davon ein einziges wegen Fahnenflucht. Die übrigen Exekutionen bziehen sich nahezu ausschließlich auf Mord oder Vergewaltigung.

In Frankreich wurden 103 Todesurteile ausgesprochen, ein Urteil wegen Fahnenflucht ist nicht bekannt.

Siehe z.B. --> www.taz.de/pt/2005/10/29/a0025.1/text und http://hsozkult.geschichte.hu-berlin.de/rezensionen/id=1508&count=5507&recno=6&type=rezbuecher&sort=beitraeger&order=up
oder www.wlb-stuttgart.de/seekrieg/kriegsrecht/widerstand.htm

Karsten11 hat folgendes geschrieben::
Die STVO zum Beispiel ist in Nazideutschland, der DDR und der BRD im Kern gleich. Bei einem Autofahrer, der wegen Verstosses gegen die Geschwindigkeitsbegrenzung in Nazideutschland verurteilt wurde, würde daher Filbingers Satz völlig korrekt sein (auch wenn Nazideutschland kein Rechtsstaat war) .


Hier wird die Rechtsprechung wiederum unterschätzt.

Eine Verurteilung wegen einer Geschwindigkeitsüberschreitung sieht im ersten Moment "rechtsformneutral" aus.

Anders ist es aber, wenn der Richter als strafverschärfend wertet, daß es sich bei dem Autofahrer um einen Juden handelt.

Karsten11 hat folgendes geschrieben::
Urteile des Volksgerichtshofs z.B. können daher nach 1945 keine Gültigkeit mehr für sich beanspruchen. Hier Filbingers Satz anzuwenden, um solche Rechtsakte zu legitmieren wäre natürlich unerträglich.


Oje, dafür braucht man Filbingers Satz nicht.

Die Urteile des Volksgerichtshofes sind nach wie vor rechtskräftig. Es gibt keine Aufhebung auch nur eines einzigen Urteils durch die Nachkriegsjustiz.

Erst am 25.1.1985 hat der Deutsche Bundestag die politische Bewertung des Volksgerichtshof durch eine einstimmige Entschließung mit folgender Formulierung vorgenommen:

"Der Deutsche Bundestag stellt fest, dass die als `Volksgerichtshof`` bezeichnete Institution kein Gericht im rechtsstaatlichen Sinne, sondern ein Terrorinstrument zur Durchsetzung nationalsozialistischer Willkürherrschaft war.

Den Entscheidungen des `Volksgerichtshofs` kommt nach Überzeugung des Deutschen Bundestages keine Rechtswirkung zu ..."

Das ist aber nur die subjektive Meinung des Deutschen Bundestages. Zu einer Annilierung der Urteile konnte sich der Deutsche Bundestag auch 1985 nicht durchringen. Zu einer weitergehenden Formulierung war die Franktion der CDU/CSU nicht bereit.
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Zuletzt bearbeitet von Redfox am 17.04.07, 12:57, insgesamt 2-mal bearbeitet
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